Der Förderzeitraum unseres Design-Based Research (DBR) Netzwerks neigt sich dem Ende zu. Vergangene Woche haben wir unsere letzte Veranstaltung, nämlich das dritte Online-Kolloquium für Nachwuchswissenschaftler, angeboten: „Design connects. Making DBR better together“. Neun Beiträge aus Deutschland, Österreich, Italien und den USA wurden vorab als Video zur Verfügung gestellt und zunächst asynchron kommentiert und rekommentiert. Fachlich waren die vorgestellten DBR-Studien breit gestreut: Die Inhalte bzw. Interventionen in den DBR-Projekten stammen aus der Mathematik, Wirtschaftspädagogik und Berufsbildung, Wirtschaftsethik, Schul- und Musikpädagogik sowie Bildungs- und Technologieforschung. Am letzten Freitag haben wir uns dann synchron getroffen und acht der Beiträge in parallelen Workshops diskutiert. Den Abschluss bildete ein Vortrag von Christopher Hoadley, der zu den wohl bekanntesten Namen im Kontext von DBR zählt.
Die Veranstaltung war gut besucht; über 30 Personen haben teilgenommen. Sechs Stunden mit mehreren Pausen können auch in einer Online-Veranstaltung schnell vergehen: Mein persönlicher Eindruck war, dass die Diskussionen zu den Beiträgen – dank der vorab rezipierten Inhalte – in die Tiefe gingen und, so jedenfalls meine Hoffnung, den Nachwuchswissenschaftlerinnen auch weitergeholfen haben.
In den Workshops, die ich selbst besucht habe, kam immer wieder die Frage auf, ob das, was man gerade im Projekt macht, tatsächlich DBR ist: Ist klar, was der Design-Gegenstand ist? Welche Rolle spielt das Design im Forschungs- und Erkenntnisprozess? Eignen sich die formulierten Forschungsfragen für ein DBR-Projekt? Deutlich geworden ist außerdem: Wer selbst Expertise zu den Inhalten der präsentierten DBR-Projekte hat (z.B. Mathematik, Berufsbildung, Transfer etc.), richtet die Aufmerksamkeit auf andere Dinge als diejenigen, die inhaltlich außenstehend, aber DBR-kundig sind. Das ist ein aus meiner Sicht interessanter Effekt, der zeigt, dass es durchaus sinnvoll ist, sich Feedback aus einer heterogenen Gruppe zu holen, denn: Beide Perspektiven können die Weiterentwicklung von DBR-Projekten anregen.
Zu den Diskussionen, die ich selbst miterlebt habe, passte Christopher Hoadleys Vortrag am Ende der Veranstaltung bestens: „When design research isn’t design-based research: Knowledge contributions across epistemologies“. Gefreut hat mich, dass sich Arthur Bakker und Pieter Jan Stappers, unsere Referenten aus dem DBR-Symposium im September 2023 (siehe dazu hier), zu diesem Vortrag dazugeschaltet haben. Zum Einstieg betonte Hoadley, dass DBR nach wie vor damit kämpfe, dass es verschiedene Definitionen und Auffassungen gäbe und es trotz der Verbreitung von DBR-Studien immer noch an wissenschaftlicher Anerkennung für diese Art des Forschens mangele. Nach wie vor dominiere ein – gemessen an den verbreiteten Gütekriterien – naturwissenschaftliches bzw. positivistisches Verständnis von Forschung, Wahrheit und Ansprüchen an die resultierenden Ergebnisse. Kommt Design ins Spiel, ist vor allem der traditionelle Handlungszyklus von Forschung und Design im Fokus der Aufmerksamkeit. Am Beispiel der medizinischen Forschung versuchte Hoadley zu zeigen, dass selbst in diesem Bereich enge Vorstellungen von Wissenschaft und Forschung an Grenzen stoßen. Um ein Vielfaches problematischer werde es, wenn es um Bildung geht – einem Feld, auf dem einfache Ursache-Wirkungszusammenhänge selten anzutreffen sind: „A curriculum is not a pill“.
Wendet man den Blick in die Designwissenschaften, findet man laut Hoadley interessante Impulse wie auch Abgrenzungsnotwendigkeiten: DBR sei weder Research on Design noch Research for (in service of) Design, sondern vor allem Research through Design. Das sehe ich selbst genauso (siehe z.B. hier). Dieser Ausflug in die Designwissenschaften hat mir (natürlich) gefallen. Ein weiterer wichtiger Bezugspunkt in seinem Vortrag war der Pragmatismus; auf der Basis einiger Zitate des Pragmatisten Dewey hat Hoadley seine Folgerungen auf die knappe Formel gebracht: „Knowledge is as knowledge does“. Design, so eine der abschließenden „Take-aways“ könne selbst zur Wissensproduktion beitragen, und die Grenzen zwischen lokaler Wissensproduktion und Forschung seien nicht scharf.
Bei seinen abschließenden Überlegungen war ich mir nicht ganz im Klaren darüber, welches Wissenschafts- und Forschungsverständnis Hoadley selbst verfolgt: ein weites, das Erkenntnis durch Design integriert, oder ein engeres, das Wissensproduktion durch Design als eine zur Forschung alternative Erkenntnisquelle ansieht? Ich denke, am Ende hängt es wohl genau davon ab, also vom Verständnis, was als Wissenschaft bzw. wissenschaftliche Forschung gelten darf, zu welcher Antwort man hier kommen wird.
Der Vortrag wurde aufgezeichnet und in Kürze online auf unserem DBR-Blog verfügbar gemacht.