Ich bin dann mal weg

Viele Dinge glaube ich immer erst, wenn sie auch wirklich eingetreten sind. Ernennungen gehören auch dazu. Jetzt habe ich sie in der Hand: exakt zum 01.04.2010 und keinen Tag früher – nämlich die Ernennungsurkunde. Wer denkt, es sei ein Leichtes, aus einem Beamtenverhältnis in ein neues zu treten, der irrt – offenbar liegen vor allem zwischen Bund und Ländern auch in dieser Hinsicht Gräben, die es zu überschreiten gilt. Phasenweise hätte ich am liebsten über den Graben geschrien, dass ich auf den ganzen Zirkus jetzt doch lieber verzichte. Aber nun ist es geschafft (ich habe nicht geschrien): Ich bin ab heute offiziell an der Universität der Bundeswehr München tätig und habe dort eine W3-Professur für Lehren und Lernen mit Medien an der Fakultät für Pädagogik. Vor wenigen Wochen habe ich bereits unseren Studierenden in Augsburg eine entsprechende Nachricht zukommen lassen (hier) – und ein Geheimnis ist ja längst nicht mehr, aber offiziell eben tatsächlich erst jetzt.

Ich weiß, dass nicht alle in meinem näheren und weiteren Umfeld meine Entscheidung nachvollziehen können: Ich habe einen Ruf an die Universität Erlangen-Nürnberg auf eine Professur für Lerninnovation (zugegebenermaßen die kürzeste und beste Bezeichnung) sowie einen Ruf an die Universität Hamburg auf eine Professur für „Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Hochschuldidaktik unter besonderer Berücksichtigung der Hochschulentwicklung, Organisationsentwicklung und Personalentwicklung“ (begrifflich so ungefähr das Gegenbeispiel zu Lerninnovation) und ein Bleibeangebot in Augsburg abgelehnt, um den Münchner Ruf anzunehmen. Es gibt zwei Universitäten der Bundeswehr in Deutschland: eine in Hamburg und eine München. Für deren Gründung hat sich Helmut Schmidt eingesetzt, weshalb die in Hamburg geschickter Weise „Helmut-Schmidt-Universität“ heißt. Das ist ein Jammer, dass man sich da für München nicht was ähnlich Attraktives in der Namensgebung hat einfallen lassen. Langjährige Professoren an der UniBw München (so die Abkürzung) haben mir leider versichert, dass der Rechtfertigungsdruck, auf SO EINER Uni zu sein, nicht aufhört – was aber hauptsächlich nur für die gelte, die nicht mit einem zusammenarbeiten und das Innenleben sowie die Forschungs- und Lehrbedingungen dort kennenlernen. Nun, ich lasse mich überraschen. Zuständig bin ich in München mit neun anderen Professoren/innen für den Studiengang „Bildungswissenschaft, insbesondere interkulturelle, Medien- und Erwachsenbildung“. Konzentrieren kann ich mich da auf das Lehren und Lernen mit Medien.

Neben den vielen rationalen Gründen, die man bei so einer Entscheidung monatelang hin- und her wälzt, sind es letztlich auch „Bauchgründe“, von denen man nur ahnt, dass es sie gibt, ohne sie richtig in Worte fassen oder gar anderen wirklich verständlich machen zu können. Wenn ich jetzt sage, ich habe keine Ahnung, was mich erwartet, dann ist das einerseits falsch, weil ich mich selbstverständlich sehr intensiv mit jeder zur Debatte gestandenen Universität, der jeweiligen Professur und der Stadt beschäftigt habe. Es ist aber andererseits auch richtig, denn was man dann, wenn man vor Ort ist, mit Kollegen, Studierenden, Unileitung und Umfeld tatsächlich erlebt, welche Gestaltungsfreiheiten man hat, was man bewirken kann etc., lässt sich letztlich kaum verlässlich vorhersehen. Wie ich mich auch entschieden hätte, es wäre immer ein Restzweifel geblieben, ob es die richtige Entscheidung war.

Was Räume betrifft, ziehe ich immer einen besonderen Joker – vielleicht nehmen mich die Leute schon „semivirtuell“ wahr und verdrängen die Raumfrage (auch gut): In Augsburg waren wir immer 3 plus x in EINEM Raum. Was erst völlig unakzeptabel erschien, hat sich zu einem Lebens- und Arbeitskonzept entwickelt – über acht Jahre lang – acht Jahre, die ich auf keinen Fall missen möchte. Nun gut, während die einen zu Ostern Eier suchen, suchen die anderen eben Räume 😉 – aber das wird schon und wurde mir auch heute nochmal versichert. Ich glaub mal dran.

Gestern war mein letzter Tag in Augsburg. Ich habe noch einige Prüfungen gemacht und den Schlüssel abgegeben. Es ist dann doch ein seltsames Gefühl zu wissen, dass man allenfalls noch einmal zu Besuch kommen wird. Wichtige Wegmarken schwirrten mir gestern mehrfach durch den Kopf: Eine für mich damals (2001/02) unglaublich große Fachschaft, mit der ich mich anfangs jede Woche getroffen habe, weil die Probleme so groß waren. Es galt, einen völlig überfüllten Magisterhauptfach-Studiengang allein ohne festen Mitarbeiter irgendwie abzuwickeln. Erst allmählich lichtete sich die Dichte der Lehraufgaben und ich konnte mit engagierten und netten studentischen und wissenschaftlichen Mitarbeitern langsam ein ausgesprochen arbeitsfähiges und kreatives Team aufbauen. Die Doktorandengruppe wuchs und die Kolloquien haben immer auch ein paar Gäste zu uns gelockt. Das hat immer Spaß gemacht – auch am Freitag Nachmittag! Der Bachelor und Master „Medien und Kommunikation“ hat allerdings auch viele Ressourcen gefressen, aber es entstand im Gegenzug ein anerkannter Studiengang. Bis zum Schluss allerdings habe ich mit dem Problem gekämpft, dass die meisten an sich am liebsten ausschließlich Kommunikationswissenschaft studieren würden. Dann 2007 die Gründung des Instituts für Medien und Bildungstechnologie – das war ein Kraftakt, weil nicht gerade jeder in der Fakultät/Universität von dieser Idee begeistert war. Dass das imb im September 2009 den Publikumspreis beim MedidaPrix gewonnen hat, war aus meiner „scheidenden Perspektive“ natürlich ein toller Abschluss. Da fragt man sich: Ist das ein guter oder ein denkbar schlechter Zeitpunkt, um zu gehen? Aber die Frage ist müßig, denn nun BIN ich weg. Das „Heimweh“ werden Silvia, Alex, Tamara und eine kurze Zeit auch Marianne ebenso lindern helfen wie der größte Teil meiner Doktoranden, die den Sprung über den Graben ebenfalls wagen (und Frank natürlich auch!).

Ciao, Augsburg!

Muss Uni so trocken sein?

Jetzt wird freilich die Antwort „Nein“ erwartet und dann kommt ein lebendiges Beispiel. Das ist gut so, denn anders als in der Schule haben wir – auch in Zeiten von Bologna – an den Hochschulen viel mehr Möglichkeiten in der Lehre, Neues und Ungewöhnliches auszuprobieren, was die „Trockenheit“ vergessen lässt. Die jährliche w.e.b.Square-Tagung, von der ich in diesem Blog bereits mehrfach berichtet habe (z.B. hier und hier) ist so ein Beispiel. Nun haben die Studierenden unter Sandras Leitung noch einen Film dazu gemacht, der wirklich sehr ansprechend geworden ist. Man kann ihn hier anschauen. Allerdings ist der Weg zu solchen Veranstaltungen und Ereignissen kein leichter: Das werden Sandra und die beteiligten studentischen Mitarbeiter/innen denen, die das genau wissen wollen, sicher berichten können. Das Glück bei solchen Veranstaltungen ist, dass sie in der Regel freiwillig besucht werden können und entsprechend engagierte Studierende anzieht. Beispiele wie diese sind ausgesprochen wichtig, um zu zeigen, dass mit Engagement und Begeisterung VIEL geht. Sie sind weniger geeignet, um zu zeigen, wie der der Lehralltag an Universitäten generell aussehen sollte. Generell nämlich kann es nicht Ziel und Zweck sein, vor allem Events zu organisieren (oder deren Organisation anzuleiten), um die Uni „weniger trocken“ zu machen (auch wenn dieses Motto für den Einstieg sicher geeignet ist). Vielmehr muss es uns gelingen, auch für das scheinbar Trockene oder zumindest für Ausschnitte aus genuin wissenschaftlichen Erkenntnissen (theoretischer und empirischer Art), die zunächst trocken wirken mögen, Interesse zu wecken – für Wissenschaft zu begeistern. Veranstaltungen wie w.e.b.Square sind dafür auf jeden Fall geeignet – aber eben als Einzelereignis (z.B. einmal im Jahr). Und was passiert bis zum nächsten Jahr?

Ich meine wir müssen die Möglichkeiten an unseren Unis viel mehr komplementär sehen – die Vorlesungen und Seminare, die Projekte und Events, die Lehrenden, die gut erzählen können, und die mit immer neuen Ideen etc. Es erscheint mir wenig sinnvoll, das eine gegen das andere auszuspielen. Stellt man auf Tagungen oder Workshops Beispiele vor, läuft man oft Gefahr, in dieser Hinsicht falsch interpretiert werden: nämlich als wolle man mit seinem Beispiel nun die Lehre reformieren. Das ist doch Quatsch. Niemand will nur Vorlesungen hören, niemand will immer nur Projekte machen und wenn es sechs studentische Tagungen im Jahr gäbe, würde das niemanden mehr interessieren. Ideal wäre es, wenn jeder Studierender von ALLEM etwas mitbekäme, alles kennenlernen und die verschiedene Wege, sich mit Wissenschaft zu beschäftige, erfahren könnte. Leider aber haben wir genau das bis jetzt nicht hinbekommen!

Irgendwas zwischen Worten und Taten

Auf der Learntec 2010 war ich ja dieses Jahr nicht, dafür aber zwei halbe Tage auf der didacta, die nach eigenen Angaben die „größte Fachmesse für Lehrkräfte aller Bildungsbereiche in Europa und die wichtigste Weiterbildungsveranstaltung der Branche“ ist. Sie findet dieses Jahr in Köln statt und läuft noch bis zum 20. März. Wenn man so durch die Hallen geht, hat man ein bisschen den Eindruck, dass Bildung nach wie vor auf zwei Säulen ruht: auf Büchern (denn die Verlage machen ganz offensichtlich den Hauptteil der Stände aus) und Tafeln – heute natürlich elektronischen Tafeln, für die es immer mehr Anbieter zu geben scheint. Ein neuer „Bildungstrend“ ist offenbar auch das Essen – im Zuge der Bewegung hin zu Ganztagsschulen sicher nicht verwunderlich.

Wer es ruhig haben will, sollte den Bereich E-Learning aufsuchen – hier kann man sich von der Hektik z.B. an der Buchausgabe für Referendare, an Ständen mit Kopiervorlagen und Arbeitsheften nicht nur virtuell erholen, denn da ist schlicht niemand … ob sich niemand hin traut, weil das Mobiliar so steril wirkt oder ob das Digitale von den Verlagen bereits zur Genüge adaptiert wurde, kann ich nicht beurteilen. Bis aufs Messer jedenfalls verteidigte Alfons Rissberger (Gründungsmitglied von D21) trotz alledem den Segen der digitalen Medien in einer Podiumsdiskussion, zu der ich auch eingeladen war. Während Rissberger zu meiner Rechten das IT-Zeitalter beschwor und sich freute, dass er die FAZ jetzt auf seinem iPod lesen kann, beklagte Roland Reuß, Professor für neuere deutsche Literaturwissenschaft und Initiator des Heidelberger Appells, dass auch die ZEIT und FAZ dank der digitalen Medien nicht mehr sind, was sie einmal waren. Hans Ruthmann, Schulleiter einer Gesamtschule, die auch Notebook-Klassen anbietet, hatte es infolge des starken Hochschul-Fokus (Ziel war an sich das Zusammentreffen von Schule und Hochschule; siehe z.B. hier) in der Diskussion ein bisschen schwer und auch ich habe etwas zu spät gemerkt, dass die beiden Herren an den Außenseiten phasenweise in die rhetorische Trickkiste griffen und einem rasch das Wort im Mund herumdrehten. Aber ich muss sagen: Es hat sich mal was gerührt, die Diskussion war nicht langweilig, weil doch recht verschiedene Positionen zum Vorschein kamen, auch wenn an vielen Stellen einiges durcheinander geriet. Ruthmann und ich repräsentierten offenbar den eher pragmatischen Teil der Diskussion; wahrscheinlich hat man uns bewusst in die Mitte gesetzt – da wo, wie so oft, die Praxis des Lernens mit digitalen Medien stattfindet.

An sich hätte Minister Pinkwart mitdiskutieren sollen, aber der hat in letzter Minute abgesagt – wofür didacta-Vorstandsmitglied Hartmut Becker scharfe Worte fand: Die fehlende politische Präsenz, die über ein schnelles Grußwort hinausgeht, fehlt ihm in hohem Maße, was er in einem kurzen Eingangsstatement vor der Diskussion deutlich machte. Einer „Bildungsrepublik Deutschland“ würde es in der Tat gut stehen, gerade die didacta als Forum zu nutzen, um zumindest irgendetwas zwischen Worten und Taten zu präsentieren, das einem hilft, den ewigen Sonntagsreden von der großen Bedeutung der (lebensbegleitenden) Bildung noch ein bisschen Glauben schenken zu können.

Psychologie ohne Seele

Endlich ist es nun erschienen – das Buch „Konkrete Psychologie. Die Gestaltungsanalyse der Handlungswelt“, herausgegeben von Gerd Jüttemann und Wolfgang Mack (beim Pabst Verlag). Der Band nimmt seinen Ausgang da, wo auch die meisten Lehrbücher der Psychologie beginnen, nämlich bei Wilhelm Wundt (1823-1920), der als Begründer der naturwissenschaftlich orientierten Psychologie gilt. So jedenfalls wird es meist vermittelt – eine Vermittlungsrichtung, die Gerd Jüttemann in mehreren Publikationen seit längerem versucht, wieder gerade zu biegen. Für ihn ist Wundt eher der Begründer einer konkreten Psychologie, die auf die psychologische Analyse unseres alltäglichen Handelns und aller Phänomene abzielt, die man vergleichend erforschen kann. Dem steht eine heute weitgehend dekontextualisierte, abstrakte Psychologie gegenüber, die im Laborexperiment und in einer Forschung, die sich auf statistische Auswertungen beschränkt, den Königsweg der wissenschaftlichen Erkenntnis sieht – verbunden „mit der Gefahr des Abgleitens in eine auch in verbaler Hinsicht verarmte ´Psychologie ohne Seele ´“ (Jüttemann, 2010, S. 34).

Der Band umfasst insgesamt 23 recht heterogene Artikel, in denen die Schwierigkeit psychologischer Forschung sowie die Probleme einseitiger naturwissenschaftlicher Herangehensweisen auf verschiedene Art und Weise und anhand unterschiedlicher psychologischer Teildisziplinen diskutiert wird. Hier kann man sich das Inhaltsverzeichnis ansehen. Ich freue mich, dass mein Beitrag zu möglichen Wege der Erkenntnis in den Bildungswissenschaften (hier der Preprint) Eingang in diesen Band gefunden hat und ich auf diesem Wege noch ein paar ganz andere Argumentationsgänge kennenlerne.

Was ich schon mal ankündigen kann …

… ist ein Studientext zum Didaktischen Design, in etwa analog zum Studientext Wissensmanagement und zwar für den April 2010.  Seit einigen Wochen versuche ich, mir dazu immer wieder größere Zeitblöcke freizuschaufeln, denn solche längeren Texte verfasst man ja nicht mal so nebenbei (Umfang: ca. 150 Seiten). Aus diesem Grund wird im Moment mein Blog auch nicht ganz so umfangreich bestückt – ab und zu muss man halt Prioritäten setzen. 😉 Anbei schon mal das Einstiegskapitel mit Inhaltsübersicht. Wie den Studientext Wissensmanagement werde ich auch den zum Didaktischen Design öffentlich zugänglich machen.

Studientext_DD_Kap0

Heiligenbilder mit Argumenten verwechseln

Joachim Wedekind hat in seinem Blog (hier) auf ein interessantes Buch zum Einfluss von PowerPoint auf unsere Denk- und Sprechgewohnheiten aufmerksam gemacht, das ich mir gleich mal bestellt habe. Das Thema ist nicht neu, aber das zugrundeliegende Problem nach wie vor ungelöst: Wie nutzt man eine Software-Anwendung wie PowerPoint so, dass es dem, was man sage will, dient und nicht umgekehrt? Ein guter Tipp ist hier auch der Link zu einem SZ-Artikel in einem Kommentar zum Blog-Post (hier). Dem Autor des Beitrags, Thomas Steinfeld, ist vor allem der Unterschied zwischen einem Vortrag und einer Präsentation wichtig: „Es ist offenbar selbstverständlich geworden, der Rede nicht zu vertrauen, so sehr, dass deren Eigenarten gar nicht mehr bedacht werden, unter der Voraussetzung, auch sie sei eine ´Präsentation´. Wenn nämlich beides – der allein in Worten gestaltete und der von Bildern und Schrift ´unterstützte´ Vortrag – als ´Präsentation´ betrachtet wird, gewinnt das Zeigen und Werben, das Anpreisen durch ´Visualisierung´, einen entscheidenden Vorrang gegenüber dem Wort, das dann nur als Mittel behandelt wird. Oder anders gesagt: Wer eine Rede für eine Präsentation hält, stiehlt sich aus der Gegenwart seines Vortrags davon, indem dieser nur auf etwas außerhalb Befindliches verweist. Er wäre auch fähig, Verkehrsschilder, Piktogramme oder Heiligenbilder (denn um mehr geht es ja, streng genommen, bei Powerpoint-Präsentation nicht) mit Argumenten zu verwechseln.“

Nun, es gibt sicher eine ganze Reihe von Ausnahmen, bei denen ein gut gemachtes Bild, vor allem auch eine (logische) Grafik, das Mitdenken beim Zuhören unterstützt. Gute Erfahrungen habe ich auch damit, wenn man komplexe Zusammenhänge visualisiert und genau dies schrittweise aufbaut, was aber eine ganz genaue Abstimmung zwischen Wort und Bildaufbau verlangt. Öfter aber trifft man auch an Universitäten (nicht nur in Unternehmen) auf das Phänomen des „Folien-Besprechens“ – und hierzu halte ich Steinfelds Diagnose für sehr gelungen.

Das blinde Vertrauen auf die Folie gar als Lektüre-Grundlage für Studierende war einer meiner Gründe für den Versuch einer Art „Podcast-Text-Wiki-Tutorium“-Vorlesung ;-), über die ich hier schon mehrfach berichtet habe (z.B. hier). Am 10. März werde ich auf dem „2. Symposium E-Learning an Hochschulen. Sind die Lehrjahre vorbei?“ an der TU Dresden (hier das Programm) unsere Evaluationsergebnisse und dann natürlich auch eine Zusammenfassung hier online verfügbar machen. Eines meiner Ziele war es, Studierende dazu zu motivieren, sich mit einer deswegen auch stark reduzierten TEXTauswahl zu beschäftigen, sie darin durch Podcasts zu unterstützen und mit einem Wiki zu aktivieren – anstatt Folien zu „lesen“ und auswendig zu lernen. Ob und wie es gelungen ist, einen Sieg über die PowerPont-Kultur davonzutragen, verrate ich im März.

Zeitfresser unterwegs

Vor knapp einer Woche saß ich staunend in der studentischen w.e.b.Square-Tagung und habe tags darauf einen Blogbeitrag verfasst. Morgen ist wieder Freitag – Moment … wo bitte ist die Zeit hin? Ich überlege, was ich von Samstag bis heute, Donnerstag gemacht habe. Warum gab es keine Stunde zum Zurücklehnen, Nachdenken und Kommentieren – auch in diesem Blog? Nun, natürlich gibt es Gründe: Besuch am Wochenende (was eh selten ist bei uns) und dann eine Art Klausursitzung des GMW-Vorstands von Sonntag-Abend bis Dienstag-Nachmittag. Das bedeutet dann einen gewaltigen E-Mail-Stau am Dienstag-Nachmittag, der den „Abarbeitungsmodus ohne Nachdenken“ einsetzen lässt. Am Mittwoch Uni-Veranstaltungen und eine Sitzung des Prüfungsausschusses: das Protokoll schreibt man dann am besten gleich im Anschluss. Heute Klausuren korrigieren und Gutachten schreiben, Telefonate führen, weil wieder administrative Sachen nicht so laufen wie sie sollten. Und dann die Bahn zu Winterzeiten, die mir regelmäßig kalte Füße auf zugigen Banhsteigen beschert: Wie ich es hasse und fürchte zugleich – die langsam sich steigernden Ansagen von Verspätungen: 5 min – 10 min – 15 min – und besonders schön: auf unbestimmte Zeit. Ja, da ist sie vielleicht geblieben, die Zeit – in der Bahn oder auf dem Bahnsteig …. morgen bin ich wieder dort: Ich halte mal Ausschau.

Und du siehst, dass es außer Kontrolle gerät

Zum dritten Mal fand im Rahmen unseres Studiengangs „Medien und Kommunikation“ gestern eine studentische Tagung statt, nämlich die dritte w.e.b.Square-Tagung zum Thema „Bekannt, befreundet, vernetzt! Wie soziale Netzwerke unser Leben prägen“ (hier das Programm). In drei Sessions haben insgesamt sechs Gruppen ihre Rechercheergebnisse und eigenen Überlegungen zu Identität und Profilierung sowie Probleme wie Isolation und Mobbing in sozialen Netzwerken auf äußerst kreative Weise beleuchtet. Jeder Vortrag integrierte originelle Darstellungsideen, mit denen langweilige Folienpräsentationen geschickt vermieden wurden. Und das ist – wie wir aus allen Tagungen wissen – nicht eben leicht. Die Vorträge wurden per Video aufgenommen, sodass sich Interessierte, die nicht dabei waren, bald selbst ein Bild machen können. Die dazugehörigen Artikel sind bereits online verfügbar (nämlich hier).

Was mir an dem Nachmittag besonders gefallen hat, war die Tatsache, dass hier Vertreter der Netzgeneration selbst darüber reflektiert haben, was soziale Netzwerke im Netz für sie bedeuten, wo sie sich angeregt, bedroht oder einfach nur unterhalten oder falsch verstanden fühlen etc. Angesichts der Tatsache, dass es so viele Mythen oder werbewirksame Slogans ÜBER junge Netz-Nutzer gibt, ist es wohl umso wichtiger, die Betreffenden selbst zu Wort kommen zu lassen – im Falle der w.e.b.Square-Tagung wohl wissend, dass hier natürlich eine selegierte Gruppe auftritt. Im Vergleich zum letzten Jahre (ich habe hier darüber berichtet), habe ich einen qualitativen Sprung festgestellt: Das gilt für die Besucherzahl, das gilt aber allem voran für die Vorträge und die Diskussionen. Diskutiert wurde erstaunlich viel – das Thema stößt also auf reges Interesse. Und das alles ist eine studentische Initiative? Funktioniert es quasi von allein? Nein, das tut es nicht. Ohne höchst engagierte Mitarbeiter/innen (ich nennen stellvertretend mal Sandra Hofhues, die die Leitung innehatte) würde so etwas nicht stattfinden: Auch Studierende müssen motiviert werden, brauchen zunächst Anleitung und Anregungen, das Engagement muss sich für das Studium „lohnen“ etc. Das zu arrangieren kostet Zeit und Ressourcen – umsonst ist das nicht zu haben (Sandras Beitrag dazu hier).

Abschließend sei exemplarisch eine der witzigen Ideen herausgegriffen, mit denen die Studierenden das Tagungsthema angegangen sind: z.B. die Schöpfungsgeschichte bei soziale Netzwerken (Genesis 2.0; siehe auch hier):

  • 1. Tag: Und du siehst, dass es nötig ist (so viele Leute können nicht irren)
  • 2. Tag: Und du siehst, dass es einfach ist.
  • 3. Tag: Und du siehst, dass du nicht allein bist.
  • 4. Tag: Und du siehst, dass du unbeachtet bleibst.
  • 5. Tag: Und du siehst, dass es bunt werden muss
  • 6. Tag: Und du siehst, dass es außer Kontrolle gerät.
  • 7. Tag: Und du siehst, dass es nie ruhen wird.

Betriebswirtschaftslehre bei Tchibo

Inzwischen sind die Vorträge der Campus Innovation 2009 (ich habe hier davon berichtet) online. Da ich einen halben Tag der Veranstaltung leider verpasst habe, bieten die Aufzeichnungen nun eine schöne Möglichkeiten, z.B. Rolf Schulmeisters Vortrag doch noch (hier) zuhören. Sein Beitrag bietet wohl eine ganze Menge an Diskussionsstoff, auf den ich hier nicht in der möglichen Vielfalt eingehen kann.

Was mir aber besonders im Kopf hängen geblieben ist, ist der Hinweis auf die „Akademisierung der Berufsausbildung“. Das ist quasi das Pendant zu meinen Überlegungen, dass und warum das Universitätsstudium zunehmend als Berufsqualifizierung verkauft wird (siehe z.B. hier). Es ist eine Frage der Perspektive und inzwischen glaube ich, dass beides zutrifft: die Berufsausbildung wird auf vielen Gebieten akademischer und das Universitätsstudium berufspraktischer. Ja, warum nicht?, könnte man da sagen. Sind dann nicht alle zufriedener? Ist es nicht das, was wir alle wollten? Raus sowohl aus dem Elfenbeinturm als auch aus der Werkhalle und rein in die Wissensarbeit? Gemeinsame Sache zwischen Wirtschaft und Wissenschaft? Ist das nicht die Zukunft? Theoretisch kann man wohl durchaus einige Vorteile in solchen Vermengungstendenzen sehen. Ganz praktisch aber ergeben sich sehr viele Probleme, denn den Lehrenden fehlen Anschauung und Kompetenzen, um solche Versprechen wirklich einzulösen.

Vorrangig jedoch bleibt für mich die grundsätzliche Frage, wo man – wenn nicht an einer Universität – noch lernen kann und darf, klar zu denken, kritisch zu hinterfragen, systematisch zu handeln, mit anderen zusammen Dingen auf den Grund zu gehen, die im operativen Geschäft der Berufswelt nicht mehr thematisiert werden, zu lernen, über den eigenen Gartenzaun zu schauen, sich selbst und die eigenen Potenziale kennenzulernen etc. Freilich, all dies ist mit einer Auffassung von „Unis als Dienstleister“, wie Rolf Schulmeister formuliert, nicht gut vereinbar – oder doch? Wäre es nicht eine Dienstleistung an unsere Gesellschaft und unser demokratisches System? Vielleicht schrecken ja Rolfs Beispiele von der „Betriebswirtschaftslehre bei Tchibo im Sonderangebot“ doch einige ab, an das Heil dieser neuen Verbünde zwischen Wissenschaft/Universität und Wirtschaft/Konzernen zu glauben. Vielleicht aber ist der Zug hier schon abgefahren und nur mehr mit geballtem Widerstand aufzuhalten.

Was lange währt …

wird irgendwann (mitunter) doch noch was. Weihnachtsstress und (vor allem) andere Aufgaben sowohl bei Christian als auch bei mir haben leider dazu geführt, dass die Ergebnisse unserer kleinen Umfrage in der Community „(Bildungs-)Wissenschaftler 2.0“ etwas länger haben auf sich warten lassen als geplant. Aber jetzt können wir einen kleinen Bericht mit den Ergebnissen bieten, der natürlich auf der Community platziert und hier zu finden ist. An der Stelle noch einmal ganz herzlichen Dank an alle, die mitgemacht haben!