Bibliotheken in der Eurokrise

„Lernen in der Bibliothek von heute“ – unter diesem Motto findet aktuell der Bayerische Bibliothekstag in Augsburg statt (hier das Programm). Ein Anlass für mich, mal wieder die alte Zugstrecke nach Augsburg zu fahren, denn ich durfte – nach allerlei Grußworten seitens des Bürgermeisters, des Generaldirektors der Bayerischen Staatsbibliothek und des Vorsitzenden des Bayerischen Bibliotheksverbands – den Eröffnungsvortrag halten. Der Empfang fand im Goldenen Saal im Augsburger Rathaus statt, den ich jetzt, nachdem ich nicht mehr in Augsburg bin, nun endlich auch gesehen habe ;-).

Dass sich der alle zwei Jahre stattfindende Bibliothekstag dieses Jahr explizit mit dem Lernen, der Gestaltung von Lernumgebungen und der Informationskompetenz beschäftigt, passt gut in aktuelle Bildungsdiskussionen. Wie bedroht genau diese Leistungen der Bibliotheken angesichts der schlechten öffentlichen Haushaltslage und Eurokrise allerdings sind, machte der Vorsitzende des Bayerischen Bibliotheksverbands, Prof. Walter Eykmann, nachdrücklich deutlich – entsprechend länger gestaltete sich das „Grußwort“.

Für mich war die Wahl eines geeigneten Themas einigermaßen schwierig, weil ich die Zielgruppe nicht besonders gut einschätzen konnte und mit meiner Annahme dann auch richtig lag, dass diese sehr heterogen zusammengesetzt ist. Ich hoffe, dass ich mit meinen Ausführungen zur Rolle der digitalen Medien und der Bibliotheken zum forschenden Lernen inklusive einer Lebensspannenperspektive etwas liefern konnte, das ein paar Impulse für die Veranstaltung gegeben hat. Für alle, die nachlesen wollen, stelle ich mein Manuskript gerne online zur Verfügung:

Vortrag_Augsburg_Juni 10

Was das Buch uns noch zu sagen hätte …

darüber hat sich Helge zum Jahresausklang so seine Gedanken gemacht und eine Idee ausgearbeitet, die das Buch nicht nur zum Träger von Geschichten, sondern selbst zum Erzähler macht (das Konzept hierzu kann man hier abrufen). Technisch umsetzen ließe sich das mit Hilfe einer Software für das Smartphone. Nun gebe ich zu, dass ich kein Smartphone-Fan bin und auch sonst mobile Endgeräte für die Hosentasche nur eingeschränkt nutze (schlicht deshalb, weil ich es sehr schätze, mal einfach nur zu lesen oder nachzudenken, ohne von digitaler Information abgelenkt zu sein, wenn ich mal NICHT vor dem Rechner sitze, was selten genug vorkommt). Deswegen geht es mir an dieser Stelle auch weniger um Helges technischen Umsetzungsvorschlag (so interessant der auch sein mag), sondern um die Idee an sich: Bücher gehen durch viele Leserhände. In der Folge entstehen Aktionen und Interaktionen zwischen einem Buch und seinen Lesern, die höchst individuell und dennoch auch für andere interessant sind bzw. sein können. Der Fixpunkt ist das Buch bzw. nach Helge ein „sehr, sehr kleiner Mensch“ (metaphorisch zu verstehen), versteckt in den Molekülen der ersten Seite, der folglich eine ganze Menge zu erzählen hätte – von seinen Lesern, ihren Interessen und Erkenntnissen infolge der Lektüre usw. Man stelle sich nun vor, das Buch ließe sich in diesem Sinne zum Erzählen bringen.

Ich finde diese Idee deswegen sehr schön, weil sie mehrere Dinge deutlich macht: (a) Die Inhalte eines Buches werden erst aktualisiert, wenn Menschen sie lesen. Das öffentlich zugängliche (materialisierte) Wissen (im Buch) ist noch kein handlungswirksames personales Wissen; es muss erst zu einem solchen werden. Das Buch als Erzähler wüsste genau darüber zu berichten – eine spannende Aussicht. (b) Ob der Inhalt eines Buches nützlich ist oder nicht, ob er als spannend oder langweilig empfunden, als schwer oder leicht beurteilt, als neu oder hinlänglich bekannt bewertet wird etc., ist abhängig vom Leser. Das Buch als Erzähler wüsste das und so könnte man validere Urteile über die Qualität der Buchinhalte treffen als dies bisher möglich ist – ein Beitrag zur mehr Fairness gegenüber den Autoren. (c) Ähnliche Fragen eines Lesers an ein Buch, vergleichbare Folgerungen aus der Lektüre oder resultierende Ideen in die gleiche Richtung sind hervorragende Anker, die einem helfen würden, Kontakte und Netzwerke zu Menschen zu knüpfen, mit denen man sich effektiv austauschen kann. Das Buch als Erzähler könnte genau diese Informationen liefern und Gleichgesinnte, ebenso wie natürlich auch Kontrahenten zueinander führen und auf diesem Wege fruchtbare Beziehungen für den gegenseitigen Austausch anstoßen.

Also, Helge, ICH finde, du hättest bei diesem Bibliothekswettbewerb, zu dem du deine Idee eingereicht hast (Blog-Info dazu hier), Platz 1 verdient.