Die Aufregung, so meine Wahrnehmung, nimmt spürbar zu, was den neuen ChatGPT betrifft – jedenfalls in meinem eigenen (universitären) Umfeld. Kaum eine Gremien- oder andere Sitzung bzw. Besprechung vergeht, ohne dass es die Frage gestellt wird, wie man sich in Lehre und bei der Gestaltung von Prüfungen nun verhalten soll.
Meine eigene Zurückhaltung in Bezug auf konkrete Folgerungen und Einschätzungen (siehe hier), kann nicht jeder nachvollziehen: Christian (Spannagel) zum Beispiel kommentiert meinen Beitrag mit einer optimistischen Haltung, wie wir die massentauglich werdende KI in die Gestaltung von Lernumgebungen integrieren können. Ich sehe das durchaus auch als eine mögliche Facette – da kann und will ich gar nicht widersprechen. Mir ist auch völlig klar, dass wir jetzt nicht auf einen Kulturwandel warten können (was ohnehin nicht funktioniert, denn wer nur wartet, stößt auch keinen Wandel (mit) an). Natürlich geht es im Moment auch um ganz operative Fragen: Was tun wir insbesondere mit Leistungen, von denen wir nicht mehr bzw. noch weniger als früher wissen, ob sie Eigenleistungen sind? Trotzdem finde ich, dass man parallel zur Suche nach Antworten auf die akuten Fragen das grundsätzliche Moment dieser Entwicklung aufgreifen und angehen müsste …
Bereits im Dezember 2022 hat der Präsident der Karlshochschule in einem Interview (hier) deutlich gemacht, dass seine Hochschule die neue Entwicklung eher umarmen will, was – wie er selber betont – natürlich bei einer Studierendenzahl von gerade mal 650 mit flächendeckend persönlichen Kontakten ein anderes Unterfangen ist als in einer Volluniversität mit 40.000 oder 50.000 Studierenden. Vielleicht sollte man diese hier deutlich werdenden Unterschiede zum Anlass nehmen, darüber nachzudenken, ob Massenuniversitäten noch zeitgemäß sind?
Einen schönen und sachlichen Überblick (der offenbar laufend ergänzt wird) zu ChatGPT für die Schule findet man aktuell auf den Webseiten der Pädagogischen Hochschule Schwyz – verfasst von Beat Döbeli Honegger, einem Garanten für gute Informationen in solch einem Bereich (hier). Was man da in Bezug auf die Schule lesen kann, lässt sich meiner Einschätzung nach auch als Impuls für die Hochschule heranziehen: Die Seite thematisiert tatsächlich alles (kurz), was mir in den letzten zwei Wochen im Hochschulkontext über den Weg gelaufen ist: von technischen Klarstellungen zu ChatGPT über langfristige gesellschaftliche Auswirkungen bis zu konkreten akuten Fragen für die Gestaltung von Lehre – zum Beispiel: die Bedeutung von Data bzw. KI Literacy, Chatbots der neuen Generation als Thema in der Lehre, Veränderung des Anspruchsniveaus bzw. der Lehr-Lernziele (was soll man noch wissen/können?), Motivationsprobleme (empfundene Sinnlosigkeit beim Erwerb von Kompetenzen, die man an die Maschine delegieren kann), Potenziale, Grenzen und unbekannte Risiken bei der Erstellung von Material, Aufgaben etc. für die Lehre und so weiter.
Auf jeden Fall werte ich es als gutes Zeichen, dass da gerade eine sehr rege Diskussion in Gang ist. Man kann nur hoffen, dass diese Diskussion reflektiert und vielfältig bleibt, dass Erfahrungen dokumentiert und besprochen werden, dass Experimentierfelder entstehen, damit wir zumindest viele unsere offenen Fragen nicht vorschnell eindeutig beantworten, sondern als Annahmen einbringen und explorieren können.
Um mal wirklich deutlich zu machen, wie prekär die Lage ist:
https://j3l7h.de/blog/2023-01-21_20_16_ChatGPT%20formuliert%20Stichwortsammlungen%20aus
Hintergrund:
https://j3l7h.de/blog/2023-01-14_21_19_Bessere%20Lernbegleiter%2Ainnen%20empfehlen%20ChatGPT