Kurz vor Schluss

An das European Credit Transfer System (ECTS) hat sich inzwischen wohl (fast) jeder gewöhnt – zumindest sind Proteste erlahmt, ohne dass ich jetzt beurteilen könnte, ob Überzeugung oder Resignation oder noch etwas anderes die Gründe sind. Jedenfalls war es zwischen 2013 und 2015 unter anderem ein Thema an der Zeppelin Universität und in diesem Zusammenhang hatte ich dort im Rahmen meiner Tätigkeit vor rund zwei Jahren versucht, diese „Währung“ insbesondere in Bezug zum System der Semesterwochenstunden (im Prinzip auch eine Art Währung) verständlich darzustellen und mir zu überlegen, was man Lehrenden im Umgang mit diesen Systemen raten kann. Leider wurde das Thema damals nicht weiter bearbeitet und so dümpelten ein paar Kurztexte bei mir vor sich hin. Ich habe diese jetzt ein wenig überarbeitet und in einem Artikel zusammengestellt – aktuell ist das Thema ja immer noch. Kurz bevor der September zu Ende geht,  jetzt also noch schnell der Impact Free-Beitrag Nr. 4 (September) zu „Währungen der Lehre im Bologna-System“ (zu den bisherigen Beiträgen siehe hier).

Widerstand überfällig

In einer aktuellen Pressemitteilung (hier) berichtet die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) von einer gemeinsamen Erklärung der Rektorenkonferenzen aus fünf europäischen Ländern. Sie „warnen davor, das Wesen der Promotion als erster Phase forschungsbasierter Arbeit junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu verwässern“. Diese Gefahr nämlich bestehe, wenn, wie offenbar geplant, die Promotionsphase im Zuge des Bologna-Prozesses nun tatsächlich als ein dritter Zyklus dem Bachelor und Master „äußerlich und strukturell“ angeglichen werden soll. Das heißt dann: Lernergebnisse operationalisieren, Credit Points vergeben, ein „Diploma Supplement“ mit einer Kompetenzbeschreibung erstellen. Parallel dazu dränge – so die Erklärung – die EU-Kommission darauf, dass Teile der Promotion darin bestehen, „arbeitsmarktorientierte Zusatzqualifizierungen“ zu durchlaufen.

Der Widerstand gegen ein solches Ansinnen ist überfällig. Die Arbeitsmarktorientierung – so meine Einschätzung – wächst sich allmählich zu einer Krake aus, die andere Zwecke und damit andere wichtige gesellschaftliche Bereiche und deren Erfordernisse sträflich missachtet.

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Brüchige Brücken

Fünf oder sechs Credit Points für eine Veranstaltung? Zwei oder drei Veranstaltungen in ein Modul? Pflicht oder Wahlpflicht? Wer kann das noch bestimmen? Bereits im Jahr 2011 erschien (online hier) ein interessantes Papier von Stefan Kühl mit dem sinnigen Titel „Der Sudoku-Effekt der Bologna-Reform“. Die Analogie erklärt sich wie folgt:

Die Komplexität wird […] durch den „Sudoku-Effekt“ der Bologna-Reform  geschaffen. Genau so wie es bei dem Logikrätsel Sudoku darauf ankomme, die Zahlen von 1  bis 9 in Spalten, Zeilen und Blöcken unterzubringen, wird mit den Bologna-Vorgaben  verlangt, dass alle Prüfungen, Seminare und Vorlesungen in sogenannten Leistungspunkten  ausgedrückt werden, die dann schlüssig auf Module zu verteilen sind. Genau so wie bei jedem  Sudoku exakt Zahlen im Gesamtergebnis von 405 – nämlich 9 x jeweils die Zahlen 1, 2, 3, 4,  5, 6, 7, 8, 9 – in Kästchen zu verteilen sind, müssen bei den Bologna-Studiengängen am Ende entweder genau 180 Leistungspunkte für den Bachelor oder genau 120 Leistungspunkte für  den Master herauskommen. Genau so wie es beim „Sudoku“ am Ende immer schwieriger  wird, die Zahlen anzuordnen, wird auch bei der Gestaltung von Studiengängen am Ende häufig nur noch darauf geachtet, dass am Ende alles zahlenmäßig irgendwie aufgeht.“ (S. 5) Eine von vielen Folgen ist: „Nicht selten sitzen dann Studiengangsplaner mit Taschenrechnern über einer Vielzahl von Tabellen und schauen, bei welcher Leistungspunktezurechnung für Übungen, Hausarbeiten oder Klausuren alles aufgeht. […] Hauptsache, man kommt am Ende irgendwie auf die verlangten 180 oder 120 Leistungspunkte für einen Studiengang.“ (S. 14)

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