Ein neues Diskussionspapier der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina befasst sich mit dem Problem der Finanzierung von wissenschaftlichen Zeitschriften. Die Autoren kritisieren das derzeitige Finanzierungsmodell, bei dem gewinnorientierte Verlage ihre Macht ausgebaut haben und den freien Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen behindern – durch Bezahlschranken und hohe Kosten, die häufig aus öffentlichen Mitteln aufgebracht werden. Das Diskussionspapier – hier online abzurufen – schlägt ein neues Verfahren zur Finanzierung wissenschaftlicher Zeitschriften vor.
Im Kern geht der Vorschlag dahin, das Publizieren in Zeitschriften mit öffentlichen Mitteln nach den gleichen Prinzipien zu finanzieren und zu kontrollieren wie die Drittmittelforschung. Dazu soll ein Förder- und Antragsverfahren für den Betrieb wissenschaftlicher Zeitschriften entwickelt werden. Buchpublikationen sind explizit ausgeschlossen. Mit dem vorgeschlagenen neuen Finanzierungssystem sollen vor allem schon bestehende Zeitschriften gefördert werden, die bisher von Fachgesellschaften über Verträge mit Verlagen herausgegeben werden.
Das Papier greift ein wichtiges Thema auf. Auf diesem Feld ist wohl jeder kreative und – wie hier – konkrete Vorschlag relevant, damit überhaupt mal andere Dinge ausprobiert werden. Bei drei Aspekten allerdings frage ich mich, ob man angesichts der aktuellen Herausforderungen in der Veröffentlichung wissenschaftliche Erkenntnisse nicht noch viel grundsätzlicher denken und handeln müsste. Diese drei Aspekte sind: (a) die im Leopoldina-Papier konzipierte Antragslösung, (b) die Fortschreibung der Publikation als Währung sowie (c) die Engführung auf Publizieren in Zeitschriften.
(a) Zwar kann ich die Grundidee des Leopoldina-Papiers für ein Wettbewerbsverfahren zur dauerhaften Finanzierung wissenschaftlicher Zeitschriften aus öffentlichen Mitteln nachvollziehen. Ich wundere mich aber, warum offenbar gar keine anderen Verfahren mehr in Betracht gezogen werden als Antragstellung, Evaluation und Selektion mit all den damit verbundenen Risiken, wenn es darum geht, mit knappen Ressourcen umzugehen. Wettbewerb und Konkurrenz werden inzwischen überall im Wissenschaftssystem zum Allheilmittel erklärt. Wären nicht auch neue Formen der Kooperation eine Option, die dabei helfen, begrenzte Ressourcen effizient einzusetzen?
(b) Die Ausgangslage beschreibt das Leopoldina-Papier (auf Seite 8) wie folgt: „Wissenschaft lebt vom ungehinderten Austausch von Ideen und Ergebnissen durch Publikationen. Publikationen präsentieren Forschungsergebnisse, setzen diese Ergebnisse in den Kontext des gegenwärtigen Wissens und enthalten Interpretationen sowie Ideen, die die weitere Forschung stimulieren. Publikationen haben aber auch eine zweite Rolle. Sie dienen gleichzeitig der Leistungsbewertung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, und spielen eine zentrale Rolle bei Entscheidungen über die weitere Finanzierung von deren Forschung und Karrierefortschritten. Insbesondere in dieser zweiten Rolle haben Publikationen inzwischen selbst einen ökonomischen Charakter angenommen, fast vergleichbar mit einer ´Währung´. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten möglichst viele Publikationen ansammeln, um ihre Reputation, ihre finanzielle Ausstattung und ihre Karriere zu fördern. Der relative Wert der ´Währung´ wird dabei von der Reputation der wissenschaftlichen Zeitschriften, in denen publiziert wird, wesentlich mitbestimmt“. Diese Beschreibung ist sicherlich treffend. Während die erste Rolle des Publizierens für Wissenschaft unabdingbar ist, stellt sich aber die Frage, ob das so auch für die zweite Rolle gilt, die im Papier eher nicht kritisch hinterfragt, sondern mit der neuen Finanzierungsidee fortgesetzt wird. Wäre es nicht an der Zeit, zusammen mit neuen Finanzierungsmodellen ebenso die auf Quantität und Publikationsort ausgerichtete „Währung“ auf den Prüfstand zu stellen?
(c) Was im Leopoldina-Papier über die Rolle von Verlagen bei (internationalen) wissenschaftlichen Zeitschriften gesagt wird, gilt auch in weiten Teilen für die Publikation von Monografien und Herausgeberbänden. Die Ausgrenzung von Büchern, die der wissenschaftlichen Erkenntnis dienen, wird der Vielfalt der Wissenschaften nicht gerecht. Zudem leisten systematische Übersichtsbände über den aktuellen Stand der Forschung sowie Monografien mit Raum für die Bearbeitung komplexer Sachverhalte, die den üblichen Artikelumfang bei weitem sprengen, in vielen Disziplinen einen wertvollen und unverzichtbaren Beitrag. Ich meine, das müsste bei Fragen der Finanzierung aus öffentlicher Hand ebenfalls mitgedacht werden: Inzwischen zahlt man für eine Open Access-Publikation 6.000 EUR aufwärts, was sich nicht mal mehr in Drittmittelprojekten stemmen lässt. Und auch hier gilt, was das Leopoldina-Papier für Zeitschriften beklagt: Diese Werke kommen alle nur durch hohes persönliches Engagement und ehrenamtliche oder durch eine bestehende Stelle möglich werdende Leistungen von Herausgeberinnen und Autoren zustande.