Hellseher gesucht

Vor kurzem habe ich an einer Expertenumfrage teilgenommen, bei der man zwar nicht hellsehen, aber doch irgendwie in die Zukunft schauen und seine Einschätzung abgeben muss, wie sich eine bestimmte Technologie bis zu einem bestimmten Jahr in einem bestimmten Bereich entwickeln wird. Gut ist ja schon mal, dass es dabei schon lange nicht mehr digitale Technologien an sich geht, sondern dass verschiedene Technologiegruppen unterschieden werden. Auch werden die Bereiche eingegrenzt: z.B. Schulen, Hochschule, Unternehmen.

Trotzdem: Mir ist da nie wohl dabei. Erstens ist auch die genannte Differenzierung immer noch viel zu grob. Kann man z.B. Mittelstandsfirmen mit großen Konzernen in einen Topf werfen, eigentümergeführte Betriebe mit AGs vergleichen? An den Hochschulen wissen wir, wie groß die Unterschiede zwischen den Disziplinen sind sowohl in Bezug auf die Lehre als auch in Bezug auf die Forschung – ist es sinnvoll, das in einem Atemzug zu behandeln bzw. zu bewerten? Zweitens mischen sich bei Antworten innerhalb von Umfragen ja doch immer wahrscheinliche und erwünschte Szenarien. Wenn ich mich da selbst beobachte, merke ich, dass ich das beim Antworten nicht immer ganz auseinanderhalte – ja vielleicht auch gar nicht auseinanderhalten will, denn: Wenn etwas zwar unwahrscheinlich, aber immerhin wünschenswert ist, können ja die Wünsche einer kritischen Masse von Experten auch die Wahrscheinlichkeit erhöhen oder? Meinungen konstruieren Wirklichkeit zumindest mit. Drittens frage ich mich, was das eigentlich bringt: Ist das verkappte Marktforschung, damit zur rechten Zeit die rechten Produkte platziert werden? Oder glaubt jemand im Ernst, dass anhand solcher Ergebnisse Curricula umgeschrieben und Lehrende fortgebildet werden?

Meine Skepsis gegenüber diesen Studien nimmt auch den „Horizon Report“ nicht aus, der – einige Blogger haben bereits darauf verweisen – auch in deutscher Sprache vorliegt (kann man hier abrufen). Positiv ist, dass der Report am Ende eine recht genaue Beschreibung des Vorgehens liefert, also zumindest Transparenz schafft, wie die Ergebnisse zustande kommen. Die Resultate dieses Berichts wirken nicht eben sonderlich überraschend: Open Content und mobile Rechnernutzung – so die Vorhersage – werden sich kurzfristig in Lehre und Forschung durchsetzen. Elektronische Bücher und einfache Formen der „augmented reality“ (will heißen: Verschmelzung digitaler und realer Aktivitäten) werden mittelfristig wichtiger werden, und die visuelle Datenanalyse sowie gestenbasiertes Computing (im Unterhaltungsbereich bereits existent) stehen am langfristigen Zeithorizont. Mal ungeachtet davon, dass es meines Wissens schon eine ganze Reihe von Forschern gibt, die mit der visuellen Datenanalyse in Forschung und Lehre arbeiten, kann ich mir eher nicht vorstellen, dass sich Hochschulen in zwei bis drei Jahren (das gilt heute schon als langfristig) mit spielkonsolenähnlichen Geräten ausstatten werden. Vielleicht sollten wir uns manchmal mehr um die Gegenwart und darum kümmern, wie wir die aktuellen Probleme lösen könnten.

Vielleicht haben wir alles nur falsch verstanden?

Es war und ist recht still um die Bologna-Konferenz in Budapest und Wien am 11. und 12. März. Ein paar wenige Zeitungen haben darüber berichtet (z.B. die ZEIT hier) und es gibt ein kurzes Abschlusspapier (hier), in dem die Erfolge des Bologna-Prozesses allen Protesten zum Trotz beschworen werden. Deshalb wird auch an mehreren Stellen bekräftigt, dass man an den Zielen weiter festhalten wolle, die auch für die nächste Dekade gelten sollen. Was man aber verbessern müsse, ist die Kommunikation speziell mit den Studierenden und den Hochschulangehörigen, denn die – so liest es sich jedenfalls – hätten wohl einiges nicht so ganz verstanden. Also: Weiter so, aber mit besserem Marketing? Erfreulicherweise wird im abschließenden Zweiseiter immerhin die Freiheit von Forschung und Lehre eigens hervorgehoben und zumindest schriftlich festgehalten, dass Hochschulen und Wissenschaft wichtig für den Erhalt und die Weiterentwicklung einer Demokratie sind. Wichtig finde ich das als Pendant zu wirtschaftlichen Interessen, die sich wie in allen Bereichen der Gesellschaft als dominant erweisen. Aber irgendeine konkrete Idee, was man besser machen könnte, lese ich da nicht heraus. Man nimmt die Proteste aus dem Jahr 2009 zwar offiziell zur Kenntnis, reagiert aber offenbar vor allem mit der Folgerung, nicht richtig kommuniziert zu haben – wobei nicht ganz klar ist, wer da genau der Adressant ist: die Nationen, die Minister, speziell in Deutschland die Bundesländer, die Hochschulen, die Hochschullehrer oder die Studierenden?

Ich würde mir wünschen, dass man die Akkreditierungsverfahren endlich mal radikal ändert, dass man Bürokratie abbaut (die uns lähmt und nichts nützt) und dass man aufhört, jedes Merkmal in quantifizierter Form erfassen zu wollen. Gut am Bologna-Prozess ist, dass dieser die schon vorher bestandenen schlechten Rahmenbedingungen vor allem in überlaufenen Fächern so richtig manifest gemacht hat. Schlecht ist, dass trotzdem alles weitergeht wie bisher, dass sich unter anderem die Verteilung von Mitteln an anderen Kriterien festmacht als am bestehenden Bedarf. All das ist Bildungspolitik und ich würde mir erwarten, dass genau diese Punkte in entsprechenden politischen Gremien und Konferenzen – zu der ja wohl auch die Bologna-Konferenzen gehören – diskutiert werden. Oder haben wir das auch nur falsch verstanden?

Nachtrag am 22.03.2010: Seit wenigen Tagen gibt es nun auf dem Deutschen Bildungsserver ein Dossier zum Thema mit weiterführenden Informationen, nämlich hier.

Freiheitsbeschneidend und zeitmangelgesteuert

„Vor jeder Hochschulreform und damit vor jeder Studienreform liegt ein reformbedürftiges wissenschaftliches Selbstverständnis, das den Keim zu den Fehlern bereits enthielt und enthält, welche die heutigen Studierenden und der heutige akademische Nachwuchs ausbaden müssen. Und über sie letztlich die gesamte Gesellschaft, wir alle.“ – so schreibt Peter Finke, ehemals Professor für Wissenschaftstheorie an der Universität Bielefeld (und 2006 aus Protest gegen die unzumutbaren Folgen der Bologna-Reform freiwillig vor der Pensionsgrenze aus dem regulären Dienst ausgeschieden), in der Zeitschrift Forschung und Lehre. Der Artikel ist auch online (nämlich hier) zu lesen und ich finde das lohnt sich!

Ausgangspunkt von Finkes Argumentation ist die Beobachtung, dass Wissenschaftler vorzugsweise in Eintracht mit jeweils vorherrschenden Paradigmen denken und handeln und damit politischen Prozessen implizit das Wort reden. Paradigmen werden, so Finke, zu einer Art Glaubensgemeinschaft; er schreibt: „Wissenssoziologische Untersuchungen zeigen, dass sehr viele, vielleicht die meisten Wissenschaftler der Überzeugung sind, dass Wissenschaft nur so funktionieren kann: als Glaubensgemeinschaft auf Zeit. … Die Tatsache, dass eine beständige Suche nach der Wahrheit zwar anstrengend, aber durchaus möglich und jener Glaube nur ein Glaube an Hypothesenzusammenhänge ist und keineswegs ein hinreichendes Wahrheitsindiz, wird durch die beruhigende Geborgenheit in der Gemeinde, die Überzeugung, wahrscheinlich der richtigen Glaubensgemeinschaft anzugehören und deren Schüler fördern zu dürfen, ersetzt, übertönt, fast unmerklich relativiert.“ Die Belohnungen würden ja auch reichlich sein: einflussreiche Lehrstühle, hohe Mitarbeiterzahlen, häufiges Zitiertwerden und anderen Insignien der paradigmatischen Macht. Und genau dies habe nichts mit der eigentlichen Idee von Wissenschaft nichts zu tun, sei aber Ausdruck ihrer heutigen Organisationsform und passe letztlich in die „freiheitsbeschneidenden und zeitmangelgesteuerten Universitäten des Bologna-Typs, die Wirtschafts- und Arbeitsmarktnähe suchen müssen“.

Ich kann Finkes Verdacht, dass die Bologna-Reform in ihrer aktuellen Umsetzung nicht nur bildungsfeindlich ist, sondern es sein soll, gut nachvollziehen. Neben einem Überblick über ein Fach und deren Erkenntnisse auch Kritikfähigkeit, Zusammenhangswissen und methodisches Können zum eigenen wissenschaftlichen Denken und Handeln zu entwickeln, ist ökonomisch gesehen (wenn es um Bildungsangebote für viele geht) nicht nur ineffizient, sondern oft gefährlich, denn – so Finke, „es erzeugt die Wissbegier nach dem Blick hinter die Kulissen“. Wenn man es als Lehrender doch versucht, dann wirkt es wie ein Fremdkörper, dann irritiert das die Studierenden, die schon darauf konditioniert sind, das zu wollen, was bildungspolitisch und arbeitsmarktpolitisch vorgebetet wird … dann verlangen die Studierenden die Rückkehr zur Vorgabe prüfungs- und vor allem auch praxisrelevanter Inhalte in leicht erlernbarer Form (eine Art „Convenience objects“) – dazu aber ein demnächst mehr.

Immerhin klingt der letzte Abschnitt von Finkes Beitrag zumindest ein wenig tröstlich: „Das Wissenschaftsproblem vertieft und erschwert eine gute Lösung des Studienproblems, aber es macht sie nicht unmöglich. Im Gegenteil: Wenn wir uns der Tatsache bewusst werden, dass es zuvörderst gilt, unser verkorkstes Wissenschaftsverständnis wieder aus dem Machtraum in den Wahrheitsraum zu stellen, alles daran zu setzen, die Wissenschaft wieder aus der ´Machenschaft´ (Hans-Peter Dürr) herauszupräparieren, die wir aus ihr gemacht haben, dann bereiten wir eine tragfähigere Basis für die darauf fußende Bildung und Ausbildung vor.“ Also, ich finde, da hat er wirklich Recht!

Zeit für ein Resümee

Der Bildungsstreik ist ein guter Zeitpunkt für ein persönliches Resümee zum Thema Bologna, wie es mich nun seit gut neun Jahren begleitet – und zwar nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch, denn: Bereits im Wintersemester 2001/02 haben wir mit unserem Studiengang „Medien und Kommunikation“ in Augsburg begonnen – quasi in einer Phase, wo man noch nicht mit allzu vielen Regeln konfrontiert war.

Ich habe meine Gedanken mal auf ein paar Seiten zusammengestellt – meine Gedanken dazu, wie ich mir inzwischen einen „idealen Studiengang“ vorstellen könnte – vielleicht ein Bologna oder Bachelor 2.0 ;-). Zu verstehen ist das also als Gedankenskizze, die vorrangig auf meinen eigenen Beobachtungen und Vorstellungen aufbaut. Ich freue mich auf Kommentare und weitere Anregungen!

Der ideale Studiengang

Freizeit und Beruf oder: Warum man Unternehmer, Wissenschaftler oder Künstler werden sollte

Psychologie in Beruf und Praxis (PBP) – so lautet der Name eines Vereins, der 2007 an der LMU München von Studierenden gegründet wurde. Auf der Web-Seite heißt es: „Die Veranstaltungen von PBP sollen zum festen Bestandteil des Psychologiestudiums an der Ludwig-Maximilians-Universität werden. Die Studenten lernen so bereits früh im Studium die vielfältigen Anwendungsbereiche der Psychologie kennen und treten in Dialog mit erfahrenen Psychologen aus der Praxis. So entstehen Netzwerke zwischen Studenten, erfahrenen Praktikern und Dozenten, von denen alle Beteiligten profitieren.“

Heute nun fand der dritte Berufsinformationskongress des Vereins statt. Ich war als Referentin eingeladen. Einen genauen Überblick über die Zahl der Referenten hatte ich nicht, aber entsprechend des Übersichtsplans schätze ich mal, dass es an die 40 waren, die in Paralleltracks über ihren persönlichen Werdegang, ihre tägliche Arbeitstätigkeit, ihre Motivation und Herausforderung berichteten sowie Interessenten Tipps und Hinweise etwa zu Arbeitsmarktlage geben sollten – so jedenfalls lauteten in etwa die Instruktionen.

Wenn ich irgendwelche Formulare ausfülle, stolpere ich oft über die Zeile “Beruf“: Was schreibt man da rein? Hochschullehrer? Wissenschaftler? Und wie wird man das? Das musst ich mich bei der Vorbereitung auf den Vortrag selbst erst mal fragen, zumal da ich im Rückblick erstaunlich wenig geplant hatte. Mein Werdegang ist nicht sonderlich spektakulär, also verwendete ich mehr Zeit darauf zu beschreiben, was man denn eigentlich so macht, wenn man Lehre praktiziert, Forschungsprojekte durchführt, publiziert und sich durch das bürokratische Dickicht der Verwaltung schlägt. Welche Empfehlungen also soll man jemandem geben, der eine wissenschaftliche Karriere anstrebt? Das war wohl am schwersten. Meine vier Kernempfehlungen lauteten in etwa so:

  • Versuchen Sie, immer auch zugleich was anderes werden zu wollen. Nicht nur meine persönliche Beobachtung, sondern auch verschiedene Studien zeigen, dass speziell in Deutschland die Planung einer wissenschaftlichen Karriere schwierig ist und zahlreiche Unwägbarkeiten mit sich bringt. Es kann daher nicht schaden, sich immer auch noch etwas anderes vorstellen zu können, um sich mental nicht von einem einzigen Weg abhängig zu machen.
  • Suchen Sie früh den Kontakt zum wissenschaftlichen Personal während des Studiums. Werden sie studentische Hilfskräfte und engagiere Sie sich in Projekten, in denen Sie mit Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern zusammenarbeiten können. Engagieren Sie sich aber auch in Ihren Lehrveranstaltungen: Stellen Sie Fragen, denken Sie mit und zeigen Sie Ihr inhaltliches Interesse, statt es zu verstecken. Als Lehrender mit etwas Erfahrung erkennt man schnell die möglichen Nachwuchskräfte – aber nur, wenn sie sich sichtbar und hörbar machen.
  • Machen Sie sich gegen Ende des Studiums kundig, wie an der Universität, an der Sie weitermachen wollen, die Bedingungen für Promotionen wie auch für Habilitationen sind. Natürlich ist es die beste Möglichkeit, zu promovieren und zu habilitieren, wenn man an der Universität eine Stelle hat. Aber es gibt auch andere Möglichkeiten: Stipendien z.B. oder der Versuch, diese Qualifikationen berufsbegleitend zu machen. Ich habe selbst mehrere Doktoranden, die diesen dritten Weg beschreiten, der allerdings mit Sicherheit der härteste ist.
  • Bleiben Sie sich selbst treu. Wie in anderen Berufen, so gibt es auch beim Beruf des Wissenschaftlers bzw. Hochschullehrers je nach Fachgebiet innerhalb der Psychologie und benachbarter Disziplinen mehr oder weniger enge Netzwerke, es gibt einen inhaltlichen und vor allem methodischen Mainstream und es gibt viele implizite Regeln. Auf der einen Seite müssen Sie versuchen, all dies kennenzulernen und auszuprobieren. Sie müssen eigene Erfahrungen machen und sich in so manches Spiel einfach hinein bewegen, um dabei zu sein. Auf der anderen Seite sollte Sie neben diesen für eine Karriere unabdingbaren Anpassungen nicht vergessen, warum Sie Wissenschaftler werden wollen, nämlich – hoffentlich – weil Sie von der Wissenschaft begeistert sind. Das aber, so meine ich, verpflichtet Sie auch dazu, eine eigene Position zu entwickeln und hinter dieser auch dann zu stehen, wenn sie gerade mal nicht in die Landschaft passt – auch wenn das mit Nachteilen verbunden ist.

Neben mir war im Track „Pädagogische Psychologie“ Jens Uwe Martens zu Gast, der bereits sein siebtes Lebensjahrzehnt begonnen hat, das man ihm nun wirklich überhaupt nicht ansieht. Er berichtete vom „Leben in der Selbständigkeit“, nämlich als Berater, Coach und Trainer. An manchen Stellen hatte er durchaus vergleichbare Empfehlungen und persönliche Folgerungen, z.B. was die Verknüpfung von Arbeit und Leben, gewisse Formen von Autonomie und die Flexibilität betrifft, die aber auch mit einem eher wenig planbaren Freizeitbudget gekoppelt ist. Letzteres beunruhigte einen der Zuhörer besonders, der mehrfach nachfragte, wie es denn mit der Chance aussähe, auch mal zwei Monate nichts zu machen. Das ginge nicht, meinte Martens, der diese Probleme dann aber auf eigene Art löst: „Ich wollte unbedingt mal nach Südafrika. Also habe ich das mit dem Besuch eines Kongresses verbunden, den man immerhin von der Steuer absetzen kann. Als ich dort war, war ich begeistert. Also habe ich mit zwei Südafrikanern eine Dependance meiner Firma in Südafrika gegründet – so habe ich die Freizeit mit Arbeit verbunden“. Da hat sich sogar die Miene des freizeitbesorgten Teilnehmers aufgehellt. Mein persönliches Fazit: Wer einigermaßen autonom sein und Spielraum für solche und andere kreative Problemlösungen haben will, werde Wissenschaftler, Unternehmer oder Künstler.

Müller-Böling auf Wahrheitssuche

„Zukunft jetzt – Wie wir leben, lernen, arbeiten“ – so heißt eine Reihe von SWR 2 Aula, die man auch online hier abrufen kann. Folge 8, auf die mich Sandra aufmerksam gemacht hat, dreht sich um die Universität. Es spricht Detlef Müller-Böling zum Thema „Autonom und forschungsintensiv – Die Universität der Zukunft“. 25 Minuten ca. dauert Müller-Bölings Zukunftsszenario der deutschen Universitäten und es gäbe eine ganze Reihe von Punkten, an denen man aus meiner Sicht viel und kontrovers diskutieren könnte. Wie zu erwarten, ist viel von Leistung, Exzellenz und Qualität die Rede. Aber auch das Wort Vielfalt hört man erstaunlich oft, als wolle man damit den kritischen Kommentaren gleich zu Beginn den Wind aus den Segeln nehmen (nach dem Motto: Wenn Vielfalt herrsch, findet jeder Querulant schon irgendwo seinen Platz).

Aber ich möchte mich auf einen speziellen Aspekt konzentrieren, nämlich auf Müller-Bölings Postulat der Trennung von „Wissensproduktion“ – also von Forschung – auf der einen Seite und von „Wissensvermittlung“ – also von Lehre – auf der anderen Seite. Eine wie auch immer geartete Einheit von Forschung und Lehre ist für Müller Böling nichts als eine lästige Monstranz, die die ewig Gestrigen vor sich hertragen – blind für die moderne Welt, die nach Arbeitsteilung verlangt. Forschung und Lehre und dazu auch noch Prüfen – so sein Szenario – würden sich zunehmend voneinander trennen, bisherige Zusammenhänge, die hier bestehen, würden sich „auflösen“. Mit anderen Worten: Forschung in vielen Disziplinen gleichzeitig sei künftig wohl auf drei bis fünf Spitzenuniversitäten in Deutschland beschränkt. Ein bisschen Forschung in einzelnen Disziplinen sei an Hochschulen mit „Forschungsleuchttürmen“ möglich und dann gäbe es noch viele Hochschulen, die eine „regionale Versorgung mit Bildung“ sicherstellen sollten – ohne Forschung, versteht sich. Als Beispiel für die Sinnhaftigkeit einer solchen Trennung, bei der jede Hochschule dann das mache könne, was sie gut kann (oder umgekehrt, dass sie nicht mehr das machen müsse, was sie nicht kann), nennt Müller-Böling die Virtuelle Hochschule Bayern – als handle es sich dabei um eine eigene Hochschule und nicht um ein Verbundprojekt, das gänzlich andere Ziele verfolgt als eine normale Universität. Genauso deplatziert wie dieses Beispiel ist aus meiner Sicht der Vergleich reiner „Lehr-Hochschulen“ (wobei er diesen Begriff nicht nennt) mit dem Breitensport – als könne man nicht genau beim Sport wunderschön sehen, wie sich der Spitzensport vom Breitensport entkoppelt hat. Vielleicht hätte er diese Analogie besser mal zu Ende gedacht.

Damit man aber auf keine dummen Gedanken kommt und all diese ökonomisch höchst anschlussfähigen Formal-Forderungen in Zweifel zieht, ist das Schlusswort dann doch wieder recht pathetisch und scheinbar nah an den Vorstellungen derjenigen, die (noch) glauben, dass Forschung und Lehre sehr wohl zusammengehören. Er sagt: „Auch wenn die Universitäten im Detail sich grundlegend verändern, wenn sie anders aussehen in 20 Jahren als heute, …., so bleibt eines doch auf jeden Fall bestehen: Sie sind und sie werden bleiben Ort der Wahrheitssuche für Wissenschaftler und Ort der Ermutigung zur Wahrheitssuche für Studierende“. Wie das mit den vorangegangenen Forderungen zusammenpasst, ist mir ein Rätsel! Wer Universitäten haben will, die sich ausschließlich auf die Lehre konzentrieren, die „Kunden“ mit Bildungsware versorgen, und sich darauf beschränken, „Versorgungslücken“ zu füllen, der kann mir nicht erzählen, dass es ihm darum geht, Wahrheit suchende, fragende und aufgeklärte Menschen zu fördern.

Begründet widersprechen

In unseren Studiengang „Medien und Kommunikation“ kommen vor allem Studierende, die Kommunikationswissenschaft studieren wollen. Dass der Studiengang gleichberechtigt mit „Mediendidaktik und -pädagogik“ auch einen bildungswissenschaftlichen Anteil hat, wird eher als lästig empfunden – wie die letzte (interne) Erhebung zeigt, in der fast 70% der Erstsemester kein Interesse an unseren Inhalten hat. Das macht die Lehre in diesem Fach alles andere als einfach, wie man sich denken kann. Das ist EIN Problem. Ein anderes Problem, das ich beobachte, ist, dass alles, was nicht unmittelbar „berufsrelevant“ erscheint, ebenfalls eher wenig Interesse auf sich zieht. Zusammen mit meinen Mitarbeitern bemühen wir uns seit Jahren, genau diese „Berufsrelevanz“ zu erhöhen, auch wenn das in unserem Fach schwierig ist, denn wir haben natürlich keine Ahnung, wo unsere Studierende am Arbeitsmarkt landen. Die Vielfalt der möglichen Felder ist groß, ein Versprechen auf „Berufsfähigkeit“ daher eine glatte Lüge.

Dieses Problem ist nicht spezifisch für unseren Studiengang – es ist grundsätzlich – so grundsätzlich wie die Frage, welchen Zweck die Universität überhaupt hat: Bildung oder Ausbildung? Ausbildung! Das hören wir alle und ich habe – das muss ich eingestehen – am Anfang meiner beruflichen Laufbahn nicht so sehr viel darüber nachgedacht. Die Gedanken aber kommen jetzt – häufiger und intensiver. Manchmal lähmen sie mich, weil ich mir nicht mehr sicher bin, wofür ich eigentlich noch die Verantwortung übernehmen kann: Soll ich die Studierende weiter anlügen und ihnen sagen, wir machen sie berufsfähig? Oder soll ich gegensteuern und darauf pochen, das es darum gar nicht gehe, sondern dass es das Ziel sein müsse, kritisch denken, methodisch handeln und verantwortungsvoll urteilen zu lernen? Letzteres führt dann mit Sicherheit dazu, dass der bildungswissenschaftliche Kernfachbereich noch unbeliebter wird.

Es gibt eine ganze Menge schlauer Leute, die sich in den letzten Jahren viele Gedanken genau dazu gemacht haben. Ich möchte nur einen an der Stelle herausgreifen und ein paar Zitate hervorheben. Unter dem Titel „Ein Studium ist keine Ausbildung“ hat Michael Walter bereits 2005 (online hier abrufbar) ein paar interessante Thesen und Argumente gebracht. Ich zitiere:

  • „Die Konzeption Humboldts, aber auch der mittelalterlichen Universitäten, kannte keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Studenten und Professoren, sondern nur einen Unterschied in der Erkenntniskompetenz. Sie beruhte ihrerseits ebenso auf akkumuliertem, wenn auch unsicherem Wissen wie auf Erfahrung. Aufgrund ihrer Erfahrung und ihres Wissens, das sie weitergeben, verkürzen Professoren jenen Zeitraum, um diese Erfahrungen bzw. das temporär geltende Wissen selbst zu sammeln“ (Walter, 2005, S. 8).
  • Daraus folgert er auf der nächsten Seite: „Gute Studierende sind jene Studierende, die eines Tages in der Lage sind, ihren Professoren und Professorinnen begründet zu widersprechen und eigene Systeme und Modelle vorzuschlagen. Gute Professoren und Professorinnen sind jene, die ihre Studierenden in die Lage versetzen wollen zu widersprechen“ (Walter, 2005, S. 9). Das trifft es eigentlich ziemlich genau, was ich mir implizit immer so vorstelle, wie ich zumindest in dafür geeigneten Situationen (mit denen, die hierfür eine Bereitschaft signalisieren) versuche, dabei aber vor allem bei großen Gruppen natürlich massiv an Grenzen und auch auf Unverständnis stoße. Wichtig erscheint mir denn aber auch Walters Aufforderung an die Studierenden selbst:
  • „Studierende sollten … von der Universität … keine Berufsausbildung erwarten. Die Kompetenzen, die ein Studium vermittelt (oder vermitteln sollte), sind grundlegender und darum auch nachhaltiger Natur: das Erkennen und Durchdenken von Problemen, die anschliessende Suche nach Lösungen und, damit verknüpft, die Suche nach jenem Wissen, das für die Lösung von Bedeutung ist“ (Walter, 2005, S. 9).

Es gibt eine Reihe weiterer Autoren, die genau darin einen durchaus beachtlichen gesellschaftlichen, mithin auch ökonomischen Nutzen sehen. Oder von der anderen Seite her wie folgt von Peter Winterhoff-Spurk in der Ausgabe von Forschung und Lehre vom Februar dieses Jahres (ebenfalls noch online zugänglich hier) formuliert: „Was jetzt im Bildungsbereich – und besonders an den Universitäten – geschieht, ist die Begrenzung des Menschen auf Fertigkeiten und Begabungen, die seiner beruflichen Qualifikation und darüber hinaus den Interessen der Wirtschaft und des Staates dienen. Den Preis dafür werden die nächsten Studierendengenerationen – und später wir alle – zahlen müssen.“

Ich könnte noch einige andere Diagnosen ähnlicher Art hinzufügen, denen ich laut zustimmen kann. Nur Lösungen, die finde ich nicht. Wir können, wir wollen schließlich nicht zurück in vorherige Jahrhunderte. Universitäten sind einem Wandel unterzogen, ja es ist ja auch eine der Leitideen von Humboldt, dass sich die Universität selbst erneuern muss. Allerdings soll sie das „selbst“ und nicht unter dem Zwang von Ökonomie und Politik. Die Lösung kann also wohl nur bei uns selbst, bei denjenigen liegen, die Teil der Universität sind – bei den Professoren/innen und Studierenden. Aber das „Wie“, das ist freilich auch in meinem Kopf ein einziges großes Fragezeichen …

Jeans oder Anzug?

Wer ist schuld an der Bologna-Misere? Oder ist alles nur ein mieses Gerücht? Wer verbreitet es mit welcher Absicht? Die Meinungen sind geteilt, wie eine ganze Reihe von Beiträgen in der ZEIT demonstrieren – und an sich ist das ja nun wirklich nicht verwunderlich: Verschiedene Antworten kommen zustande durch verschiedene Perspektiven und dadurch, dass Lehren und Studieren in hohem Maße von einzelnen Personen abhängig ist – und die waren schon immer verschieden.

„Heute haben die Professoren die Jeans an und ihre Hiwis den Anzug“ – so die Beobachtung eines Hausmeisters an der Uni Tübingen – eine Beobachtung mit Symbolwert? Ja, das kann gut sein, wenn der „Anzug“ für Karrieredenken und die Jeans für zweckfreies Lesen, Denken und Schreiben stehen sollen. Aber so einfach ist das natürlich nicht! Sich konform zu verhalten, muss nicht Ausdruck von Denkfaulheit sein, und natürlich muss man sich hüten, sich überheblich über die Zukunftsängste junger Menschen zu erheben, keinen Job zu bekommen. Und daran ist der Bachelor schuld? Auch das wäre zu einfcah. Heinz-Elmar Tenorth findet seine Bachelor-Studierenden „wissbegierig, bildungsinteressiert und fleißig“. Eine in einem anderen Beitrag zitierte Studentin dagegen ärgert sich über Kommilitonen, die Leistungspunkte wie Rabattmarken im Supermarkt sammeln. Wer hat Recht? Die Frage ist aus meiner Sicht falsch gestellt: Jeder berichtet da aus seiner Warte und ich kenne sowohl die bildungsinteressierten Studierenden als auch die Punktejäger – je nachdem, ob sie sich für das interessieren, was ich anbiete, oder eben nicht. Neben dem Studierverhalten gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Aspekte, die mal als kritisch, mal als unproblematisch in den neuen Studiengängen dargestellt werden: Auslandssemester und Betreuungsfragen kommen z.B. am häufigsten vor. Für jede Pro- und Contra-Sicht gibt es Beispiele und Argumente, die überall zustimmendes Nicken auslösen – auch wenn sie sich widersprechen.

Ein Studium ist allem voran von den beteiligten Personen abhängig: von den Studierenden und von den Lernenden. Die unterscheiden sich – das war schon immer so und das wird auch so bleiben. 100 Prozent Zufriedenheit auf beiden Seiten – das gibt es nicht. Wenn die Anrechnung von Leistungspunkten aus dem Ausland nicht klappt – sorry, aber da ist es eine Ausrede, wenn man die Politik dafür verantwortlich macht. Das macht der Prüfungsausschuss und der besteht aus Professoren. Das haben wir also als Hochschullehrer selbst in der Hand. Wenn man keine kreativen (und bedarfsorientierten) ad hoc-Lösungen in der Lehre mehr umsetzen kann, weil das nicht im akkreditierten Studiengang steht – ja, das ist schon schlechter: Da kann man als Hochschullehrer nicht so einfach den Weg gehen, den man inhaltlich an sich vertreten kann. Hier hat man uns bereits Handschellen angelegt. Setzen wir uns darüber hinweg und gefährden eine Akkreditierung, dann hat man Ärger am Hals – von den Kollegen und vielleicht auch von den Studierenden. Wenn die versprochene Betreuung im Bachelor nicht besser wird, dann reichen wir nochmal tiefer an tatsächlich bildungspolitische Grundsatzprobleme heran: „Schauen Sie sich den Stapel in meinem Büro an. Ich habe eine Siebentagewoche. Neun Stunden Lehrverpflichtung sind einfach nicht zu leisten, wenn man die neuen Lehr- und Lernformen ernst nimmt. Sie müssen die Mentoren und Tutoren für die Lehre betreuen, Reader mit der wichtigsten Literatur erstellen, auf studentische Kritik an den Lehrveranstaltungen eingehen. Und dann sollte man als Professor auch noch exzellent forschen, denn nach der Forschungsleistung bemessen sich der Erfolg und die finanzielle Zuweisung. Das ist irre! Man kann nicht verlangen, dass Studenten hierzulande so gut wie in Harvard betreut werden, aber kein Geld dafür investieren.“ Ternoth trifft einen wichtigen Punkt mit dieser Aussage – das kann ich nur unterstreichen!

Wir haben mit Bologna eine überfällige Reform der Hochschulen angeschoben, aber irgendwie hat man da zwei Esel vor einen langen und schweren Güterzug gespannt … und ihnen moderne Flyer umgehängt. Bei mir verursacht die ganze Exzellenz- und Wettbewerbsrhetorik im Zusammenhang mit Bologna inzwischen gewltigen Ärger, obschon ich rein gar nichts gegen Modularisierung, gegen Leistungspunkte und studienbegleitende Prüfungen habe. Und wieso sollte man als Hochschullehrer etwas dagegen haben, Studierende „berufsfähig“ zu machen – ja was sonst? Aber wieso bitteschön, sollten Wissenschaft und Forschung, auch ein forschendes Lernen, das Eindenken in eine Wissenschaft NICHT dabei helfen, einen Beruf verantwortungsvoll auszuüben? Wer um Gottes Willen hat denn in die Welt gesetzt, dass man sich Berufsfähigkeit nur in Trainings für Präsentieren und interkulturelle Kommunikation holen kann? Warum sollte man Forschungsmethoden erst im Master lernen – was ist denn das für ein Blödsinn? Wer den verzapft, der kann nie verstanden haben, was Wissenschaft, was wissenschaftliches Denken und Handeln gerade auch für praktische Problemlösungen leisten kann. Natürlich muss man dann die Brücke zur Praxis in der Lehre auch schlagen, indem man wissenschaftliche Angebote ergänzt durch Praxiskontakte und Projektseminare mit der Wirtschaft, durch Praktika und Kooperationen außerhalb der Uni.

Nicht die Grundidee von Bologna nimmt uns die Luft zum Atmen, sondern die bürokratische Umsetzung, der Unsinn mit den Akkreditierungsagenturen und die wiederholten Versuche, Studierende und Hochschullehrer gegeneinander auszuspielen – was auch die Medien gerne tun, die ja von den Schlagzeilen-tauglichen dummen Studierenden ebenso leben wie von den faulen Professoren. Ich hätte gerne Professoren in Jeans UND Anzügen; mir ist es völlig egal, ob Studierenden grüne Haare haben (haben sie aber nie – warum eigentlich nicht?) oder im Business-Kostüm herumlaufen. Das muss doch jeder selber wissen. Ich habe eher Angst vor Uniformität und davor, dass wir allesamt verlernen, selbst zu denken, einen eigenen Standpunkt zu entwickeln und einen persönlichen Weg zu finden, dass wir uns nicht mehr trauen, blödsinnige Regeln schlichtweg NICHT zu befolgen.

Wie vermittelt man es am besten?

Lernumgebungen gestalten – das ist in unserem Studiengang (wenn auch nicht von vielen Studierenden – leider – sonderlich begehrt) ein wichtiges Themengebiet.  Es ist aber auch ein oft angefragtes Weiterbildungsthema und – natürlich – müsste es in der Lehrerbildung eine zentrale Rolle spielen (tut es jedoch bei weitem nicht überall und sicher nicht in dem Umfang, wie es nützlich wäre). Es ist aber alles andere als leicht, das dazu verfügbare wissenschaftliche Wissen zu vermitteln bzw. in einer Weise zugänglich zu machen, dass es auch verstanden und genutzt wird. Dazu habe ich mir in den letzten Wochen (wieder mal) so meine Gedanken gemacht. Das Ergebnis findet sich in diesem Dokument:

Gestaltung von Lernumgebungen Handlungsmodell

In der Wüste feiert man sich am besten selbst

Ausgeprägter kann ein Gegensatz wohl kaum mehr sein:

In einer aktuellen Pressemeldung des bmbf kann man Folgendes lesen: „Zehn Jahre nach seinem Beginn hat der Bologna-Prozess zu einer erfolgreichen Modernisierung der deutschen Hochschulen beigetragen. Die Umstellung bietet die Chance, die Qualität von Studienangeboten zu verbessern, mehr Beschäftigungsfähigkeit zu vermitteln und die Zahl der Studienabbrüche zu senken. Diesen Innovationsschub wollen wir weiter erfolgreich nutzen.“ Mit diesen Worten eröffnete der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Andreas Storm (MdB), am Freitag ein vom BMBF und der Kulturministerkonferenz (KMK) in Berlin veranstaltetes Symposium.

Vor genau einem Jahr kam Professor Brenner von der Universität zu Köln in einem Vortrag mit dem Titel „Die Wüste wächst“ zu einer komplett gegenteiligen Diagnose, was die Erfolge des Bologna-Prozesses betrifft: Er beobachtet eine „Selbstzerstörung der deutschen Universität“ und geht mit Hochschulrektoren, Professoren und Studierenden gleichermaßen ins Gericht, weil sie sich alle unfähig und unwillig gezeigt hätten, dem teuren Bürokratisierungsprozess im Zuge von Bologna die Stirn zu bieten – noch dazu, weil damit die schon Jahrzehnte vorher bestandene „Überfüllungskrise“ noch dramatischer geworden sei.

Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen: Dass ich meine Arbeit nur noch mit einer 7-Tage-Woche schaffe, spricht eher für zweit genannte Diagnose. Dass ich zusammen mit ein paar Leidensgenossen/innen aktuell vor der schizophrenen Aufgabe stehe, erfolgreiche und sinnvolle Konzepte für die Lehre zurückzufahren, weil uns neue Stellen einen überdimensionalen Zuwachs an neuen Studierenden verschaffen, geht auch eher in Richtung von Diagnose 2. Dass wir eine geringe Abbrecherquote in unserem Studiengang haben, dass wir eine ganze Menge sehr guter Absolventen entlassen und die auch noch eine beachtliche Auslands- und Praktikumstätigkeit an den Tag legen, scheint dagegen – in unserem Fall – für Diagnose 1 zu sprechen. Aber für welchen Preis? Ist das wirklich ein Verdienst von Bologna? Oder doch „nur“ das Engagement Einzelner, die immer wieder (wie ich) ein bisschen naiv darauf hoffen, dass das mal belohnt wird? Einen Teil des Lohns habe ich schon kassiert: Die Zeit für Forschung (und Nachdenken!) schrumpft. Es mag ja viele Gründe haben, warum wir z.B. in Bezug auf Fördergelder für das Jahr 2009 weitgehend leer ausgegangen sind. Aber natürlich hat es AUCH damit zu tun, dass mein Zeitbudget für Anträge rapide geschrumpft ist.

Aber es gäbe da natürlich noch eine Einsparmöglichkeit: Ich schließe mein Blog – das würde mir sicher zwei Stunden pro Woche Zeit sparen – das wäre 1 SWS mehr für die Lehre oder eine halbe Seite Forschungsantrag … so ungefähr vielleicht.