Hybride Lehre war das Thema von „Wissenschaftsdidaktik im Gespräch“ im Februar 2021 – wieder im digitalen Kurzformat (90 Minuten). Als Hintergrund habe ich meine Ausführungen zur hybriden Lehre herangezogen, wie ich sie in einem Impact Free-Artikel (hier) kürzlich formuliert hatte. Ich war erfreut über 15 Anmeldungen für diesen Termin im Programm für Professorinnen und Professoren; ein Drittel aber hat es sich dann offenbar wieder anders überlegt und fehlte – das finde ich ziemlich viel, schmälert aber nicht den Gewinn des Austausches derer, die da waren.
Kolleginnen und Kollegen aus insgesamt vier Fakultäten haben sich beteiligt, ihre Erfahrungen eingebracht und ihre Gedanken und Zukunftsvorstellungen zur postpandemischen Hochschullehre beigesteuert, die – so kann man annehmen – sicher in verschiedenen Varianten hybrid sein wird. Mein Anliegen war zunächst einmal, für das Thema zu sensibilisieren und auf begriffliche Unschärfen hinzuweisen, die nicht nur für die Forschung ein Problem sind, sondern die einem auch begegnen, wenn man als Hochschullehrender z.B. nach Ratschlägen zur Gestaltung hybrider Lehre sucht. Des Weiteren war meine Absicht aufzuzeigen, dass sich etliche Hochschulen schon auf den Weg gemacht haben und insbesondere Vorschläge für die Organisation hybrider Lehre machen – was angesichts logistischer und technischer Bedarfe tatsächlich wichtig ist (denn: Welche Räume mit welcher Ausstattung lassen sich mit welchen Gruppengrößen überhaupt nutzen, solange z.B. noch Abstandsregeln etc. gelten?). Schließlich wollte ich darauf aufmerksam machen, dass die Lehrorganisation trotzdem nur die „halbe Miete“ ist, denn auch die Gestaltung hybrider Lehrformen geht natürlich über die Lehrorganisation weit hinaus.
Mit 15 Teilnehmenden geplant, sah mein Konzept für die Gestaltung der 90 Minuten so aus: nach einer kurzen Vorstellungsrunde drei Mal ein ca. fünfminütiger Impuls zum Thema von meiner Seite, zwischen diesen erst zum Auftakt ein kurzer Einstiegsdialog (5 min) in zufällig zusammengestellten Tandems und dann als nächstes ein kurzer Austausch in Kleingruppen (10 min) und schließlich noch rund 30 min Gespräch im Plenum. Das hat auch mit einer etwas kleineren Gruppe als geplant alles in allem gut funktioniert.
Alle Beteiligten haben jetzt natürlich in der Pandemie Erfahrungen mit synchroner und asynchroner Online-Lehre gesammelt, einige auch mit hybriden Lehrformen – sei es bereits vor der Pandemie, sei es in der Planung zum Wintersemester 2020/21 (als hybride Formen noch in Erwägung gezogen worden waren). Das Thema ist also präsent, und Berührungsängste mit digitalen Varianten der Lehre, wie ich sie noch 2019 oft gespürt hatte, scheinen verflogen. Die Vorzüge der physischen Präsenz spielten im Gespräch ab und zu eine Rolle: z.B. die bessere Möglichkeit des Improvisierens oder die leichtere Adaptivität des Vorgehens nach studentischen Reaktionen. Klar verneint wurde aber das im Frühjahr 2020 noch zu hörende absolute Lob der Präsenzlehre: Stattdessen wiesen einige beispielhaft darauf hin, wie die aktuellen Bedingungen Versäumnisse in der Präsenzlehre nun noch sichtbarer haben werden lassen. Aber auch die neu entstandenen Möglichkeitsräume wurden mehrfach hervorgehoben. Vorstellungen von Hyflex-Lehre (wie man sie ab und zu liest und hört) stießen eher auf Verwunderung als auf Gegenliebe: Wie man gleichzeitig im materiellen und virtuellen Raum den jeweiligen Anforderungen gerecht werden soll, konnten sich die Anwesenden nicht vorstellen. Wie so oft bei Themen zur Hochschullehre kamen wir auf die Fachabhängigkeit auch bei der Gestaltung hybrider Lehre zu sprechen. Im Übrigen war für die am Gespräch Beteiligten die Lehrorganisation gar nicht so prominent, wie auf den Web-Seiten vieler Hochschulen; das Interesse ging – was positiv festzuhalten ist – gleich tiefer in die Zielsetzung und Methodik einer Veranstaltung – was auch für alle Hybride gilt.
Ein Teilnehmer machte den Vorschlag, die hybride Lehre stärker aus der Studierendenperspektive zu betrachten: Für den einzelnen Studierende kann sich auch dann ein hybrid gestaltetes Studienangebot zeigen, wenn sich einzelne Lehrende selber auf einen Modus und eine Modalität beschränken, also z.B. auf Präsenzlehre, Online-Lehre oder verschiedene Varianten von hybrider Lehre – ein berechtigter Hinweis. Allerdings könnte e am Ende ein wenig vom Zufall abhängen, wie hybrid sich das Studienangebot – je nach Wahlverhalten – für den Einzelnen am Ende präsentiert.
Zwei Themen kamen darüber hinaus zur Sprache, die das engere Feld der Organisation und weiteren didaktischen Gestaltung von hybriden Lehrangeboten überschreiten: zum einen der Aufwand für Lehrende und die mangelnde Harmonisierung mit dem traditionellen System der Berechnung des Lehrdeputats – ein wichtiges hochschulpolitisches Thema, das man mit und nach der Pandemie tatsächlich wieder aufgreifen und endlich mal lösen sollte; zum anderen Prüfungen und die Frage, inwiefern auch Prüfungen hybrid sein könnten oder sollten – mit allen bekannten rechtlichen und technischen Fragen, die uns wiederum auf ein auch hochschulpolitisches Feld führen.
Ich nehme aus dem wissenschaftsdidaktischen Gespräch vor allem eine proaktive Haltung und einen Gestaltungswillen der Lehrenden mit, was die Hochschullehre betrifft. Das passt sehr gut zu Klaus Joller-Grafs Kommentar im letzten Blog-Post, in dem er konkret darlegt, worauf man sich als Hochschullehrender freuen kann für die Zeit „nach der Pandemie“, und mahnend hinzufügt, was man allmählich nicht mehr tun sollte: „Ein Einstimmen in den ´Wann-wird’s-wieder-wie-früher-Blues´. In den alten Trott verfallen wir wieder wie von selbst – wenn wir nichts dafür unternehmen, gemeinsam weiterzukommen!“ Wissenschaftsdidaktik im Gespräch war im Februar 2021 jedenfalls kein „Wann-wird’s-wieder-wie-früher-Blues“ ;-).