In einem Beitrag mit dem Titel „Bologna 2.0. Zwischen update und remake“ schreibt Dieter Lenzen in der aktuellen Ausgabe von Forschung und Lehre über die überzogenen Erwartungen an den Bologna-Prozess, über die Grenzen des Managements speziell für die Sicherung und Entwicklung von Qualität an der Hochschule und über den Bildungsbegriff (online hier nachzulesen). In Bezug auf Letzteres zitiert er einen Satz aus einem eigenen, mit Luhmann erstellten Werk, der wie folgt lautet: „Erziehung ist eine Zumutung, Bildung ist ein Angebot“, um einen Satz weiter festzustellen: „Wenn wir zu dem Schluss kämen, dass es sich bei den neuen Studiengängen nicht um ein Angebot, sondern um eine Zumutung handelt, dann kann Bildung in ihnen nicht stattfinden. Dann wäre das universitäre Geschehen also von einer Bildungsveranstaltung zu einem Erziehungsprozess geworden.“ Nun, genau diesen Verdacht haben viele – und zwar Lehrende und Studierende gleichermaßen, wenn sie die üblichen Modulhandbücher lesen. Diejenigen, die trotzdem noch das „Angebotsformat“ retten wollen, füllen die Modulhandbücher mit nichtssagenden Floskeln, die alles offen lassen und vor allem dazu einladen, sie NICHT zu lesen – ähnlich wie Beipackzettel von Medikamenten. Es fragt sich also: Woher nimmt Lenzen seine Zuversicht?
Aber ich will ihm nicht unrecht tun. Die Gefahr, dass man Studierenden und Absolventen alle Verantwortung abnimmt, dass Qualitäts- und andere Managementmethoden nicht neben, sondern „an die Stelle der Hingabe an die Sache“ treten, sieht er wohl. Aber er hat tröstende Worte im Gepäck: „Die Umsetzung des Bologna-Prozesses muss … nicht zwangsläufig dazu führen, dass aus einer Bildungsstätte eine Erziehungsanstalt wird, wenn man an dem Gedanken festhält, dass Wissenschaft in der Universität nicht allein dazu da ist, Menschen berufsfähig zu machen, sondern ihnen Plätze in ihrer Stellung zur Welt zu öffnen …“. Das scheint jetzt gerade „in“ zu sein, die zunächst so hoch gehaltene Berufsqualifizierung speziell in den Bachelor-Studiengängen wieder in Frage zu stellen (siehe auch hier). Das ist sehr begrüßenswert, aber man fragt sich: Warum hat man es überhaupt so auf die Spitze getrieben?
Im Großen und Ganzen kann man dem, was Lenzen in diesem kurzen Text schreibt, sicher zustimmen. Aber es bleibt letztlich abstrakt. Was mir persönlich fehlt, sind konkrete Vorschläge für das von ihm geforderte „remake von Bologna“ und der angemahnten Balance zwischen regulativen Prinzipien einerseits und „bildender Begegnung“ und akademischer Freiheit andererseits. Das hätten wir wohl alle gern, aber wir müssten genau an der Stelle endlich konkreter werden. Macht man Vorschläge dazu (siehe z.B. hier) ist die Resonanz eher klein … vielleicht weil keiner mehr so rechte Lust hat, seine Modulhandbücher schon wieder zu ändern.