Wo sind die Alternativen?

Ich muss doch nochmal zurückkommen auf die durch die GMW-Tagung 2009 angestoßene Diskussion zum Begriff des E-Learning (Näheres zum Ausgangspunkt dieser Diskussion siehe hier). Wolfgang Neuhaus hat (hier) versucht, die Diskussion aus seiner Sicht noch einmal zusammenzufassen und seine Position zu formulieren.

Zunächst einmal sehe ich mich unter Punkt 1 falsch interpretiert. Da heißt es: „Sie (also ich) plädiert dennoch ausdrücklich dafür, am E-Learning-Begriff festzuhalten, weil sie den Begriff des Lernens – hinsichtlich seiner Interpretation durch Lehrende – für genauso unpräzise hält wie den Begriff des E-Learnings.“ In der Diskussion zu meinem Beitrag habe ich noch einmal klar gestellt, dass man Begriffsdefinitionen innerhalb einer Fach-Community einerseits von der Begriffswahl bei der Kommunikation in Praxiskontexte und damit auch bei der Implementation andererseits auf jeden Fall unterscheiden sollte. Es ist keine neue Erkenntnis, dass man wissenschaftliche Ergebnisse in Form von Erkenntnissen, Konzepten oder auch Produkten in der Praxis anschlussfähig und kontextsensibel beschreiben und umsetzen sollte. Dass sich dafür Fachsprachen nicht immer eignen oder unerwünschte Konnotationen hervorrufen, wissen wir. Dass man das vermeiden sollte, darin haben wir Konsens. Und genau in diesem Punkt haben die meisten Gudrun Bachmann in ihrem Plädoyer für die „Abschaffung des E-Learning-Begriffs“ wohl auch zugestimmt. Davon zu trennen aber ist doch die interne Diskussion, die Theorie und Empirie zum Lernen mit digitalen Medien.

Und damit komme ich zu meinem zweiten Einwand: Ich kann nicht verstehen, wie man behaupten kann, Lernen sei ein wissenschaftlich eindeutig definierter Begriff und zwar unabhängig von der paradigmatischen Richtung der Definition (Abschnitt 2 im Beitrag von Neuhasu). Das Verständnis davon, wie Menschen lernen, unterscheidet sich doch wohl gewaltig oder ist es plötzlich egal, ob ich mir Lernen analog zur technischen Informationsverarbeitung, als Assoziation von Reizen und Reaktionen oder als selbstorganisierte Konstruktion vorstelle? Ich würde ja schon sagen, dass dies die Förderpraxis beim Lernen und die Haltung von Lehrenden in hohem Maße beeinflusst. Erstaunt hat mich dann vor allem die Festlegung auf ein Lernverständnis, dass die beobachtbaren Verhaltensweisen ins Zentrum rückt (Zitat: „Mit Lernen bezeichnen wir immer eine Verhaltensänderung des Menschen“): Hat nur gelernt, wer beobachtbar eine Aufgabe anders bewältigt? Hat nicht gelernt, wer zu einer neuen Erkenntnis gelangt ist, die ihm hilft ein Problem in einem anderen Licht zu sehen – auch wenn er selbst es niemals beobachtbar für andere lösen wird (z.B. ein politisches Problem)? Wollen wir uns wirklich auf so einen engen und recht mechanistischen (keinesfalls wohl humanistischen) Lernbegriff einigen? Nein, da bin ich nicht dabei. Im Kompetenzbegriff sehe ich hier übrigens alles andere als eine gelungene Alternative: Ich melde mich sofort für eine Community, die den Kompetenzbegriff abschaffen will (Genaueres zu dem Wirrwarr an anderer Stelle, nämlich hier).

Noch ein Einwand zu dem Satz „Natürlich ist der Streit um Begriffe nur ein Nebenkriegsschauplatz“ (Punkt 4). Natürlich? Ich neige manchmal auch zu einem genervten „Nenne es doch, wie du willst, wenn du nur die Idee kapiert hast“. Aber das sagt sich so leicht. Können wir nicht oft beobachten, wie sich Menschen an Begriffe klammern, die dann ein Feld von Konnotationen verbreiten, das sich ab einem bestimmten Zeitpunkt individuell oder gar kollektiv nicht mehr revidieren oder erweitern oder eingrenzen lässt – und wenn man noch so viele Richtigstellungen unternimmt? Aus der Sicht der Bildungspraxis haben wir da also keineswegs einen Nebenkriegsschauplatz. Und aus der Sicht der Wissenschaft ist ein Streit um Begriffe aus meiner Sicht notwendig. Vielmehr ist es eine Frage, wie dieser Streit ausgetragen wird und welche Ziele man erreichen will. Dass es da dann auch Sackgassen geben kann, die man besser wieder verlässt und einen neuen Weg sucht, der auch weiterführt, will ich nicht bestreiten. Aber keinesfalls dürfen wir den Streit um Begriffe begraben. Wir würden ein wichtiges Element der Wissenschaft verlieren – das kann man nicht ernsthaft fordern.

Am Ende frage ich mich: Hätte denn jemand für die Fach-Community (nicht für die Praxis) eine sinnvolle Alternative für den Begriff des „E-Learning“? Viele (ich auch) verwenden den Begriff nur als Dach/Sammelbegriff für das Lernen und Lehren mit digitalen Medien, den es dann ohnehin jeweils zu spezifizieren gilt. Vielleicht gibt es ja einen besseren Sammelbegriff – aber wo ist der? Ist es sinnvoll, dass wir uns stattdessen als Hochschuldidaktiker bezeichnen? Kann ich mir nicht vorstellen, weil es dagegen ebenfalls Aversionen gibt (ist eher wieder das Praxisargument) und weil es zweitens den Kontext einschränkt (was ist mit Schule, Freizeit, Arbeitsplatz und Weiterbildung?). Der Vorschlag mit der Allgemeinen Didaktik kann nicht ernst gemeint sein, wenn man sich Historie, Ziele und Besonderheiten der deutschen Allgemeinen Didaktik ansieht. Also: Wo sind die Alternativen?

Wissensmanagement und Weiterbildung

Erst in diesem Jahr (also 2009) ist das „Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung“ in der dritten, überarbeiteten und erweiterten Auflage, herausgegeben von Rudolf Tippelt und Aiga von Hippel, erschienen. Schon aber ist das Werk (ein ziemlich dicker Wälzer mit über 1000 Seiten) fast vergriffen und es gibt eine Neuauflage mit kleineren Korrekturen (etwa von Fehlern). Dies ist eine gute Gelegenheit, den dort erschienen Beitrag von Heinz Mandl und mir zum Thema „Wissensmanagement und Weiterbildung“ als Postscript zur Verfügung zu stellen. Inhaltlich steht da jetzt nichts prinzipiell Neues drin. Vielmehr ist es ein Versuch, das Thema im Kontext der Weiterbildung sinnvoll zu platzieren.

Handbuchartikel_WM_Weiterbildung

Im Gespräch

Die Organisation der GMW 2009 ist auf mich zugegangen, ob ich – da mein „Dialog-Vortrag“ mit Tobias nicht aufgenommen wurde –  ielleicht ein Manuskript dazu habe und zur Verfügung stellen könnte. Ja, habe ich und gebe ich auch gerne her:

iTunes statt Hörsaal Dialog

Der Inhalt ist nicht identisch mit dem Text (der ja nun wieder erfreulicherweise auch über den Tagungsband im Netz online verfügbar ist), weshalb es nicht ganz überflüssig erscheint, dieses Dokument auch anzubieten. Zudem möchte ich – weil es dazu passt – das Konzept für die Podcast-Vorlesung, die im Gespräch angeführt wird, zur Verfügung stellen.

Konzept Podcast VL 09_10

Die Podcasts selbst werden im Laufe des Wintersemesters online gestellt.

Für alle, die von GMW-Infos noch nicht genug haben, kann ich nur auf den Tagungsblog verweisen, auf dem u.a. ein Überblick über die Blogbeiträge versucht wird. Ich finde schon, dass man die Integration der digitalen Medien in die diesjährige GMW 2009 als vorbildlich bezeichnen kann. Das wurde sehr gut organisiert!! Die vielen Kommentare und Diskussionen (nicht nur auf diesem Blog) sind ein Zeichen, dass es dieses Jahr auch gelungen ist, den Dialog z.B. (aber nicht nur) zwischen „Generationen“ anzuregen …. wobei ich mich gefragt habe, wann man denn eigentlich zu den „Etablierten“ , wie das Marcel Kirchner so schön hier formuliert hat, gehört. 😉

Kampfansage gegen die Netzgeneration

Rolf Schulmeister hat mit seinem fast schon Buchumfang erreichenden Beitrag zur Netzgeneration (inzwischen in der zweiten Version: online hier zugänglich) bereits Furore gemacht und bleibt dran am Thema – auch auf der diesjährigen GMW: „Studierende, Internet, E-Learning und Web 2.0“ lautet sein Beitrag (im Tagungsband auf den Seiten 129 bis 140). Für Weihnachten 2009 ist die Version 3 des oben genannten „Werkes“ angekündigt. Berichtet werden im Beitrag zentrale Ergebnisse, allem voran Übereinstimmungen und Diskrepanzen zwischen drei aktuellen Studien, die die medialen Nutzungsgewohnheiten von Studierenden untersuchen. Interessant sind die methodischen Hinweise zur Befragung in der von Schulmeister selbst unterstützten Studie, die ich sehr wichtig finde, um typische Artefakte bei Befragungen auf diesem Feld in den Ergebnissen zu vermeiden. Auch die Entscheidung für den Modus (der am häufigsten gewählte Wert) statt des Mittelwerts bei der Auswertung ist mehr als überfällig – es sollte uns ein Vorbild sein.

Zusammenfassend kommt Schulmeister zu dem Schluss, dass die inzwischen vorliegenden empirischen Ergebnisse sehr ernüchternd sind: Die befragten Studierenden erweisen sich weitgehend NICHT als Enthusiasten der konstruktiven Netz-Nutzung. Natürlich ist der Beitrag keine „Kampfansage an die Netzgeneration an sich“, denn laut Schulmeister gibt es die in der postulierten Form gar nicht. Es ist also eine Kampfansage an die Mystifizierung einer Generation, die mit dem Netz aufwächst, dieses aber letztlich nur als erweitertes Telefon oder Suchwerkzeug nutzt – mal überspitzt formuliert.

Im Vortrag wurden weitere Gedanken und Thesen formuliert, so z.B. die, dass die Web 2.0-Nutzung aus der Freizeit keinen Transfer auf Bildungskontexte erlebt, dass das „Web 2.0“ womöglich für das formale Lernen gar nicht geeignet sei und sich Lernen und Bewerten wohl eher ausschließen (wobei die Rolle des Web 2.0 bei Letzterem diffus bleibt).

Neben mir rutscht Tom Sporer bei solchen Worten unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Warum? Weil Schulmeisters Worte für manche Ohren resigniert und danach klingen, dass wir es besser bleiben lassen sollten, „partizipative Web-Anwendungen“ in Lehrveranstaltungen einzuführen? Das kränkt jeden „Erneuerer“ und die, die sich engagieren. Oder weil unklar bleibt, was aus solchen empirischen Befunde denn jetzt folgt, die man nun mal nicht wegdiskutieren kann? Im Text stellt Schulmeister einfach nur fest, dass die Ergebnisse der Studie „ein negativer Spiegel unserer Anstrengungen“ (S. 140) seien, E-Learning einzuführen. Der Leser kann und soll seine Folgerungen selbst ziehen. Entsprechend spannend wäre es gewesen, hier eine längere Diskussion anzuschließen.

PS: Auch in diesem Beitrag werden übrigens Aktivitäten wie Lesen, Zuhören und Anschauen als „passiv“ bezeichnet, was ich nicht teilen kann. Ich plädiere für die Bezeichnung „rezeptiv“ (versus produktiv), weil vor allem Lesen und Zuhören sehr wohl „aktiv“ in dem Sinne sind, dass sie sich nicht auf mentale Reaktionen beschränken.

E-Learning am Scheidepunkt?

Einen spannenden Titel und eine berechtigte Frage positionierten Gudrun Bachmann et al. mit ihrem Beitrag „E-Learning ade – tut Scheiden weh?“ (Beitrag im Tagungsband auf den Seiten 118 bis 128). Im Kern geht es um die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, den Begriff des E-Learning aus unserem Wortschatz zu verdammen. Mit einem narrativen Einstieg wurde im Vortrag plakativ deutlich gemacht, dass jeder unter „E-Learning“ etwas anderes versteht: Studierende, Lehrende und Unileitungen gleichermaßen. Das ist sicher richtig UND es ist auch ein Problem – ohne Frage. Meine These aber ist, dass man denselben Effekt hat, wenn man auf das „e“ verzichtet und die genannten Personengruppen über „Lernen“ sprechen lässt. Auch hier wird man auf eine ähnliche Vielfalt stoßen. Wer sich mit psychologischen Phänomenen und dazugehörigen Konzepten beschäftigt (und dazu gehört auch das Lernen), muss damit leben, dass es konkurrierende Auffassungen, verschiedene Definitionen und – ein Besonderheit sicher im Vergleich zu vielen Naturwissenschaften – Diskrepanzen zu alltagssprachlichen Verwendungen derselben Wörter gibt.

Der Beitrag liefert einen wichtigen Impuls und erinnert uns daran, auf die entsprechend vorprogrammierten Missverständnisse und Verständigungsschwierigkeiten vorbereitet zu sein und ihnen wirkungsvoll zu begegnen. Begriffe auszutauschen, ist dabei durchaus eine von mehreren Lösungen. Allerdings haben mich die sprachwissenschaftlichen Begründungsversuche nicht überzeugt. Auch Sätze wie „E-Learning ist ein falsches Paradigma“ (S. 125) verstehe ich nicht: Geht es jetzt um einen Begriff oder um ein ganzes Paradigma, was ja immerhin eine Menge mehr meint als einen Begriff? Stimmt es wirklich, dass E-Learning generell einen „schlechten Ruf“ hat? Bei wem genau und sollte man nicht fragen, warum das so ist? Dass E-Learning NICHT definiert wird, ist eine Aussage, die ich schon deshalb nicht so ganz nachvollziehen kann, weil eine Seite vorher eine informative Tabelle zu finden ist, die immerhin drei Standardwerke ausfindig macht, in denen der Begriff sehr wohl nicht nur eingeführt, sondern auch definiert wird. Und welcher Begriff in unserem Fach hat denn nun tatsächlich nur EINE Definition? Ich kenne keinen.

Diese Kritikpunkte aber ändern nichts daran, dass die in Bachmanns Beitrag aufgeworfenen Überlegungen und Vorschläge wichtig, weil symptomatisch für die aktuelle Situation in der E-Learning-Community und damit auch für Gesellschaften wie die GMW sind: Digitale Medien – das zeigte ja auch die Podiumsdiskussion – werden zur „Normalität“ in unserer Gesellschaft. Sie beeinflussen die Art, wie wir arbeiten, wie wir uns unterhalten und informieren, und vor allem, wie wir kommunizieren. Lernen und Lehren (obschon auch da natürlich Kommunikation und Information zentrale Bestandteile sind) erweisen sich demgegenüber als resistenter, sodass es nach wie vor gerechtfertigt erscheint, sich explizit für einen sinnvollen und unsere Möglichkeiten erweiternden Einsatz der digitalen Medien einzusetzen. Aber wie lange noch? Sind wie hier schon – wie Bachmann postuliert – an einem „Scheideweg“? Oder wäre es zu früh und würde es nur Wasser auf den Mühlen konservativer Kritiker sein (nach dem Motto: „Haben wir euch gleich gesagt, dass das nichts taugt!“), wenn wir uns hier zurückziehen und zusammen mit dem Begriff „E-Learning“ den Medienfokus verlassen? Ich habe meine Zweifel: Eindeutig ist doch, dass aus der E-Learning-Community nach wie vor kreative und zukunftsweisende didaktische Neuerungen entstehen, bei denen die digitalen Medien (und damit meine ich deren Potenzial für Multimedia, Interaktion und Vernetzung) keineswegs nur Werkzeugcharakter haben, sondern uns oft genug auf andere Ideen bringen, neue Phänomene zum Vorschein bringen und sicher auch zusätzliche Herausforderungen (z.B. im Bereich der Rechte von digitalen Inhalten) mit sind bringen. Was die E-Learning-Community auszeichnet, ist Interdisziplinarität, die Nachwuchswissenschaftlern zwar mitunter das Leben schwer macht, aber den künftigen Anforderungen an die Bildungsforschung doch viel eher gerecht wird als einseitige theoretische und methodische Vorgehensweisen. Würden wir das womöglich nicht auch aufs Spiel setzen, wenn wir „E-Learning“ als Begriff verdammen? Eine Alternative zum „Scheiden“ wäre eine weiter beharrliche Überzeugungsarbeit, dass auch die Bildung in einer veränderten Gesellschaft nicht bleiben kann, wie sie war und ist, dass die mediale Durchdringung unserer Welt auch beim Lernen und Lehren zu bedenken ist und dass interdisziplinäre Gruppen (wie die E-Learning-Community), die neben Fächern auch Forschung und Praxis zusammenbringen, einen wissenschaftlichen UND gesellschaftlichen Mehrwert haben (dass das auf vielen Gebieten immer noch nötig ist, zeigt z.B. auch Franks Beitrag hier).

PS: Lieber würde ich Begriffe wie Qualität und Exzellenz aus unserem Wortschatz verdammen …

Durchgestylte Podiumsdiskussion

Mit Podiumsdiskussionen kann man es niemandem Recht machen: Entweder sie sind langweilig, weil sich endlose Monologe ohne gegenseitige Bezugnahme aneinanderreihen, oder die Diskussion gerät aus dem Ruder, was – die richtigen Diskussionspartner mal vorausgesetzt – mitunter noch den höchsten Unterhaltungswert hat. Beides fand während der abschließenden Podiumsdiskussion auf der GMW 2009 dank einer dominanten und durchgestylten Diskussionsleitung nicht statt: Die Moderatorin (Verena Metze-Mangold) hatte die Diskutanten ziemlich im Griff und zudem selbst einen recht hohen Redeanteil. Das ist schade, zeigten sich doch in den einzelnen Aussagen von Heidi Schelhowe, Horst Niesyto, Peter Baumgartner, Oliver Vornberger und Thea Payome durchaus recht unterschiedliche Positionen, die man durch geschickte Fragen (die man halt spontan hätte stellen müssen) aus meiner Sicht durchaus deutlicher hätte herausarbeiten können. Dann wäre wohl auch ein beträchtliches Streitpotenzial zum Vorschein gekommen, das einen zumindest gedanklich etwas weiter gebracht hätte. Ein paar Beispiele:

  • Dass niemand was gegen Medienkritik als eine Komponente von Medienkompetenz hat, dürfte klar sein. Welchen Stellenwert das aber heute in Schule und Hochschule tatsächlich hat und inwiefern das von gesellschaftlichen Gruppen (u.a. von Vertretern der Wirtschaft) wirklich gewünscht und gefördert wird, ist sicher alles andere als klar.
  • Keiner hat nachgehakt, was Peter Baumgartner denn eigentlich genau unter „user-generated context“ versteht: Ist das jedem klar gewesen? Mir nicht – aber das Publikum hat leider keine Chance erhalten, selbst Kommentare oder Fragen zu formulieren.
  • Lernen aus der Praxis – so ein Motto auf die Frage, wie denn der optimale „virtual classroom“ aussieht (wobei man die Frage selbst schon hätte auseinandernehmen können) – schien konsensfähig zu sein. Aber ist das das wirklich? Gleichzeitig nämlich wurde betont, wie wichtig „Orientierungswissen“ ist: Was ist denn das für ein Wissen und in welchem Verhältnis steht es zur Praxis? Wissen wir das? Ich weiß es nicht. Ich frage mich das bei jeder Lehrveranstaltung, die ich mache, aufs Neue: Was sollte man nur mal gehört haben, was sollte man zumindest wiedererkennen und was sollte man wirklich in dem Sinne „wissen“, dass man es artikulieren und anwenden kann? Orientierungswissen – das sagt sich so leicht, klingt gut und scheint uns von der Mühe zu entlasten, inhaltlich zu werden.
  • Auch in der Diskussion wurde klar, dass wir didaktischen Anforderungen kaum mehr ohne gleichzeitigen Blick auf die bildungspolitischen Rahmenbedingungen begegnen können. Folgerichtig fiel auch das Stichwort von der „Ökonomisierung der Bildung“ – eine Steilvorlage, die mehr als eine spannende Nachfrage ermöglicht hätte. Man begnügte sich mit der Klage, dass der Begriff Bildung im „Kanzlerduell“ kaum eine Rolle spielte und der Bachelor nur mehr zur Berufsausbildung diene.
  • Es klang an, dass die Hochschullehrer daran nicht ganz unschuldig sind (was auch stimmt): Sie würden keine Lobbyarbeit betreiben (man könnte nachfragen: Sind wir Politiker?) und sie würden sich unverständlich artikulieren (man könnte nachfragen: Sind wir Journalisten)? Ja, natürlich wär es super, wenn wir Forscher, Lehrer, Politiker und Journalisten in einem wären. Manche bekommen das ja auch hin – aber ist das eine flächendeckende Lösung für Probleme in der Hochschullandschaft? Dazu hätte ich gerne die Meinung der Diskutanten gehört – unter anderem.

Ich will jetzt die Podiumsdiskussion und vor allem auf keinen Fall die Teilnehmer/innen schlecht machen, die meiner Ansicht nach sorgfältig ausgewählt waren. Gute Podiumsdiskussionen sind vielleicht auch ein Glücksfall – zu viele Faktoren müssen stimmen, damit das wirklich gelingt. Worauf ich aber hinweisen wollte, sind die aus meiner Sicht nicht eben wenigen offenen Fragen, die man hätte aufgreifen und als Anker für einen weiterführenden Meinungs- und Ideenaustausch hätte nutzen können, wenn (a) etwas mehr Zeit gewesen wäre, (b) die Moderatorin etwas sensibler und zurückhaltender gewesen wäre und (c) am Ende noch Raum für Publikumsfragen gewährt worden wäre.

GMW 2009 – altmodischer Rückblick

Noch letztes Jahr und vor allem die Jahre zuvor gab es Live-Blogging zur GMW-Tagung, mindestens aber sehr zeitnahe kürzere und längere Kommentare und Reflexionen in diversen Blogs. Heute – während und jetzt kurz nach der GMW 2009 – müssen wir uns mit Kurznachrichten via Twitter begnüngen, wo uns Michael Kerres mit einem „Good buy, see you next year“ veraschiedet (aber immerhin gerade eben zusätzlich einen Blogbeitrag beisteuert ;-)), Christian Spannagel nachts verrät, wo es die besten Cocktails in Berlin gibt, und Wolfgang Neuhaus verkündet, dass die IT-Industrie ein Klotz am Bein ist. Bislang kann ich mich dafür eher wenig erwärmen, auch wenn es ganz nett ist, all die Kommentare zu lesen. Ob man wirklich von Partizipation sprechen kann, wenn der eine oder andere Kommentar dann in „realen Diskussionen“ aufgegriffen wird, bezweifle ich. Ich bleibe „altmodisch“ und werde in den kommenden Tagen ein paar Dinge kommentieren, die mir auf der GMW 2009 aufgefallen sind und wohl in Erinnerung bleiben werden (neben der professionellen Organisation und dem schönen Wettter).

Froh bin ich, dass mein „Vortragsgespräch“ mit Tobias Jenert geklappt hat und ich habe mich gefreut, dass wir viele aufmerksame Zuhörer hatten. Danke an alle, die so interessiert zugehört haben! Eine tolle Überraschung war freilich auch der Publikumspreis an das imb-Projekt, das unser Medienlabor-Leiter Ulrich Fahrner zusammen mit einer ganzen Reihe von Mitarbeitern an unserem Institut beim MedidaPrix eingereicht hatte. Es ist eine sehr schöne Anerkennung für die gemeinsame Arbeit der letzten Jahre, bei der wir von Anfang an versucht haben, die Studierenden möglichst intensiv in die Entwicklung von Ideen, Konzepten und Produkten rund um Wissen, Lernen und Medien einzubinden. Ich bin manchmal selbst ein bisschen erstaunt, wie sich das verselbständigt hat, was an den höchst motivierten studentischen und wissenschaftlichen Mitarbeitern liegt – auf die ich natürlich schon ein bisschen stolz bin 🙂 (es sei mir verziehen).

Nachtrag: Auch Mandy und Matthias bleiben dem Blog treu und ziehen hier in gewohnt reflektierter Art ihr Resümee zur Tagung. Inzwischen sind auch einige andere gefolgt. Ich werde meine Reflexion auf die kommenden Tage noch ein wenig „strecken“ und schrittweise posten.

Weitere Reflexionen zu einzelnen Inhalten von der (gelungenen!) GMW 2009 habe ich hier, hier und hier gepostet.

Schlafmützen, Pampers und Professoren … der Kaffepod ist gestartet

Für das Wissenschaftsjahr 2009 hat es nicht gereicht (Bericht dazu hier), aber nun hat es der Kaffeepod immerhin in die nächste Auswahlrunde der Initiative Generation-D geschafft (also unter die nun fest stehenden 20 Projekte, aus denen dann die Finalisten ausgewählt werden). Natürlich ist es besser, wenn man die Projektidee nicht nur am Konzept, sondern anhand der ersten Umsetzungen beurteilen kann, die nun vorliegen: Die erste Folge schildert ein paar Grundlagen, die jedem der ein paar Semester studiert hat, schon sonnenklar sind, aber am Anfang durchaus Probleme machen können (Folge 1: Von Koffein und Studium: Lernen und Lehren an einer Universität). Die zweite Folge nimmt sich bereits einem spezifischen Thema an, nämlich der Herausforderung, den Nachwuchs in sein Studium zu integrieren bzw. besser umgekehrt: das Studium in ein neues Leben mit Kind zu integrieren (Folge 2: Zwischen Pampers und Laptop: Studieren mit Kind). Ich finde, das Kaffeepod-Team hat hier bereits zum Projekt-Start eine tolle Arbeit geleistet und mal wieder gezeigt, dass wir genug Kreativität an unseren Universitäten haben – man muss sie nur zum Vorschein kommen lassen.

Forschendes Lernen

Hier nun wie versprochen die Schriftfassung meines Vortrags auf dem Fernausbildungskongress in Hamburg 2009. Ich hoffe, dass der Beitrag ein paar Leser/innen findet, denn: Zuhörer/innen gab es eher wenige. Auch muss ich selbstkritisch sagen, dass der Beitrag wohl eher wenig in die „Kongresslandschaft“ gepasst hat, obschon ich mich sehr wohl an einem der drei Schwerpunkte des Kongresses, nämlich „Theorie praktisch denken“ orientiert habe. Leider war der Kongress doch eher auf besondere Anliegen der Bundeswehr ausgerichtet (so jedenfalls mein Eindruck); zumindest war das wissenschaftliche Publikum spärlich (vor allem am letzten Kongresstag) und folglich die Passung meines Vortrags vor ebenso spärlicher Zuhörerschaft eher nicht so hoch ;-). Ein Grund war sicher auch die etwas unglückliche Platzierung des Beitrags, was mir aber auch erst hinterher aufgefallen ist. Nun ja, man hat ja auch als Referent keinen Einfluss auf die Agenda. Meine „beratende Funktion“ im Programm-Kommittee beschränkte sich auf eine Rückmeldung der inhaltlichen Ausrichtung, die über die drei Schwerpunkte erfolgte. Verweisen möchte ich noch auf Franks nette Interpretation meines Vortrags (hier).

Für mich selbst war der Theorie-Beitrag quasi eine Fortsetzung des Vortrags im Juni (ebenfalls in Hamburg), der sich auf die Frage beschränkte. Was wir in puncto forschendes Lernen (und wissenschaftliches Prüfen) seit 1970 alles (nicht) erreicht haben. Auf einem in diesem Jahr dann aber wirklich letzten Hamburg-Vortrag auf der Campus-Innovation im November folgt dann Teil 3: E-Portfolios für das forschende Lernen. Es ergeben sich durch diesen „Fortsetzungsroman“ einige Überlappungen, damit die Beiträge auch für sich stehend verständlich bleiben. Ich hoffe aber, dass die verschiedenen Akzente erkennbar sind (bzw. sein werden), nicht langweilen und ein paar Impulse für eine Diskussion um das forschende Lernen in Zeiten von Bologna bilden.

Artikel_Forschendes_situiertes_Lernen09

In der Fahrschule gelandet

Heute startet der Fernausbildungskongress der Bundeswehr. Ich werde ab morgen dort sein und erst am dritten (also am letzten) Tag einen Vortrag halten (Blogbeitrag dazu dann am Freitag). In meinem Vortrag werde ich unter anderem kurz auf ein Beispiel eingehen, das wir kürzlich in einem Arbeitsbericht vorgestellt haben: Digitale Medien in der Fahrausbildung (hier gleich direkt zum pdf). Wie ich zu diesem Thema komme? Durch Frank und ein neues EU-Projekt, das jetzt im Herbst starten wird (Frank hat hier bereits darüber berichtet). Ja, in der Tat: Es hat endlich wieder mal geklappt mit Fördergeldern – wurde aber auch Zeit.

Das Thema interessiert mich vor allem als Beispiel für eine Lernform, die viele Kontraste etwa zum akademischen Lernen umfasst. Genau dieses Merkmal (das natürlich nicht das einzige ist) werde ich auch im oben genannten Vortrag nutzen. Der neue Arbeitsbericht zeigt, wie wir das Lernen mit digitalen Medien in der Fahrausbildung theoretisch einordnen und gibt einen Einblick in mögliche praktische Implikationen. Manch einem wird diese Domäne vielleicht komisch vorkommen: Wenn man sich allerdings die Literatur speziell zu den lerntheoretischen Neuerungen der 1980er und 1990er Jahre anschaut (vor allem zum situierten Lernen), fällt auf, dass auf den ersten Blick ungewöhnlich klingende Beispiele gar nicht mal so selten den Ausgangspunkt für weiterführende Konzepte gebildet haben. Für mich ist die Domäne Fahrschule neu und ich bin gespannt, was sich daraus noch entwickeln wird.