„Universität 4.0“ – seit gestern beschäftigen sich rund 150 Wissenschaftler auf einer Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft mit der Frage, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Universität hat. Und wirklich: Nach dem Bauernhof 4.0 ist es wirklich mal Zeit für die Universität 4.0 … Heute Abend durfte ich ein Streitgespräch mit Roland Reuß führen. Ein Kurzbericht dazu und eine abschließende Einschätzung der Veranstaltung folgt nächste Woche. Einstweilen aber möchte ich auf einen neuen Impact Free Artikel (Nr. 12) hinweisen, in welchem ich vor dem Streitgespräch meine Überlegungen zu den Fragen festgehalten habe, die Rudolf Tippelt (Moderator) vorab zur Verfügung gestellt hatte.
Schlagwort: Digitalisierung
Dehumanisierung im Kleinen
Nein, es ist kein wissenschaftlicher Text und er stammt auch nicht aus der Feder eines Wissenschaftlers, aber die darin enthaltenen Ansichten und Einschätzungen sollten ruhig Eingang in die Wissenschaft finden: „Wir brauchen einen neuen radikalen Humanismus“ von Tim Leberecht. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass aktuelle Debatten, Studien und Regierungsprogramme zu einseitig die potenziell möglichen Vorzüge der Digitalisierung (insbesondere der KI und der damit verbundenen Verschmelzung von Mensch und Maschine) im Blick haben, und die Risiken ignorieren oder unterschätzen. Die wohl größte Gefahr inmitten des Versprechens von der exponentiellen Weltverbesserung sei nämlich „die schleichende, unsichtbare Dehumanisierung im Kleinen.“
Tiefgang oder Hochglanz
Gestern hatten wir Markus Deimann zu Gast im HUL-Forschungskolloquium – gewissermaßen im „flipped“-Modus, denn statt eines Vortrags gab es vorab einen Link zum videografierten Referat oder Text (siehe hier). Das Thema war groß und umfassend: Digitalität – Bildung – Hochschule, so könnte man es umreißen (siehe dazu auch hier und hier). Die – mit Markus – insgesamt elf Teilnehmenden hatten verschiedene disziplinäre und berufliche Hintergründe ebenso wie unterschiedliche Fragen und Erwartungen an den wissenschaftlichen Diskurs mitgebracht. Da wir vereinbart haben, dass sich mehrere aus der Gruppe zum Kolloquium noch via Blogs äußern werden oder dort kommentieren, beschränke ich mich tatsächlich auf die Inhalte und Impulse, die für mich persönlich besonders wichtig waren.
Rückzugsgebiet
Wieder mal war ich von Nikos Apostolopoulos nach Berlin zur GML2 (Grundfragen multimedialen Lehrens und Lernens) als Referentin eingeladen, wieder mal konnte ich nicht, weil wir zeitgleich an der Universität Hamburg eine Jahresveranstaltung (zum Universitätskolleg) hatten. Und er weiß: Vielleicht war es auch gut so, weil ich gar nichts zu sagen gehabt hätte? Jetzt habe ich gelesen, dass es im Nachgang zur Tagung eine Blogparade gibt – was sowas gibt es noch? Blogs, so dachte ich, seien schon out – jedenfalls kommt es mir im Twitter- und Facebook-Zeitalter so vor, wohl weil ich beides stoisch nicht verwende (und einige stimmen ja auch zu – siehe hier) und mich dabei vermutlich so fühle, wie die wiederum stoisch E-Mail ablehnenden Briefeschreiber zwei Wissenschaftler-Generationen vor mir. Übrigens: Vorbildlich ist aus meiner Sicht, die Evaluationsergebnisse zur Tagung öffentlich zu machen. Das ist mutig, denn obschon wir ja alle so gerne über Transparenz sprechen, ist es um genau die zunehmend schlechter bestellt.
Bildung 0.4
„Warum berufen sich Fürsprecher der Digitalisierung der Bildung wie Meinel oder Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, immer wieder auf Humboldt? Diese Frage ist nicht so trivial, wie man zunächst annehmen könnte, denn Wilhelm von Humboldt steht wie kaum ein anderer Denker für ein Bildungsideal, das einerseits sperrig und schwer verständlich wirkt und andererseits für eine Blüte deutscher Geistesgeschichte steht, auf die man nur stolz sein kann.“ In einer Replik auf einen Jubelartikel auf die Digitalisierung von Christoph Meinel, der Humboldt posthum zum Fan der „Bildungscloud“ erklärt, nimmt Markus Deimann deutlich Stellung zum technologischen Instrumentalismus, der in der aktuellen Diskussion zu digitalen Medien in der Hochschulbildung zunehmend unhinterfragt sein Unwesen treibt.
Schicke Web-Seiten und Broschüren
Wenn es um digitale Medien in der Hochschullehre geht, kennt man ihn in der Regel: Jörn Loviscach – Professor an der FH Bielefeld, zuständig für den Lehrbereich Ingenieurmathematik und Technische Informatik. Inzwischen dürfte er auch den weniger medienaffinen Hochschullehrenden bekannt sein, denn Journalisten suchen ihn gerne auf, wenn es mal wieder um die „Digitalisierung der Lehre“ geht. In einem Papier von 2016, also relativ aktuell, setzt sich Loviscach mit einigen zentralen Fragen zur „Digitalisierung der Hochschulbildung“ auseinander – nämlich hier.
Kreieren statt unterwerfen
In der neuen Ausgabe der Zeitschrift für Hochschulentwicklung (ZFHE) findet sich ein interessanter Text zum Thema Digitalisierungsstrategien an Hochschulen. Barbara Getto und Michael Kerres stellen die Frage, woran sich die heute an Hochschulen entweder bereits bestehenden oder gerade entstehenden Digitalisierungsbemühungen orientieren: daran, die Hochschule und speziell die Hochschullehre zu „modernisieren“ oder sich in der Region, im Bundesland oder bundesweit oder gar international zu „profilieren“?
Auf den Kopf gestellt
600 waren eingeladen – ob alle gekommen sind, kann man schlecht sagen bei dieser Größe der zweiten Programmkonferenz zum Qualitätspakt Lehre (QPL). Die Veranstaltung begann gestern mit viel (Eigen-)Lob. Kritische Nachfragen oder gar substanzielle Hinweise, wie es weitergeht nach 2020, wie Hochschulen mit der Forderung nach Nachhaltigkeit umgehen und was sich tatsächlich ändert, gab am ersten Tag nur vereinzelt, am zweiten schon etwas öfter, wenn auch in der Gesamtheit verhalten.
Sorglosigkeit, Arroganz, Verführbarkeit
Zu Themen, die mich über längere Zeit interessieren bzw. zu Fragen, die mich ohnehin dauerhaft beschäftigen, suche ich von Zeit zu Zeit nach neuen Beiträgen in Datenbänken, in Zeitschriften – und ja auch in Google Scholar oder Research Gate. Zu diesen Themen oder Fragen gehört unter anderem das Peer Review als eine besondere und besonders wichtige Routine, auch Haltung, in der Wissenschaft. Und so bin ich auf einen neuen Beitrag von Peter Weingart gestoßen: Vertrauen, Qualitätssicherung und Open Access – Predatory Journals und die Zukunft des wissenschaftlichen Publikationssystems.
Vage Begriffe im Digitalisierungszeitalter
Wenn Veranstaltungen als Blended Learning-Veranstaltungen angeboten werden, dann dürfte seit langem (ich sage mal: mindestens seit 2000) klar sein, was damit gemeint ist: ein Wechsel von Präsenz-Phasen und Online-Phasen. Ist das tatsächlich so klar? Ein genauer Blick ist durchaus lohnenswert.