Open Access – ein Handbuch

Per Post habe ich ein kleines Hanbuch von der Deutschen UNESCO-Kommission zum Thema Open Access erhalten mit Beiträgen zu Definition und Ursprung von Open Access, Beispieien für Publikationsmodelle und verschiedenen Perspektiven (Hochschule, Wissenschaft, Bibliothek etc.) auf Chancen und Herausforderungen. Zudem werden einige Initiativen im internationalen Kontext vorgestellt. Das Handbuch ist – alles andere wäre ja bei diesem Thema auch seltsam – online zugänglich, nämlich hier. Einige Beiträge habe ich bereits gelesen – nun ja, etwas wirklich neues steht nicht drin, gut aber ist die kompakte Zusammenstellung. Nach wie vor bleibt für mich die große Frage, „wer es bezahlen“ soll, und wahrscheinlich läuft es nicht auf ein Modell, sondern auf mehrere hinaus.

Die akademische Elite

Es ist eines der Bücher, das besonders viele Eselsohren, will heißen zitierwürdige Stellen hat, nämlich: das kürzlich erschienene Buch von Richard Münch mit dem Titel: Die akademische Elite (hier findet sich z. B. eine gute Rezension – auch mit Hinweis auf die Schwächen des Buches, die ich durchaus teile, und einer fundierten Zusammenfassung, auf die ich hier entsprechend verzichten kann). Ich möchte an der Stelle einfach mal nur ein paar Kostproben liefern, weil ich es selbst nicht so gut bzw. provokant formulieren könnte. Und vielleicht macht das ja Lust auf mehr – ich kann das Buch nur empfehlen: Die Lektüre lohnt sich!

Seite 86: „Schon aus Gründen der Minimierung des Ablehnungsrisikos tendieren erfolgreiche Drittmittelforscher dazu, bei neuen Anträgen nahe an dem schon erforschten Gegenstand zu bleiben. In den Sozialwissenschaften führt das zu langjähriger Forschung, in der immer weniger Neues entsteht.“ So ist es!

Seite 90: „Das Problem besteht darin, dass die universitäre Forschung in allen Disziplinen auf breiter Front von der Last der immer weiter ausgedehnten und betreuungsintensiver gewordenen Lehre, mindestens genauso aber auch von der Arbeit für Selbstverwaltung, Public Relations, Berichterstattung, Drittmitteleinwerbung und Begutachtung erdrückt wird …“ Davon können wir auch bei uns ein Lied singen.

Seite 135 f: „Die Rede von ´forschungsstarken´ Universitäten sagt mehr über Größenordnungen, die Dominanz von ökonomisch nützlichen Disziplinen in der Förderstruktur und die damit verbundenen Machtpositionen im wissenschaftlichen Feld aus als über Forschungsleistungen, gemessen an den Kriterien von Chancengleichheit und unterschiedlichen Qualitätsanforderungen an die jeweiligen Disziplinen.“ Da kann man nur beipflichten.

Seite 380 f: „Anstelle von Markt, reguliertem Wettbewerb, Offenheit und Pluralität wird die Verteilung von symbolischem Kapital durch den Monopolmechanismus der Akkumulation von Macht durch Macht, das Matthäus-Prinzip und Herdenverhalten bestimmt. Das führt zu einer kartellartigen Verteilung von symbolischem Kapital, die in der hohen Konzentration von DFG-Ausschussmitgliedern und DFG-Gutachtern auf wenige Institutionen zum Ausdruck kommt.“ Gut, man könnte es vielleicht auch etwas einfacher sagen, aber das mit der „kartellartigen Verteilung von symbolischem Kapital“ ist schon eine sehr prägnante und treffende Formulierung.

Seite 204: „Die Internationalisierung der Forschung wirkt als ein Dispositiv der Macht, das insbesondere in den Geistes- und Sozialwissenschaften eine erhebliche Einschränkung von Vielfalt, Kreativität und offenere Wissensevolution zur Folge hat. Dieser amerikanischen Hegemonie wird man nicht durch eigene Monopolstrukturen entgegenwirken können, sondern nur durch die gezielte Förderung von Wettbewerb, Vielfalt und Kreativität.“ Letzteres wäre ja wirklich zu hoffen und zu wünschen.

Seite 313: „So viel Exzellenz, wie inzwischen beansprucht wird, kann es gar nicht geben, weil das dem ursprünglichen Gehalt des Begriffs widersprechen würde. Ohne Chancengleichheit hat der Begriff des Wettbewerbs keinen Wert. Die öffentliche Kommunikation bewegt sich dementsprechend in einem selbstbezüglichen Kreislauf der völligen Leere. Die wird zu einer Art Orgie, an der sich alle berauschen (Baudrillard 1992). Der Effekt ist der völlige Verlust des Bezugs zu einer Realität außerhalb des Kreislaufs.“ Das bedarf keines weiteren Kommentars.

Schöne Ferien!

Schluss mit dem unsinnigen Rattenrennen

„Ab sofort verpflichtet sich jede Wissenschaftlerin und jeder Wissenschaftler, nicht mehr als drei Fachaufsätze pro Jahr und höchstens alle zwei Jahre eine Monographie zu publizieren. Dabei gelten als Aufsatz alle wissenschaftlichen Texte, die in einer gedruckten oder im Internet erscheinenden Fachzeitschrift veröffentlicht werden und dort dauerhaft zugänglich sind. Als wissenschaftliche Monographie gilt jede Veröffentlichung in einem der entsprechenden Fachverlage, in gedruckter wie elektronischer Form. Auch die jeweiligen disziplinären Fachverbände (DGS; DVPW etc.) übernehmen diese Richtlinie als für sich und ihre Mitglieder verbindlich.“

Gerade eben erst habe ich das Online-Magazin „Sciencegarden Magazin für junge Forscher“ und dort einen Artikel zur Problematik des bekannten „public or perish“ entdeckt, über die viel geklagt, aber rein gar nichts unternommen wird. Im Gegenteil: Nicht nur für den Einzelnen in Berufungsverfahren, sondern auch im Rahmen von Evaluationen ganzer Fachbereiche oder Hochschulen spielt die Quantität von Publikationen – neben der noch wichtigeren Quantität von Drittmitteln – zunehmend die dominierende Rolle. Dass und inwiefern sich das für alle Wissenschaftler zu einem kaum lösbaren Dilemma entwickelt, zeigen Christian Dries und Harmut Rose in dem genannten Beitrag und rufen als Lösungsidee zur kollektiven Selbstbeschränkung auf.

Ich finde das gut – ich würde mich anschließen, wenn man eine ausreichend große kritische Masse an Wissenschaftlern dafür gewinnen könnte – aber da liegt natürlich wieder das Problem. Vielleicht sollte man das Ganze sogar ausweiten auf Vorträge und Tagungen. In dem Punkt bin ich mit der Selbstbeschränkung schon recht weit, weil es schlichtweg nicht anders geht und weil es mich auch persönlich nervt: Die Inhalte werden nicht besser, wenn ich sie dreimal oder gar öfter erzähle. Und die grassierende Unsitte, mal eben für einen Vortrag vorbeizukommen und dann wieder zu verschwinden, ohne jede Chance auf einen Dialog, der ja vielleicht noch das Beste auf einer Tagung wäre, würde man durch Selbstbeschränkung vielleicht auch ein bisschen eindämmen können.

Mobile Learning

Herzlichen Dank an Jochen Robes für diesen interessanten Fund: Ein ganzes Themenheft zum Mobile Learning findet sich im E-Journal International Review of Research in Open and Distance Learning. Nach der ersten Durchsicht findet sich eine Mischung aus technisch und pädagogisch motivierten Beiträgen, aus kleineren Studien und Konzeptpapieren. Muss mir aber erst noch ein genaueres Bild machen.

Wissenschaftsrat die Zweite: Interaktion zwischen Wissenschaft und Wirtschaft

Und schon wieder gibt es ein neues, interessantes Papier vom Wissenschaftsrat – diesmal zur Interaktion von Wissenschaft und Wirtschaft (hier online verfügbar). Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass „zunehmend offenere und komplexere Formen der Kooperation zwischen Hochschulen/Forschungseinrichtungen und Unternehmen der wissenschaftsbasierten Wirtschaftssektoren essentiell für die Entstehung grundlegender Innovation sind“ (S. 7) Notwendig sei daher eine höhere Sensibilität der Wissenschaftler und der Entscheidungsträger in den Unternehmen für die Vorteile eines intensiven gegenseitigen Wissensaustauschs. Das erfordert aber auch seitens der Leitungen der Hochschulen – so heißt es weiter –, dass geeigneten Rahmenbedingungen für den Wissens- und Technologietransfer auf institutioneller und individueller Ebene geschaffen werden müssen.

Einige der zentralen Empfehlungen des Wissenschaftsrats sind: (a) Im Wissenschaftssystem insgesamt muss der Wissens- und Technologietransfer verteilt wahrgenommen und adäquat unterstützt werden. (b) Wissens- und Technologietransfer soll verstärkt als ein strategisches Ziel von Hochschulen und Forschungseinrichtungen begriffen und durch die Leitungsebenen unterstützt werden. (c) Das Engagement im Wissens- und Technologietransfer muss sich institutionell und individuell lohnen. (d) Die Weiterentwicklung von Forschungsergebnissen bis zu einem wirtschaftlich relevanten Stadium soll verstärkt gefördert werden.

Dass die Interaktion zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in der Form thematisiert wird, finde ich gut! Was nicht fehlt, ist aus meiner Sicht eine eingehendere Analyse typischer Hindernisse. So kann man als Wissenschaftler alles andere als unternehmerisch handeln – nicht mal mit Kleinstbeträgen ist dies möglich. Es gibt noch zahlreiche andere bürokratische Regelungen bis hin zu Maßnahmen gegen Korruption auf Gebieten, wo es doch eher lächerlich ist, die alles andere als kooperationsförderlich sind. Hier gibt es aus meiner Sicht noch eine Menge zu tun – vor allem muss man aufpassen, dass man Wissenschaftler nicht vor paradoxe Forderungen stellt („Kooperiere mit der Wirtschaft, aber handle wie ein traditioneller Beamter – sei innovativ, aber bleibe der reinen Erkenntnis treu – akquiriere Geld, aber denke nicht unternehmerisch!). Und schließlich: Die Geistes- und Sozialwissenschaften kommen bei dieser Diskussion leider immer zu kurz – dafür gibt es eine ganze Menge Gründe. Einige liegen in den Fach-Communities selbst, einige sicher in den Inhalten/Gegenständen, einige aber auch in der Forschungsförderung. Das Papier erwähnt auch die DFG, die sich angeblich einer größeren Anwendungs- und Praxisorientierung verschrieben hat – nur leider gilt das faktisch nicht für unsere Fächer (Pädagogik/Psychologie).

E-Learning 2.0 – und was sagen die Studierenden dazu?

„Die bislang durchgeführten Evaluationen und zahlreiche Eindrücke qualitativer Art zeigen, dass diese Art des Lernens (ein Lernen, bei dem ein hoher Grad an Aktivität seitens der Studierenden gefordert und notwendig ist) für die Studierenden sehr zeitaufwändig ist. Auch für die Lehrenden ergibt sich aufgrund der geforderten Präsenz in den Wikis und Weblogs ein zeitlich nicht zu unterschätzender Mehraufwand. Die Studierenden erwarten sich Feedback und dass ihre Beiträge gelesen werden. Andererseits konnte festgestellt werden, dass die Studierenden bereit sind, sich einzubringen und dass sie motivierter scheinen. Jedoch gilt es zu betonen, dass viele der gewonnen Ergebnisse und Eindrücke erst durch weitere emprische Studien überprüft werden müssen.“

Diese Aussagen gehören zu den Folgerungen eines Beitrags von Günther Wageneder und Tanja Jadin, in der auch eine kleine Studie vorgestellt wird. Nun: Ich kann diese Erfahrungen nur bestätigen: Auch bei uns stellt es sich immer wieder als äußerts schwierig heraus, Studierende aus der Konsumhaltung zu locken, noch dazu, wenn wir ihnen keine Gewissheit über den Erfolg und das Kosten-Nutzen-Verhältnis (was investiere ich und was bekomme ich?) geben können, weil wir u.U. selbst erst Erfahrungen mit einem neuen Lehr-/Lernkonzept sammeln müssen (auf der Dozentenseite). Zu lösen wäre das Problem an sich nur durch eine kleinere Relation Student-Dozent/Professor – dann würden sich viele Probleme nämlich gar nicht stellen (ob mit oder ohne Web 2.0), weil Studierende keine Chance hätten, in der Masse zu verschwinden. Engagement und Experimentierfreude machen eben auch nur Spaß, wenn es viel direktes Feedback, einen Dialog (im Netz und face-to-face) und so etwas wie „forschendes Lernen“ gibt. Wie aber soll man das machen – mit 300 bis 400 Studierenden gleichzeitig?

Computistan und Pädagogien

Noch bis Juni stellt die Pädagogische Hochschule Zentralschweiz nun auch die Vorträge der Tagung „Schule und Web 2.0“ als Video online zur Verfügung. Wer Beat Döbeli Honegger mal in Aktion erleben will, sollte sich daher seinen Vortrag noch bis Juni anschauen, abzurufen hier. Mir hat vor allem der narrative Einstieg (Computistan und Pädagogien) gefallen, weil er damit aus meiner Sicht vor allem die Lehrer im Publikum geschickt erreicht hat, weil er ihre pädagogische Arbeit damit gewürdigt, den bisweilen kursierenden Irr- und Unsinn mit der Technik implizit kritisiert und dann doch auch wieder die Chancen einer Verknüpfung von Pädagogik und Technik zur eigentlichen Botschaft gemacht hat. Mein Kompliment dafür hat Beat Döbeli auf jeden Fall.

Aktionsrat Bildung 2007 und ein paar Gedanken dazu

Der Aktionsrat Bildung hat das Jahresgutachten 2007 mit dem Titel „Bildungsgerechtigkeit“ herausgegeben. Es kann online hier abgerufen werden. Ich habe es noch nicht ganz gelesen, bin aber doch an einigen Seiten hängen geblieben.

Auf Seite 143 heißt es: „Die Aus- und Weiterbildung des Lehrpersonals an deutschen Schulen und Hochschulen ist seit Jahrzehnten in einem bedenklichen Zustand. Die Qualifizierung dieses Personals findet nicht berufsbezogen, sondern wissenschaftsbezogen statt. Damit folgt sie der empirisch nicht bestätigten Auffassung Humboldts, wonach Aus- und Weiterbildung allein durch Forschung gewährleistet wird. Die Folge ist die Ausblendung der Berufspraxis und ein individualistisches Selbstkonzept des Bildungspersonals.“

Moment mal: Erstens bin ich mir nicht so sicher, ob man das aus Humboldts Vorstellungen wirklich ableiten kann. Des Weiteren ist es ja vielleicht schon ein bisschen seltsam, jemanden aus längst vergangenen Zeiten für heutige Zustände verantwortlich machen. Vor allem aber: Was ist das bitte für eine Wissenschaft und Forschung in Psychologie und Pädagogik, die denjenigen offenbar nichts nutzt, die eigentlich dabei helfen könnten, zum einen wissenschaftliche Erkenntnisse anzuwenden und zu anderen wissenschaftliche Fragestellungen (mit) anzuregen? Sind nicht auch einige der Autoren DFG-Gutachter? Kann es nicht auch sein, dass die DFG zu wenig anwendungsorientierte Forschung fördert, die unserer Bildungspraxis nutzt? Kann es eine sinnvolle Schlussfolgerung sein, Wissenschaft und Praxis am besten noch mehr voneinander fernzuhalten? Nicht falsch verstehen: Ich meine NICHT, dass ein auf Forschung ausgerichtetes Studium jemanden zum guten (Hochschul-)Lehrer macht. Und wenn mit dem Zitat vor allem die Wissenschaft der Domäne gemeint ist, die in der Schule vermittelt werden soll, mag das ja ansatzweise stimmen. Und wenn es da bald mal Reformen gäbe, was vor allem Lehrer sinnvollerweise in welcher Form lernen sollten, finde ich das ebenfalls sehr gut. Wenn aber auch gemeint ist, dass angehende Lehrer nichts von pädagogischer Forschung haben, dann sehe ich das Problem weniger bei der Hochschullehre und schon gar nicht bei den angehenden Lehrern, sondern bei der Forschung.

Trauriger Rekord in Bayern

Dass die Luft für Frauen oben dünner wird – nun ja, daran scheinen wir uns gewöhnt zu haben. Und so ist am Bericht des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln mit dem Titel „Schmale Karriereleiter“ an sich nichts unbedingt Spektakuläres: Auch im Wissenschaftsbetrieb sind Frauen unterrepräsentiert, vor allem wenn es um C4/W3-Stellen geht. In Bayern geht sogar nur jede zehnte dieser Professuren an eine Frau – womit sich unser Bundesland wieder mal an die Spitze, aber leider in eine wenig ehrenwerte Richtung, katapultiert. Also: Ich lebe gern in Bayern; ich bin hier geboren und aufgewachsen und ich finde es nirgendwo schöner – ist so. Aber muss das alles andere entschuldigen? Sind wir schlechter als die Männer? Oder wollen wir gar nicht? Ich habe auch „nur“ eine C3-Stelle (aber wenigstens war es noch C3 und noch nicht W2), auch wenn wir oft zum „Lehrstuhl“ gemacht werden, und ich habe aufgegeben, es richtig zu stellen. 😉 Aber mal ehrlich: Wo ist heute von den erwarteten Leistungen, den Aufgaben und den Belastungen her bitteschön noch der Unterschied zwischen diesen beiden Stufen? Nur im Status und im Gehalt? Wenn ja: Dann ist das obige Ergebnis letztlich noch peinlicher, oder?