Bernhard Pörksen hat ein neues Buch geschrieben: „Die große Gereiztheit. Wege aus der kollektiven Erregung.“ In der letzten Zeit-Ausgabe (auch online hier) findet sich ein Essay, der auf dem Buch basiert. Die Überschrift „Alle müssen Journalisten sein“ ist vielleicht nicht ganz so glücklich gewählt, jedenfalls beißen sich viele Online-Kommentare zum Artikel daran fest. Ob mal wieder, wie Pörksen vorschlägt, ein eigenes Schulfach als „Labor der redaktionellen Gesellschaft“ die Rettung sein kann, um „die revolutionäre Öffnung des kommunikativen Raumes zu verarbeiten, die derzeitige Phase der mentalen Pubertät im Umgang mit den Medien der vernetzten Welt zu überwinden“, mag man ebenfalls bezweifeln. Was er aber konkret fordert, ist, so denke ich, eine wichtige Bildungsaufgabe an Schulen und Hochschulen, nämlich zu „lernen, dass Medien, von der Erfindung der Schrift, der Druckerpresse, des Telefons, des Radios, des Fernsehens oder eben des Netzes an, Wirklichkeitsmaschinen und Werkzeuge der Welterkenntnis sind, die bestimmen, was wir für wahr halten, worüber wir sprechen, wie wir Autorität begreifen.“
Oder anders formuliert: Es geht darum, „für den Einfluss von Algorithmen, die unterschiedlichen Spielformen der Manipulation (Social Bots, Dark Ads et cetera) und die Effekte der Monopolbildung in der öffentlichen Welt“ zu sensibilisieren, hin „zu einem bewussteren, mündigeren Umgang mit den Medien der digitalen Zeit.“ Wenn Pörksen dazu aufruft, besser zu verstehen, was „Big Data, Quantified Self, algorithmische Informationsauswahl und Microtargeting in Werbung und Politik und im eigenen Alltag bedeuten“, dann ist dem wohl ebenso zuzustimmen wie seiner Diagnose, dass „sich Autoritäre und Autokraten als Profiteure der Netzmanipulation entpuppen und Medienmündigkeit zur Existenzfrage liberaler Demokratien geworden ist“. Gut verstehen kann ich, dass Pörksen bei diesem an sich medienpädagogischen Thema bewusst, wie er selber sagt, die „diffusen, von einer leblosen Floskelsprache infizierten Medienkompetenzdebatten“ ignoriert. Ich würde mir da an vielen Stellen auch mehr Klartext und weniger von den zahlreichen „Plastikwörtern“ (Pörksen) und „Überredungsbegriffen“ (Reichenbach) unter dem allgegenwärtigen Dach der Digitalisierung wünschen.