Web 2.0 auch für Wissenschaft im Dialog?

Wissenschaft im Dialog (existent seit 1999/2000 und initiiert vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft) versteht sich als Kompetenzzentrum mit dem Ziel, den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu stärken. Dahinter stehen die großen deutschen Forschungsorganisationen (wie DFG), das Bundesforschungsministerium und eben der Stifterverband.

Neu ist hier nun eine Rubrik, die sich Wissenschaftskommunikation nennt und dabei speziell auch dem Bloggen und Publizieren im Internet widmen will. Wörtlich heißt es: „Der Umgang mit neuen und klassischen Medien will gelernt sein. In der Rubrik Wissenschaftskommunikation geben wir Tipps für die zeitgemäße Vermittlung von Forschungsergebnissen, berichten über Symposien und informieren über Preise, die für gute Wissenschaftskommunikation vergeben werden.“ Steht ein bisschen im Widerspruch zu meinem Beitrag zur Schwierigkeit des Publizierens im Netz, wenn man gleichzeitig in wissenschaftlichen Journalen mit Peer-Review veröffentlichen will (wozu es auch einige interessante Kommentare gab – hier nochmal zum Nachlesen). Vielleicht sind das ja die ersten Steine für die Pflasterung eines neuen Wegs – der aber sicher lang sein wird und für den eine Web-Seite allein freilich nicht ausreicht.

Auch auf bloggende Wissenschaftler wird in der neuen Wissenschaftskommunikation-Rubrik (hier) hingewiesen, u.a. auf Scienceblogs – ein Angebot, über das ich erst kürzlich mit meinen Mitarbeitern diskutiert habe. Es stand die Frage im Raum, bestehende Blogs von uns oder ein neues gemeinsames Blog unter diesem Dach fortzuführen oder zu starten. Es siegte der Freigeist der Blogger – mit allen Vor- und Nachteilen, die uns durchaus bewusst sind ;-).

Einmal online und kein Peer-Review mehr?

Eigentlich versuche ich meine Mitarbeiter/innen ja immer mal, Arbeitsberichte zu veröffentlichen, um in kürzeren Zyklen und mit großer Aktualität interessante Gedanken und Ergebnisse bekannt und zugänglich zu machen. Früher, als ich noch bei Heinz Mandl an der LMU München gearbeitet habe, war es an sich gängige Praxis, Forschungsberichte auch dann zu verfassen, wenn geplant war, diese irgendwo als Zeitschriften- oder Buchbeiträge einzureichen. Das waren dann quasi Preprints und Vorversionen, denn z.B. bei Einreichungen mit Peer-Review kommt es ja – sinnvollerweise – oft genug noch zu Änderungen, im besten Fall Verbesserungen der Texte. Bei den meisten Zeitschriften geht nun genau das seit längerem schon nicht mehr. Gerne hätte ich z.B. meinen Beicht zum Thema Selbstorganisation in ein Review-Verfahren gegeben – geht nicht (mehr). Ist es dann noch schlau, Nachwuchswissenschaftlern zu Online-Publikationen zu raten, die zur sog. „grauen Literatur“ gehören? Komischerweise sind genau das die Texte, die sich am weitesten verbreiten – die aber keinerlei Wert etwa bei Bewerbungen um akademische Stellen haben.

Angesichts der aktuellen Diskussionen um Open Content ist das schon eine irgendwie anachronistische Angelegenheit, für die man eine vernünftige Lösung finden müsste. Nun bin ich ja auch an einer Zeitschrift beteiligt (Zeitschrift für E-Learning) und wir setzen uns seit längerem immer wieder mit der Frage auseinander, wie wir für uns die „Open Content“-Frage lösen (ich verspreche es: Wir lösen es auch irgendwann) . Mir ist also das Problem nicht nur seitens der Autorenrolle, sondern auch seitens der Herausgeberrolle bewusst – und auch die Sicht der Verlage ist mir da durchaus bekannt (wobei in unseren Fächern Privatpersonen sehr selten ein Abo haben; meist sind das Bibliotheken).

Die Sache mit der online publizierten „Grauen Literatur“ allerdings ist ja nochmal eine etwas andere Angelegenheit: Da geht es dann um die Frage, ob der Beitrag für eine Zeitschrift wirklich Neuheitswert hat. Natürlich ist der im Falle einer Online-Vorabversion in gewisser Weise eingeschränkt. Da eine Online-Vorabversion allerdings sehr schnell möglich ist, ist damit über den Aktualitätsgrad ja noch gar nichts gesagt: Umgekehrt ist es immer wieder frustrierend, wenn Beiträge in Zeitschriften erst nach einem Jahr oder länger endlich publiziert sind (wo ist da eigentlich der Neuheitswert, mal zeitlich verstanden?) Wie auch immer: In der Folge ist es einfach sehr schade, dass solche Beiträge systematisch aus dem Peer Review ausgeschieden werden. Ach, das wäre ein wichtiges Thema für die diesjährige GMW gewesen – na ja, vielleicht ergeben sich in den pausen entsprechende Gespräche oder es findet sich ein spontaner Ad hoc-Workshop mit Ideengenerierung am Rande zusammen.

Deutsche Universitäten, von Harvard aus betrachtet

Der Kunsthistoriker Jeffrey Hamburger ist Professor für Deutsche Kunst und Kultur an der Harvard Universität. In der letzten Ausgabe von Forschung und Lehre hat er einen Beitrag zur aktuellen Hochschulentwicklung in Deutschland verfasst, den ich sher gut fand und den die Redaktion von Forschung und Lehre freundlicherweise auf Nachfragen jetzt sogar online gestellt hat (hier): Danke! 🙂

„Die deutschen Universitäten sind bestenfalls an der Oberfläche amerikanisiert“, meint Hamburger. Und das liege nicht nur an den viel geringeren finanziellen Ressourcen, mit denen deutsche Universitäten haushalten müssen (das zeigt übrigens auch der aktuellen Bildungsbericht 2008, der seit wenigen Tagen hier online ist), sondern auch daran, dass selbst die öffentlichen Universitäten in den USA von einer „Kultur der Philanthropie“ (also Menschenfreundlichkeit) profitieren, die in dieser Form in Deutschland nicht existiere. Neben Geld und „Menschenfreundlichkeit“ komme noch ein weiterer Unterschied hinzu, den ich besonders wichtig finde: „Was in den USA eine Eliteuniversität elitär macht, ist nicht ihre finanzielle Stellung oder das Forschungsprofil ihrer Mitglieder, sondern ganz einfach die Qualität ihrer Studierenden.“ Als zusätzliches, drittes, Standbein, ist das aus meiner Sicht wirklich essenziell! Kritisiert wird schließlich auch die Geschwindigkeit von Reformen, die einen Kahlschlag mit beschönigenden Vokabeln belegen, sowie die unsägliche Jagd nach Drittmitteln, die viel Energie bindet. Einen Abschnitt aber sollte man wirklich zweimal lesen und an die Wissenschaftsministerien unserer Länder senden:

„Welch eine Ironie, wenn Deutschland im Drang nach Amerikanisierung seines Hochschulwesens genau die Charakteristika seines Systems aufgäbe, die die amerikanischen Universitäten im 19. Jahrhundert nachzueifern suchten. Die deutschen Universitäten führen neue Bachelor- und Masterprogramme ein, doch diese haben kaum eine Ähnlichkeit mit ihren sogenannten Namensvettern in den USA. Es fehlt die Freiheit, die es den Studenten gestattet, den eigenen Studienverlauf selbst zu bestimmen.“

Noch kämpfen wir in unserem BA-/MA-Studiengang um diese Freiheit.

Wie man die Qualität von Forschung erfasst (und wie nicht)

„This is a report about the use and misuse of citation data in the asssessment of scientific research“. So beginnt ein online (hier) zugänglicher Artikel der International Mathematical Union (IMU) in Kooperation mit dem International Council of Industrial and Applied Mathematics (ICIAM) und dem Institute of Mathematical Statistics (IMS) – Herausgeber also, denen wir aus den Sozial- und Bildungswissenschaften gemeinhin den Status der Objektivität schlechthin zugestehen und von denen wir sicher sein dürfen, dass sie Fragen zu statistischen Konzepten perfekt bearbeiten können. Zu den „citation data“ gehören u.a. der bekannte Zitationsindex – also die Frage, wie oft wird jemand wo zitiert, wobei das Wo eine wichtige Rolle spielt – und auch der sog. Impact Factor (einen guten Überblick gibt hierzu z.B. Peter Baumgartner hier), der zeigen soll, wie wichtig und angesehen z.B. einer Zeitschrift ist, in der es sich für einen Forscher folglich zu publizieren lohnt. Dass nun diese quantitativen Maße keineswegs, wie erhofft, objektiver sein müssen als Gutachten und andere qualitative Bewertungen (wie z.B. Peer Reviews, die aber im Übrigen bei einer Zeitschrift mit Impact Factor im Prozess auch eine zentrale Rolle spielen) ist Gegenstand des Beitrags mit dem Titel „Citation statistics“.

Die Autoren beklagen, dass Zitationsdaten viel zu wenig erforscht sind, dass es einen naiven Glauben an Zahlen (und deren unanfechtbare Objektivität) gibt und dass Missbrauch mit diesen Zahlen stattfindet: Das gelte für die Beurteilung von Zeitschriften ebenso wie die von Artikeln oder einzelnen Forschern. Vor allem dreht man sich mitunter im Kreis, wenn man die Güte einer Zeitschrift daran festmacht, wie „berühmt“ (quantitativ betrachtet natürlich) deren Autoren sind und deren Forscherqualitäten wiederum daran gemessen werden, wie angesehen die Zeitschriften sind, in denen sie publizieren. Dabei geht es den Autoren nicht darum, statistische Konzepte aus dem Assessment von Forschung und Forschern zu verbannen. Zurecht aber stellen sie fest, dass z.B. das alleinige Vertrauen auf den Impact Factor zur Beurteilung einer Fachzeitschrift dem Versuch gleichkommt, die Gesundheit einer Person nur am Körpergewicht festzumachen.

Danke an Joachim Kahlert, der mich auf diesen Artikel hingewiesen hat. Er ist ein wichtiger Beitrag für mehr Ausgewogenheit und Besonnenheit sowie gegen die Verabsolutierung effizient handhabbarer Instrumente im Zeitalter von Evaluationen und Rankings, welche die Komplexität der (Forscher-)Welt so schön reduzieren können.

Ranking – Nachtrag

Ach ja, was mir noch wegen des CHE-Rankings und der Forschungsreputation eingefallen ist: Schon bei der Eingruppierung in die Fächergruppe beim CHE gab es bei unserem Studiengang Probleme: Die Mischung aus Kommunikationswissenschaft einerseits sowie pädagogisch-didaktischen und technischen Aspekten anderereseits, führt dazu, dass wir in der jetzigen Fächergruppe an sich nur teilweise gut aufgehoben sind. Wir versuchen uns halt tatsächlich an einem interdisziplinären Studiengang und folglich sind wir, die wir den Studiengang tragen, auch in recht verschiedenen wissenschaftlichen Communities verhaftet – das macht die Frage nach der Reputation in der Forschung sicher schwierig, denn es kommt jetzt ganz darauf an, wen man wonach gefragt hat. Überhaupt denke ich ja nach wie vor, dass sich nur wenige Wissenschaftler mit einer Instititution, dafür aber mehr mit ihrem Fach und eben der dazugehörigen Community identifizieren.  Gott sei Dank!! Einen Kult um eine „Corporate Identity“ einer Universität (wie in der Wirtschaft) – das wäre wirklich das letzte, was ich jetzt noch gebrauchen könnte – ich finde Personen und Inhalte interessanter ;-).

Noch ein Ranking – diesmal größer und vom CHE

So, nun liegt für unseren Studiengang Medien und Kommunikation das zweite CHE-Ranking vor – das erste war 2005. Erfreulicherweise – und hier gilt mein Dank den Augsburger-Studierenden für ihre positiven Wertungen – werden wir auf allen studienrelevanten Dimensionen (Studienorganisation, Praxisbezug, Betreuung, Studiensituation insgesamt) sehr positiv eingeschätzt und landen damit (zusammen mit Düsseldorf. Eichstätt, Erfurt, Friedrichshafen, Hannover, Hohenheim, Ilmenau, Münster und Potsdam) in der Spitzengruppe (Tabelle siehe hier). Das freut mich/uns natürlich sehr, zeigt es doch, dass sich das Bemühen lohnt – trotz der vergleichsweise schlechten Rahmenbedingungen und knappen Ressourcen (im Moment stemmen wir den Studiengang zum größten Teil mit zwei Professuren). Aber Besserung ist in Sicht – auch ressourcentechnisch (doch weil da alles noch nicht unterschriftsreif ist, kann mich darüber in einem öffentlichen Blog leider noch nicht äußern).

Ein Blick in die detaillierte Auflistung (hier) offenbart, dass uns das Thema E-Learning besonders gut gelingt – na das will ich aber auch hoffen, sonst wären unsere ganzen Projekte, Vorträge, Workshops und Publikationen ja auch wirklich für die Katz ;-). Für die IT-Infrastruktur, Bibliothek und sonstige technische Ausstattung haben wir leider nur bedingt Einfluss, aber hier hat sich gerade in den letzten zehn Monaten (dank des ITS-Projekts, an dem maßgeblich das Medienlabor beteiligt ist) einiges getan – das wurde natürlich letztes Jahr, als die Befragungen stattfanden, noch nicht erfasst. Mit den restlichen Einschätzungen, denke ich, können wir zufrieden sein, denn klar ist: Allen kann man es freilich nicht recht machen.

Ja, aber damit man nicht übermütig wird, kommt die Ohrfeige gleich mitgeliefert: Schlussgruppe in der Forschungsreputation (wie die Schlussgruppe in der Reputation in Studium und Lehre zustande kommt, nachdem die Studierenden doch so zufrieden sind, habe ich ehrlich gesagt nicht verstanden. Vielleicht kann mir das mal jemand vom CHE erklären). Also, da schaut man natürlich mal, wie das zustande kommt: Das kleine (i) führt einen zu folgender Erklärung: „Welche Hochschulen laut Urteil der Professor/-innen in der Forschung führend sind. Die Professorinnen und Professoren wurden gebeten, bis zu fünf Universitäten zu nennen, die sie in ihrem eigenen Fach für in der Forschung führend halten. Nennungen der eigenen Hochschule wurden nicht berücksichtigt. Angegeben wird, von wie viel Prozent der Professorinnen und Professoren die jeweilige Hochschule genannt wurde.“ Aha. Aber dann gibt es ja noch Kriterien (die findet man hier) und die lauten wie folgt

  1. Besonderheiten Forschung & Entwicklung (hmm – haben wir da wirklich nichts zu bieten? Man kann sich hier und hier jetzt mal exemplarisch für Medienpädagogik ein eigenes Bild machen)
  2. Besonderheiten in der Forschung (ist das nicht eine Doppelung?)
  3. Erfindungen pro 10 Wissenschaftler (ui, wie macht man das bei nur zwei Professoren oder wer zählt alles als Wissenschaftler? Und was gilt als „Erfindung“ in einer Sozialwissenschaft? Wir können ja mal unsere Ideen zählen und sie dem CHE schicken)
  4. Forschungsgelder pro Professor (also ich habe z.B. in den letzten 3 Jahren zwar keine Millionen eingeworben, aber ca. 220.00,- sind seit 2006 auch zusammen gekommen – zu wenig? Offenbar!)
  5. Forschungsverbünde (na ja, also immerhin haben wir ein laufendes EU-Projekt und ein zweites gerade beantragt und beim bmbf versuchen wir auch gerade in einem Forschungsverbund unser Glück – und warum immer nur die finanziell sichtbaren Verbünde zählen, gelten andere Kooperationen, bei denen eben wenig oder kein Geld fließt, denn nichts?)
  6. Graduiertenkolleg (gut, haben wir nicht, dafür sind wir aber auch viel zu klein)
  7. Habilitationen pro Jahr (wie denn, wenn ich nicht mal eine Assistentenstelle habe?)
  8. International sichtbare Publikationen (tja, das Credo der Internationalität geht halt über alles; immerhin liest man uns in Österreich, in der Schweiz und auch in Holland ;-))
  9. Möglichkeiten, an Forschung zu partizipieren (na klar, u.a. machen wir uns auch deshalb so eine Mühe mit unserem Begleitstudiumsangebot: siehe hier)
  10. Promotionen pro Professor (ja, leider haben sie beim CHE das Jahr 2008 nicht mitgezählt – da werden sechs bis sieben Doktoranden fertig – siehe hier)
  11. Stiftungsprofessoren (ne, haben wir nicht – aber wir würden schon eine nehmen – ehrlich!)
  12. Veröffentlichungen pro Professor/Wissenschaftler (ehrlich – ist das nicht genug, was wir haben? Hier geht’s zu unseren Publikationen)
  13. Zitationen pro Publikation (na ja, darüber gibt es ja durchaus Streit, wohin das führt, wenn man nur noch publiziert, um in gereviewten (oh – was für ein Anglizismus) Journals wiederum zitiert zu werden – okay, mit dem Manko müssen wir dann leben).

Ja, also: So ganz schlau werde ich aus dieser Bewertung im Hinblick auf die Forschung nicht – aber das kann man jetzt nicht ändern. Vielleicht ist das auch eine gute Stelle, um nochmal an Richard Münchs Buch von der „akademischen Elite“ zu erinnern (ich habe letzten Sommer hier davon berichtet). Soweit …

Umfrage bei Knowledge Bloggern im Wissenschaftsbereich

Eine meiner studentischen Mitarbeiterinnen – Tamara Bianco – hat vor wenigen Tagen eine Online-Umfrage für ihre Masterarbeit zum Thema Knowledge Blogs gestartet. Angesprochen sind alle Blogger, die sich in ihrem Weblog auch mit wissenschaftlichen Themen (in welcher Form auch immer) beschäftigen. Das Ausfüllen des Fragebogens dauert ca. zehn Minuten. Hier geht es zur Umfrage:

http://bscw.uni-augsburg.de/survey/index.php?sid=56

Thematisch knüpft Tamaras Arbeit an den Arbeitsbericht zu Knowledge Blogs an, den sie mit mir erstellt hat. Ich hoffe, es finden sich viele Teilnehmer/innen an der kleinen Umfrage!

Wissen zwischen Sprache, Information, Bewusstsein

Man muss schon ein bisschen Muße mitbringen, um das neue Buch von Thomas Bernhard Seiler mit dem Titel: „Wissen zwischen Sprache, Information, Bewusstsein. Probleme mit dem Wissensbegriff“ komplett zu lesen. Das Buch kann man als „book on demand“ bestellen (MV Buchhandel). Seiler macht auf seiner eigenen Web-Seite auch eine kleine Zusammenfassung sowie das Inhaltsverzeichnis verfügbar (hier).

Speziell Wissensmanagement-Interessierte sollten Gefallen am zweiten Kapitel „Wissen & Information“ haben. Für Nicht-Philosophen ein bisschen schwer, aber durchaus erhellend, sind die Ausführungen zum Bewusstsein (Kapitel 5). Wissensschaftstheoretischen Input gibt das vierte Kapitel (Wissen & Wahrheit) – ein Aspekt, den wir im Wissenschaftsalltag aus meiner Sicht meist zu wenig reflektieren. Besonders gut aber hat mir das letzte Kapitel zu „Wissen & Wert“ gefallen, in dem noch einmal deutlich gemacht wird, dass und wie man Wissen nicht getrennt von Emotion und Motivation verstehen kann.

Es ist mir unmöglich, dieses Buch zusammenzufassen. Ich habe es ganz gelesen und werde sicher ab und zu das eine oder andere Kapitel ein zweites Mal lesen und dann erst mehr dazu sagen können. Für alle, denen die Theorie der Strukturgenese (wie mir) einleuchtet (auch das wird noch einmal kompakt im dritten Kapitel „Wissen & Erkenntnis“ beschrieben) , liefert das Buch auf jeden Fall viele zusätzliche Impulse zum Nachdenken.

Gespräch über die Grenzen von PISA

Eine interessante Zeitschrift bringt die Uni Siegen heraus mit dem Titel „extrakte“ – empfehlenswert (hier). Ich bin von Hans Brügelmann darauf aufmerksam gemacht worden und zwar im Zusammenhang mit unserem Buch „Der Nutzen wird vertagt …“. In der aktuellen Ausgabe (hier) diskutiert er mit Hans Werner Heymann und Imbke Behnken über die Erkenntnisgrenzen von PISA und notwendige Ergänzungen (siehe Seite 28 bis 32). Ich bin sehr dankbar über einige Zitate (unter … weiterlesen) aus diesem Gespräch, die ich mal herausgreife – aber natürlich die Lektüre des gesamten Interviews empfehle. „Gespräch über die Grenzen von PISA“ weiterlesen

Programme for the International Assessment of Adult Competencies

Die OECD-Mitglieder haben im März 2008 grünes Licht für ein Projekt zur „Erfassung des Wissens und der Fähigkeiten von Erwachsenen“ gegeben (hier die Meldung. Das Kürzel ist nicht ganz so eingängig wie PISA – es lautet PIAAC: Programme for the International Assessment of Adult Competencies. Schwerpunkt sollen die kognitiven und beruflichen Fähigkeiten (genauer: das Kompetenzniveau in Mathematik, Leseverständnis und beim Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien) sein, die zur erfolgreichen Teilnahme am Arbeitsleben Voraussetzung sind. Es soll daneben untersucht werde, wie diese Kompetenzen Einkommen, Beschäftigung und die Fähigkeit zu lebenslangem Lernen beeinflussen.

Ich finde das gar nicht schlecht, was mich aber stört ist, dass der primäre Fokus mal wieder auf der Frage liegt, ob und inwieweit Wissen und Fähigkeiten der Erwachsenen dergestalt sind, dass es sich (so heißt es auch in der Pressemeldung dazu) positiv auf das „Humankapital“ der Länder im globalen Wettbewerb auswirkt. Wäre es nicht auch wichtig, neben dem verwertbaren Kompetenzniveau nach einem Bildungsniveau zu fragen und es zu untersuchen, das z.B. Demokratiefähigkeit i.w.S. stärkt? Kritikfähigkeit in einer Welt, die von Medien durchsetzt ist? Toleranz und Aufgeklärtheit in Gesellschaften, in denen religiöse Konflikte zunehmen? Ich bin kein „Ökonomiefeind“: Die Wirtschaft ist ein ganz wesentlicher Teil unserer Gesellschaft; Arbeit ist Teil des Lebens von Erwachsenen und sie ist wichtig nicht nur für den Lebensunterhalt, sondern auch für die eigene Identität. Unternehmerisches Denken ist eine spannende Angelegenheit und Unternehmen können viel bewegen, wenn sie verantwortungsvoll wirtschaften. Wir alle müssen täglich ökonomische Prinzipien berücksichtigen – und das ist im Sinne eines verantwortungsvollen Umgangs mit Ressourcen gut so. Warum aber engen wir in den letzten Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten, beinahe alles darauf ein?

Zurück zu PIAAC: „Leseverständnis“ – das ist z.B. hervorragend, dass man das erheben will (Nachtrag: Fragt sich nur wie; siehe hierzu den Kommentar zu diesem Beitrag): Denn nur wer lesen kann, wer versteht, was er/sie liest, wird in unserer Gesellschaft zurecht kommen. Es ist auch eine Voraussetzung für eigene Artikulationsfähigkeit – aber die brauche ich ja bei Leibe nicht nur, um meinen Job gut machen zu können: Das ist die Eintrittskarte für Teilhabe an einer Gesellschaft (und die besteht nicht nur aus Ökonomie, sondern auch aus Kultur und Politik), für sozialverträgliche Problemlösungen und und und. Ich glaube, es wird klar, was ich meine …. Mal sehen also, wie PIAAC letztlich umgesetzt wird: In den kommenden zwei Jahren wird das Instrumentarium entwickelt, 2010 soll es getestet werden, 2011 ist die erste Untrsuchung geplant.