Wer mag das noch lesen?

Löst generative KI das Problem explodierender Fragen an die Verwaltung von Hochschulen? In der Februar-Ausgabe der Zeitschrift DUZ (hier) wird über ein Projekt der Technischen Universität München (TUM) berichtet, das zum Ziel hat, einen Chatbot zu entwickeln, der per E-Mail gestellte Fragen von Studierenden an die Verwaltung beantwortet. Das ist keine revolutionäre Idee, sondern liegt nahe; man kennt es ja auch schon aus anderen Bereichen außerhalb der Hochschule – mit mehr oder weniger guten Erfahrungen. Chatbots für Verwaltungsanfragen sollen an der TUM aber nur der Anfang sein; geplant sind, so der Bericht, weitere Entwicklungen in Richtung (komplexe) Suche, künstliche Generierung von Mindmaps und Social Media Posts etc.

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Menschen-„on-demand“

Die Europäische Kommission hat vor ziemlich genau zwei Jahren im Rahmen der Initiative „Europäische Hochschulen“ die Etablierung eines Wissensaustauschs zwischen Hochschulen und Unternehmen vorgeschlagen und eine entsprechende Umgestaltung der Hochschulen angemahnt. Eike Zimpelmann deckt in den Formulierungen der Europäischen Kommission eine „radikal-utilitaristische Haltung“ auf und kritisiert die menschenverachtende Haltung, die in der verwendeten Sprache – wie beispielsweise „Menschen-´on-demand´“ – zum Ausdruck kommt. Gerne bin ich der Bitte von Eike Zimpelmann nachgekommen, seinen Text mit einem Plädoyer an die Wissenschaft (insbesondere an die Hochschuldidaktik, die übrigen Bildungswissenschaften und Hochschullehrende), dagegen deutlich Stellung zu beziehen, bei Impact Free zu veröffentlichen. Der Beitrag ist online hier verfügbar.

Von Lernbegleiterhochschulen und regionalen Motoren

Über Jochen Robes bin ich auf den Beitrag „Die Hochschule der Zukunft: Fels in der Brandung?“ von Frank Ziegele, Philipp Neubert und Lisa Mordhorst aufmerksam geworden. Thema ist die (notwendige) Ausdifferenzierung der Hochschullandschaft angesichts der Expansion von Hochschulbildung und steigender Studierendenzahlen einerseits und der gesellschaftlichen Herausforderungen, auf die auch ein Studium vorbereiten soll, andererseits.

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Flucht aus der Verantwortung

Was für ein treffender Artikel! Er ist zwar nicht über die Hochschulen, sondern über die Wirtschaft geschrieben, aber wer ihn als Angehöriger einer Hochschule liest, weiß: Man braucht da nur „Unternehmen“ und „Wirtschaft“ durch „Hochschulen“ und „Wissenschaft (oder auch „Bildung“ zu ersetzen und die Treffsicherheit ist immer noch ganz enorm. Worum geht es? Es geht um Bürokratie, aber auch um deren Ursachen – vor allem um die grassierende „Vollkasko-Mentalität“, zu der potenziell jeder beiträgt, der sich gegen alles und jedes absichern will. Der Kommentar – hier online zugänglich – stammt von Marc Tribelhorn, Redakteur bei der Neuen Zürcher Zeitung. Aber von vorne:

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Die Schule als Modell!?

Neuerdings legen uns Artikel aus der Feder von Mitgliedern des Wissenschaftsrates insbesondere in der ZEIT dringend nahe, dass wir bei der Verbesserung der Hochschullehre von der Schule lernen sollten. Den Anfang machte Volker Meyer-Guckel bereits im April 2015 (hier) mit der Aufforderung, Verschulung nicht immer nur negativ zu sehen, sondern eher mal die Schule als Vorbild zu nehmen. So sollte man z.B. Lehrende auf ihre Aufgaben systematisch vorbereiten und regelmäßig fortbilden – wogegen wirklich gar nichts einzuwenden wäre, würde das nicht auch gepaart sein mit pauschalen Feststellungen über Unwille und Unfähigkeit von Hochschullehrenden, sich für die Lehre zu engagieren. Und nun Manfred Prenzel (hier): Von der Schule zu lernen, bedeutet für ihn, sich an gutem Unterricht in der Schule zu orientieren. Nun mag auch das in Grenzen eine Bereicherung sein, wenn man sich gelingendes Lehren und Lernen in verschiedenen Bildungskontexten also auch in Schulen, anschaut, um Impulse für die Hochschullehre zu gewinnen. Die Grenzen aber sind schnell erreicht, wenn man Ziele, Zielgruppen und Gegenstände der Schul- und Hochschulbildung miteinander vergleicht. Dass ausgerechnet der WISSENSCHAFTsrat so leichtfüßig über diese Unterschiede hinwegzugehen scheint, verwundert doch schon.

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Post MOOC-Ära

Der große MOOC-Hype ist vorbei – die Aufarbeitung der Möglichkeiten und Grenzen hat längst begonnen. Ein aktueller Beitrag von Rolf Schulmeister mit dem Titel „The Position of xMOOCs in Educational Systems“ (hier) in der Online-Zeitschrift eleed analysiert, was vom großen Versprechen der Revolutionierung des Hochschulsystems übrig geblieben ist.

Das Abstract lautet wie folgt:

„Die Idee der xMOOCs sollte ursprünglich das US-Hochschulbildungssystem durch die kostenfreie Vermittlung von Wissen für die Massen revolutionieren. Dieses Ziel wurde aus verschiedenen Gründen nicht erreicht. Hierzu zählen u.a. die Vernachlässigung der Wichtigkeit und Vorteile des Präsenzlernens, die hohe Arbeitsbelastung der Studierenden durch einen xMOOC, die Konsequenzen der in xMOOCs üblichen didaktischen Vorgehensweise, die Finanzierung der hohen Kosten eines xMOOCs sowie der schwierigen Integration des xMOOC-Modells in die Lehrorganisation an Hochschulen. Deswegen entwickeln sich xMOOCs in der letzten Zeit zu einer Methode der professionellen Weiterbildung, mit einem dazu passenden kostendeckenden Geschäftsmodell.“

Das didaktische Fazit? Unter anderem findet man das in folgendem Absatz:

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Warum Plagiatheken nicht die Lösung sind

Letzte Woche hatten wir (Sandra und ich) Besuch an der Zeppelin Universität von Christian Rapp von der ZHAW. Ich möchte aus diesem Gespräch an der Stelle nur mal ein Thema herausgreifen: das wissenschaftliche Arbeiten. Zusammen mit anderen Autoren hat Christian Rapp eine Seite zu Internetrecherche und Wissensmanagement an Hochschulen erstellt, nämlich hier. Uns ist natürlich gleich das Augsburger Projekt Informationskompetenz eingefallen, das – schon vor etlichen Jahren – für die Virtuelle Hochschule Bayern erstellt worden ist (hier und hier). Freilich, neu ist das alles nicht (bis auf die medialen Neuheiten in dem Sinne, dass es immer wieder neue digitale Werkzeuge gibt, die man im Rahmen des wissenschaftlichen Arbeitens nutzen kann). Selber komme ich auch immer wieder auf dieses Thema zurück – und das seit Beginn meines Blogs, wie ich mir nach kurzer Recherche auf den eigenen Seiten nochmal selbst bestätigt habe 😉

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Vom qualifizierten zum quantifizierten Selbst

Die Meldung, dass der Horizon Report 2014 nun auch auf Deutsch (hier) erschienen ist, ist schon einige Tage alt. Aber es dauert natürlich ein wenig, bis man die knapp 70 Seiten gelesen hat, und das wollte ich dann doch erst tun, bevor ich darauf hinweise. Großartige Überraschungen hält der Bericht nicht bereit, was aber auch nicht zu erwarten ist, wenn man die technologischen Trends jährlich fortschreibt. Vergleicht man die Berichte, die etwas weiter auseinanderliegen, fallen einem allerdings schon einige Veränderungen und Besonderheiten auf: Man fragt sich z.B., wo das Internet der Dinge geblieben ist und wann die ersten genug vom Spielen haben. Weiß man um die seit vielen Jahren bzw. fast schon Jahrzehnten anhaltenden Bemühungen, digitale Medien dazu zu nutzen, wertvolle Präsenzzeit für anderes als die Vermittlung von Inhalten frei zu halten, mutet der Trend „flipped classroom“ irgendwie anachronistisch an (aber vielleicht hat es einfach nur an flippigen Bezeichnungen gefehlt).. Erstaunlich schnell sind die MOOCs wieder verschwunden und konsequent schnell haben sich Trends wie „Learning Analytics“ auf der Basis des Kerntrends „Big Data“ ausgeweitet. „Vom qualifizierten zum quantifizierten Selbst“ weiterlesen

Autoritätshörigkeit und moralischer Konformismus

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft findet sich erfreulicherweise auch ein offen zugänglicher Beitrag, der aus meiner Sicht höchst lesenswert ist: Der Text stammt von Axel Honneth und trägt den Titel „Erziehung und demokratische Öffentlichkeit. Ein vernachlässigtes Kapitel der politischen Philosophie“. Es handelt sich um die schriftliche Fassung des Festvortrags, den Honneth zur Eröffnung des DGfE-Kongresses im März 2012 gehalten hat. Honneth bezieht sich in seiner Argumentation vor allem auf die Schule; aus meiner Sicht aber haben viele seiner Überlegungen auch für die Hochschule Gültigkeit.

Im Kern geht es Honneth darum, das „Verbindungsglied zwischen … Bildungskonzeption und politischer Philosophie“ (S. 2) in Form der „Idee des guten Bürgers“ zu beleuchten. Er kommt (in Teil I) zu dem Schluss, dass uns heute genau dieses Verbindungsglied abhanden gekommen ist: „Die Demokratietheorie hat sich von ihrer Zwillingsschwester, der Lehre von der angemessenen Organisation und Methode einer demokratischen Bildung, verabschiedet …“ (S. 3). Dies könne, so Honneth, nicht einfach nur als Folge der zunehmenden Differenzierung der Wissenschaften betrachtet werden, da organisierte Bildung viel zu umfassend zu den Bestandsvoraussetzungen des demokratischen Rechtsstaats gehöre. Umgekehrt gelte natürlich auch, dass speziell die schulische Erziehung zur schleichenden Untergrabung einer Demokratie beitragen könne, „wo sie nämlich Autoritätshörigkeit und moralischen Konformismus vermittelt“ (S. 4). Honneth vermutet zum einen, dass man in unserer Gesellschaft den Glauben daran verloren hat, organisierte Bildung habe großen Einfluss auf die Demokratie (positiv wie negativ); zum anderen macht er Prozesse der Ökonomisierung (Karriereförderung als Lehr-Lernzweck) für die Trennung von Bildung und Demokratie verantwortlich.

Im mittleren Teil seines Beitrags liefert Honneth eine Gegenüberstellung der Auffassungen zur demokratischen Erziehung (und zwar in öffentlichen Einrichtungen) von Kant, Durkheim und Dewey, deren Aktualität er für heutige Herausforderungen deutlich machen will. An manchen Stellen dieses Teils (Teil II) musste ich an die immer wieder aufflammende Diskussion über Vor- und Nachteile formalen und informellen Lernens und an die aus meiner Sicht überhöhte Vorstellung vom Segen informeller Bildung denken – aber das versteht man wohl nur, wenn man den Text selbst gelesen hat. Letztlich geht es Honneth darum, die „öffentliche Erziehung als zentrales Organ der Selbstreproduktion von Demokratien zu begreifen“ (S. 11). Meiner Einschätzung nach können auch Hochschulen als ein solches Organ der Selbstreproduktion von Demokratien gesehen werden! Denn auch hier besteht die Gefahr, durch die Fixierung auf ökonomisch verwertbare Kenntnisse, Fertigkeiten und Haltungen diejenigen zu vernachlässigen, die wir für die Weiterentwicklung einer demokratischen Gesellschaft brauchen.

Mit Anforderungen an solche Weiterentwicklungen endet auch Honneths Text (Teil III), indem er auf zwei große Trends aufmerksam macht: zum einen auf den wachsenden Multikulturalismus und zum anderen auf die „Digitale Revolution“ (S. 12). Letztere stelle neue Instrumente der politischen Wissensbildung bereit, und junge Menschen müssten lernen, sich dieser Instrumente zu bedienen. Zugegebenermaßen ist Honneth auf diesen letzten Seiten etwas dünn, aber er ist ja auch kein Bildungswissenschaftler. In seinen Aussagen zur Verknüpfung von Bildung und Demokratie jedoch liefert er für mich einige überzeugende Argumente dafür, die Verantwortung von Bildungsorganisationen (ihr Zweck und ihre Ziele) einerseits und die von Lehrenden (jenseits ihrer Rolle als bloßer Begleiter und Coach) andererseits wieder stärker in den Blick zu nehmen und die Rolle der Bildung für die Demokratie neben der Rolle der Bildung für die Wirtschaft nicht systematisch aus dem Bewusstsein zu drängen.

Stabhochsprung-Talente

Gleich mehrere Themen bzw. Probleme der Hochschule, ein bisschen bunt durcheinander, aber anschaulich dargestellt, mischt ein Text (online hier) des Wirtschaftsinformatikers Peter Mertens (auf den mich Frank aufmerksam gemacht hat): (a) das Problem der zeitlich variierenden, etwas willkürlich wirkenden Verschiebung der Gewichtung verschiedener Aufgaben des Hochschullehrers (analog im Sinne einer Aufforderung an den Zehnkämpfer, sich jetzt möglichst zu 90%auf Stabhochsprung zu konzentrieren), (b) das Problem der einseitigen Ausrichtung wissenschaftlicher Methoden, (c) das damit zusammenhängende Problem der Konzentration von Publikationen auf englischsprachige Journals mit Double-Blind-Review-Verfahren, (d) das Problem der mangelnden Kooperation mit der Praxis (das ebenfalls mit a bis c zusammenhängt) und (d) das Problem der mangelnden Anerkennung von Lehrleistungen des Hochschul(!)lehrers. Dabei bringt Mertens bekannte Beispiele: junge Wissenschaftler, die sich gar nicht mehr trauen, sich zu bewerben, weil ihnen Publikationen in bestimmten Zeitschriften fehlen, mehrere hundert Stunden Aufwand zur Überarbeitung von Zeitschriftenartikeln auf der Grundlage mehrere, untereinander und in sich widersprüchlicher Gutachten oder Preisträger, die offenbar stolz darauf sind, mit der Lehre nichts am Hut zu haben. Mertens plädiert für ein rasches Umdenken und kommt zu folgendem Fazit: „Für das Umdenken steht nicht beliebig viel Zeit zur Verfügung. Denn wenn die Stabhochspringer überall dominieren, werden sie wieder Stabhochsprung-Talente um sich versammeln und die anderen Disziplinen bei der Vergabe von Punkten marginalisieren.“