Ein Problem des mittleren Erwachsenenalters?

Ja, es ist schon eine Weile her, als ich bei meinen Recherchen feststellte, dass das mittlere Erwachsenenalter interessanter Weise recht wenig erforscht ist – jedenfalls wenn man es mit Kindheit, Jugend oder Alter vergleicht. Das war 2006, als ich eine Anfrage zur Mitarbeite an einem Buch über Bildungspsychologie erhielt (hier der damalige Blogbeitrag dazu). Nun – vier Jahre später – ist es endlich soweit: Herausgegeben von Christiane Spiel et al. ist der Band „Bildungspsychologie“ beim Hogrefe Verlag erschienen.

Im Vorwort heißt es: „Die kürzeste Zeitspanne zwischen der Zusage ein Buchkapitel zu verfassen und der Einreichung der Erstversion betrug 3 ½ Monate, die längste Zeitspanne ziemlich genau 4 Jahre“. Nun, da kann ich mich ja ganz gut verorten und interessieren würde es mich schon, wer so wichtig ist, dass man es gestattet, die Deadline gleich um ein paar Jahre zu überschreiten. Ich persönlich ärgere mich über mangelnde Disziplin bei Autoren/innen immer wieder sehr, denn wenn die Zeit zu knapp ist, dann lässt man es halt sein – was ist daran so schwierig? Vielleicht ist es ein Problem vor allem des mittleren Erwachsenenalters, weil das eine Zeit ist, in der ALLES wichtig ist? Beruf, Familie, Kinder, persönliche Entwicklung?

Nun gut: Jetzt bin ich erst mal gespannt auf die einzelnen Kapitel, aber auch darauf, wie das Buch aufgenommen wird. Immerhin mischt sich da ein genuin pädagogischer Begriff, nämlich der der Bildung, mit der Psychologie, und das dürfte durchaus verschiedene Deutungen und Urteile hervorrufen. Leider wurde es untersagt, ein Preprint es eigenen Beitrags online zu stellen.

Quietschende Turnschuhe

Ich gebe es zu: Sport gehörte in der Schule nicht eben zu meinen Lieblingsfächern. Das Quietschen der Turnschuhe auf dem Hallenboden, mörderische Geräte, Sand in den Schuhen beim Weitspringen – nein, das war nicht meine Welt. Und jetzt das: Aktivitäten zum E-Learning im Sport? Genau das.

Am Freitag und Samstag war ich mit Marianne auf einer Veranstaltung des DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund), nämlich dem „Fachforum Bildung 2010“ in Lübeck (zum Thema Bildung beim DOSB siehe z.B. hier). Dort trafen sich vor allem die Lehrreferenten der Landessportbünde bzw. Landessportverbände, der Spitzenverbände und der Sportverbände mit besonderen Aufgaben. Neben dem Kernthema „Qualität in der Aus-, Fort- und Weiterbildung“ ging es auch um E-Learning. Zunehmend wird nämlich im organisierten Sport erkannt, dass speziell für die zahlreichen Qualifizierungsmaßnahmen für Übungsleiter, Trainer etc. der Einsatz digitaler Medien von Vorteil sein kann. Seit Jahresbeginn haben wir den Auftrag, genau dafür eine kleine Expertise zu erstellen. Am Freitag haben wir in Lübeck (in der Bundespolizei-Akademie, was irgendwie eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Gelände des Universität der Bundeswehr hat ;-)) unser Vorgehen vorgestellt. Die Expertise soll bis zum Sommer fertig sein. Ich werde dann zu geeigneter Zeit mehr dazu berichten. Das Themenfeld jedenfalls stellt sich als sehr spannend heraus. Es ist ein prototypisches Beispiel für E-Learning in Non Profit-Organisationen, worüber die Erkenntnislage insgesamt noch recht dünn ist.

Da sieht man mal wieder, dass einen auch schlechte Kindheits- und Jugenderfahrungen nicht ein Leben lang traumatisieren müssen.

Ob man das mit einem Mann auch machen würde?

Dass an Universitäten Raummangel herrscht, ist nichts Neues. Dass vorzugsweise bestimmte Disziplinen davon besonders betroffen sind, während es andere da besser haben, ist auch ein allgemein bekanntes Phänomen. Dass Fakultäten wegen des Kampfes um Räume im Dauerstreit leben (wobei die Räume oft Symbole der Macht sind – vor allem deren Größe und Lage), soll es ja auch geben. Dass man mit seinen Mitarbeitern aber ganz ohne Räume bleibt und irgendwie nicht absehbar ist, wie lange dieser Zustand anhält, kommt mir doch ungewöhnlich vor. Ich bin ja aus Augsburg in dieser Hinsicht schon einiges gewöhnt …. und ich frage mich: Würde man das eigentlich mit einem Mann auch machen? Ein Gender- oder doch eher ein Charakter-Effekt? Oder ist es purer Zufall und ich habe in punkto Räume einfach Pech? Es bleibt das Prinzip Hoffnung …

Aber vielleicht besser kein Raum als ein maroder, der krank macht? Zufällig bin ich über einen Fotowettbewerb vom AStA der Universität des Saarlandes gestolpert mit dem Titel „Marode Hochschule“ – auch schön anzusehen, nämlich hier. 😉 Ein Glück, dass der Staat ja schon vor einiger Zeit die Bildungsrepublik Deutschland ausgerufen hat – da wird das bestimmt alles bald besser …  also falls nicht wieder eine Euro- oder Bankenkrise dazwischenkommt.

Blogs – bloß nicht in Unternehmen?

Dass es mit Weblogs in Unternehmen nicht immer ganz einfach ist, vor allem, wenn man den Bloggern Autonomie zugestehen will, dürfte allgemein bekannt sein. Trotzdem bewirbt man diese Web 2.0-Anwendung gern als mögliches Wissensmanagement-Instrument. Karsten Ehms hat sich in mehrjähriger Arbeit den Spekulationen um die Möglichkeiten und Grenzen von Blogs in Unternehmen empirisch, aber auch theoretisch gewidmet und Ende des Jahres 2009 seine Dissertation dazu abgeschlossen. Nun endlich ist sie auch online zugänglich, nämlich hier.

Ich freue mich sehr darüber, dass diese Arbeit positiv abgeschlossenen werden konnte. Berufsbegleitende Promotionen sind keine einfache Sache; inzwischen ist mir klar, dass das viele auch unterschätzen. Da braucht man schon Durchhaltevermögen – Karsten hat es bewiesen. Herzlichen Glückwunsch Dr. Ehms! 🙂

Ich bin dann mal weg

Viele Dinge glaube ich immer erst, wenn sie auch wirklich eingetreten sind. Ernennungen gehören auch dazu. Jetzt habe ich sie in der Hand: exakt zum 01.04.2010 und keinen Tag früher – nämlich die Ernennungsurkunde. Wer denkt, es sei ein Leichtes, aus einem Beamtenverhältnis in ein neues zu treten, der irrt – offenbar liegen vor allem zwischen Bund und Ländern auch in dieser Hinsicht Gräben, die es zu überschreiten gilt. Phasenweise hätte ich am liebsten über den Graben geschrien, dass ich auf den ganzen Zirkus jetzt doch lieber verzichte. Aber nun ist es geschafft (ich habe nicht geschrien): Ich bin ab heute offiziell an der Universität der Bundeswehr München tätig und habe dort eine W3-Professur für Lehren und Lernen mit Medien an der Fakultät für Pädagogik. Vor wenigen Wochen habe ich bereits unseren Studierenden in Augsburg eine entsprechende Nachricht zukommen lassen (hier) – und ein Geheimnis ist ja längst nicht mehr, aber offiziell eben tatsächlich erst jetzt.

Ich weiß, dass nicht alle in meinem näheren und weiteren Umfeld meine Entscheidung nachvollziehen können: Ich habe einen Ruf an die Universität Erlangen-Nürnberg auf eine Professur für Lerninnovation (zugegebenermaßen die kürzeste und beste Bezeichnung) sowie einen Ruf an die Universität Hamburg auf eine Professur für „Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Hochschuldidaktik unter besonderer Berücksichtigung der Hochschulentwicklung, Organisationsentwicklung und Personalentwicklung“ (begrifflich so ungefähr das Gegenbeispiel zu Lerninnovation) und ein Bleibeangebot in Augsburg abgelehnt, um den Münchner Ruf anzunehmen. Es gibt zwei Universitäten der Bundeswehr in Deutschland: eine in Hamburg und eine München. Für deren Gründung hat sich Helmut Schmidt eingesetzt, weshalb die in Hamburg geschickter Weise „Helmut-Schmidt-Universität“ heißt. Das ist ein Jammer, dass man sich da für München nicht was ähnlich Attraktives in der Namensgebung hat einfallen lassen. Langjährige Professoren an der UniBw München (so die Abkürzung) haben mir leider versichert, dass der Rechtfertigungsdruck, auf SO EINER Uni zu sein, nicht aufhört – was aber hauptsächlich nur für die gelte, die nicht mit einem zusammenarbeiten und das Innenleben sowie die Forschungs- und Lehrbedingungen dort kennenlernen. Nun, ich lasse mich überraschen. Zuständig bin ich in München mit neun anderen Professoren/innen für den Studiengang „Bildungswissenschaft, insbesondere interkulturelle, Medien- und Erwachsenbildung“. Konzentrieren kann ich mich da auf das Lehren und Lernen mit Medien.

Neben den vielen rationalen Gründen, die man bei so einer Entscheidung monatelang hin- und her wälzt, sind es letztlich auch „Bauchgründe“, von denen man nur ahnt, dass es sie gibt, ohne sie richtig in Worte fassen oder gar anderen wirklich verständlich machen zu können. Wenn ich jetzt sage, ich habe keine Ahnung, was mich erwartet, dann ist das einerseits falsch, weil ich mich selbstverständlich sehr intensiv mit jeder zur Debatte gestandenen Universität, der jeweiligen Professur und der Stadt beschäftigt habe. Es ist aber andererseits auch richtig, denn was man dann, wenn man vor Ort ist, mit Kollegen, Studierenden, Unileitung und Umfeld tatsächlich erlebt, welche Gestaltungsfreiheiten man hat, was man bewirken kann etc., lässt sich letztlich kaum verlässlich vorhersehen. Wie ich mich auch entschieden hätte, es wäre immer ein Restzweifel geblieben, ob es die richtige Entscheidung war.

Was Räume betrifft, ziehe ich immer einen besonderen Joker – vielleicht nehmen mich die Leute schon „semivirtuell“ wahr und verdrängen die Raumfrage (auch gut): In Augsburg waren wir immer 3 plus x in EINEM Raum. Was erst völlig unakzeptabel erschien, hat sich zu einem Lebens- und Arbeitskonzept entwickelt – über acht Jahre lang – acht Jahre, die ich auf keinen Fall missen möchte. Nun gut, während die einen zu Ostern Eier suchen, suchen die anderen eben Räume 😉 – aber das wird schon und wurde mir auch heute nochmal versichert. Ich glaub mal dran.

Gestern war mein letzter Tag in Augsburg. Ich habe noch einige Prüfungen gemacht und den Schlüssel abgegeben. Es ist dann doch ein seltsames Gefühl zu wissen, dass man allenfalls noch einmal zu Besuch kommen wird. Wichtige Wegmarken schwirrten mir gestern mehrfach durch den Kopf: Eine für mich damals (2001/02) unglaublich große Fachschaft, mit der ich mich anfangs jede Woche getroffen habe, weil die Probleme so groß waren. Es galt, einen völlig überfüllten Magisterhauptfach-Studiengang allein ohne festen Mitarbeiter irgendwie abzuwickeln. Erst allmählich lichtete sich die Dichte der Lehraufgaben und ich konnte mit engagierten und netten studentischen und wissenschaftlichen Mitarbeitern langsam ein ausgesprochen arbeitsfähiges und kreatives Team aufbauen. Die Doktorandengruppe wuchs und die Kolloquien haben immer auch ein paar Gäste zu uns gelockt. Das hat immer Spaß gemacht – auch am Freitag Nachmittag! Der Bachelor und Master „Medien und Kommunikation“ hat allerdings auch viele Ressourcen gefressen, aber es entstand im Gegenzug ein anerkannter Studiengang. Bis zum Schluss allerdings habe ich mit dem Problem gekämpft, dass die meisten an sich am liebsten ausschließlich Kommunikationswissenschaft studieren würden. Dann 2007 die Gründung des Instituts für Medien und Bildungstechnologie – das war ein Kraftakt, weil nicht gerade jeder in der Fakultät/Universität von dieser Idee begeistert war. Dass das imb im September 2009 den Publikumspreis beim MedidaPrix gewonnen hat, war aus meiner „scheidenden Perspektive“ natürlich ein toller Abschluss. Da fragt man sich: Ist das ein guter oder ein denkbar schlechter Zeitpunkt, um zu gehen? Aber die Frage ist müßig, denn nun BIN ich weg. Das „Heimweh“ werden Silvia, Alex, Tamara und eine kurze Zeit auch Marianne ebenso lindern helfen wie der größte Teil meiner Doktoranden, die den Sprung über den Graben ebenfalls wagen (und Frank natürlich auch!).

Ciao, Augsburg!

Muss Uni so trocken sein?

Jetzt wird freilich die Antwort „Nein“ erwartet und dann kommt ein lebendiges Beispiel. Das ist gut so, denn anders als in der Schule haben wir – auch in Zeiten von Bologna – an den Hochschulen viel mehr Möglichkeiten in der Lehre, Neues und Ungewöhnliches auszuprobieren, was die „Trockenheit“ vergessen lässt. Die jährliche w.e.b.Square-Tagung, von der ich in diesem Blog bereits mehrfach berichtet habe (z.B. hier und hier) ist so ein Beispiel. Nun haben die Studierenden unter Sandras Leitung noch einen Film dazu gemacht, der wirklich sehr ansprechend geworden ist. Man kann ihn hier anschauen. Allerdings ist der Weg zu solchen Veranstaltungen und Ereignissen kein leichter: Das werden Sandra und die beteiligten studentischen Mitarbeiter/innen denen, die das genau wissen wollen, sicher berichten können. Das Glück bei solchen Veranstaltungen ist, dass sie in der Regel freiwillig besucht werden können und entsprechend engagierte Studierende anzieht. Beispiele wie diese sind ausgesprochen wichtig, um zu zeigen, dass mit Engagement und Begeisterung VIEL geht. Sie sind weniger geeignet, um zu zeigen, wie der der Lehralltag an Universitäten generell aussehen sollte. Generell nämlich kann es nicht Ziel und Zweck sein, vor allem Events zu organisieren (oder deren Organisation anzuleiten), um die Uni „weniger trocken“ zu machen (auch wenn dieses Motto für den Einstieg sicher geeignet ist). Vielmehr muss es uns gelingen, auch für das scheinbar Trockene oder zumindest für Ausschnitte aus genuin wissenschaftlichen Erkenntnissen (theoretischer und empirischer Art), die zunächst trocken wirken mögen, Interesse zu wecken – für Wissenschaft zu begeistern. Veranstaltungen wie w.e.b.Square sind dafür auf jeden Fall geeignet – aber eben als Einzelereignis (z.B. einmal im Jahr). Und was passiert bis zum nächsten Jahr?

Ich meine wir müssen die Möglichkeiten an unseren Unis viel mehr komplementär sehen – die Vorlesungen und Seminare, die Projekte und Events, die Lehrenden, die gut erzählen können, und die mit immer neuen Ideen etc. Es erscheint mir wenig sinnvoll, das eine gegen das andere auszuspielen. Stellt man auf Tagungen oder Workshops Beispiele vor, läuft man oft Gefahr, in dieser Hinsicht falsch interpretiert werden: nämlich als wolle man mit seinem Beispiel nun die Lehre reformieren. Das ist doch Quatsch. Niemand will nur Vorlesungen hören, niemand will immer nur Projekte machen und wenn es sechs studentische Tagungen im Jahr gäbe, würde das niemanden mehr interessieren. Ideal wäre es, wenn jeder Studierender von ALLEM etwas mitbekäme, alles kennenlernen und die verschiedene Wege, sich mit Wissenschaft zu beschäftige, erfahren könnte. Leider aber haben wir genau das bis jetzt nicht hinbekommen!

Irgendwas zwischen Worten und Taten

Auf der Learntec 2010 war ich ja dieses Jahr nicht, dafür aber zwei halbe Tage auf der didacta, die nach eigenen Angaben die „größte Fachmesse für Lehrkräfte aller Bildungsbereiche in Europa und die wichtigste Weiterbildungsveranstaltung der Branche“ ist. Sie findet dieses Jahr in Köln statt und läuft noch bis zum 20. März. Wenn man so durch die Hallen geht, hat man ein bisschen den Eindruck, dass Bildung nach wie vor auf zwei Säulen ruht: auf Büchern (denn die Verlage machen ganz offensichtlich den Hauptteil der Stände aus) und Tafeln – heute natürlich elektronischen Tafeln, für die es immer mehr Anbieter zu geben scheint. Ein neuer „Bildungstrend“ ist offenbar auch das Essen – im Zuge der Bewegung hin zu Ganztagsschulen sicher nicht verwunderlich.

Wer es ruhig haben will, sollte den Bereich E-Learning aufsuchen – hier kann man sich von der Hektik z.B. an der Buchausgabe für Referendare, an Ständen mit Kopiervorlagen und Arbeitsheften nicht nur virtuell erholen, denn da ist schlicht niemand … ob sich niemand hin traut, weil das Mobiliar so steril wirkt oder ob das Digitale von den Verlagen bereits zur Genüge adaptiert wurde, kann ich nicht beurteilen. Bis aufs Messer jedenfalls verteidigte Alfons Rissberger (Gründungsmitglied von D21) trotz alledem den Segen der digitalen Medien in einer Podiumsdiskussion, zu der ich auch eingeladen war. Während Rissberger zu meiner Rechten das IT-Zeitalter beschwor und sich freute, dass er die FAZ jetzt auf seinem iPod lesen kann, beklagte Roland Reuß, Professor für neuere deutsche Literaturwissenschaft und Initiator des Heidelberger Appells, dass auch die ZEIT und FAZ dank der digitalen Medien nicht mehr sind, was sie einmal waren. Hans Ruthmann, Schulleiter einer Gesamtschule, die auch Notebook-Klassen anbietet, hatte es infolge des starken Hochschul-Fokus (Ziel war an sich das Zusammentreffen von Schule und Hochschule; siehe z.B. hier) in der Diskussion ein bisschen schwer und auch ich habe etwas zu spät gemerkt, dass die beiden Herren an den Außenseiten phasenweise in die rhetorische Trickkiste griffen und einem rasch das Wort im Mund herumdrehten. Aber ich muss sagen: Es hat sich mal was gerührt, die Diskussion war nicht langweilig, weil doch recht verschiedene Positionen zum Vorschein kamen, auch wenn an vielen Stellen einiges durcheinander geriet. Ruthmann und ich repräsentierten offenbar den eher pragmatischen Teil der Diskussion; wahrscheinlich hat man uns bewusst in die Mitte gesetzt – da wo, wie so oft, die Praxis des Lernens mit digitalen Medien stattfindet.

An sich hätte Minister Pinkwart mitdiskutieren sollen, aber der hat in letzter Minute abgesagt – wofür didacta-Vorstandsmitglied Hartmut Becker scharfe Worte fand: Die fehlende politische Präsenz, die über ein schnelles Grußwort hinausgeht, fehlt ihm in hohem Maße, was er in einem kurzen Eingangsstatement vor der Diskussion deutlich machte. Einer „Bildungsrepublik Deutschland“ würde es in der Tat gut stehen, gerade die didacta als Forum zu nutzen, um zumindest irgendetwas zwischen Worten und Taten zu präsentieren, das einem hilft, den ewigen Sonntagsreden von der großen Bedeutung der (lebensbegleitenden) Bildung noch ein bisschen Glauben schenken zu können.

Psychologie ohne Seele

Endlich ist es nun erschienen – das Buch „Konkrete Psychologie. Die Gestaltungsanalyse der Handlungswelt“, herausgegeben von Gerd Jüttemann und Wolfgang Mack (beim Pabst Verlag). Der Band nimmt seinen Ausgang da, wo auch die meisten Lehrbücher der Psychologie beginnen, nämlich bei Wilhelm Wundt (1823-1920), der als Begründer der naturwissenschaftlich orientierten Psychologie gilt. So jedenfalls wird es meist vermittelt – eine Vermittlungsrichtung, die Gerd Jüttemann in mehreren Publikationen seit längerem versucht, wieder gerade zu biegen. Für ihn ist Wundt eher der Begründer einer konkreten Psychologie, die auf die psychologische Analyse unseres alltäglichen Handelns und aller Phänomene abzielt, die man vergleichend erforschen kann. Dem steht eine heute weitgehend dekontextualisierte, abstrakte Psychologie gegenüber, die im Laborexperiment und in einer Forschung, die sich auf statistische Auswertungen beschränkt, den Königsweg der wissenschaftlichen Erkenntnis sieht – verbunden „mit der Gefahr des Abgleitens in eine auch in verbaler Hinsicht verarmte ´Psychologie ohne Seele ´“ (Jüttemann, 2010, S. 34).

Der Band umfasst insgesamt 23 recht heterogene Artikel, in denen die Schwierigkeit psychologischer Forschung sowie die Probleme einseitiger naturwissenschaftlicher Herangehensweisen auf verschiedene Art und Weise und anhand unterschiedlicher psychologischer Teildisziplinen diskutiert wird. Hier kann man sich das Inhaltsverzeichnis ansehen. Ich freue mich, dass mein Beitrag zu möglichen Wege der Erkenntnis in den Bildungswissenschaften (hier der Preprint) Eingang in diesen Band gefunden hat und ich auf diesem Wege noch ein paar ganz andere Argumentationsgänge kennenlerne.

Was ich schon mal ankündigen kann …

… ist ein Studientext zum Didaktischen Design, in etwa analog zum Studientext Wissensmanagement und zwar für den April 2010.  Seit einigen Wochen versuche ich, mir dazu immer wieder größere Zeitblöcke freizuschaufeln, denn solche längeren Texte verfasst man ja nicht mal so nebenbei (Umfang: ca. 150 Seiten). Aus diesem Grund wird im Moment mein Blog auch nicht ganz so umfangreich bestückt – ab und zu muss man halt Prioritäten setzen. 😉 Anbei schon mal das Einstiegskapitel mit Inhaltsübersicht. Wie den Studientext Wissensmanagement werde ich auch den zum Didaktischen Design öffentlich zugänglich machen.

Studientext_DD_Kap0

Heiligenbilder mit Argumenten verwechseln

Joachim Wedekind hat in seinem Blog (hier) auf ein interessantes Buch zum Einfluss von PowerPoint auf unsere Denk- und Sprechgewohnheiten aufmerksam gemacht, das ich mir gleich mal bestellt habe. Das Thema ist nicht neu, aber das zugrundeliegende Problem nach wie vor ungelöst: Wie nutzt man eine Software-Anwendung wie PowerPoint so, dass es dem, was man sage will, dient und nicht umgekehrt? Ein guter Tipp ist hier auch der Link zu einem SZ-Artikel in einem Kommentar zum Blog-Post (hier). Dem Autor des Beitrags, Thomas Steinfeld, ist vor allem der Unterschied zwischen einem Vortrag und einer Präsentation wichtig: „Es ist offenbar selbstverständlich geworden, der Rede nicht zu vertrauen, so sehr, dass deren Eigenarten gar nicht mehr bedacht werden, unter der Voraussetzung, auch sie sei eine ´Präsentation´. Wenn nämlich beides – der allein in Worten gestaltete und der von Bildern und Schrift ´unterstützte´ Vortrag – als ´Präsentation´ betrachtet wird, gewinnt das Zeigen und Werben, das Anpreisen durch ´Visualisierung´, einen entscheidenden Vorrang gegenüber dem Wort, das dann nur als Mittel behandelt wird. Oder anders gesagt: Wer eine Rede für eine Präsentation hält, stiehlt sich aus der Gegenwart seines Vortrags davon, indem dieser nur auf etwas außerhalb Befindliches verweist. Er wäre auch fähig, Verkehrsschilder, Piktogramme oder Heiligenbilder (denn um mehr geht es ja, streng genommen, bei Powerpoint-Präsentation nicht) mit Argumenten zu verwechseln.“

Nun, es gibt sicher eine ganze Reihe von Ausnahmen, bei denen ein gut gemachtes Bild, vor allem auch eine (logische) Grafik, das Mitdenken beim Zuhören unterstützt. Gute Erfahrungen habe ich auch damit, wenn man komplexe Zusammenhänge visualisiert und genau dies schrittweise aufbaut, was aber eine ganz genaue Abstimmung zwischen Wort und Bildaufbau verlangt. Öfter aber trifft man auch an Universitäten (nicht nur in Unternehmen) auf das Phänomen des „Folien-Besprechens“ – und hierzu halte ich Steinfelds Diagnose für sehr gelungen.

Das blinde Vertrauen auf die Folie gar als Lektüre-Grundlage für Studierende war einer meiner Gründe für den Versuch einer Art „Podcast-Text-Wiki-Tutorium“-Vorlesung ;-), über die ich hier schon mehrfach berichtet habe (z.B. hier). Am 10. März werde ich auf dem „2. Symposium E-Learning an Hochschulen. Sind die Lehrjahre vorbei?“ an der TU Dresden (hier das Programm) unsere Evaluationsergebnisse und dann natürlich auch eine Zusammenfassung hier online verfügbar machen. Eines meiner Ziele war es, Studierende dazu zu motivieren, sich mit einer deswegen auch stark reduzierten TEXTauswahl zu beschäftigen, sie darin durch Podcasts zu unterstützen und mit einem Wiki zu aktivieren – anstatt Folien zu „lesen“ und auswendig zu lernen. Ob und wie es gelungen ist, einen Sieg über die PowerPont-Kultur davonzutragen, verrate ich im März.