Weihnachten, wie man es möchte

Nein, ich bin einfach kein Weihnachtsfan, aber ja, ich mag diese Tage vor und nach Weihnachten, an denen alle mit Weihnachten (IHREM Weihnachten) beschäftigt sind, weil es dann nämlich ruhiger ist. Und das ist ja ganz hervorragend! 🙂

Ich habe die letzten Tage genutzt, um mal wieder so einiges zum Thema „Kompetenzen“ zu lesen – unter anderem, weil ich dazu Anfang Februar einen Vortrag in Gießen halten werde. Das ist nicht das erste Mal, dass ich mir einerseits dabei denke: Ja, das ist sinnvoll investierte Zeit, denn man muss sich über Begriffe, aus denen auch umfänglichere Konzepte werden, Gedanken machen – zumal über solche, die in Forschung und Politik (u. a. in der Forschungsförderung) erheblichen Einfluss ausüben (und das trifft ja wohl alles auf den Kompetenzbegriff zu). Andererseits mehren sich dann mit jeder fortschreitenden Stunde alsbald andere Gedanken: Nein, also besser in den Papierkorb damit und was Vernünftigeres machen, denn wenn ich unter anderem lese, wie lange man sich da schon streitet und der Gewinner ohnehin seit mindestens 2000 feststeht, dann könnte es sich doch um eine zeitliche Fehlinvestition handeln. Nun gut, mal sehen, was bis Ende Januar dabei herauskommt.

Aber eigentlich wollte ich in diesem letzten Blogbeitrag des Jahres 2012 auf ein paar Sachen hinweisen, die ich interessant fand und noch schnell weitergeben möchte:

Da ist zum einen Rolf Schulmeisters kritischer Vortrag über MOOCS (hier abzurufen), den sicher schon viele gehört haben. Wer ihn noch nicht gehört hat: Empfehlenswert (etwa wenn man sich beim Verwandtschaftsbesuch mal absetzen möchte)!

Da ist zum anderen Christians lautes Denken über das Flipped Classroom-Konzept und die dazugehörige Diskussion (hier und hier). Wenn ich das so lese, wie sich da der Gestaltungsprozess entwickelt, habe ich schon ein wenig den Eindruck (mindestens aber die Hoffnung), dass mein Studientext zum Didaktischen Design eine gewisse praktische Relevanz hat (dessen Struktur auch eher induktiv auf der Basis eigener didaktischer Erfahrungen entstanden ist).

Außerdem möchte ich noch einen kurzen Text von Georg Hans Neuweg empfehlen: In einem fiktiven Streitgespräch denkt er laut darüber nach, was guter Unterricht ist (hier). Vor zwei Jahren saß ich über Weihnachten an einem Vortragstext, aus dem dann auch ein Artikel entstanden ist (hier), und die Ähnlichkeiten der Botschaften sind deutlich (leider habe ich mich mit Herrn Neuweg noch nie austauschen können). Neuweg hat es aber eindeutig unterhaltsamer beschrieben!

Ich denke, es ist nun Zeit für zwei Wochen Blogpause; es sind ja eh alle mit anderem als mit Blog-Lesen – nämlich mit Weihnachten und danach mit Silvester (auch so ein „Zwangsfest“, dem man nur mit viel Mühe entkommt) – beschäftigt. Ich hoffe, dass ihr alle die kommenden Tage so verbringen könnt, wie ihr das möchtet, und natürlich wünsche ich allen ein abwechslungsreiches und glückliches neues Jahr 2013.

Gut, dass wir dazu mal was gemacht haben

Auf der Seite UniGestalten, auf der man die Ergebnisse des gleichnamigen Wettbewerbs vom Herbst/Winter 2011 ansehen kann, sind inzwischen auch einige „E-Papers“ verfügbar. Eines davon dreht sich um das Thema „Kommunikation und Medien“. Vor einigen Monaten war ich gebeten worden, dafür ein paar Zeilen zu schreiben (S. 39-40). Ich freue mich natürlich sehr, dass zwei Projekte unter den Gewinnern aus der Uni Augsburg kommen – also aus meiner früheren „Wirkungsstätte“, wie man so schön sagt. Interessant wäre zu wissen, was nun mit all diesen interessanten Projekten weiter passiert. Immerhin gibt es auf der Seite auch ein E-Paper zur Nachhaltigkeit. Nur leider ist da von der Nachhaltigkeit der Projekte nicht die Rede.

Das ist ja auch ein bekanntes Problem des „Projektgeschäfts“: Es wird da in der Tat viel bewegt, aber eben meistens nur zeitlich begrenzt – nach dem Motto: „Gut, dass wir dazu mal was gemacht haben“. Ehrlich gesagt hilft da auch nicht viel, wenn man bei Anträgen zur Forschungs- und Entwicklungsförderung inzwischen darlegen muss, wie man die Nachhaltigkeit sichert. Es mag manchmal gelingen, Ressourcen-neutral eine Veränderung zu bewirken, die Bestand hat – das will ich nicht bestreiten. Oftmals aber geht genau das nicht. Und dann frage ich mich: Welche Förderinstitution erwartet denn ernsthaft, das sich die Ressourcen von allein vermehren?

Hilfsbedürftige Wesen

„Die Ursachen der Unterrepräsentanz von Frauen liegen … nicht in erster Linie in den Arbeitsorganisationen (wo sie permanent gesucht werden), sondern im privaten Leben. Darauf hat die universitäre Frauenförderung aber kaum Einfluss“, so die These des Soziologen Stefan Hirschauer in der aktuellen Ausgabe von Forschung & Lehren (Dezember 2012), der sogar online (hier) zugänglich ist. In seinem Artikel legt Hirschauer dar, dass und warum Frauenförderung aus seiner Sicht nicht nur wenig bewirkt, sondern sogar Schaden anrichten kann – jedenfalls in der Form, wie sie seit längerem und aktuell praktiziert wird. Er geht davon aus, dass Frauen vor allem deswegen weniger gut in höhere Positionen auch an der Uni kommen, weil es nach wie vor schwierig ist, das private Leben und Familie (als Frau!) mit den Anforderungen („eingebauter workaholism“) am Arbeitsplatz „Professur“ in Einklang zu bringen (so übersetze ich jetzt mal das Soziologen-Deutsch). Zudem würden Frauen tendenziell „work-life-balance“ höher bewerten und sich dann bewusst gegen den Dauerwettbewerb an Unis entscheiden. Zu den schädlichen Folgen der bestehenden Frauenförderung, so Hirschauer, gehört, dass man Frauen als hilfsbedürftige Wesen abstempelt, außerdem Männer mitunter benachteiligt und letztlich gegen eigene Grundsätze verstößt (nämlich dass allein die Kompetenz zählen soll). Als Lösung schlägt Hirschauer vor, dass Unis mehr für die Kinderbetreuung tun sollen – auch für die Wissenschaftlerinnen (nicht nur für Studentinnen).

Ich finde, der Beitrag gibt ganz gute Denkanstöße. Mich nervt die Dauer-Frauen-Rhetorik schon lange, die mir meistens recht formal vorkommt. Auch die von Hirschauer beschriebenen Nebeneffekte der Frauenförderung, die man so sicher nicht gewollt hat, habe ich vereinzelt auch schon selbst erlebt (z.B. in Berufungskommissionen). Allerdings sind die im Text vorgeschlagenen Lösungen ein bisschen einseitig: Mit Betreuungsplätzen allein ist es sicher nicht getan (obschon das auf jeden Fall ein wichtiger Vorschlag ist). Dringend erforderlich wäre wohl ein kultureller Wandel dahingehend, das sich Väter genauso für die Betreuung ihrer Kinder zuständig fühlen wie Mütter und dass man dies auch strukturell honoriert. Außerdem müsste dieses „Rattenrennen“ (das viele Profs zu Workaholics macht) mal langsam aufhören, an dem wir uns (fast) alle beteiligen, obwohl wir es beklagen (ich nehme mich da auch nicht aus): Dazu gehören die beständige Jagd nach Drittmitteln, Publikationen und damit gekoppelter Anerkennung, aber auch der ausufernde Bürokratismus in Forschung (Drittmittel!) und Lehre (Bologna). Und wenn das so weit geht, dass man sich nebenher keine Familienzeit mehr leisten kann, wird das auf Dauer nicht nur den Menschen, sondern auch der Wissenschaft schaden.

 

Nicht nur lästige Pflicht

Nachdem ich nun schon mehrfach eingeladen worden war, habe ich gestern (am 05.12.2012) endlich mal den eLearning-Netzwerktag an der Universität Frankfurt (studium digitale) besucht und dort einen Vortrag gehalten. Es war die siebte Veranstaltung dieser Art und zu Beginn wurde verkündet, dass studium digitale für die kommenden fünf Jahre weiter finanziert wird. Das freut mich für das Frankfurter Team um Claudia Bremer!

Gerne mache ich mein Vortragsmanuskript zum Thema „Forschendes Lernen und mediengestützte Textarbeit“ hiermit online zugänglich. Vorgestellt habe ich unser Online-Tool Release (dazu gibt es auch bereits eine Forschungsnotiz), an dem wir schon seit längerem sitzen. Daran anknüpfend ging es mir darum, zur Diskussion zu stellen, ob und wie Textarbeit und damit rezeptives Lernen mit produktiven Lernformen, insbesondere mit dem forschenden Lernen, sinnvoll und für Lernende gewinnbringend verknüpft werden kann.

Vortrag_Frankfurt_Dez2012

Die Fragen und Diskussion am Ende haben gezeigt, dass auch andere (also nicht nur ich) einen Bedarf sehen, Studierende darin zu unterstützen, speziell das Lesen wissenschaftlicher Textsorten (also auch Originalbeiträge zu empirischen Studien) einzuüben. In Seitengesprächen wurde auch mehrfach beklagt, dass Studierende generell zu wenig lesen. Deutlich wurde zudem, dass es wichtig ist, Werkzeuge wie Release so in Veranstaltungen einzubauen, dass Studierende einen Mehrwert in der mediengestützten Textarbeit sehen.

Aus meiner Sicht ist es immer wieder eine große Herausforderung, rezeptive und produktive Anteile des Lernens so miteinander zu verknüpfen, dass kognitive und motivationale Hürden genommen werden können. Speziell in Methodenfragen, worin Studierende oft eine lästige Pflicht sehen, ist es erfahrungsgemäß schwierig, Studierende zu begeistern und gleichzeitig die erforderlichen Wissensgrundlagen zu schaffen.

Open ist nicht gleich umsonst

Es ist ja schon lange kein Geheimnis mehr, dass wir die Zeitschrift für E-Learning (und wir, das sind Andrea Back, Peter Baumgartner, Rolf Schulmeister und ich) mit der vierten Ausgabe von 2012, die demnächst erscheint, auslaufen lassen – jedenfalls in der Form, wie man sie nun sieben Jahre lang gekannt hat. Wir haben das auf der Web-Seite der Zeitschrift schon vor einiger Zeit angekündigt (siehe hier).

Angekündigt haben wir dort allerdings auch eine Neuausrichtung. Es ist in dieser Hinsicht (wir waren nicht faul) auch viel passiert: Wir hatten zahlreiche Überlegungen, eine ganze Reihe von Treffen, bereits eine konkrete Option, die dann aber wieder über Bord geworfen werden musste, viele Gespräche etc. Nun sind wir seit Montag dieser Woche an einem Punkt, wo wir uns trauen, zumindest auf unseren Blogs informell ersten Optimismus zu streuen und einen Neuanfang anzukündigen, ohne dass wir allerdings schon offizielle Dokumente oder gar eine Web-Seite hätten. Aber wir haben eine ganze Reihe neuer wichtiger Mitstreiter, die sich engagieren und dabei helfen wollen, den so lang erwarteten Open Access-Gedanken für eine neue wissenschaftliche Zeitschrift zu realisieren (weil ich nicht ganz genau weiß, der da jetzt genannt werden möchte, lasse ich das an der Stelle offen – es gibt ja ein Kommentarfeld, um sich da selber zu melden). Die neue Zeitschrift wird sich etwas breiter als bisher interdisziplinär mit „Technologie und Lernen“ beschäftigen und dabei auch mit neuen Formen des Peer Review experimentieren.

Mitstreiter und Engagement braucht man auch für so ein Projekt – besser mehr als weniger, denn: Natürlich ist eine Open Access-Zeitschrift keine, die ohne finanzielle Unterstützung zustande kommt (neben dem unbezahlten Engagement, das man zusätzlich braucht): Open ist nicht gleich umsonst, auch wenn diese Einsicht offenbar manchmal schwer fällt. Da in unseren Fächern Bezahlmodelle über Autoren aus unserer Sicht ausscheiden, muss also Geld von anderer Seite kommen und da zielt unsere Strategie darauf ab, die jährlichen Kosten auf möglichst viele Schultern von Organisationen (Unis, Institute, Vereine) zu verteilen, denen das Thema „Technologie und Lernen“ ebenfalls am Herzen liegt.

Wir sind also optimistisch. Es ist so etwas wie ein Nukleus da. Ob nun unser Plan, 2014 mit der ersten Ausgabe zu erscheinen, Wirklichkeit wird, hängt auch ein wenig davon ab, wie viele wir noch dafür begeistern können, sich in irgendeiner Weise einzubringen: als aktive Mitglieder in einem erweiterten Herausgeberkreis, als Fürsprecher in Organisationen, die sich an der Finanzierung beteiligen könnten, als Leser, die bereit sind, z.B. bei Mitgliedsbeiträgen beteiligter Institutionen ein paar Euro im Jahr mehr zu zahlen etc. Man kann es nur noch einmal wiederholen: Open ist nicht gleich umsonst, sondern fordert, dass viele einen kleinen Beitrag leisten (materiell, aber natürlich auch ideell) und aktiv daran mitarbeiten, den Open-Gedanken im akademischen Arbeitsalltag (!) tatsächlich zu leben.

Nachtrag (13.12.2012): Peter Baumgartner hat jetzt noch einmal ausführlichere Informationen (hier) zum Vorhaben zur Verfügung gestellt.

Was man hört, aber nicht sieht

Sprache: Wie wichtig ist sie im Vergleich zum Inhalt – in einer Hausarbeit, Bachelorarbeit, Dissertation? Nicht so wichtig? Weil es doch auf den Inhalt und nicht darauf ankommt, wie man ihn darstellt? Ich maße mir nicht an, das für Disziplinen und Fächer zu beurteilen, von denen ich keine Ahnung habe. Aber für Geistes- und Sozialwissenschaften im Allgemeinen und für Bildungswissenschaften im Besonderen halte ich die sprachliche Umsetzung der eigenen Gedanken ebenso wie die Widergabe der Gedanken anderer für sehr wichtig. Ich weiß, dass viele Studierende, vielleicht auch einige Doktoranden, das entweder nicht so sehen (und mich für kleinkariert halten) oder aber den Stellenwert der Sprache anders interpretieren. Eine solche andere Interpretation ist z.B. die, dass die Sprache nicht zwingend verständlich, sondern vor allem „wissenschaftlich“ klingen müsse. Und wissenschaftlich klinge es vor allem dann, wenn der Autor als Ich im Text nicht auftaucht (weil die Inhalte dann nicht mehr „subjektiv“ sind), wenn der Text möglichst viele Substantivierungen enthält (weil das die Argumente schwergewichtiger macht), wenn Sätze bevorzugt passiv statt aktiv konstruiert werden (weil das die notwendige Distanz erhöht) und wenn man möglichst viele Botschaften in einen Satz packt und dabei ein hohes Maß an Nebensätzen und Einschüben verwendet (weil sich das dann so ähnlich anhört wie viele der Texte von Wissenschaftlern, die man schon gelesen hat).

Verständlichkeit und Lesefreude – das scheinen für viele (auch für manche Wissenschaftler) die natürlichen Gegenspieler der Wissenschaftlichkeit zu sein. Ich sehe das anders: Wenn jemand einen Text nicht versteht, kann das zwar verschiedene Ursachen haben und natürlich auch am Leser liegen. Wenn aber fortgeschrittene Studierende, die sich anstrengen, oder Wissenschaftler selbst mit Fragezeichen vor einem Text aus ihrer eigenen Domäne sitzen, mühsam das Subjekt und Verb im Satz suchen und sich vergeblich fragen, was der Autor einem wohl sagen will, dann stimmt etwas mit dem Text nicht! Und wissenschaftlich ist es auch nicht, wenn die Verständlichkeit auf der Strecke bleibt: Von Wissenschaft erwarte ich mir Klarheit im Ausdruck und keine Nebelkerzen. Leider aber lernen viele Studierende im Studium genau das: vermeintlich wissenschaftliche, an großen (schwierig zu verstehenden) Vorbildern orientierte, aber leider schlechte Texte zu schreiben.

Ich empfehle Studierenden und Doktoranden gerne, ihre Texte laut zu lesen, bin mir aber sicher, dass es kaum jemand macht (sonst würden sie anders klingen)! Das ist schade. Denn lautes Lesen der eigenen Sätze, die man aufs Papier gebracht hat, ist sehr heilsam: Man hört eher, wie schlecht ein Satz klingt, als dass man es ihm ansieht. Und man hört auch eher, wenn Sätze ihre Botschaft verloren oder eine angenommen haben, die man gar nicht im Sinn hatte. Endlich gibt es jemanden, der meinen (ernst gemeinten, aber offenbar nicht ernst genommenen) Ratschlag teil ;-): Valentin Groebner hat ein kleines Büchlein mit dem Titel „Wissenschaftssprache. Eine Gebrauchsanweisung“ geschrieben (2012). Der Buchtitel ist etwas irreführend und aus meiner Sicht nicht glücklich gewählt. Mit dem ersten Teil des Buches kann ich auch nicht so sehr viel anfangen. Der zweite aber beschreibt sehr schön die Irrungen und Wirrungen der Wissenschaftssprache und das Problem, das Doktoranden (an diese Zielgruppe wendet sich Groebner hauptsächlich) damit haben. Er plädiert für Lesbarkeit, für das „Ich“ im Text und – ja! – für lautes Lesen: „Beim Vorlesen merken Sie … rasch, wie lange es am Beginn eines neuen Absatzes dauert, bis Sie selber verstehen, wovon eigentlich die Rede sein wird. Sie merken auch, wie rasch das bedeutungstragende Substantiv am Anfang erscheint. („Von wem ist die Rede?“) Und Sie merken, wenn Sie das Verb mit lauter Einschüben und Relativsätzen so weit nach hinten geschoben haben, dass im Satz niemand irgendetwas zu tun scheint, oder einfach zu lange damit wartet („Was passiert hier eigentlich?“). Wenn Sie Ihren Text selbst vorlesen (oder noch besser: einem geduldigen Publikum), merken Sie schließlich auch, ob am Ende die Resultate Ihrer Überlegungen wirklich deutlich werden.“ (S. 101 f.) Also: Einfach mal ausprobieren!

Education unlimited

„Change: Offene Hochschule = education Unlimited? Zwischen Humboldt und Fachkräftemangel“ – unter diesem Motto steht die diesjährige Campus Innovation in Hamburg am 22. und 23.11.1012. Zahlreiche bekannte Namen umfasst das interessante Programm (hier) und verspricht eine ertragreiche Veranstaltung. Leider ist mein letzter Besuch auf der Campus Innovation schon wieder ein paar Jahre her, aber Hamburg eben nicht um die Ecke 😉

Der Ankündigungstext klingt stellenweise recht ähnlich den Aussagen, die im Januar 2012 in Berlin als Grundlage für Vorträge und Diskussionen dienten (studium 2020: siehe hier). Das Thema „Durchlässigkeit des Hochschulsystems“ ist aber wohl komplex genug, um mehrere Tagungen dazu zu veranstalten, denn einfache Antworten wird es auf die Frage, für wen welche Hochschulen in welcher Weise mit welcher Zielsetzung offen sein sollten, nicht geben. Ich denke, speziell die Zielsetzung spielt hier eine zentrale Rolle.

Ich persönlich schwanke bei der Frage, für wen insbesondere die Universität offen sein sollte, regelmäßig zwischen einem „möglichst vielen – wäre doch toll, wenn eine wachsende Zahl von Menschen sich in und mit Wissenschaft bildet“ und einem „möglichst den Passenden – wäre doch schade, wenn wir nur noch Mittelmaß haben und die Wissenschaft in der Bildung verschwindet“. Ursache für diese Schwankungen sind eigene Erlebnisse und Erfahrungen, manchmal aber auch Bücher und Artikel.

Ich hoffe auf viele Videos und andere Einblicke in die Meinungen der Vortragenden und der Tagungsteilnehmer. Vielleicht kommen ja neue Argumente, gute Beispiele und Erkenntnisse zum Vorschein.

Bin ich hier richtig?

„Für Dozenten … ist das Referat ein beliebtes Mittel, eigene Aufgaben abzuwälzen oder zumindest auf das Nötigste zu reduzieren. Während sich vorn ein Student durch seine Gliederung quält, lässt sich ja der Fachaufsatz des Forschungskollegen lesen oder eigenen genialen Gedanken nachhängen.“ – so steht es in einem aktuellen Spiegel Online-Artikel von Jonas Leppin und Oliver Trenkamp, der sich allerdings hauptsächlich einer „Typologie“ von studentischen Referenten widmet: dem Angeber (Das Referat bin ich), dem Aufgeregten (Mir ist ein bisschen schwummrig), dem Beseelten (Lasst uns das bitte ausdiskutieren), dem Überflieger (Da ist doch nichts dabei), dem Verpeilten (Bin ich hier richtig?), dem Abgeklärten (Das schaffen wir schon), dem Nerd (Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten?) und der Gruppe (Höchststrafe für alle).

Also der Artikel ist wirklich nett zu lesen – und in der Tat: Ganz falsch sind aus meiner Sicht diese Beobachtungen nicht: weder die von der ziemlich „entlastenden“ Didaktik für den Dozenten noch die verschiedenen „Typen“.

Sind Referatsseminare also überholt oder gar falsch? Das würde ich jetzt so nicht sagen! Natürlich sollte man mindestens am Ende des Studiums in der Lage sein, ein Referat zu halten, also in einem begrenzten Zeitraum mündlich und bei Bedarf visuell unterstützt einen Einblick in ein wissenschaftliches Thema zu geben, selbst dazu begründet Position zu beziehen, und das in einer Form zu tun, dass andere es verstehen und gut zuhören können und am Ende informierter sind als vorher. Und wenn man das können soll, muss man es üben – also auch in Lehrveranstaltungen. Allerdings: Wenn 70 bis 80 Prozent der besuchten Seminare für einen Studierenden in solchen Referatsseminaren bestehen, ist das natürlich nichts. Und wenn man vor allem nur schlechte Referate hält und erlebt und man aus den eigenen Fehlern und denen der anderen nichts lernen kann, weil es kein vernünftiges Feedback gibt, dann ist es erst recht nichts.

Eine Checkliste für gute Referate ist ja schon mal was, aber allein hilft das auch nichts. Es kann sogar ins Gegenteil umschlagen – ins Abarbeiten von angeblich gesetzmäßigen Regeln etwa bei der Gestaltung von PowerPoint-Folien. Also: Warum nicht ab und zu ein Referatsseminar, aber dann bitte so, dass man etwas daraus lernt (dazu muss man dann aber auch zusätzliche Zeit einplanen) und in erträglicher Dosierung. Ob sich dann die „Typen“ ändern, die Jonas Leppin und Oliver Trenkamp skizziert haben, sei allerdings dahin gestellt. Das scheinen mir doch eher Skizzen von bestimmten Haltungen von Studierenden gegenüber dem Studium und der eigenen Rolle in diesem Studium zu sein. Wäre ja mal ganz interessant, empirisch zu überprüfen (und theoretisch zu untermauern), ob sich diese Typen auch zeigen, wenn man systematisch nach ihnen Ausschau hält, wie sie verteilt sind und ob es seitens der Studierenden selbst einen Veränderungsbedarf gibt.

Ein Gerücht

„Sagen Sie mal, Herr Vohle, ich habe da das Gerücht gehört, dass Sie und Frau Reinmann …“ Ein Gerücht ist eine unverbürgte (also unklare und fragliche) Nachricht bzw. ein „umlaufendes Gerede“ (laut Herkunftswörterbuch). Ja, das hat man halt davon, wenn man nicht heiratet UND sich dann auch nicht auf den gleichen Namen (meistens natürlich den des Mannes) einigt (ich höre es schon einige sagen ;-)). Mir war gar nicht bewusst, dass da „Gerüchte“ kursieren in Fach-Communities, in denen wir uns halt so aufhalten. Das lässt sich freilich klären: Wir leben seit 13 Jahren zusammen; seit 13 Jahren kleben drei verschiedene Namen auf unserem Briefkasten: der von Frank, der von mir und der von unserem (bereits volljährigen) Sohn, der dann den dritten Nachnamen hat. Drei Namen – sozusagen eine Quelle für Gerüchte. Aber es ist ganz einfach: Wir sind eine Familie – schon lange! Das können wir verbürgen. 🙂

Die falschen Fragen

So nun war ich auch mal auf einer Fachtagung des Deutschen Hochschulverbands. Ich bin ehrlich gesagt mit etwas gemischten Gefühlen hingefahren – eben kein „Heimspiel“ (wie z.B. GMW), sondern „auswärts“ bei einem (eher Anzug-tragenden) Publikum, das sich schwer einschätzen lässt. Zudem sollte ich ein etwas unglücklich formuliertes Thema – „Digitales Denken“ (damit hatten andere Referenten auch Probleme) – aus der Sicht der Erziehungswissenschaften darstellen. Das ist natürlich fast unmöglich, weil man zig Akzente setzen kann und ob ich mit meinem Akzent („Freiheit und Zwang“) den richtigen Ton speziell für die Erziehungswissenschaften treffen würde, da war ich mir nicht sicher. Die Reaktionen aber waren positiv und am Ende war ich dann erleichtert. Der Vortrag selbst ist schon hier auf diesem Blog gepostet (Vortrag).

Schade ist, dass die Beiträge nicht als Video verfügbar sind; es soll aber Kurztexte von jedem Referenten geben, die dann in der Zeitschrift Forschung & Lehre abgedruckt werden. Na ja, besser als nichts. Es würde an dieser Stelle zu weit gehen, auf alle Vorträge im Einzelnen einzugehen. Ich beschränke mich daher auf ein paar ausgewählte „Schlaglichter“.

Sympathisch und ein schönes Gegengewicht zum Spitzer-Getöse hat der Neurobiologe Benedikt Grothe geliefert und unter anderem auf die Kategorienfehler hingewiesen, die seit dem Siegeszug der Neurowissenschaften immer wieder gemacht werden, wenn es um das Verhältnis des Menschen und insbesondere seines Gehirns zur Technik geht. Beispielhaft hat er deutlich gemacht, wie viel die Hirnforschung bereits wüsste und wie detailliert sie viele Prozesse beschreiben kann, wie schwierig bis unmöglich aber Deutungen sind, die wir alle so gerne für den (Medien-)Alltag hätten.

Der Kognitionspsychologe Gerd Gigerenzer hat sich auf die Botschaft konzentriert, dass auch psychologische Studien zu Fragen der Wechselwirkungen zwischen Mediennutzung und menschlichem Verhalten wenig aussagekräftig seien, weil sie (a) zu wenig langfristige Effekte im Blick hätten, (b) ausschließlich korrelative Zusammenhänge betrachten würden und (c) „falschen Fragen“ nachgingen. Von daher gäbe es weder für Euphorie noch für Phobie eine verlässliche „Evidenz“. Zusammen mit Grothe kommt Gigerenzer daher tendenziell zu dem Schluss, dass die Wissenschaft für die Fragen der Fachtagung eher wenig beizutragen habe.

Einen anderen Ton schlug der „Internet-Forscher“ Thomas Schildhauer an, der für die wirtschaftswissenschaftliche Sicht zuständig war: Er forscht unter anderem mit Geldern von Google und steht daher schon mal per se in Verdacht, die Phobie zu schüren – etwas anders formuliert hat er darauf auch mehrfach selbst in seinem Vortrag hingewiesen. In diesem hat er sich auf Phänomene wie „Crowd-Sourcing“, „Crowd-Funding“ konzentriert und mit zahlreichen Beispiele gezeigt, wie vor allem die vielfältigen Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeiten des Netzes zu neuen Formen der Ideenentwicklung, aber auch zu neuen Geschäftsmodellen führen können. Die Aktivitäten von Thomas Schildhauer werde ich mir sicher genauer ansehen; ein paar Gedanken konnten wir am Rande der Veranstaltung schon austauschen.

Die abschließende Podiumsdiskussion hat ansatzweise durchaus Potenzial gehabt. Der offenbar schwierige Beitrag der Wissenschaft zu mehr Wissen (und Können?) zu Fragen der Mediennutzung und des Medieneinflusses in unserer Gesellschaft wurde als Anker genutzt und von den Referenten gerne aufgegriffen, um die aktuelle Forschungsförderung (großer Umfang der Drittmittelforschung, Probleme beim Peer Review, kurzfristige Projektforschung etc.) sowie andere wissenschaftspolitische Probleme, aber auch innerwissenschaftliche Herausforderungen anzusprechen. Auch aus dem Publikum kamen interessante Fragen und Beiträge, die aber aufgrund der verkürzten Zeit vom Moderator stellenweise etwas brachial abgewürgt worden sind.

Was nimmt man mit aus so einer Veranstaltung? Durchaus eine ganze Menge: Interdisziplinäre Vorträge (dazu auch Franks Eindrücke aus der Veranstaltung hier) und damit andere Sichtweisen, Ansätze zu einem Dialog, der eine oder andere interessante Kontakt …. Man könnte meiner Ansicht nach mehr daraus machen: Die zusammengetragenen Inhalte weiter bearbeiten und diskutieren, fruchtbar erscheinende Kontakte weiter verfolgen, die eine oder andere erwähnte Idee daraufhin abklopfen, ob es sich lohnt, sie weiter zu verfolgen – gerne via „crowd-thinking“ … Nur hat dafür leider kaum noch jemand Zeit!