Wo ist eigentlich das Problem?

Anlässlich einiger Blogbeiträge zur diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hochschuldidaktik (dghd) zum Thema “Fachbezogene und fachübergreifende Hochschuldidaktik – voneinander lernen” an der TU Dortmund (z.B. von Kerstin Mayrberger und Sandra Hofhues) habe ich mich in den letzten Tagen wieder mal gefragt, wie das eigentlich kommt, dass zwei „Gruppen“ von Wissenschaftlern und Praktikern an EINEM Phänomen arbeiten und sich doch beäugen als kämen sie von unterschiedlichen Planeten. Gut, zuweilen gibt es das auch woanders, z.B. wenn sich ein Schulmediziner und ein Heilpraktiker gegenüberstehen und auf denselben Patienten schauen. Auch da ist das Unverständnis groß und jeder beansprucht für sich, die Wahrheit zu besitzen und den Patienten heilen zu können – aber womöglich können die beiden sich zumindest darauf einigen, dass sie sich gerade denselben Patienten anschauen. Das schaffen bisweilen noch nicht mal Hochschuldidaktiker und E-Learning-Vertreter. Und daran sollen allein die falschen oder falsch konnotierten oder überholten oder sonst irgendwie eben nicht treffenden Begriffe schuld sein? Ich weiß nicht … vielleicht ist das ja auch nur eine Ausrede. Vielleicht wollen die beiden „Lager“ auch gar nichts miteinander zu tun haben – so wie Schulmediziner und Heilpraktiker sich einfach aus dem Weg gehen. Allerdings kann der Patient selbst entscheiden, wo er hingeht, der Studierende kann das nur bedingt. Es ist mehr oder weniger Zufall, wo er landet, ob die Lehrangebote, an denen er teilnimmt, durch die Hände von Hochschuldidaktikern oder E-Learning-Experten gegangen oder aber – was noch wahrscheinlicher ist – lehr-lerntheoretisch quasi unbefleckt sind. Also, ein optimaler Zustand ist das nun wirklich nicht. Und so richtig verstehen kann ich diesen Graben auch nicht: E geht uns doch allen darum, das Lernen und Lehren zu verbessern, wir berufen uns alle auf wissenschaftliches Denken und Handeln, wir agieren in denselben Kontexten: Wo ist eigentlich das Problem?

Was ich schon mal ankündigen kann …

… ist ein Studientext zum Didaktischen Design, in etwa analog zum Studientext Wissensmanagement und zwar für den April 2010.  Seit einigen Wochen versuche ich, mir dazu immer wieder größere Zeitblöcke freizuschaufeln, denn solche längeren Texte verfasst man ja nicht mal so nebenbei (Umfang: ca. 150 Seiten). Aus diesem Grund wird im Moment mein Blog auch nicht ganz so umfangreich bestückt – ab und zu muss man halt Prioritäten setzen. 😉 Anbei schon mal das Einstiegskapitel mit Inhaltsübersicht. Wie den Studientext Wissensmanagement werde ich auch den zum Didaktischen Design öffentlich zugänglich machen.

Studientext_DD_Kap0

Experiment vorerst abgeschlossen

Über meine „Vorlesung“ im Wintersemester 2009/10 (die an sich keine ist) habe ich hier ja bereits mehrfach berichtet (das Konzept kann man hier nachlesen; meine Gedanken zum Einstieg finden sich hier). Kurz vor Weihnachten nun haben wir den letzten Podcast, der sich auf prüfungsrelevante Inhalte bezieht, hochgeladen und die Arbeit im Wiki abgeschlossen (zwei zusätzliche, kürzere, Podcasts folgen noch). Die Podcasts sind in unserem „Vorlesungsblog“ alle öffentlich zugänglich; dies gilt auch für das dazugehörige Textmaterial, falls es im Netz ist. Eingescannte Textquellen kann ich leider nur den Studierenden im geschlossenen Raum zur Verfügung stellen. Das Wiki ist ebenfalls aus gutem Grund nicht öffentlich, denn es enthält auch meine Kritik an den Fragen und Antworten der Studierenden und bereitet unmittelbar auf die Klausur Ende Januar vor.

Über die Wiki-Arbeit, mit der die Studierenden gewissermaßen ihre eigene Klausur konstruieren, habe ich anderer Stelle (hier) bereits einen Zwischenbericht geliefert: Die Aktivität in den insgesamt acht „Wiki-Runden“ war leicht schwankend, aber alles in allem so, dass stets ausreichend viele (zwischen 20 und 40 Studierende) daran beteiligt waren. Die vier dazugehörigen Tutorien wurden (sogar am 23.12.2009) ebenfalls gut besucht. Unser erster Eindruck ist, dass die Aktivität zum größten Teil von den Studierenden des Studiengangs „Medien und Kommunikation“ (rund 60 Studierende) ausging, während die zahlreichen Nebenfachstudierenden offenbar weniger Zeit und Energie investieren wollten. Aktuell läuft eine Befragung unter den Veranstaltungsteilnehmern, damit wir unsere eigenen Beobachtungen (Abruf der Podcasts, Aktivität im Wiki, Mitarbeit im Tutorium) durch die Einschätzungen der Studierende komplettieren können. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse!

Das Elend mit den (Massen)Medien

Ich will jetzt nicht die Bildzeitung, die SZ und die ZEIT in einen Topf werfen, aber einen gemeinsamen Nenner gibt es natürlich schon – nämlich die Ansprache einer vergleichsweise breiten Leserschaft, für die man Komplexität reduzieren muss. Das ist bei einem Massenmedium nun einmal so (auch bei denen mit an sich höherer Qualität) – unabhängig davon, ob der Beitrag auf Papier gedruckt oder ins Netz gestellt wird. Aber Komplexitätsreduktion ist das eine. Ungenauigkeit und nachfolgende Irreführung das andere. Letzteres liegt vor, wenn man einfach schlampig mit Begriffen umgeht, schlecht recherchiert und Widersprüche produziert – in dieser Hinsicht gefährdet ist mit Sicherheit auch das E-Learning-Thema. In einem aktuellen Artikel in der ZEIT online (nämlich hier) z.B. heißt es: „Das Elend mit dem E-Lernen. Die meisten Unternehmen setzen E-Learning-Methoden in der Weiterbildung ein. Trotzdem lernen die Mitarbeiter nur wenig.“ Der Rest des Beitrags bietet leider auch keine Informationen, die sich auf einem anderen Niveau befinden: Weiterbildung, Office-Lernprogramme und lebenslanges Lernen werden bunt durcheinander gewürfelt. Die Aussagen sind stellenweise widersprüchlich, vor allem aber unangemessen generalisierend. Erkenntnisse wie die, dass man zum Lernen halt Motivation brauche, retten den Beitrag leider auch nicht. Nicht nur auf der Online Educa, wie die Autorin schreibt, herrscht Ratlosigkeit. Offenbar steht auch der Autor oder die Autorin etwas ratlos vor dem Thema.

Es lohnt sich, sich bei solchen Beiträgen auch die Kommentare anzuschauen – manchmal sind die gehaltvoller als der Beitrag, was auch für den folgenden Kommentar zum genannten ZEIT-Artikel gilt: „Wenn man sagen würde, ´Buch lesen = Zeitverschwendung´ würde sofort geantwortet: Es kommt doch darauf an, welches Buch man liest. Das ist beim e-Learning nicht anders, nur die Techniken dahinter sind vielfältiger und komplexer als beim Buch. Es gibt Leute, die verstehen unter e-Learning ein didaktisch miserables PDF-Bleiwüsten-Dokument, das irgendwo verloren im Cyperspace steht. Gutes e-Learning sieht anders aus: Präsenzveranstaltung (evtl. aufgezeichnet mit drei Streams: Folien in voller Auflösung, Video und Ton), alles Material in einem Lernmanagementsystem mit Forum und Wiki verfügbar und diskutierbar, Betreuung der Fragen durch den Referenten, Chat- und Videokonferenzmöglichkeiten, Online-Selbstlernmodule mit Selbsttest-Möglichkeiten, Einsatz von Medien wie Videos und Simulationen in didaktisch sinnvoller Weise usw. Nur das kostet Geld, bringt aber auch Erfolg.“ Ein Glück, dass einige Leser es einfach besser wissen. Natürlich müssen wir (die sich beruflich mit E-Learning befassen) uns da auch selbst an die Nase fassen. Die Diskussion im Nachklang der GMW 2009 (hier z.B.) hat ja sehr schön gezeigt, dass der „E-Learning Community“ die Problematik mit dem E-Learning-Begriff bekannt ist. Zeitungsartikel wie der hier zitierte tragen das Ihrige zur Verwirrung bei und erinnern uns daran, dass es nicht genügt, über die Schwierigkeiten mal gesprochen zu haben.

Wenn es uns gelänge, die bisherige (und hoffentlich noch wachsende) E-Learning- Community in den Bildungswissenschaften nicht auszugrenzen, sondern deren Arbeit besser in die Forschungsförderung und breitere wissenschaftliche Communities zu integrieren, hätte ICH nichts dagegen, schlichtweg von Bildung zu sprechen. So wie man sich heute kaum noch ohne digitale Medien informieren kann und ebenso die Kommunikation ohne digitale Medien zunehmend unvorstellbar wird, wird dies auch in der Bildung langsam aber sicher kommen. Warum ich aktuell an dem Begriff immer noch festhalte, ist die Hoffnung, auf diesem Wege der interdisziplinäre Gemeinschaft an Wissenschaftlern und Praktikern, die sich mit dem Lernen mit digitalen Medien beschäftigen, ein Forum bzw. eine Identität zu geben, damit sie ihre Stimme in Bildungsfragen (in Schule, Hochschule, Weiterbildung und im informellen Raum) einbringen können. Aber vielleicht ist es doch der falsche Weg?

Fußball-Sponsoring der anderen Art

Über Tech Pi und Mali Bu habe ich ja in diesem Blog des Öfteren schon berichtet. Ein bisschen ist es so etwas wie ein „Liebhaber-Projekt“ und wir freuen uns immer, wenn ein neues Modul finanziert werden kann. Im Moment suchen wir Finanzierungsmöglichkeiten für ein Modul passend zur Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika. Dabei soll es aber nicht primär etwa um einen Bewegungsinhalt gehen (wie der Fußballkontext vielleicht nahelegen könnte) und auch nicht – wie in den bisherigen Modulen vorrangig der Fall – um naturwissenschaftliche, sondern um soziale Themen. Ein Trailer, um Lust auf die Sache zu machen, ist nun online. Mehr Infos gibt es auch hier bei Frank. Wer Idee hat, wo man dafür eine Förderung bekommen könnte, möge sich melden.

Übrigens: Dass man sogar in einem Fußballstadion lernen kann, hat Frank auf der Online Educa in Berlin erfahren. Wer es nachlesen mag: Hier ein Kurzbericht.

eit gestern ist er online, der neue Trailer zum geplanten Modul „Fußballfieber“ (Trailer hier). Wir stimmen uns damit mit Blick auf Südafrika in das Fußballjahr 2010 ein. Es wird im neuen Modul um „soziale“ (mit der Lektüre von Latour ist dies ein schwieriger Begriff 😉 Themen im Fußballsport gehen, also nur vordergründig um Tore und Dribblings. Wie im letzten Blogbeitrag schon angedeutet (und die mich kennen wissen das), bietet der Sport durch seine Facetten viel Bildungspotenzial, aber er ist aufgrund seiner Komplexität und Medialität auch Ort vieler Probleme. Tech Pi & Mali Bu werden sich mit wenigen Teilen dieses Fragekomplexes (Ausgrenzung, Fair Play etc.) beschäftigen, in der Hoffnung, dass dies Anker für Diskussionen in Schule und Verein bieten kann (vgl. auch das Projekt Join the game). Im Zentrum stehen nicht die Vermittlung von Faktenwissen, sondern bestenfalls Modelle für den kreativen Umgang mit Problemen (wie uns das beim Inforadar – meine ich – ganz gut gelungen ist).

E-Portfolios: Königsweg oder Sackgasse?

Viele bekannte Namen tummeln sich auf der diesjährigen Campus Innovation-Konferenz, die zusammen mit dem VI. Konferenztag Studium und Lehre in Hamburg (vom 26. bis 27.11.2009) veranstaltet wird. Das Programm kann man hier abrufen. Meinen Vortrag am Morgen des zweiten Konferenztages, der dem Thema E-Portfolios gewidmet ist, stelle ich gerne als Textfassung bzw. als Preprint zu Verfügung. Ich weiß, dass ich wieder mal (zu) viele Informationen und Gedanken hineingepackt habe, hoffe aber, dass sich das durch die verfügbare Textfassung zum Nachlesen kompensieren lässt. Unterstützt hat mich bei der Erarbeitung des Beitrags Silvia Sippel.

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Des einen Freud des anderen Leid

Was habe ich mit Nintendo zu schaffen? Kaum etwas, seitdem mein Sohn das Interesse an der Spielkonsole in weiten Teilen verloren hat. Dennoch habe ich meine Beteiligung an einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Digitales Lernen in Schule und Freizeit“ auf der Frankfurter Buchmesse zugesagt. Gestern nun hat diese stattgefunden – initiiert von Nintendo auf dem Forum Bildung (umgesetzt wird das dann wieder von einem Zwischendienstleister, in diesem Fall von Süddeutscher Verlag onpact). Wie bereits vorab vereinbart, ging es in der Diskussion an sich nur als Aufhänger um neue Programme (u.a. von Cornelsen) für den Nintendo DS (siehe hier), mit dem einer der Diskutanten, der Hauptschullehrer Ulrich Stöger, mit seinen Klassen seit längerem erfolgreich (in Mathematik) experimentiert. Weitere Diskussionsteilnehmer waren der Leiter Geschäftsentwicklung Digitale Medien von Cornelsen, Dr. Carsten Kindermann, der Verlagsleiter der Langenscheidt KG, Rolf Müller, und eben ich. Moderiert hat Frank Patalong von Spiegel Online.

Viele Differenzen gab es nicht: Schulpraxis, Wissenschaft und Wirtschaft waren sich ziemlich einig, dass Spiele wie die auf dem Nintendo DS im Besonderen und digitale Medien im Allgemeinen nur differenziert in Bezug auf die angestrebten Lern- und Bildungsziele bewertet werden können. Keinen Widerspruch gab es auch bei dem Hinweis, dass die didaktische Kompetenz des Lehrenden das letztlich Ausschlaggebende darstellt. Überhaupt fand ich es erstaunlich, dass so große Einmütigkeit in den meisten Fragen herrschte. Es fehlte einfach ein Politiker in der Runde, den man hätte fragen müssen, warum denn so vieles nicht funktioniert, wo doch alle Seiten wissen, woran es liegt und was man besser machen könnte. Wobei klar ist, dass es in punkto Schule zwischen den Bundesländern einerseits und zwischen konkreten Schulen andererseits erhebliche Unterschiede gibt. Generalisierungen sind da also immer schwer. Nachdenklich machen sollte einen aber die ziemlich ehrliche Aussage von Rolf Müller, dass die Verlage von der Schwierigkeit an den Schulen profitieren, in immer weniger Zeit immer mehr und mit höherem Druck Wissen vermitteln zu müssen (was vor allem für den Bereich des Gymnasiums gilt) – des einen Freud des anderen Leid sozusagen.

Wieder einmal zeigte sich, dass man offenbar im Grundschul- und Hauptschulbereich mehr Freiheiten und Kreativität im täglichen Unterricht walten lässt als an den Gymnasien. Mir jedenfalls war es vor zwei Tagen (in der Elternrolle) auf dem Elternabend an einem bayerischen Gymnasium fast schon schwindelig von den Hinweisen der (übrigens sehr häufig wechselnden) Lehrer, wie wichtig ihr jeweiliges Fach doch sei und wie viel und kontinuierlich dies und jenes zu üben ist. Dabei habe ich Inhalte vernommen, von denen ich mir sicher war, dass sie in den 1970er und 80er Jahren (also zu meiner Zeit auf dem Gymnasium) Oberstufenstoff, aber kein Stoff der neunten Klasse waren. Gut, das sind persönliche und anekdotische Erfahrungen; trotzdem hatte ich diese in der Diskussion des Öfteren in meinem Kopf und sie haben stellenweise wohl auch meine Beiträge mitbestimmt.

Mein Fazit: Die Probleme, die ich in der Schule sehe, lassen sich sicher kaum mit digitalen Medien, also auch nicht mit dem Nintendo DS und neuer Software von (Schulbuch-)Verlagen lösen. Die liegen wohl tiefer in unserer „Idee von Schule“, den Zielen von Schule, dem Stellenwert von Bildung in unserer Gesellschaft, dem beruflichen Selbstverständnis von Lehrer/innen und dem politischen Willen, Schulbildung jenseits vom ökonomischen Wettbewerb als Eigenwert zu denken, die allem voran dem einzelnen Menschen zugute kommen muss.

Getrennte Lager – aber strikt

„E-Learning. Theorien, Gestaltungsempfehlungen und Forschung“ – so lautet eine Neuerscheinung beim Huber Verlag von einem jungen Psychologen: Dr. Günter Daniel Rey. Das Buch ist – würde ich jetzt mal sagen – ein Lehrwerk und widmet sich den psychologischen Grundlagen des E-Learning – übrigens ohne viel Aufhebens um den Begriff „E-Learning“ und dessen Definition zu machen. Zum Buch gibt es auch eine Web-Seite, nämlich hier, auf der sich zwar nicht alle Inhalte aus dem Buch, aber immerhin eine ganze Menge informativer Überblicke wie auch Details zu verschiedenen psychologischen Begriffen und Konzepten rund um das Lernen mit digitalen Medien finden. Auch ausführlichere Informationen über die (experimental-)psychologische Forschung findet man sowohl im Buch als auch auf der Web-Seite. Beides (also Buch und Web-Seite) ist systematisch aufgebaut; was ich bisher gelesen habe, ist verständlich und verweist auf klassische wie auch aktuelle psychologische Literatur. So weit so gut: Ich freue mich, auf das Buch (nach Zusendung) gestoßen (worden) zu sein und werde es sicher nutzen und zu bestimmten Zwecken auch empfehlen.

Aber: Man mache mal einen kleinen Versuch und lege das Autorenverzeichnis des diesjährigen GMW-Tagungsbandes neben das Literaturverzeichnis (hier) von Reys Buch. Und, was stellt man da fest? Kein Apostolopoulos, kein Baumgartner, auch keine Bachmann und Bremer, kein Schulmeister, kein Wolf – nichts! Auch kein Mandl (obschon Psychologe), aber – Gratulation! – immerhin einmal Kerres (Web 2.0). Jeder möge aber gerne weitersuchen … EIN Thema, ZWEI Lager, wie sie getrennter nicht sein könnten.

Nun könnte man ja sagen: Das ist halt die psychologische Seite des E-Learning und die anderen … na ja, vielleicht bilden die dann eben die pädagogische und die informationstechnische Seite. Aber das wäre wohl eine Ausrede, denn: Natürlich brauchen WIR auch die psychologischen Grundlagen und viele Beiträge in den GMW-Tagungsbänden zitieren auch psychologische Literatur, wie man sie in Reys Buch findet. Aber die pädagogisch-didaktischen, die informationstechnischen, auch soziologischen Erkenntnisse – die braucht man in der Psychologie nicht, wenn es um E-Learning und immerhin auch um Gestaltungsempfehlungen geht? Wirklich nicht? Ich finde es schade, wie dick die Mauer ist, die es hier offenbar gibt. Ich komme selbst aus der Psychologie und weiß meine Ausbildung (Diplom) sehr zu schätzen. Aber diese so offensichtliche Lagerbildung begreife ich einfach nicht, wenn es uns doch darum gehen sollte, das Lernen und Lehren mit digitalen Medien mit unseren Erkenntnissen besser zu verstehen und damit auch besser zu unterstützen. Wäre das nicht Anlass genug, voneinander Kenntnis zu nehmen? Wie an anderen Stellen schon formuliert, habe ich natürlich eine Thesen, warum das so schwierig ist: Erkenntnistheoretische und methodische Differenzen zwischen diesen beiden Lagern in der BIldungsforschung dürften hier eine ganz wesentliche Rolle spielen.

Medienkompetent, informationskompetent oder einfach nur mündig?

E-Learning – die Sicht der Studierenden – so lautet das neue Themenspecial von e-teaching.org (hier). Eine Reihe neuer Beiträge und Verweise auf bereits bestehende widmen sich Fragen wie: Wie beurteilen die mit Computer und Internet aufgewachsenen „digital natives“ selbst die E-Learning-Aktivitäten der Lehrenden? Wie selbstverständlich ist der Umgang der Studierenden mit Computer und Internet, nicht nur in der Freizeit, sondern auch bei konkreten Studienaktivitäten? Erkenntnisse und Mythen zur Netzgeneration und Fragen zur Medienkompetenz – sie reißen also nicht ab. Ob und wie man Studierende zu Medienakteuren machen und man sie auf diesem Wege medienkompetenter machen könnte, damit setzt sich ein neuer e-teching.org-Artikel von Simone Haug (hier) auseinander (Achtung: Auf Seite 5 ist ein Absatz doppelt!): Sie stellt eine Reihe verschiedene Projekte und Initiativen von Hochschulen zur Medienkompetenzförderung zusammen und kommt zu dem Schluss, dass es bisher noch daran mangelt, die Perspektive und Bedürfnisse der Studierenden einzubeziehen. Spotan möchte man dem zustimmen, denn wer sollte schon ernsthaft etwas gegen Lerner- oder Studierendenzentrierung haben, was mit diesem Postulat ja in der Regel verbunden wird. Denkt man länger darüber nach, stellt sich dieses Postulat aber als gar nicht so einfach heraus:

Jeder, der bereits länger Lehre betreibt, weiß, wie schwer sich Studierende (verständlicherweise) tun, ihre Bedürfnisse überhaupt zu artikulieren. Zu Recht erwarten sie doch AUCH, dass WIR ihnen helfen, einen Standpunkt und damit auch eigene Interessen weiterzuentwickeln. Keinesfalls also kann es so einfach gehen, dass wir zu Beginn des Studiums einen großen Fragebogen an unsere „Kunden“ senden, auf diesem Wege feststellen, was diese denn wünschen, und dann „kundenorientiert“ das Gewünschte anbieten. Es wird – so meine These – Unbefriedigendes herauskommen und zwar auch für die Studierenden selbst.

Mir fällt dabei auf, dass wir noch gar kein vernünftiges Partizipationsmodell haben, mit dem wir die teils berechtigte, teils leichtfertige Forderung nach Studierendenorientierung überhaupt umsetzen können. Das gilt wohl auch für die Frage der Medienkompetenz, die stellenweise auch als Informationskompetenz daherkommt (siehe hierzu z.B. Kerres) und die letztlich Dinge einfordert, die alles anderer als neu sind – manchmal ist man geneigt zu sagen, es gehe doch wie schon lange (aber oft vergessen) um etwas, was man früher Mündigkeit nannte. Die ist logischerweise in einem „digitalen Zeitalter“ auch mit der Anforderung verknüpft, digitale Medien und Angebote zu kennen, vernünftig zu nutzen, kritisch zu hinterfragen , experimentell zu erproben, im Bedarfsfall auch begründet abzulehnen etc. Die von Haug zusammengestellten Beispiele geben einen guten Einblick in die bisherigen Möglichkeiten an Hochschulen, die Studierenden hier zu fördern. Sie zeigen aber auch die Schwierigkeiten auf – angefangen bei der curricularen Einbindung über den Umgang mit Zeit und Workload im Studium bis zur Selbstüberschätzung der Studierenden. Ist die Integration der Studierenden-Perspektive dafür eine Lösung? Oder ist das nicht eher ein Teil des Problems, weil wir hier noch keine besonders kreativen Strategien haben? Ich jedenfalls bin hier oft hin- und hergerissen: Wo tue ich gut daran, genau auf die Wünsche der Studierende zu hören und wo ist genau das kontraproduktiv? Welche Bedürfnisse kommen denn eigentlich woher und sind es wirklich die, die die Studierende selbstbestimmt entwickelt haben? Ich will jetzt damit NICHT sagen, dass ich als Lehrende besser wüsste. Es geht mir darum, dass wir jedenfalls intelligentere Beteiligungsmodelle bräuchten als sie z.B. in der Ökonomie verwendet werde, auf die als Vorbild zu schauen sich leider schon viele gewöhnt haben. Ja, soweit meine (etwas ungeordneten) Assoziationen zu einem Teil des neuen Themenspecials von e-teaching.org.

Wo sind die Alternativen?

Ich muss doch nochmal zurückkommen auf die durch die GMW-Tagung 2009 angestoßene Diskussion zum Begriff des E-Learning (Näheres zum Ausgangspunkt dieser Diskussion siehe hier). Wolfgang Neuhaus hat (hier) versucht, die Diskussion aus seiner Sicht noch einmal zusammenzufassen und seine Position zu formulieren.

Zunächst einmal sehe ich mich unter Punkt 1 falsch interpretiert. Da heißt es: „Sie (also ich) plädiert dennoch ausdrücklich dafür, am E-Learning-Begriff festzuhalten, weil sie den Begriff des Lernens – hinsichtlich seiner Interpretation durch Lehrende – für genauso unpräzise hält wie den Begriff des E-Learnings.“ In der Diskussion zu meinem Beitrag habe ich noch einmal klar gestellt, dass man Begriffsdefinitionen innerhalb einer Fach-Community einerseits von der Begriffswahl bei der Kommunikation in Praxiskontexte und damit auch bei der Implementation andererseits auf jeden Fall unterscheiden sollte. Es ist keine neue Erkenntnis, dass man wissenschaftliche Ergebnisse in Form von Erkenntnissen, Konzepten oder auch Produkten in der Praxis anschlussfähig und kontextsensibel beschreiben und umsetzen sollte. Dass sich dafür Fachsprachen nicht immer eignen oder unerwünschte Konnotationen hervorrufen, wissen wir. Dass man das vermeiden sollte, darin haben wir Konsens. Und genau in diesem Punkt haben die meisten Gudrun Bachmann in ihrem Plädoyer für die „Abschaffung des E-Learning-Begriffs“ wohl auch zugestimmt. Davon zu trennen aber ist doch die interne Diskussion, die Theorie und Empirie zum Lernen mit digitalen Medien.

Und damit komme ich zu meinem zweiten Einwand: Ich kann nicht verstehen, wie man behaupten kann, Lernen sei ein wissenschaftlich eindeutig definierter Begriff und zwar unabhängig von der paradigmatischen Richtung der Definition (Abschnitt 2 im Beitrag von Neuhasu). Das Verständnis davon, wie Menschen lernen, unterscheidet sich doch wohl gewaltig oder ist es plötzlich egal, ob ich mir Lernen analog zur technischen Informationsverarbeitung, als Assoziation von Reizen und Reaktionen oder als selbstorganisierte Konstruktion vorstelle? Ich würde ja schon sagen, dass dies die Förderpraxis beim Lernen und die Haltung von Lehrenden in hohem Maße beeinflusst. Erstaunt hat mich dann vor allem die Festlegung auf ein Lernverständnis, dass die beobachtbaren Verhaltensweisen ins Zentrum rückt (Zitat: „Mit Lernen bezeichnen wir immer eine Verhaltensänderung des Menschen“): Hat nur gelernt, wer beobachtbar eine Aufgabe anders bewältigt? Hat nicht gelernt, wer zu einer neuen Erkenntnis gelangt ist, die ihm hilft ein Problem in einem anderen Licht zu sehen – auch wenn er selbst es niemals beobachtbar für andere lösen wird (z.B. ein politisches Problem)? Wollen wir uns wirklich auf so einen engen und recht mechanistischen (keinesfalls wohl humanistischen) Lernbegriff einigen? Nein, da bin ich nicht dabei. Im Kompetenzbegriff sehe ich hier übrigens alles andere als eine gelungene Alternative: Ich melde mich sofort für eine Community, die den Kompetenzbegriff abschaffen will (Genaueres zu dem Wirrwarr an anderer Stelle, nämlich hier).

Noch ein Einwand zu dem Satz „Natürlich ist der Streit um Begriffe nur ein Nebenkriegsschauplatz“ (Punkt 4). Natürlich? Ich neige manchmal auch zu einem genervten „Nenne es doch, wie du willst, wenn du nur die Idee kapiert hast“. Aber das sagt sich so leicht. Können wir nicht oft beobachten, wie sich Menschen an Begriffe klammern, die dann ein Feld von Konnotationen verbreiten, das sich ab einem bestimmten Zeitpunkt individuell oder gar kollektiv nicht mehr revidieren oder erweitern oder eingrenzen lässt – und wenn man noch so viele Richtigstellungen unternimmt? Aus der Sicht der Bildungspraxis haben wir da also keineswegs einen Nebenkriegsschauplatz. Und aus der Sicht der Wissenschaft ist ein Streit um Begriffe aus meiner Sicht notwendig. Vielmehr ist es eine Frage, wie dieser Streit ausgetragen wird und welche Ziele man erreichen will. Dass es da dann auch Sackgassen geben kann, die man besser wieder verlässt und einen neuen Weg sucht, der auch weiterführt, will ich nicht bestreiten. Aber keinesfalls dürfen wir den Streit um Begriffe begraben. Wir würden ein wichtiges Element der Wissenschaft verlieren – das kann man nicht ernsthaft fordern.

Am Ende frage ich mich: Hätte denn jemand für die Fach-Community (nicht für die Praxis) eine sinnvolle Alternative für den Begriff des „E-Learning“? Viele (ich auch) verwenden den Begriff nur als Dach/Sammelbegriff für das Lernen und Lehren mit digitalen Medien, den es dann ohnehin jeweils zu spezifizieren gilt. Vielleicht gibt es ja einen besseren Sammelbegriff – aber wo ist der? Ist es sinnvoll, dass wir uns stattdessen als Hochschuldidaktiker bezeichnen? Kann ich mir nicht vorstellen, weil es dagegen ebenfalls Aversionen gibt (ist eher wieder das Praxisargument) und weil es zweitens den Kontext einschränkt (was ist mit Schule, Freizeit, Arbeitsplatz und Weiterbildung?). Der Vorschlag mit der Allgemeinen Didaktik kann nicht ernst gemeint sein, wenn man sich Historie, Ziele und Besonderheiten der deutschen Allgemeinen Didaktik ansieht. Also: Wo sind die Alternativen?