Wirkliche Promotionskultur

Die Promotion ist immer mal wieder Gegenstand der Kritik. Bisher ging diese Kritik tendenziell dahin, dass die Ausbildung von Doktoranden zu unstrukturiert, letztlich auch zu wenig (nur über das Ergebnis der Dissertation selbst) kontrollierbar sei. André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, schlägt nun andere Töne an.

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Selbstzufrieden

Die europäischen Minister/innen haben sich Mitte Mai 2015 wieder zur Bologna-Konferenz (siehe hier) getroffen … und sind zufrieden mit sich, wie es scheint. Jedenfalls kann man das der Pressemitteilung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) (siehe hier) so entnehmen. Dort heißt es unter anderem:

„Zentrale Punkte des im Rahmen der zweitägigen Konferenz gemeinsam verabschiedeten Kommuniqués sind unter anderem der Ausbau der Studierendenzentrierung der Lehre, die Schaffung flexibler und transparenter Lernpfade und die Förderung einer Hochschulbildung, die die Beschäftigungsbefähigung der Absolventinnen und Absolventen in sich schnell verändernden Arbeitsmärkten stärkt.“ Das sei der richtige Weg, so Prof. Dr. Holger Burckhart, HRK-Vizepräsident für Lehre und Studium, Lehrerbildung und Lebenslanges Lernen. In dieser Allgemeinheit wird wohl keiner widersprechen: Wer wollte schon die Lehre von den Studierenden de-zentrieren, Lernpfade (was immer das genau heißen mag) unflexibel und intransparent gestalten und Studierende auf die Arbeitslosigkeit hin vorbereiten. Also stimmt man natürlich zu.

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Widerstand überfällig

In einer aktuellen Pressemitteilung (hier) berichtet die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) von einer gemeinsamen Erklärung der Rektorenkonferenzen aus fünf europäischen Ländern. Sie „warnen davor, das Wesen der Promotion als erster Phase forschungsbasierter Arbeit junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu verwässern“. Diese Gefahr nämlich bestehe, wenn, wie offenbar geplant, die Promotionsphase im Zuge des Bologna-Prozesses nun tatsächlich als ein dritter Zyklus dem Bachelor und Master „äußerlich und strukturell“ angeglichen werden soll. Das heißt dann: Lernergebnisse operationalisieren, Credit Points vergeben, ein „Diploma Supplement“ mit einer Kompetenzbeschreibung erstellen. Parallel dazu dränge – so die Erklärung – die EU-Kommission darauf, dass Teile der Promotion darin bestehen, „arbeitsmarktorientierte Zusatzqualifizierungen“ zu durchlaufen.

Der Widerstand gegen ein solches Ansinnen ist überfällig. Die Arbeitsmarktorientierung – so meine Einschätzung – wächst sich allmählich zu einer Krake aus, die andere Zwecke und damit andere wichtige gesellschaftliche Bereiche und deren Erfordernisse sträflich missachtet.

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Nicht nur von Interdisziplinarität reden

Nun wird es mal Zeit, dass ich kurz vom erfolgreichen Abschluss dreier Dissertationen berichte: Carsten Druhmann, Diana Jurjević und Markus Steidle haben alle nacheinander Anfang 2013 ihre Dissertationen abgegeben und im letzten Monat – also im Mai – ihr Kolloquium absolviert: also einen Vortrag zu ihrer Arbeit gehalten und sich der Diskussion mit drei Prüfern gestellt.

So unterschiedlich die drei Arbeiten waren, gibt es doch auch eine Gemeinsamkeit, nämlich die, dass sie alle in irgendeiner Form interdisziplinär ausgerichtet waren – mit allen Höhen und Tiefen, die damit verbunden sind.

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Wann ich die wissenschaftliche Welt nicht mehr verstehe

Im Moment sitze an meinem 19. Dissertationsgutachten (Erstgutachten) seit 2003 (zehn Jahre – mein Gott!). Ich habe keine Ahnung, ob das viel oder wenig ist. Was ich aber sagen kann ist, dass die Gutachtenerstellung immer schon viel Arbeit war und nach wie vor ist. Nun sollte man meinen, dass man mit der Zeit aufgrund wachsender Übung und Erfahrung schneller wird (zehn Jahre gilt ja auch als magische Grenze zur Expertise). Das ist wohl auch der Fall. Ich bemerke aber gleichzeitig, dass meine Gutachten länger werden – nicht so sehr viel, aber doch ein wenig (früher rund acht Seiten, heute um die zwölf Seiten). Nun hatte ich kürzlich ein interessantes Gespräch mit einem Zweitgutachter aus einer anderen Universität. Der Zweitgutachter lobte mein sehr ausführliches und gut nachvollziehbares Gutachten, das er in wirklich allen Punkten unterstreichen könne. Aber er habe da einen wichtigen Hinweis: An seiner Uni bzw. an seiner Fakultät würde man das so nie auslegen können. Es seien ja neben den genannten Stärken doch auch umfangreich Schwächen und sehr genau Defizite dargelegt und da würde man in Frage stellen, ob man die Arbeit überhaupt durchgehen lassen könne.

Das finde ich nun schon sehr interessant. Immerhin werden Dissertationen (anders als Habilitationsschriften) nicht mit „bestanden – nicht bestanden“ bewertet, sondern es gibt Abstufungen: summa cum laude (also in etwa „ausgezeichnet“) – magna cum laude (damit meint man „sehr gut“) – cum laude (damit bringt man zum Ausdruck, dass die Arbeit gut ist) und „rite“ (im Sinne von: „na ja, geht gerade noch so“). Wenn es nun solche Abstufungen gibt und man als Gutachter zu einem Urteil (Auswahl aus vier Optionen) kommen will, braucht man Gründe: Man muss darlegen, was an der Arbeit ausgezeichnet, sehr gut oder eben gut ist, was aber auch weniger gelungen ist. Und was weniger gelungen ist – so wäre auch mein Anspruch als Doktorand – sollte schon konkret benannt sein. Am Ende kommt es dann darauf an, wie man Stärken und Schwächen zueinander in Beziehung setzt, wie man sie gewichtet und was man daraus folgert. Auf diese Weise arbeitet man sich als Gutachter gewissermaßen zu einer Bewertung vor – zu einem begründeten, hoffentlich nachvollziehbaren Urteil. Wenn man nun die Schwächen und Defizite einer Arbeit nur andeutet, eher knapp in das Gutachten einbaut und insbesondere nicht konkretisiert: Bleibt man dann dem Doktoranden wie auch Dritten (nämlich der Fach-Community) nicht eine Begründung für sein Urteil schuldig? Was ist das für eine Fakultätskultur, die fordert, dass man in Gutachten die negativen Punkte einer Arbeit besser nicht so genau benennt?

Natürlich: Wenn man seine Doktoranden gut betreut, sieht man selbstverständlich die Dissertation nicht bei Abgabe das erste Mal. Bei uns ist es so, dass ich (neben unserem Doktorandenprogramm) alle Kapitel einer Arbeit mindestens zweimal lese und in der Regel auch zweimal ein Feedback mit Hinweisen bis auf die Satzebene gebe. Am Ende bekomme ich dann noch einmal eine vollständige Version. Und auch auf die gibt es in der Regel eine längere Rückmeldung und meistens ist es so, dass Doktoranden dann noch einige Wochen, mitunter Monate, brauchen, um eine zweite „abgabereife“ Fassung zu haben. Auf diese werfe ich dann noch einmal einen letzten Blick. Niemals würde ich diese letzte Fassung „abnicken“, wenn ich der Meinung wäre: Da wird das erforderliche Niveau nicht erreicht. Auch eine Arbeit, bei der es allenfalls auf ein „rite“ hinauslaufen würde, würde ich so lange zurückgeben, bis diese „Wackelstufe“ zwischen „bestanden und nicht-bestanden“ verlassen ist.

Spätestens hier – allerdings auch schon zu früheren Phasen – muss man sich als Betreuer allerdings die Frage stellen: Wann werde ich zum Ko-Autor? Wie viel und mit welchem Konkretisierungsgrad kann, soll, darf ich Verbesserungen anregen, vorschlagen oder einfordern? Ein Feedback muss konstruktiv sein, also Hinweise beinhalten, wie man es besser machen kann, sonst kann der Doktorand damit wenig anfangen. Das lässt sich aber nicht abstrakt bewerkstelligen, sondern muss konkret am einzelnen Beispiel erfolgen. Da kann schon mal die Grenze des „Mitschreibens“ zumindest erreicht werden – und die gilt es dann natürlich, genau nicht zu überschreiten!

Fazit: Die am Ende abgegebene Dissertation, wenn sie denn gut betreut ist, sollte bereits einen umfänglichen „Check“ hinter sich haben. Nur in wenigsten Fällen aber wird sie „perfekt“ im Sinne von „ohne kritisierbare Punkte“ sein (und dann ein „summa cum laude“ erhalten). Vielmehr wird sie zwar das erforderliche Niveau erreicht haben, aber – was sich ja auch in der Benotung zeigt – neben den Stärken mehr oder weniger ausgeprägte Schwächen haben – immer noch, auch und trotz einer intensiven Betreuung, weil man ja eben nicht einfach „mitschreiben“ kann. Und der Zweitgutachter wird noch einmal andere Dinge kritisieren oder auch loben. Und genau dazu – so meine ich jedenfalls – sind die Gutachten da: In diesen muss stehen, wie die Gutachter die Arbeit sehen, welchen wissenschaftlichen Wert die Arbeit aus ihrer Sicht hat, wie verschiedene, möglichst transparent zu machende, Kriterien erfüllt sind, und warum man daher zu welcher Bewertung kommt. Eine solche Bewertung ist niemals „objektiv“ in dem Sinne, dass man zu einem Urteil kommt, auf das alle anderen potenziellen Gutachter exakt auch kommen würden. Genau deswegen ist es ja so wichtig, dass man sein Urteil begründet.

Ich habe das bisher eher intuitiv so gemacht. Seit nun in den letzten eineinhalb Jahren die Plagiatsaffären in den Schlagzeilen waren (vor allem der besonders komplexe „Fall Schavan“), habe ich mich in meinem Vorgehen eigentlich bestätigt gesehen: Auch Gutachter tun gut daran, ihre Bewertungen nachvollziehbar zu begründen (dann müsste man 30 Jahre später nicht rätseln, warum eine Arbeit damals so und heute so bewertet wird). Umso mehr hat mich gewundert, von gänzlich anderen Gepflogenheiten zu hören: Gutachten mit umfänglicher Auflistung von Kritikpunkten und deren Gewichtung gar nicht erst zuzulassen. Ich muss sagen: Da verstehe ich die wissenschaftliche Welt nicht mehr.

Machtlose Bildungspolitik?

Es bleibt in Frauenhand – das Bundesministerium für Bildung und Forschung: Bulmahn, Schavan, Wanka (auch wenn letztere vielleicht nur sechs Monate Zeit hat). Die studierte Disziplin aber wechselt: Johanna Wanka ist Mathematikerin. Spiegel Online (hier) gratuliert ihr schon mal zum „Aufstieg in die Machtlosigkeit“. Aber ist das gerechtfertigt? Wer die Wissenschaft seinen eigenen (beruflichen) Kontext nennt, weiß, dass auch die Bildungspolitik des Bundes durchaus Einfluss auf Forschung und Lehre an unseren Hochschulen nimmt.

Einen kurzen Überblick über das Wirken der letzten Bildungsministerin findet man hier; dabei wird deutlich: So ganz machtlos ist das nicht, was in diesem Ministerium möglich ist. Der Beitrag verweist unter anderem auf die politisch zumindest mit verursachte Schieflage in der deutschen Wissenschaft: „Die außeruniversitären Einrichtungen bekommen bis 2015 satte Aufwüchse über den ´Pakt für Forschung und Innovation´. Die Hochschulen hingegen müssen einen immer größeren Teil ihrer Grundfinanzierung durch im Wettbewerb eingeworbene Drittmittel stemmen. Immer mehr Personal ist prekär beschäftigt. Dabei mussten die Hochschulen in kurzer Zeit eine Rekordzahl von Studierenden aufnehmen. Der Hochschulpakt hilft, doch er ist unterfinanziert und befristet.“

In der ZEIT Online findet man hier eine Liste von Wünschen, die Studierende nun an Johanna Wanka richten. Die hier ausgesuchten Wünsche sind teils praktischer, teils aber auch höchst ideeller Natur: mehr Zeit und Muße, mehr Freiheit und Eigenverantwortung, mehr Selbstbestimmung, mehr Lehrende und weniger Drittmittelabhängigkeit und ein Klima, in dem es nicht nur darum geht „den Lebenslauf aufzupimpen“ (zu deutsch: aufzumotzen). Um diese Wünsche zu erfüllen, dürften sechs Monate wohl leider nicht reichen.

Und Schavan? Mich würde interessieren, wie denn die Betreuung ihrer Dissertation vor gut 30 Jahren abgelaufen ist. Hier gehen ja die Meinungen auseinander: Die einen sagen, man sei als Professor nicht dazu da, eine Arbeit im wörtlichen Sinne zu „betreuen“, weil das an der Idee eines selbständig forschenden Doktoranden vorbeigehe. Andere (und da zähle ich mich auch dazu) weisen darauf hin, dass auch Promotionen Qualifizierungsphasen sind, in denen man sehr wohl noch von anderen etwas lernen kann und soll (die Frage ist ja eher, wie), was dann auch eine Begleitung erforderlich macht. Nur dann nämlich kann man erkennen, wenn jemand auf einen ungeeigneten Weg gerät und die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens wissentlich oder unwissentlich aus den Augen verliert. Frank führt dazu hier die Unterscheidung von nicht-sportlich und unsportlich ein – eine treffende Analogie, wie ich finde.

Nun wird ein halbes Jahr schnell um sein. Mal sehen, wer im September das Bildungs- und Forschungszepter in die Hand nimmt und wie er oder sie die damit verbundene Macht(losigkeit) dann nutzen wird.

Wissenschaft als Hochleistungssport

Herzlichen Dank am Marc Dettler, der in einem Kommentar zum letzten Blog-Post zur „Akte Guttenberg“ auf einen aktuellen und höchst interessanten Beitrag von Manuel Scheidegger und Johannes Schneider im Tagesspiegel (Mehr als nur ein Titel) hingewiesen hat. Dieser Beitrag greift genau die Frage auf, die mich beim Lesen des Münch-Interviews eben auch sehr beschäftigt hat, nämlich: Was ist das für ein Verständnis von Wissenschaft und speziell von Dissertationen, das in der aktuellen Medienkommunikation gerade öffentlich verbreitet wird? Dieses Verständnis geht nämlich dahin, dass Wissenschaft in gewisser Weise „l´art pour l´art“ sei und eine wissenschaftliche Ausbildung im Rahmen einer Promotion mit beruflicher Tätigkeit außerhalb der Hochschulen völlig unnütz sei. „Warum denkt eigentlich kein Mensch zur Zeit umgekehrt daran, dass ein Doktor, der am Ende einer wissenschaftlichen Ausbildung steht, die ernsthaft und eben nicht blödsinnig verfolgt wurde, etwas beitragen kann zu dem, was wir von Politikern verlangen?“, fragen Scheidegger und Schneider, und ich würde ergänzen: zu dem beitragen, was wir von Menschen in Berufen erwarten, die komplexe Probleme lösen sollen (wozu Politiker eindeutig auch gehören). Und weiter heißt es in dem Beitrag: „Das Studium ist letztlich vor allem ein Training in Problemlösekompetenz, sollte das zumindest sein. Wissenschaft, wenn sie forscht und entwickelt, ist Hochleistungssport: Es braucht jahrelanges Training, mitunter in einer Doktorarbeit absolviert, sein Denken zu schulen und zu entwickeln, bis Ideen punkten und andere überzeugen“. Ja, genau so ist das – Hochleistungssport und den macht man eben auch nicht nebenbei, für den braucht man ein Höchstmaß an Motivation und Disziplin. Und zwei weitere Sätze der beiden Autoren kann ich nur unterstreichen, weil sie noch einmal auf den Punkt bringen, was mir auch in den letzten beiden Blog-Posts wichtig war: „Die Universitäten müssen Sorge tragen, dass ein Doktorstudium zu einer Qualifikation führt, die auch Nicht-Akademiker davon überzeugt, sinnvoll Geld für kompetente Problemlöserinnen ausgegeben zu haben. Die Gesellschaft muss im Gegenzug wahrnehmen und zugestehen, dass es sehr wohl Sinn ergeben könnte, wenn ein Minister die Qualifikation eines Doktors mitbringt“. Danke für die klaren Worte!

Promotionen massiv zurückfahren?

Nun hat sich auch der Soziologe Richard Münch am Wochenende zum aktuellen Plagiatsfall im Verteidigungsministerium geäußert. Da ich bereits zwei Bücher von Münch mit viel Gewinn gelesen habe (dazu in diesem Blog Einträge hier und hier), habe ich interessiert begonnen, sein Interview zu lesen, das dankeswerter Weise auch in der SZ online (hier) nachzulesen ist. Aber was Münch da von sich gibt, ist mir zum Teil ganz und gar nicht verständlich, jedenfalls nicht in der generalisierten Form, wie er das macht. Bei den mir unverständlichen Passagen handelt es sich weniger um die Plagiatsfrage, sondern um den Stellenwert und die Ausgestaltung der Promotion (die ich vor kurzem ja auch mal wieder diskutiert habe, nämlich hier):

So meint Münch z.B.: „Ich halte Plagiate grundsätzlich auch für ein Problem externer Dissertationen, die übrigens gehäuft in der Rechtswissenschaft vorkommen. … Doktoranden, die voll im Beruf stehen und den Titel nur für ihre Karriere brauchen, haben meist nicht genug Zeit und Ansporn, um sich mit ihrem Thema wirklich zu beschäftigen. Außerdem stehen sie meist nicht in so engem Kontakt zu ihrem Doktorvater wie das bei internen Doktoranden wie wissenschaftlichen Mitarbeitern, Promotionsstudenten oder Stipendiaten der Fall ist. Da fühlt man sich weniger verpflichtet. … Ich bin auf jeden Fall dafür, die externen Promotionen massiv zurückzufahren.“ Und auf die Nachfrage „Sehen Sie die Promotion in Zukunft einzig als Teil der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses?“ antwortet Münch: „Das ist der genuine Sinn der Sache. Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen einer Promotion und einem außerakademischen Beruf.“

Das mag für die Rechtswissenschaften vielleicht eine sinnvolle Forderung und Haltung sein – ich kann das nicht gut beurteilen, deshalb lasse ich es mal. In dieser generalisierenden Art aber halte ich seine Forderungen auf keinen Fall für zielführend. Zunächst einmal ist es kein Automatismus, sondern eine Sache der Promotionsgestaltung, wie eng und qualitativ gut (oder schlecht) die Zusammenarbeit eines externen Doktoranden mit anderen Doktoranden und dem Betreuer ist. Zudem meine ich, dass die Promotion ein „Projekt“ ist, in dem man exemplarisch sein wissenschaftliches Wissen und Können unter Beweis stellt. Bei Münch liest es sich allerdings so, als sei die Promotion ein bloßer akademischer Initiationsritus – völlig wertlos für die Welt außerhalb der Universität? Warum dann übrigens auch „forschendes Lernen“? Was ist mit der immer wieder festgestellten erhöhten Wissenschaftlichkeit von Berufstätigkeiten, die man mit dem Schlagwort der Wissensarbeit in Verbindung bringt? Sind nicht gerade Personen, die aus der Berufswelt oder in Verbindung mit der Berufswelt AUCH wissenschaftlich arbeiten, ein wichtiges Bindeglied zwischen Wissenschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen? Was steckt da also für eine Auffassung von Promotion hinter einer solchen Einstellung?

Vielleicht findet sich ein Grund in Münchs folgender Äußerung: „Man sollte nicht vergessen, dass Promotionen für Professoren auch Statussymbole sind.“ Ja, mag sein, aber davon möchte zumindest ich mich schon distanzieren (liebe Doktoranden: Ich betrachte euch NICHT als Statussymbole!). Worin ich Münch dann allerdings wieder Recht gebe, ist Folgendes: „Wenn, wie in den USA, in Zukunft nur noch an Graduiertenschulen promoviert werden würde, stünden viele Professoren ohne Promotionen da.“ Für ihn folgen daraus „Statusunterschiede innerhalb der Professorenschaft“, die dann gewaltig wären. Mich folgen daraus vor allem ein Abschied von der Wissenschaft als Haltung und Problemlösestrategie und eine Hinwendung zur Wissenschaft als gesellschaftlicher Tummelplatz für Trophäenjäger.