Wilde Vorschläge

Eine Studie – die ich nirgendwo finde, auch nicht auf den Seiten des Ifo Instituts, wo sie eigentlich sein sollte – sorgt für Wirbel: Lehramt studieren nur, so heißt es in den Schlagzeilen (z.B. hier), diejenigen, die vergleichsweise schlechte Noten haben. Annette Schavan schlägt darauf hin vor, Unternehmen sollten ihre besten Leute in die Schule schicken, damit die mal den Laden ein wenig umkrempeln (ja, so hat sie es nicht gesagt, aber es läuft darauf hinaus). Als Reaktion auf diesen immerhin medienwirksamen „unkonventionellen“ Vorschlag protestieren jetzt alle – also fast alle: Was die Schüler dazu sagen, wissen wir nicht. Unrealistisch ist es ohnehin. Ludger Wößmann selbst, der sich für die Studie verantwortlich zeichnet, hat (in einem Interview) einen anderen Vorschlag: Die Aufstiegschancen von Lehrern verbessern (denn das würde motivieren) und vor allem leistungsorientiert denken. Auf diese Idee gibt es meines Wissens noch keine Reaktion. Was sollte man schon gegen Leistung haben – wie man die genau feststellt, das sagt er allerdings nicht. Da dürfte (das kennen wir aus der Hochschule – leistungsfähig ist der, der viel Drittmitteln ranschafft – egal wie: Was wäre das Pendant in der Schule?) schon mal die eigentliche Hürde liegen, die man erst mal nehmen müsste. Der Bildungsserver Blog zitiert eine Studie bzw. einen dazugehörigen Text (hier), in dem bessere Beratung und Eignungsprüfungen für angehende Lehrer verlangt werden. Das klingt in meinen Ohren schon vernünftiger, aber halt weniger spektakulär – da kann man sich in der Presse entsprechend weniger wirkungsvoll darauf werfen, also bleibt es eher im Hintergrund. Und dass die Ausbildung der Lehrkräfte mitunter mehr als zu wünschen übrig lässt, das sagt man schon gar nicht mehr, weil: Das hat man schon so oft gesagt, und wer will schon immer dasselbe hören.

Also manche Diskussionen, die man da in Schule und Hochschule führt, sind sich bisweilen ähnlicher als man meinen sollte: Vergleichbar ist die Klage über die schlechte Lehre. Vergleichbar sind die oft vergeblichen Bemühungen, beispielsweise über digitale Medien (als EINEN Weg) auch methodische Verbesserungen herbeizuführen. Ich beobachte auch Parallelen, was die Leidenschaft am Unterrichten betrifft, die sich – aus sicher verschiedenen Gründen – an Schule und Hochschule oft nicht oder nicht mehr so recht einstellen will. Ähnlich ist die Unlust von Schülern und Studierenden, von denen sich viele gehetzt zu fühlen scheinen (nein, ich habe keine Studie dazu): Angetrieben, in möglichst kurzer Zeit möglichst umfassend ausgebildet zu werden für … ja für was? Für Arbeitsleben und Wirtschaft natürlich, für einen guten Job, für Geld. Bildung – ob Schule oder Hochschule – das ist eine Durchgangsstation für das eigentliche Leben (geworden). Lasst uns doch Schule und Hochschule wieder ihre eigene Berechtigung geben, nicht nur die Berechtigung als „Mittel, um zu“. Lehrer und Hochschullehrer müssen sich im Übrigen auch nur allzu oft anhören, dass sie nicht wüssten, was in der „eigentlichen Welt da draußen“ vor sich ginge. Da schwingt eine gesellschaftliche Geringschätzung mit, die sicher auch ihren Beitrag zu den zahlreichen Problemen im Bildungsbereich leistet. Auch das – eine klar kommunizierte Daseinsberechtigung von Bildungsinstitutionen und deren Wertschätzung – könnte doch in den Reigen der Vorschläge aufgenommen und ernsthaft geprüft werden. Wenn wir dann alles zusammen nehmen: Kooperationen mit der Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Einrichtungen, Aufstiegschancen und Anreize für Lehrer, berufliche Eignungsverfahren und Beratung, eine vor allem auch pädagogisch intensive und gut durchdachte Ausbildung von Lehrern sowie ein höherer gesellschaftlicher Stellenwert nicht nur der Bildungsinstitutionen, sondern auch der darin verbrachten Zeiten, die nicht bis ins Kleinste instrumentalisiert werden, dann … kommt vielleicht auch die Freude am Lernen und Lehren (zurück).

Ernüchterndes Ergebnis

Joachim Wedekind beklagt in seinem Blog (hier), dass es mit der Nachhaltigkeit von E-Learning-Förderungen im Hochschulbereich nicht weit her ist: Zu viele Anforderungen seien wie Hürden auf der Laufbahn im Stadion aufgestellt, sodass unklar bleibt, wie viel Energie noch da ist, wenn man die ersten drei oder vier Hürden (wie z.B. Bologna und Exzellenzinitiativen) genommen hat. Nun, man könnte natürlich einfach eine Hürde auslassen und daran vorbeilaufen oder man kann sie alle umrennen (womit man sich dann aber disqualifiziert hätte) oder – na ja – ein bisschen Doping vielleicht? Aber im Ernst: Joachims Hinweise sind wichtig und erinnern mich an einen eigenen Beitrag, den ich anlässlich eines doch eher mickrigen E-Learning-Artikels in der Zeitschrift Forschung & Lehre vor einiger Zeit (hier) gepostet hatte.

Schon öfter habe ich mir gedacht, dass wir an dem Phänomen, mit unseren „Lernen mit Medien“-Themen auf der Agenda immer wieder auf die hinteren Plätze rutschen, nicht ganz unschuldig sind. Wir sprechen von den digitalen Technologien, haben aber – natürlich! – die Schul-, Hochschul- oder Weiterbildung im Blick – je nachdem, in welchem Kontext wir uns befinden. Unsere Zuhörerschaft aber hört „Technologie“, nicht Bildung, und schon sind wir wieder im Erklärungsnotstand. Wir sehen digitale Technologie sowohl als Werkzeug als auch als Impulsgeber und „Ermöglicher“ pädagogisch-didaktisch alter wie neuer Ideen. Aber das zu erklären, ist nicht immer so einfach. Je mehr digitale Technologien selbstverständlicher Bestandteil des Informations- und Kommunikationsverhaltens eines Großteils der Bevölkerung werden, umso überflüssiger dürfte es werden, das Lernen und Lehren mit digitalen Medien zu vertreten, weil auch das „normal“ ist, denn Lernen ohne Information und Kommunikation funktioniert nicht. Da sind wir aber noch nicht. Vielmehr stehen sich hier diejenigen gegenüber, für das bereits so ist, und diejenigen, die bei denen genau das nicht der Fall ist. Damit sind Missverständnisse und gegenseitige Verständnislosigkeit zwischen diesen beiden Gruppen vorprogrammiert. Vielleicht ist das das eigentliche Problem für die nach wie vor geringe Breite und Nachhaltigkeit verschiedener E-Learning-Initiativen?

Übrigens: In den Kommentaren von Joachims Beitrag finden sich ein paar interessante Links, wie man z.B. an der Kaplan University versucht, mit kleinen (Marketing-)Filmen (hier und hier) die durch digitale Medien angestoßene „neue“ Lehr-Lernkultur zu verdeutlichen. Das ist ganz nett anzusehen – allerdings bleibt es natürlich an der Oberfläche, denn jeder der ernsthaft Lehre macht – mit Medien verschiedenster Art – weiß, dass der Teufel im Detail steckt.

Unsichere Elite

Die prekäre Lage von Nachwuchswissenschaftlern wird immer wieder mal beklagt – leider ohne, dass sich deswegen bisher etwas geändert hätte. Trotzdem sind Meldungen wie diese über die unerträgliche Unsicherheit, die den wissenschaftlichen Nachwuchs begleitet, wichtig, aber eben nicht genug. Ist das Phänomen neu? Na ja, so neu eher nicht, würde ich sagen: Nach meinem Diplom in Psychologie (1990) war ich stets nur auf halben Stellen beschäftigt – mitunter hatte ich Halb-Jahres-Verträge, zwischendurch mal ein Stipendium, dann kam mein Sohn auf die Welt und das Sicht-Entlanhangeln auf unsicheren Posten ging weiter (bis ich 34, also Gott sei Dank noch nicht 40  war). Mir war damals schon bewusst, dass dies nicht ein schlechtes Management meines Vorgesetzten, damals Prof. Mandl, war, sondern eine Folge der Tatsache, dass sich Universitäten immer mehr über letztlich unsichere Drittmittel finanzieren müssen. Heute kann ich noch mehr nachfühlen, dass es auch für Herrn Mandl sicher nicht leicht war, einigen seiner Mitarbeiter/innen diese Unsicherheit zuzumuten: Denn es ist weniger das Streben nach Reputation, das einen auf die Jadg nach Drittmitteln schickt, sondern eher das Bemühen, fähige Leute zu fördern – Beeren sammeln für den Nachwuchs sozusagen. Das Schlimme ist, dass man dabei manchmal Wege geht, die man eigentlich nie gehen wollte, also sich mit Themen beschäftigt, die man nicht so sonderlich wichtig findet, sie aber nicht ignorieren kann, wenn man Drittmittel braucht – nämlich für den wissenschaftlichen Nachwuchs.

Dass man den wissenschaftlichen Nachwuchs dabei ausnutzt – das ist eine Feststellung in der oben genannten Meldung, die man so pauschal sicher nicht machen kann. Das dürfte wohl doch stark von den jeweiligen Professoren abhängig sein. Sicher wird es einige geben, die z.B. den erhöhten Druck infolge von Bologna direkt an den wissenschaftlichen Mittelbau weiterleiten, aber diesem Reflex verfallen sicher nicht alle (ich hoffe, ich nicht).

Danke an Nina, die mich auf die Pressmitteilung aufmerksam gemacht hat. Alex hat das gleich ergänzt durch ein paar Links zu früheren Blog-Einträgen (nämlich hier, hier und hier), in denen das Thema bei uns bereits diskutiert wurde.

Wann kommt die Aufklärung 2.0?

Wird das Web 2.0 „entmündigte“ Mitarbeiter zu kreativen Intrapreneuren und den gelangweilten Schüler zum selbständigen Denker machen? Wenn es nach den Beiträgen zum Thema Web 2.0 in der taz seit Anfang des Jahres geht, dann ist das so. In loser Folge beleuchtet das Blatt das „Lernen 2.0 … mit Reportagen aus Laptop-Klassen, Porträts vom Lernen mit Blogs und Wikis, Interviews mit Vordenkern des neuen Lernens“. Das ist erst einmal gut und die bisherigen Artikel mit den Titeln „Die Entmündigten lernen, kreativ zu sein„, „Blogs – die Zukunft des Lernens“ und „Blogs geben Lernen wieder Sinn“ sind denn auch dazu geeignet, der vielleicht noch nicht in allen Punkten so Web 2.0-affinen Öffentlichkeit interessante Infos, Erfolgsbeispiele (die ja auch tatsächlich existieren) und spannende Visionen zu liefern. So weit so gut. Aber Leute! Wie kommt es, dass man alle Namen kennt? Natürlich sind da Thomas Rau, Lisa Rosa, René Scheppler und Martin Riemer – wer würde diese Namen nicht kennen, wenn er/sie sich für ein wie auch immer geartetes „Lernen 2.0″ interessiert. Was hat das zu bedeuten? Dass wir nur zu zehnt sind? Oder vielleicht zu 30? Und selbst wenn wir 100 oder sogar 300 sind – wie weit sind wir dann noch vom kreativen Intrapreneur im Unternehmen und vom selbständigen Denker in der Schule entfernt? Vielleicht kommt das von den Blogs: Da wir uns da vernetzen und uns – von kleineren Differenzen einmal abgesehen – so gut verstehen, bauen wir uns womöglich eine eigene Wirklichkeit und nehmen „die anderen“  gar nicht mehr richtig war? Ob unser holländischen Wohnzimmer gar Einwegscheiben haben? Gut, ich übertreibe jetzt ein bisschen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir so langsam mehr werden müssten, wenn die Hoffnung aufgehen soll, dass digitale Re- und Evolutionen so etwas wie Ermöglicher für ein sinnvolleres und aktiveres Lernen in Richtung von mehr Selbständigkeit, Partizipation und kritischem Denken gehen soll. Wann kommt die „Aufklärung 2.0″?

Standards für die Bildung: Geht das?

Stolze 577 Seiten umfasst die Expertise von Jürgen Oelkers und Kurt Reusser zum Thema Bildungsstandards, die bereits vor genau einem Jahr, nämlich im Januar 2008, vorgelegt wurde. In Auftrag gegeben hat die Expertise das bmbf. Ich bin darauf gestoßen, weil ich an sich etwas über Standards, Kompetenzen und Assessment zur Hochschule gesucht habe, und dann bin dann da hängen geblieben.  Ich habe NICHT alles gelesen, sondern nur einzelne Kapitel, die mich gerade interessierten und habe mir dabei so meine Gedanken gemact, was davon auch für die Hochschule von Interesse ist.  Ich denke aber, die Quelle sollte man sich merken, denn da wurde sehr gründlich recherchiert. Falls es jemanden interssiert, stelle ich mal mein Mini-Exzerpt zur Verfügung (bildungsstandards_2008), wobei ich beim nächsten Lesen mit anderen Fragen sicher andere Dinge notieren werde. Es gibt übrigens auch eine Kurfassung (hier).

Die Autoren sprechen sich alles in allem für Standards in der Bildung aus, und ich finde, sie begründen das auch sehr gut (leider aber so lang, dass es nicht viele lesen werden). Allerdings machen Sie auch klar, dass es keinen einfachen Weg gibt, Standards konsensfähig zu formulieren und sie dann auch erfolgreich zu implementieren. Ich war beruhigt zu lesen, dass eine stupide Testkultur nicht das ist, was die Autoren empfehlen, auch wenn sie die übliche Kritik an Bildungsstandards an manchen Stellen ziemlich heftig angreifen (und diese dabei aus meiner Sicht zu rasch in einen Topf werfen).

Die Universität als Lernfabrik

Ist gerade ein Nachrichtenloch? An sich doch nicht: Israel führt Krieg, die Staatsverschuldung wächst, weil man den Banken helfen und die Konjunktur ankurbeln muss, und die ersten Grippefälle gibt es auch schon. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Presse dem Thema Lehre und Universität einiges an Platz widmet:

In der FAZ berichtet (hier) ein Theologieprofessor, warum er seinen Lehrstuhl räumt: Weil der Umwandlung der Universität in eine Lernfabrik nicht mehr ertragen kann (siehe hierzu auch Franks Beitrag). Ich kann den Mann verstehen, viele seiner Sätze kann ich unterstreichen (habe ja auch in diesem Blog schon öfter mal über die Bologna-Probleme berichtet). Gegenstand des Anstoßes ist allem voran die Lehre, die einem Kontroll- und Effizienzdiktat unterworfen wird, die den „Geist“ ersticke.

Auch die SZ beklagt heute (hier), dass es für Studierende nicht gerade einfacher wird, „selbst zu denken“. Nicht von ungefähr (Stichwort iTunes U) hat man die Vorlesung zum Gegenstand eines längeren Artikels gemacht, deren Virtualisierung nicht eben sehr positiv wegkommt.  Statt dessen wird die „persönliche Begegnung“ gefordert und gelobt, die – auch da kann man ja wirklich nur zustimmen – für Lernen und Studierende eben essenziell seien.

Ja …  schön, dass man sich in der Presse für Universität und Lehre interessiert, dass die Öffentlichkeit ein bisschen mehr davon erfährt, was an Universitäten geschieht.  Ich finde es auch gut, dass Professoren selbst zu Wort kommen, wie im Fall des oben genannten Theologieprofessors, denn diese Beiträge sind ohne Zweifel besonders gehaltvoll – das sollte öfter geschehen, dass man Betroffene (also auch die Studierenden) zu Wort kommen lässt! Denn diese Beiträge zeichnen ein viel besseres Bild von den Schwierigkeiten, die eine zeitgemäße Universitätsbildung mit sich bringt. So bleibt der SZ-Bericht in hohem Maße an der Oberfläche und jeder, der ein bisschen Ahnung von E-Learning hat, wundert sich, warum man immer und immer wieder dieselben Vorurteile und falschen Erwartungen wie auch kulturpessimistischen Befürchtungen von Neuem aufwärmt. Der FAZ-Bericht dagegen macht das Dilemma, in der sich z.B. Professoren in letzter Zeit oft befinden, viel besser deutlich. Dem sollte man jetzt noch eine Darstellung aus Studierendensicht gegenüberstellen.

iTunes U und die Hoffnung aufs Zuhören

Viele haben heute in ihren Blogs bereits auf iTunes U hingewiesen (z.B. Helge) – aus gutem Grund, denn nun sind auch deutsche Universitäten mit Audio-Mitschnitten von Vorlesungen, Podcasts u.a. online. Ich finde es in jedem Fall sehr schlau, bestehende, gut funktionierende Systeme (wie iTunes) zu nutzen, und für die Bildung kann es grundsätzlich nur gut sein, wenn wir auf diesem Wege viele „Open Educational Resources“ (siehe z.B. die letzte GMW-Jahrestagung) erhalten.

Wer aber mal in die eine oder andere Vorlesung reinhört (z.B. aus dem LMU-Angeboten, die zu unserem Fach passen, etwa hier unter Psychologie und Pädagogik), kann schon mal ins Gähnen verfallen (bei meiner Vorlesung sehen die Studierenden in der Regel auch nicht sonderlich wach aus – von Ausnahmen einmal abgesehen – das wäre als Audio-Angebot sicher nicht besser). Es ist ja schon anstrengend genug, wenn man im Hörsaal ist – aber 90 Minuten ohne visuelle Unterstützung zuhören – ich weiß nicht so recht. Da müsste man die Vorlesungen schon aufbereiten zu maximal 30-minütigen ausgefeilten Reden, die man auch mit Gewinn anhören kann. Dazu braucht man dann aber ein ausgearbeitetes Manuskript, und wenn man das ohne visuelle Unterstützung gut machen will, dann dauert das (also dann muss die Argumentation wirklich passen) – das kann man nicht leisten mit dem Stoff einer ganzen Vorlesung. Da sind denn doch z.B. besprochene Folien noch besser, wie sie Michael Kerres anbietet (hier der dazugehörige Blogbeitrag).

Ich denke, da haben wir noch ein weites Forschungs- und Entwicklungsfeld vor uns, wobei ich nicht nur die Frage der Effekte auf das Lernen, sondern auch die Herausforderung wichtig finde, wie man das als Lehrender einigermaßen effizient hinbekommt. Mit Aufkommen des Blended Learning (was ja nun schon eine Weile her ist), habe ich zwei Vorlesungen eingestampft, stattdessen Studientexte geschrieben, die ich den Studierenden online zugänglich mache und auf verschiedene Art und Weise bearbeiten lasse. Aber Zuhören ist natürlich überhaupt nicht generell schlecht – im Gegenteil. Nur ist es alles andere als leicht, Menschen zum Zuhören zu bringen. Immerhin: Die jetzt gestarteten ersten deutschen Angebote liefern dazu ja nun einen guten Anlass (zur Forschung und zu neuen Ideen).

Gemeinsame Sache

… machen Mandy Schiefner und Matthias Rohs ab 2009 in ihrem neuen head.z blog. head.z – so heißt es im Blog unter „about“ – „ist die Marke unter der wir, Mandy Schiefner und Matthias Rohs, uns der Öffentlichkeit vorstellen, Projekte realisieren, Vorträge und Workshops anbieten und uns für spannende Ideen begeistern lassen. … Im Mittelpunkt dabei steht „Bildung“ als vergessenes, multifunktionales und immer wieder bemühtes Konzept, dass uns in all seinen Facetten begleitet. Besonders beschäftigen uns dabei die Rolle der Didaktik und Medien in der Bildung.“ Ohne Zweifel ein breiter und damit für viele konsensfähiger gemeinsamer Nenner.

Schlau ist das allemal, wenn man zu zweit (oder mehreren) einen Blog pflegt – immerhin kostet das alles Zeit und nicht immer ist man erfolgreich bei seinen Recherchen, kreativ beim Schreiben, einfallsreich beim Nachdenken und oder einfach nur gesprächig im Alltag (und dann kommen nur die „Me-too-Beiträge“ dabei heraus).

Mandy, Matthias: Das wird sicher ein Pluspunkt für euch. Ich bin gespannt.

Was liest du da?

Seit Anfang Dezember gibt es die Ergebnisse einer aktuellen Studie mit dem Titel „Lesen in Deutschland 2008“ von der Stiftung Lesen, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Hierzu wurden 2.500 Jugendliche und Erwachsene befragt; ergänzt wurde diese Befragung mit rund 45 Interviews, deren Ergebnisse ich aber leider nicht gefunden habe. Herunterladen kann man die Ergebnisse in Form eines Foliensatzes (um nicht so viel zu lesen zu haben ;-)).

Beliebt sind ja stets Typenbildungen, auf die auch die Studie nicht verzichtet hat und zu folgendem Ergebnis kommt:

lesetypen_graphik1Für das Thema E-Learning interessant sind die Ergebnisse zum Thema „Lesen am Bildschirm“ (Folien 35-42): Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass

  • vollständiges Lesen von Texten am Bildschirm im Vergleich deutlich zunimmt,
  • es besonders Männern, jungen Erwachsenen und höher Gebildeten egal ist, ob ein Text gedruckt oder digital vorliegt,
  • Männer, junge Erwachsene und höher Gebildete besonders offen für Handy-E-Books sind und
  • dennoch die Mehrheit nicht auf gedruckte Bücher verzichten will, was besonders für Frauen, ältere und höher gebildete Befragte gilt.
  • Printprodukte vor allem bei Älteren noch einen gewissen „Vertrauensvorschuss“, was aber z.B. für Jugendlich nur noch in geringem Maße gilt,
  • nur eine Minderheit unterwegs elektronische Lese-Angebote nutzt, der „Print-Vorteil Mobilität“ also bisher noch keine große Rolle spielt.
  • Gut zu wissen ist auch, dass das „Lesen in kleinen Häppchen“ und das „Lese-Zapping“ (womit das schnelle Überflie0egn gemeint ist) zunimmt. Ein Graus für alle Autoren, die sich bei jedem Satz sehr viel gedacht haben …

Interessant sind auch die Ergebnisse zum Thema „Migration und Lesen“ (Folien 43-53) , die zeigen, dass sich Befragte mit Migrationshintergrund hinsichtlich der Lesehäufigkeit nicht von Befragten ohne Migrationshintergrund unterscheiden – entscheidend sind auch hier Bildung und „Lese-Vorbilder“ im Elternhaus.

Die verheerende Lage des Zehnkämpfers

Bereits im letzten Jahr (2007) haben Kanning, von Rosenstiel, Schuler u.a. in der Psychologischen Rundschau einen Artikel verfasst, der dummerweise an mir vorbeigegangen ist, weil ich wohl trotz meiner psychologischen Herkunft zu tief in primär medienbezogenen Fragestellungen stecke. Schon mit dem Titel „Angewandte Psychologie im Spannungsfeld zwischen Grundlagenforschung und Praxis“ verweisen die Autoren auf ein grundsätzliches Problem, über das ich mich ja auch mit schöner Regelmäßigkeit ärgere: die Monokultur in den Methoden der psychologischen Forschung und damit auch in der pädagogisch-psychologischen Forschung, die für das Wissen und Lernen mit digitalen Medien (aus meiner Sicht) zentral ist. Entsprechend sprechen sie sich für mehr Pluralismus aus – eine sehr begrüßenswerte Tendenz, die mich ein wenig optimistisch stimmt. Zu diesem Beitrag gibt es eine Reihe von Kommentaren (leider nicht online zugänglich) und dann wieder eine Reaktion auf diese Diskussionsbeiträge – und die ist dankenswerter Weise eingescannt, nämlich hier. Sie fasst einige Argumente aus den Kommentaren zusammen, wobei mehrere Probleme zur Sprache kommen, z.B.:

  • die Abwertung deutschsprachiger Publikationen außerhalb von internationalen Journals mit hohem „impact factor“ (dazu hier ein weiterer netter Beitrag),
  • die damit einhergehende indirekte (an sich ungeheuerliche) Einschränkung der Forschungsfreiheit,
  • die Schwierigkeit, aus der Forschung unmittelbaren Nutzen für die Praxis zu schöpfen und
  • die Tatsache, dass man letztlich Wissenschaftler sozialisiert, die extrem gut in einer Einzeldisziplin sind, dann aber völlig überfordert zum einen vor Studierenden stehen, die nach der Univesität in die Praxis wollen, und zum anderen Vertretern aus Politik und Gesellschaft gegenübertreten sollen, die einen Mehrwert zur Lösung praktischer Probleme erwartet hatten (wobei die Politik an diesem Schlamassel ja nun nicht gerade unschuldig ist).

Der Beitrag zitiert u.a. Wottawa, der das letzt genannte Problem der ausgeprägten Spezialisierung (die zwar der Karreire, aber allem anderen eher nicht förderlich ist) mit einer Analogie gut auf den Punkt bringt, nämlich mit der Analogie vom Zehnkämpfer, der in jeder Einzeldisziplin zwangsläufig schlechter ist als der Einzelkämpfer, der sich ausschließlich auf eine Aufgabe konzentriert. Ich fühle mich angesprochen 😉