Sie wollen Tools, Techniken und Tricks

Also es ist jetzt nicht gerade eine Neuigkeit, denn dass die Abschiedsvorlesung von Friedemann Schulz von Thun hier online zugänglich ist, wurde schon auf vielen Blogs verbreitet. Um sich diese ganz anzuhören, muss man aber schon ein bisschen Zeit mitbringen (oder sie sich nehmen) und dazu bin ich erst heute gekommen. Ich habe es nicht bereut!

So stellt man sich eine Abschiedsvorlesung vor! Wie oft bekommt man eine solche zu hören? Ich würde mal sagen: Nicht oft. Da wird Biografisches mit inhaltlichen Erkenntnissen verknüpft, es werden Anekdoten aus dem universitären Alltag berichtet, aber auch Schlüsselerlebnisse für den eigenen Werdegang geschildert und geschickt mit Botschaften aus dem eigenen Forschungsgebiet verbunden. An manchen Stellen wird fast ein bisschen (locker verpackte) Wissenschaftsgeschichte hörbar, gepaart mit Selbstkritik, denn natürlich kann wohl jeder Wissenschaftler mit Blick zurück seine Irrwege oder ein noch fehlendes Verständnis feststellen – nur machen es nicht viele, obschon es doch so lehrreich ist.

„Sie wollen Tools, Techniken und Tricks“, sagt Schulz von Thun etwa von den Unternehmensvertretern. Er sagt es mit leiser Ironie in der Stimme, um dann sogleich Verständnis zu zeigen, denn die eigene Professionalität verlange es eben, praktisch einsetzbare Instrumente zu kennen und zu nutzen. Und dann kommt er auf die „Entwicklung des inneren Menschen“ zu sprechen und bringt später auch ein persönliches Beispiel: den zermürbenden Umgang mit marxistischen Gruppen in den Hörsälen der 1980er Jahre (die ich in meinem Studium auch noch beobachten, aber damals überhaupt nicht einordnen konnte). Fast schon bewegend schildert er, wie er sich in der Auseinandersetzung mit diesen Gruppen von außen betrachtet acht Jahre lang – man könnte sagen – „tapfer geschlagen“ hat und wie sehr es ihn doch im Inneren nicht nur zermürbt, sondern verletzt hat – am Rande zum Burnout.

Schulz von Thun erzählt (zu diesem Thema siehe auch hier) – man hört ihm zu und die 100 Minuten, die er spricht, wirken nicht ermüdend. An vielen Stellen unterhält er seine Zuhörer, blickt mit Witz und Humor auf sich, seine Kollegen und auch die Sache, die ihn bis heute begeistert. Aber er hat durchaus auch inhaltlich etwas zu sagen – sehr dosiert, aber dafür scheinen ihm die ausgewählten diese Botschaften sehr wichtig zu sein: allem voran die Stimmigkeit – ein Konzept, von dem er befürchtet, dass man es unterschätzt und angesichts der Popularität seines „Vier-Ohren-Modells“ als „Oberideal“ vergisst. Gemeint ist die Stimmigkeit zwischen Innen und Außen, zwischen Selbstbewusstsein und Systembewusstsein.

Es ist freilich keine „normale Vorlesung“; es ist eine Abschiedsvorlesung, in der man sich nicht genötigt fühlen muss, besonders viele Inhalte zu vermitteln. Trotzdem kann man an dieser erkennen, was Schulz von Thun auch in seiner Rede (das ist vielleicht der bessere Begriff) an einer Stelle sagt, nämlich, dass man die Menschen bewegen muss, wenn man ihnen etwas vermitteln will. Die große Frage ist, wie man sie bewegen kann und diese Rede zeigt, dass man dazu keine lauten Effekte braucht. Es genügt die eigene Begeisterung für eine Sache, die authentische Darstellung und Sensibilität für das Publikum. Wenn man das am Ende seiner Laufbahn so hinbekommt, dann darf man sich vielleicht ein bisschen auf die Schulter klopfen, ohne sagen zu müssen: „In meiner Haut möchte ich nicht stecken“ (Schulz von Thun, 2009).

Fragen lernen ist (nicht) schwer

Es ist Zeit für einen ersten Erfahrungsbericht zu meiner „Podcast-Vorlesung“, wobei zunehmend klar wird, dass das an sich die falsche Bezeichnung ist, denn zentral ist ja die Kombination aus Podcast, Textlektüre, Wiki-Arbeit und Tutorium. Wie das Konzept im Einzelnen aussieht, habe ich hier bereits beschrieben.

Am Anfang der Konzeption habe ich mir vor allem Gedanken über die Funktion und die Art des Podcasts gemacht. Das war/ist auch wichtig – insbesondere muss man den Studierenden genau sagen, welche Funktion der Podcast in diesem Konzept hat: Er hat rahmende und (hoffentlich) motivierende Funktion für die Textlektüre und soll zudem dabei helfen, bei der Textlektüre besser zu erkennen, was wichtig und was weniger wichtig ist. Dass genau das nämlich gar nicht so leicht ist, zeigte die erste Runde in der Wiki-Arbeit. Die se Wiki-Arbeit gerät jetzt bei der Durchführung der Veranstaltung zunehmend in den Fokus meiner Aufmerksamkeit, weshalb ich darüber kurz bercihten möchte.

Mit der Wiki-Arbeit betrete ich das zweite Neuland im Rahmen dieser Veranstaltung: Mein Ziel ist es, dass die Studierenden für insgesamt acht Themenblöcke in einem (geschlossenen) Wiki ihre Klausurfragen und dazugehörige Musterantworten selbst generieren! Dabei werden sie natürlich unterstützt. Wie diese Unterstützung genau aussieht, das war mir zu Beginn auch noch nicht klar, weil ich überhaupt nicht einschätzen konnte, wie das funktioniert. Nun liegen die ersten Erfahrungen vor. Erfreulich ist, dass die Kernzielgruppe der Veranstaltung (Studierende des Studiengangs Medien und Kommunikation) sich zu ca. 70% an der Wiki-Arbeit (in Partnerarbeit) bislang beteiligt haben. Wie zu erwarten war, erwies sich die erste Wiki-Runde allerdings noch in vielen Dingen als verbesserungswürdig: Trotz Instruktionen und Hinweise vorab wurden z.B. viele ähnliche Fragen doppelt oder mehrfach gestellt (und beantwortet). Mitunter passten die Antworten nicht oder zu wenig zu den Fragen. Manche Fragen waren so gestellt, dass sehr viele Antworten möglich wären, was in einer Klausur nicht funktionieren kann. Verschiedene Fragetypen zu produzieren, wurde noch kaum bewerkstelligt. Sehr viele Fragen rankten sich um Details, die ich niemals abfragen würde (und wenn ich es täte, hätte ich eine aufgebrachte Menge von Studierenden vor mir).

Nach Schließen der ersten Runde habe ich alle Beiträge im Wiki ausführlich kommentiert, die Probleme aufgezeigt und Alternativen angeboten. Auf einer zweiten Wiki-Seite habe ich dann ein korrigiertes Set an Fragen und Antworten zur Verfügung gestellt. Die zweite Runde lief daraufhin bereits wesentlich besser. Viele Fehler, auf die ich hingewiesen hatte, wurden weniger gemacht. Langsam fingen die Studierenden auch an, sich gegenseitig zu verbessern – ein Aspekt, der in der ersten Runde noch kaum auftrat. Dennoch zeiget sich auch in der zweiten Runde noch großes Verbesserungspotenzial. Also habe ich auch diese zweite Runde ausführlich online kommentiert und wiederum eine verbesserte Fassung zur Verfügung gestellt. Das ist aufwändig, aber es war auch sehr interessant. Interessant nämlich ist zu sehen, wo die Studierenden Schwierigkeiten haben, was typische „Anfängerfehler“ sind etc. All das bekommt man ja normalerweise gar nicht mit und kann darauf auch entsprechend nicht reagieren. Sollten meine Kommentare gelesen werden (ich gehe schon davon aus, dass dies die aktiv Beteiligten tun), dann könnte man zumindest einen Lerneffekt erwarten, weil sich meine Hinweise direkt auf die Aktionen der Studierenden beziehen.

Heute nun hatten wir ein Präsenz-Tutorium, in dem die Herausforderungen und Schwierigkeiten noch einmal diskutiert wurden. In den kommenden beiden Wiki-Runden werde ich meinen Support etwas zurücknehmen und ganz schräge Fragen oder Fehler einfach kommentarlos löschen und nur da eigene Verbesserungen anbringen, wo ich das Gefühl habe, dass das Dinge sind, die die Erstsemester noch nicht wissen können. In der zweiten Hälfte der Themen (Thema fünf bis acht) wird diese Unterstützung weiter ausgeblendet. Ziel ist es, dass die Studierenden selbst in der Lage sind, Fragen und Antworte mit angemessener Qualität hinzubekommen. Begleitet werden sie dabei aber weiterhin von studentischen Tutoren und durch drei weitere Präsenz-Tutorien, die ich selbst mache. Am Ende jeder Runde können sich die Studierenden natürlich darauf verlassen, dass ausschließlich richtige Fragen und Antworten im Wiki stehen. Wenn die vorgeschlagenen Fragen und Antworten aber schlecht oder fasch waren und gelöscht wurden und am Ende zu wenige Fragen/Antworten im „Pool“ sind, müssen die Studiereden damit rechnen, dass ich in der Klausur eigene Fragen beisteuere. Anbei die Folien aus dem heutigen Tutorium: VL_Tutorium1

Warum mache ich das? Nun ich denke, wer nicht aktiv mitmacht und auf Auswendiglernen setzt, für den bleibt es weitgehend gleich, ob er 160 Fragen und Antworten oder 120 Folien auswendig lernt, die man normalerweise in so einer Vorlesung mindestens präsentiert. Ich hoffe aber jetzt natürlich auf einen kleineren Prozentsatz von „Auswendig-Lernern“, die sich statt dessen doch lieber mit der sehr begrenzten Textlektüre auseinandersetzen, sich am Wiki beteiligen und auf diese Weise über ca. 10 Wochen lang kontinuierlich mit überschaubaren Zeitinvestitionen „aktiv lesen“, Fragen zum Text formulieren, diese beantworten und dabei auch darüber nachdenken, was in einem Text wohl wichtig ist und was nicht, was man wissen und sich merken sollte. Wer auf diese Weise mitarbeitet, wird sich in sehr kurzer Zeit auf die Klausur vorbereiten können – immerhin hat er selbst an ihr mitgearbeitet. Einen Schaden sehe ich hier nicht – vielmehr hätte man erreicht, was man sich immer wünscht, nämlich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Lektüre, die man zum Semesterbeginn als lesenswert recherchiert und/oder für die Studierende aufbereitet hat.

Nach zwei Wochen muss ich das Experiment immerhin nicht abbrechen. Bis jetzt scheint der Weg gangbar, auch wenn die ersten Steine erst mal aus dem Weg geräumt werden mussten. Ich bleibe optimistisch und bin gespannt auf den weiteren Verlauf. Jedenfalls zeigen mir die ersten Wochen, dass es sinnvoll ist, die Studierenden dazu anzuregen, selbst Fragen zu stellen – das ist nämlich, wie jetzt viele feststellen, gar nicht so einfach, aber man kann es lernen!

Experiment mit ungewissem Ausgang

Diese Woche ist es soweit: Mein „Experiment“ zur Podcast-Vorlesung startet an diesem Mittwoch (28.10.2009), an dem ich die Einführung mache und den Studierenden das Konzept erkläre (hier die Folien: Einfuehrungsfolien). Am Donnerstag dann wird der erste Themen-Podcast hochgeladen. Aktuell kann man schon mal den Einstiegspodcast (hier) anhören – zur Rahmung der Story sozusagen.

Ich habe in diesem Blog bereits mehrfach über die Podcast-Vorlesung, ihre theoretischen Grundlagen (hier und hier) und das Konzept (hier) berichtet. Zum Vorlesungsblog, auf dem die Podcasts abzurufen sind geht es hier. Natürlich werden wir diesen Versuch wissenschaftlich begleiten. Ich bin selbst sehr gespannt, was am Konzept funktionieren wird, wo wir nachbessern müssen und an welchen Stellen (hoffentlich wenige oder keine) negative Effekte auftreten.

Ich habe für dieses Vorhaben mehrere Helfer: Christian Jocher-Wiltschka ist unser Podcast-Experte und wird mit seiner Abschlussarbeit in die wissenschaftliche Begleitung einsteigen. Unterstützt wird er dabei nicht nur von mir, sondern auch von Marianne Kamper. Beide werden zusammen mit Tamara Specht die Studierenden zudem tutoriell begleiten. Das in die Vorlesung integrierte Tutorium zum wissenschaftlichen Arbeiten übernimmt Hannah Dürnberger. Und ohne Frank gäbe es keinen Podcast – er hat sich mutig auf die „Vorlesungsgespräche“ eingelassen, die uns letztlich beiden viel Spaß gemacht haben. Jetzt gilt es zu hoffen, dass sie auch beiden Studierenden positiv ankommen und vor allem ihren Zweck erreichen.

Im Gespräch

Die Organisation der GMW 2009 ist auf mich zugegangen, ob ich – da mein „Dialog-Vortrag“ mit Tobias nicht aufgenommen wurde –  ielleicht ein Manuskript dazu habe und zur Verfügung stellen könnte. Ja, habe ich und gebe ich auch gerne her:

iTunes statt Hörsaal Dialog

Der Inhalt ist nicht identisch mit dem Text (der ja nun wieder erfreulicherweise auch über den Tagungsband im Netz online verfügbar ist), weshalb es nicht ganz überflüssig erscheint, dieses Dokument auch anzubieten. Zudem möchte ich – weil es dazu passt – das Konzept für die Podcast-Vorlesung, die im Gespräch angeführt wird, zur Verfügung stellen.

Konzept Podcast VL 09_10

Die Podcasts selbst werden im Laufe des Wintersemesters online gestellt.

Für alle, die von GMW-Infos noch nicht genug haben, kann ich nur auf den Tagungsblog verweisen, auf dem u.a. ein Überblick über die Blogbeiträge versucht wird. Ich finde schon, dass man die Integration der digitalen Medien in die diesjährige GMW 2009 als vorbildlich bezeichnen kann. Das wurde sehr gut organisiert!! Die vielen Kommentare und Diskussionen (nicht nur auf diesem Blog) sind ein Zeichen, dass es dieses Jahr auch gelungen ist, den Dialog z.B. (aber nicht nur) zwischen „Generationen“ anzuregen …. wobei ich mich gefragt habe, wann man denn eigentlich zu den „Etablierten“ , wie das Marcel Kirchner so schön hier formuliert hat, gehört. 😉

Auslaufmodell Vorlesung oder Chance einer Renaissance?

iTunes U – das war ein Beitrag in diesem Blog, der vergleichsweise viele Kommentare provoziert hat, weshalb ich an der Stelle mal zusammenfassen will, welche Aussagen mir aufgefallen sind, und überlegen will, welche Folgerungen ich daraus ziehe.

Ausgangspunkt ist die Vorlesung, die in aller Regel in einem Monolog besteht, den man heute mit Folien begleitet, die allerdings nicht wenigen Studierende inzwischen auch schon zum Hals raushängen (was ich verstehen kann). Die erste Grundsatzfrage ist nun die, ob wir diese Veranstaltungsform überhaupt noch wollen oder ob wir sie mangels deutlich erkennbarer Wirkungen nicht ganz einstellen sollten. Wenn ich mir die Modulhandbücher von neuen BA- und MA-Studiengängen ansehe und an den Zustrom der Studierenden in den kommenden Jahren denke, bin ich mir nicht mehr ganz sicher, ob wir uns diese Grundsatzfrage überhaupt noch stellen können, oder ob nicht die Realität ohnehin schon den Weg in Richtung „mehr Monologe“ geebnet hat – schlicht aus Ressourcengründen. Man kann diese Grundsatzfrage aber auch nutzen, um zu überlegen, unter welchen Bedingungen Zuhören doch einen Lerneffekt haben kann. Warum sollte ich nicht etwas lernen können, wenn mir jemand was erzählt, der mehr Wissen und Erfahrung hat? An sich ist das ein alltäglicher Vorgang – ich lerne von anderen, und zwar durchaus auch, wenn andere mir etwas erklären. An der Stelle kann man sich fragen, ob das Zuhören denn einen Vorteil gegenüber dem Lesen hat: Warum nicht gleich ein gutes Lehrbuch statt einer Vorlesung? Nun ja, oft genug ist es ja so, also dass Studierende, falls es passend zur Vorlesung ein Lehrbuch gibt, dieses vorziehen. Von daher gilt für mich: Wenn es einen guten Studientext, ein Lehrbuch oder ähnliches gibt, dann ist es wohl wenig sinnvoll, das Ganze nochmal „vorzulesen“. Und wenn das nicht gibt? Ja, wenn es das nicht gibt, wenn man statt dessen z.B. eine Sammlung verschiedener Texte aus verschiedenen Quellen hat (also das, was man gemeinhin einen „Reader“ nennt), dann kann es natürlich wieder extrem nützlich sein, wenn ein Lehrender mit dem, was er erzählt, die Lernenden durch diese Inhalte führt, ihnen Orientierung gibt in der Fülle an verfügbaren Informationen, die ein Reader und natürlich überhaupt Bibliotheken und digitale Ressourcen zu einem Themengebiet hergeben. Dann kann ein Vortrag quasi navigieren und der Lernende nutzt dann die Texte, um das Gehörte zu elaborieren. Hier nun stellt sich die Frage, wie man das macht, damit auch zugehört wird. Die meisten Kommentatoren waren sich einig, dass ein 90-minütiges aufmerksames Lauschen mehr als unwahrscheinlich sein dürfte. Ob es nun unbedingt die 15 bis 20 Minuten Podcast-Länge sein muss, oder ob auch 30 oder 40 Minuten möglich sind, wenn es sich um ein LERNangebot handelt, sei mal dahingestellt. Ich denke, das müsste man ausprobieren. Wenn man das ausprobiert, ja, dann kostet das eine ganze Menge Zeit und dann kann man sich als Lehrender NICHT auch gleichzeitig noch in den Hörsaal stellen und dasselbe nochmal in 90 Minuten erzählen. Es würde wohl ohnehin kaum jemand kommen.

Eine weitere Frage ist die, ob man solche Audio-Angebote als Nutzer „bearbeiten“ können soll: also verschlagworten, Fragen stellen (und dann logischerweise auch Antworten bekommen), kommentieren, natürlich auch beliebig anhalten und zu bestimmten Stellen „springen“ usw. Das hört sich zunächst einmal sinnvoll an, denn ein aktiver Umgang mit den Inhalten ist selbstverständlich gegenüber der reinen Rezeption zu bevorzugen. Aber vielleicht ist es doch nicht so einfach? Meine Beobachtung ist, dass es offenbar gar nicht so selbstverständlich ist, zusammenhängende Argumente zu verstehen, richtiggehend „mitzudenken“ und für sich nachzuvollziehen, worum es geht und was wichtig ist etc. (das ist schlicht anstrengend!). Um das aber hinzubekommen, muss man mal an einem Stück zumindest eine Zeitlang zuhören. Springen kann ich ja nur zwischen „Informationshappen“, bei denen es egal ist, was jeweils vorher war und was nachher kam. Aber genau das ist bei komplexeren Gedankengängen ja durchaus nicht immer der Fall. Man müsste also schon sehr genau überlegen, wo man das will und wo es zielführend ist: Das Springen von einer Stelle zur nächsten. Ähnlich ist das mit dem Fragen und Kommentieren – mal unabhängig davon, dass man bei einem frei zugänglichen Angebot von keinem Lehrenden verlangen kann, dass er Fragen von einer nicht kalkulierbaren Menge an Zuhörern beantwortet. Da bleibe ich bei der Position, die ich bereits in einem der Kommentare versucht habe deutlich zu machen: Man muss da verschiedene Strategien, von mir aus auch „Kanäle“ haben: offene Kanäle, auf denen man nur distribuiert, und geschlossene Kanäle, auf denen man mit einer begrenzten Anzahl an Personen auch kommuniziert. Dieser begrenzte Anzahl an Personen kann ich als Lehrende dann auch geeignete Anlässe bieten, um zu kommentieren, zu verschlagworten oder zu Inhalte zu erweitern – denn dass das komplett selbstorganisiert von vielen ohnehin gemacht wird – na, mal ehrlich: Wir wissen, dass das NICHT der Fall ist.

Die letzte Gruppe an offenen Fragen und Argumenten betrifft dann letztlich den Anbieter, von dem wir hier ausgegangen sind: iTunes U ja oder nein? Nutzt man den „Ort“, wo sich junge Menschen ohnehin tummeln, oder verweigert man sich, ein Unternehmen bei seiner Marketingstrategie zu unterstützen? Ja, das ist natürlich auch eine Grundsatzfrage (ähnlich wie bei Google-Angeboten) und für beide Seien gibt es gute Argumente. Im Moment würde ICH das eher pragmatisch sehen und sagen: Ja, klar, lasst es uns nutzen. Aber ich sehe schon auch, dass man wachsam sein und genau verfolgen muss, wie sich das entwickelt und an welcher Stelle negative Effekte auftreten könnten.

Sorry, es ist ein bisschen lang geworden – aber es geht halt nicht alls in Info-Happen 😉

iTunes U und die Hoffnung aufs Zuhören

Viele haben heute in ihren Blogs bereits auf iTunes U hingewiesen (z.B. Helge) – aus gutem Grund, denn nun sind auch deutsche Universitäten mit Audio-Mitschnitten von Vorlesungen, Podcasts u.a. online. Ich finde es in jedem Fall sehr schlau, bestehende, gut funktionierende Systeme (wie iTunes) zu nutzen, und für die Bildung kann es grundsätzlich nur gut sein, wenn wir auf diesem Wege viele „Open Educational Resources“ (siehe z.B. die letzte GMW-Jahrestagung) erhalten.

Wer aber mal in die eine oder andere Vorlesung reinhört (z.B. aus dem LMU-Angeboten, die zu unserem Fach passen, etwa hier unter Psychologie und Pädagogik), kann schon mal ins Gähnen verfallen (bei meiner Vorlesung sehen die Studierenden in der Regel auch nicht sonderlich wach aus – von Ausnahmen einmal abgesehen – das wäre als Audio-Angebot sicher nicht besser). Es ist ja schon anstrengend genug, wenn man im Hörsaal ist – aber 90 Minuten ohne visuelle Unterstützung zuhören – ich weiß nicht so recht. Da müsste man die Vorlesungen schon aufbereiten zu maximal 30-minütigen ausgefeilten Reden, die man auch mit Gewinn anhören kann. Dazu braucht man dann aber ein ausgearbeitetes Manuskript, und wenn man das ohne visuelle Unterstützung gut machen will, dann dauert das (also dann muss die Argumentation wirklich passen) – das kann man nicht leisten mit dem Stoff einer ganzen Vorlesung. Da sind denn doch z.B. besprochene Folien noch besser, wie sie Michael Kerres anbietet (hier der dazugehörige Blogbeitrag).

Ich denke, da haben wir noch ein weites Forschungs- und Entwicklungsfeld vor uns, wobei ich nicht nur die Frage der Effekte auf das Lernen, sondern auch die Herausforderung wichtig finde, wie man das als Lehrender einigermaßen effizient hinbekommt. Mit Aufkommen des Blended Learning (was ja nun schon eine Weile her ist), habe ich zwei Vorlesungen eingestampft, stattdessen Studientexte geschrieben, die ich den Studierenden online zugänglich mache und auf verschiedene Art und Weise bearbeiten lasse. Aber Zuhören ist natürlich überhaupt nicht generell schlecht – im Gegenteil. Nur ist es alles andere als leicht, Menschen zum Zuhören zu bringen. Immerhin: Die jetzt gestarteten ersten deutschen Angebote liefern dazu ja nun einen guten Anlass (zur Forschung und zu neuen Ideen).