Michael Kerres hat auf einen netten Beitrag in der SZ aufmerksam gemacht (auch Spiegel online hat es abgedruckt: hier): Warum das Bloggen in Deutschlang nicht so recht Fuß fassen kann, erklärt sich der Amerikaner Felix Salmon (bezeichnet als Wirtschaftsblogger) mit kulturellen Unterschieden in Einstellungen und Lebensstilen – wenn man das mal so umschreiben mag (hier der Beitrag). Ich denke, man muss mit den „Charakterzuschreibungen“ je nach nationaler Herkunft vorsichtig sein – intuitiv stimmt man da gerne zu. Interessant wäre es, das empirisch zu überprüfen – allerdings stellt sich dann auch die Frage, was man davon hat, wenn man weiß, ob das stimmt. Was ist meine Meinung zu den 10 Thesen? (Man kann bei Michael übrigens auch einfach nur abstimmen – ich lasse es aber ungern unkommentiert – eine Blogger-Krankheit?)
(1) Kann gut sein, dass wir in Deutschland hierarchiefixiert sind, aber meine Erfahrung ist die, dass man das auch vergleichsweise rasch auflösen kann. Klingt mir also eher nach Ausrede.
(2) Zertifizierte Sicherheit ist sicher ein Phänomen, das wir aktuell in Deutschland besonders beobachten können. Ob das typisch deutsch oder nicht auch eine Folge der manchmal seltsamen europäischen Bürokratisierung ist, wissen Soziologen vielleicht besser. Auf jeden Fall ist da was dran.
(3) Inwiefern es Unterschiede in der öffentlichen Beachtung von Blogs zwischen Nationen gibt, weiß ich nicht: Immerhin gibt es mehr Amerikaner als Deutsche, sodass allein schon aus diesem Grund mehr Beachtung wohl wahrscheinlicher ist. Vielleicht sind auch die Kommunikationswissenschaftler Schuld, die ihren Studierenden immer die Nachrichtenfaktoren einhämmern und auf diesem Wege den Status quo festigen ;-).
(4) In Zeiten wirtschaftlicher Krisen muss man aufpassen, dass man die Angst um (s)einen Arbeitsplatz nicht vorschnell mit Karriereorientierung gleichsetzt. Wenn wir mal im Feld der schon etablierten Akademiker bleiben, ist das eher eine interessante These, denn die könnten es sich prinzipiell leisten. Ansonsten möchte ich Leuten nicht mangelndes Engagement vorwerfen, die nicht wissen, wie sie nächsten Monat ihr Geld verdienen sollen.
(5) Die Angst, Fehler zu machen, ist sicher ein grundlegendes Hindernis beim Bloggen. Eine Fehlerkultur in Bildungsinstitutionen in dem Sinne, dass man sich auch mal irren darf, dass man aus Fehlern lernt, haben wir in Deutschland in der Tat nicht. Man muss beim Bloggen schon grade stehen können für das, was man schreibt (wenn man also öffentlich über fehlgeschlagene Forschungsanträge klagt, muss man damit rechnen, dass einen eine Berufungskommission darauf anspricht, warum das denn nicht geklappt hätte – da darf man dann nicht vom Stuhl fallen ;-)).
(6) Dass man nur als Liebhaber von Schnellschüssen, was die Deutschen angeblich nicht sind, zum Blogger werden kann, glaube ich definitiv nicht. Ich überleg mir schon, was ich hier reinschreibe … wenn auch nicht tagelang.
(7) Blogger sind natürliche Außenseiter und auch noch stolz darauf, womit man in Deutschland nicht weit kommt. Das ist eine interessante These, wobei es wohl darauf ankommt, was man mit „weit kommen“ meint und welches Ansehen von wem und wie vielen man anstrebt. Also das ist ein schwieriges Argument, über das ich mir noch Gedanken machen muss.
(8) Dass die Professorenschaft in Deutschland anders ist als in den USA, mag schon sein. Ich vermute aber, dass da neben nationalen Kulturen auch Fachkulturen eine große Rolle spielen. Fakt ist schon, dass man es in Deutschland nicht immer gern sieht, wenn man z.B. in Turnschuhen einen Vortrag hält – was MIR allerdings ziemlich egal ist 😉 Ausziehen musste ich sie jedenfalls noch nicht. So schlimm kann es also auch in Deutschland nicht sein.
(9) Neben Ruhm und Ansehen schielt der Deutsche aufs Geld und das verdient man beim Bloggen in aller Regel nicht. Letzteres ist zwar richtig, aber das Streben nach Geld, das würde ich doch eher als globales Phänomen betrachten.
(10) Die Liste endet mit „Der Blogger kennt keine Ferien“, auf die der Deutsche angeblich pocht. Hmm, weiß ich nicht. Mit hat Heinz Mandl mal vor ziemlich vielen Jahren, als ich gerade meine Dissertation fertig hatte und in Kürze mein Sohn zur Welt kommen sollte, gesagt: „Ein Wissenschaftler hat keine Ferien“. Diese Aussage erscheint mir näher an der Realität.