Was für eine Steilvorlage für mehr Bemühungen im Einüben wissenschaftlichen Arbeitens für Studierende der beiden Universitäten der Bundeswehr in München und Hamburg: Der Verteidigungsminister wird in seiner Doktorarbeit des Plagiats bezichtigt. Die Medien machen sich gierig darüber her – teilweise sogar mit dem Anspruch, der nicht-wissenschaftlichen Öffentlichkeit zu erklären, was denn ein Plagiat in der Wissenschaft überhaupt ist.
Das ist kein so leichtes Unterfangen, wie man auf den ersten Blick vielleicht meinen möchte – und in ein paar wenigen Sätzen lässt es sich schon gar nicht darstellen (eine Liste mit Büchern zum Plagiat findet sich z.B. hier): Wenn jemand eine fertige Arbeit oder ganze Kapitel einfach kopiert, ist es simpel, ein Plagiat nachzuweisen. Wenn aber Unregelmäßigkeiten beim Zitieren auftreten, einzelne Gedanken mal fast wörtlich, mal paraphrasiert an einzelnen Stellen auftauchen, die bereits in anderen Veröffentlichungen zugänglich sind, wird es schon schwieriger. Der für die Öffentlichkeit leicht verdauliche Ausdruck „abgeschrieben“ trifft es da nicht mehr.
Und was sagen die Medien nun dazu? Die SZ macht einen interessanten Vergleich zwischen Kunst und Wissenschaft auf: In der Kunst sei es quasi erlaubt, ja vielleicht sogar schmeichelhaft, wenn sich jemand der eigenen Ideen, Gedanken und Entwürfe bediene – in der Wissenschaft aber (leider) nicht: Pech für Guttenberg? Die taz dagegen will bereits wissen, dass auch die Bewertung seiner gesamten Dissertation unangemessen, nämlich viel zu gut sei. Jeder, der weiß, wie unterschiedlich Dissertationen in verschiedenen Disziplinen und Fächern entstehen, betreut und bewertet werden, wird hier wohl schon die Stirn runzeln. Ein bisschen sachlicher behandelt man das Thema bei Spiegel online; da heißt es unter anderem (ich zitiere ein nicht genau ausgewiesenes Zitat im Zitat!!): „Es bestehe der Verdacht, dass Guttenberg mit ´eklatanten Lücken´ bei Fußnoten und Literaturliste ´mindestens gegen die guten wissenschaftlichen Sitten verstoßen´ habe“. Ein bisschen nach vorne blickend geht es schließlich in einem Interview des Handelsblattes zu. Auf die Frage „Was können Universitäten tun, um Plagiatsfälle zu vermeiden?“ sagt Debora Weber-Wulff „Aufklären! Wir müssen viel mehr unterrichten, was wissenschaftliches Schreiben ist, viel mehr betreuen und begleiten. Das kann man aber nicht, wenn es 100 Personen in einem Proseminar gibt, das geht nur in kleinen Klassen.“ „Aufklären“ – ja, das würde man sich von den Medien bisweilen auch mehr wünschen, wären doch Ereignisse wie diese eine schöne Möglichkeit, Wissenschaft und Forschung mal aus einer anderen Perspektive als unter der ökonomischen („Mehr Innovation und Wohlstand durch Forschung“) zu beleuchten. Aber was bleibt? Das Plagiat als moralischer Fehltritt neben Spenden- und Sex-Affären – ausgeschlachtet für die Politik, nicht aber für die (wissenschaftliche) Bildung.
Nachtrag (am 19.02.2011): Ist eigentlich schon jemandem aufgefallen, dass man sich in der Öffentlichkeit nicht über die Betreuer/Gutachter von Guttenbergs Dissertation wundert? Ich meine, wenn man einen Doktoranden gut betreut UND dann auch ein gewissenhaftes Gutachten macht, sollte so etwas an sich früher auffallen. Oder nehmen es da manche Betreuer/Gutachter nicht so genau?
Hallo Gabi,
ich habe mir auch schon gedacht, dass die Diskussion um die Plagiatsvorwürfe gegen Guttenberg ein schönes Beispiel ist, an dem man Studierenden klarmachen kann, wie wichtig sauberes wissenschaftliches Arbeiten ist. Bei der 4. w.e.b.Square-Konferenz Ende Januar hatten wir auch einen Vortrag zum Thema Plagiieren (http://websquare.imb-uni-augsburg.de/2011-01/5). In der anschließenden Diskussion fand ich auch die Aussage der Studierenden interessant, dass ihnen eigentlich erst jetzt nach intensiver Beschäftigung mit dem Thema klargeworden sei, was Plagiieren eigentlich ist und wie wichtig richtiges wissenschaftliches Arbeiten eigentlich ist. Da ist wohl wirklich noch mehr Aufklärung über dieses Thema zu Studienbeginn nötig.
Schön wäre es natürlich, wenn die Medien hier manchmal auch weniger sensationslustig dramatisieren und stattdessen mehr aufklären würden.
Liebe Grüße
Tami
Danke für den interessanten Beitrag. Zur Präzisierung: Auch in der Wissenschaft ist es schmeichelhaft, sich auf andere zu beziehen und dort abschuschreiben – nur hat man eben im Gegensatz zur Kunst zwingend anzugeben, wo man sich bedient.
Wie oft jemand zitiert wird, ist ja auch ein Qualitätsindikator, der bspw. in Berufungsverfahren eine wichtige Rolle spielen kann.