Am Freitag hatten wir Andreas Hebbel-Seeger und Frank Vohle zu Gast im HUL-Forschungskolloquium. Thematisch drehte sich alles um Video bzw. Videoeinsatz in der Bildung – natürlich mit Blick auf die Frage, welche Einsatzmöglichkeiten es in der akademischen Bildung gibt. Ein wichtiger Ausgangskontext für beide (also Andreas und Frank) ist der Sport. Wer jetzt meint, dass das aber – mal abgesehen von der Sportwissenschaft – ein bisschen arg weit weg ist vom akademischen Lehren und Lernen, braucht jetzt also nicht weiterlesen.
Andreas hat über 360 Grad-Videos (und deren Abgrenzung etwa zu Virtual Reality) berichtet und uns gleich „Anschauungsunterricht“ erteilt, wie es sich anfühlt (dazu auch hier ein Interview von der letzten Campus Innovation), dreidimensional in ein filmisches Szenario einzutauchen. Es stellt sich die Frage, was man mit 360 Grad Videos an der Hochschule anfangen kann – also außerhalb der Sportwissenschaft etwa. Es fällt nicht schwer, Anwendungsmöglichkeiten speziell für technische und naturwissenschaftliche Fächer zu finden, ebenso wie für die Medizin oder die Kunst. Aber wie ist das etwa mit den „Textwissenschaften“, also in all den Fächern, in denen vor allem gelesen, diskutiert, gedacht, mit Begriffen bzw. Abstraktionen gearbeitet wird? Gibt es eine Immersion auch in diese Welt? Wäre das Flow-Erleben ein Indikator für den Immersionsgrad, würde wohl viele „Textwissenschaftler“ bestätigen, dass man sehr wohl auch ins Meer des Abstrakten eintauchen kann, dort „erlebt“, was Begriffe, Ideen, Argumente mental entstehen lassen. Nun ja, es ist in der Tat schwer, dafür die richtigen Worte zu finden.
Franks Konzept, an dem inzwischen 10 Jahre Entwicklung, Erprobung, Evaluation und Theoriebildung hängen, lässt sich am besten mit der Bezeichnung „Social Video Learning“ einfangen (siehe z.B. hier). Vereinfachend gesagt, geht es hier darum, Video vor allem ohne großen Aufwand auch selber zu drehen und online hochzuladen, mit Symbolen (z.B. Ampelfarben zur schnellen Orientierung) und Text zu kombinieren, um eine neue Art des Beobachtens zu fördern und/oder eine Beobachtung zweiter Ordnung (sogar kollaborativ) zu erzeugen. Social Video Learning in diesem Sinne ist etwas, das sich auf akademische Kontexte noch vielseitiger und schneller gedanklich anwenden lässt (als etwa 360 Grad-Videos und VR).
Das bestätigen übrigens auch zwei Dissertationen im Hochschulkontext Musik (abgeschlossen) und Lehrerbildung (abgegeben). Selber verwende ich das Verfahren als Video-Coaching vor der Disputation; 2012 (siehe hier) haben wir das auch mal veröffentlicht. Das Verfahren wird nach wie vor praktiziert. Ob und wie begeistert meine Doktoranden davon sind, kann ich jetzt gar nicht so genau sagen ;-), aber ich habe das Gefühl, auf diese Weise doch nochmal eine viel bessere Unterstützung in dieser letzten Phase leisten zu können.
In jedem Fall würde ich das Thema Video (in allen möglichen Varianten) gerne wieder mehr in der hochschuldidaktischen Forschung aufgreifen. Das Kolloquium hat gezeigt, dass es dafür nicht nur viele Ideen, sondern auch Bedarfe genug gibt.