Hoffen auf Taten

Sowohl Joachim Wedekind als auch Stefan Aufenanger haben bereits auf ein medienpädagogisches Manifest hingewiesen, das von mehreren Institutionen der Medienpädagogik initiiert und ausgearbeitet wurde. Aktuell werden dazu noch Unterschriften eingesammelt – ich habe es auch unterzeichnet. Die Forderungen sind sinnvoll, allerdings schließe ich mich Stefans kritischem Hinweis an, dass es nun darauf ankommt, dieser Aktion sichtbare Taten folgen zu lassen. Ich habe angeregt, die im Manifest vor allem zum Ausdruck kommenden medienerzieherischen Aspekte noch stärker mit mediendidaktischen Aspekten zu verbinden. Der Hinweis wurde von den Initiatoren durchaus positiv aufgenommen. Im Vorstand der GMW wollen wir über dieses Manifest und die Frage noch diskutieren, wo und in welcher Weise es sinnvolle Verbindungen geben könnte. Ich denke, es ist für alle (medien-)pädagogisch tätigen Personen (in Schule, außerschulischer Jugendarbeit, Sozialarbeit etc.) wichtig, dass bereits an der Hochschule digitale Medien eingesetzt, in ihren Möglichkeiten erprobt und faktisch verwendet werden: Was nutzt es denn, über Chancen und Gefahren zu diskutieren, wenn man diese nicht selbst unmittelbar erlebt? Das kann man aber nur, indem man digitale Medien selbst nutzt, Erfahrungen sammelt etc. Und wo sollte man das tun, wenn nicht an der Universität bzw. in der universitären Ausbildung? Von daher fände ich eine Verknüpfung mehr als sinnvoll – allem voran mit Blick auf die Lehrerbildung. Schlaue Aufsätze ÜBER Medien sind für die spätere Berufspraxis in jedem Fall weniger wertvoll als eigene Erfahrungen MIT Medien, die man DANN natürlich auch theoretisch reflektieren oder zum Anlass eigener Studien machen kann.

Mobilität als Selbstzweck?

Ich frage mich immer öfter, was ich eigentlich von der viel beschworenen Mobilität halten soll. Aktueller Anlass sind einige Pressemitteilungen über die kürzlich zu Ende gegangene Bologna-Folgekonferenz in Leuven (Belgien) – mit einem entsprechenden Kommunikee. In der Pressemitteilung des BMBF heißt es: „Die Erhöhung der Mobilität von Studierenden und akademischem Personal bleibt eines der Kernziele des Bologna-Prozesses.“ Warum ist das ein Kernziel? Wenn man sich von Mobilität erwartet, dass Studierende ihren persönlichen Horizont erweitern, Sprachen lernen, Verständnis für andere Kulturen entwickeln, dann kann ich das nachvollziehen. Allerdings kostet das Zeit, die gerade im Studium infolge des allgemeinen Gehetzes keiner mehr hat. Zudem setzt das ein hohes Maß an Reflexionsfähigkeit voraus.

Ich bezweifle, dass Mobilität an sich bzw. quasi automatisch dazu führt, dass sich Studierende persönlich und fachlich weiterentwickeln. Problematisch finde ich den Umkehrschluss: Wer NICHT mobil im Sinne von Auslandsaktivitäten ist, der hat auch eine persönliche Stagnation zu beklagen. Solche Umkehrschlüsse begegnen mir häufig und erzeugen einen gewaltigen und aus meiner Sicht ungerechtfertigten Druck. Es gibt viele Gründe, NICHT ins Ausland zu gehen, stattdessen im eigenen Land ehrenamtlich tätig zu sein, sich sozial zu engagieren etc. und dabei vergleichbare Ziele einer geistigen Mobilität und Beweglichkeit, Horizonterweiterung und persönliche Entwicklung zu erfahren. Menschen sind verschieden, so auch ihre Wege der persönlichen Bildung in diesem erweiterten Sinne. Immer ist im Zug europäischer Bewegungen von Vielfalt die Rede, während im gleichen Atemzug eine seltsam „Einfalt“ propagiert wird. So gesehen ist der Aspekt der Mobilität bei Bologna möglicherweise ein typisches Beispiel für einen beständig wiederkehrenden Mechanismus: Es gibt eine für Fragen der Bildung an sich gute Idee, die potenzielle Verbesserungen in der Bildungslandschaft verspricht. Um diese Idee auch „durchzusetzen“, wird sie formalisiert (indem z.B. „quantifizierbare Ziele“ definiert werden – was erneut ausgebaut werden soll). Im Zuge dieser Formalisierung bzw. Quantifizierung beginnen sich Indikatoren oder Teile eines Ganzen zu verselbständigen und letztlich vor allem im Zuge von Kontrollverfahren skurrile Züge anzunehmen. Nichts gegen Formalisierung und Quantifizierung – aber doch immer im Bewusstsein, dass es Indikatoren für etwas sind, was sich NICHT in der Gänze formalisieren lässt, was man ergänzen sollte durch andere Formen der Überprüfung.

Erwähnenswert ist noch, dass auch die Situation des wissenschaftliches Nachwuchses verbessert werden soll. Leider ist nicht erwähnt, dass die beste Förderung darin bestehen würde, auch Stellen im Anschluss an die wissenschaftliche Qualifizierung etwa in Form neuer Professorenstellen zu schaffen. Das wäre eigentlich die wichtigste Maßnahm, denn: Was nutzt es dem wissenschaftlichen Nachwuchs, während der Qualifizierung bessere Bedingungen zu haben, um am Ende doch auf der Straße zu stehen?

Didaktische Szenarien trotz Entwurfsmuster

Die Diskussion über die Chancen und Grenzen von didaktischen Entwurfsmustern in Peters Blog (z.B. hier) geht ebenso weiter wie das Bemühen, überhaupt zu einer tragfähigen Definition und theoretischen Rahmung zu kommen. Wem das zu hoch ist ;-), der kann sich einstweilen mit einem neuen Vorschlag zur Kategorisierung didaktischer Szenarien begnügen. Das mir schon ein paar Wochen vorliegende kleine Büchlein mit dem Titel „Didaktik und IT-Service-Management für Hochschulen“ von Schulmeister et al. (2009) ist jetzt dankenswerter Weise auch online – hier – verfügbar. Der neue Kategorisierungsversuch greift einige ältere Überlegungen auf und entwickelt diese u.a. für ein Qualitätsmanagement zu mehreren Skalen weiter. Ich finde den Vorschlag sehr interessant, habe mir dazu auch so meine Gedanken gemacht und hoffe, bald etwas ausführlicher dazu Stellung nehmen zu können. Im Moment komme ich nur nicht dazu. In der Zwischenzeit aber will ich es nicht versäumen, darauf zu verweisen.

Bananenverordnung

Michael Kerres berichtet in seinem Blog (hier) von den wundersamen Wandlungen bei den Vorgaben im Akkreditierungsverfahren. Ihm fallen z.B. die wachsenden Details in den Vorgaben auf: „So darf es nach neuesten Vorgaben keine Abschlussprüfung mehr geben. … Der europäische Standardisierungsprozess sieht eine solche Prüfungsleistung nicht mehr vor. Ähnliche Vorgaben gibt es jetzt für die vorgeschriebene Modulgröße, für den Umfang von Masterarbeiten, für die Dauer von Prüfungen etc. Dabei gelten wesentliche Vorgaben von vor fünf Jahren jetzt nicht mehr. Vor fünf Jahren MUSSTE der Studiengang z.B. englisch firmieren (was ich damals für falsch hielt), nun MUSS er deutsch heißen“. Letzteres belegt zum einen, welche Nichtigkeiten da ins Visier geraten, was wohl anzeigt, dass wir uns offenbar in Richtung Bananenverordnung der EU bewegen. Zum anderen wird deutlich, dass man Dinge zur Vorschrift macht, für die es wenig stichhaltige und vor allem offenbar kaum lange haltbare Argumente gibt.

Jeans oder Anzug?

Wer ist schuld an der Bologna-Misere? Oder ist alles nur ein mieses Gerücht? Wer verbreitet es mit welcher Absicht? Die Meinungen sind geteilt, wie eine ganze Reihe von Beiträgen in der ZEIT demonstrieren – und an sich ist das ja nun wirklich nicht verwunderlich: Verschiedene Antworten kommen zustande durch verschiedene Perspektiven und dadurch, dass Lehren und Studieren in hohem Maße von einzelnen Personen abhängig ist – und die waren schon immer verschieden.

„Heute haben die Professoren die Jeans an und ihre Hiwis den Anzug“ – so die Beobachtung eines Hausmeisters an der Uni Tübingen – eine Beobachtung mit Symbolwert? Ja, das kann gut sein, wenn der „Anzug“ für Karrieredenken und die Jeans für zweckfreies Lesen, Denken und Schreiben stehen sollen. Aber so einfach ist das natürlich nicht! Sich konform zu verhalten, muss nicht Ausdruck von Denkfaulheit sein, und natürlich muss man sich hüten, sich überheblich über die Zukunftsängste junger Menschen zu erheben, keinen Job zu bekommen. Und daran ist der Bachelor schuld? Auch das wäre zu einfcah. Heinz-Elmar Tenorth findet seine Bachelor-Studierenden „wissbegierig, bildungsinteressiert und fleißig“. Eine in einem anderen Beitrag zitierte Studentin dagegen ärgert sich über Kommilitonen, die Leistungspunkte wie Rabattmarken im Supermarkt sammeln. Wer hat Recht? Die Frage ist aus meiner Sicht falsch gestellt: Jeder berichtet da aus seiner Warte und ich kenne sowohl die bildungsinteressierten Studierenden als auch die Punktejäger – je nachdem, ob sie sich für das interessieren, was ich anbiete, oder eben nicht. Neben dem Studierverhalten gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Aspekte, die mal als kritisch, mal als unproblematisch in den neuen Studiengängen dargestellt werden: Auslandssemester und Betreuungsfragen kommen z.B. am häufigsten vor. Für jede Pro- und Contra-Sicht gibt es Beispiele und Argumente, die überall zustimmendes Nicken auslösen – auch wenn sie sich widersprechen.

Ein Studium ist allem voran von den beteiligten Personen abhängig: von den Studierenden und von den Lernenden. Die unterscheiden sich – das war schon immer so und das wird auch so bleiben. 100 Prozent Zufriedenheit auf beiden Seiten – das gibt es nicht. Wenn die Anrechnung von Leistungspunkten aus dem Ausland nicht klappt – sorry, aber da ist es eine Ausrede, wenn man die Politik dafür verantwortlich macht. Das macht der Prüfungsausschuss und der besteht aus Professoren. Das haben wir also als Hochschullehrer selbst in der Hand. Wenn man keine kreativen (und bedarfsorientierten) ad hoc-Lösungen in der Lehre mehr umsetzen kann, weil das nicht im akkreditierten Studiengang steht – ja, das ist schon schlechter: Da kann man als Hochschullehrer nicht so einfach den Weg gehen, den man inhaltlich an sich vertreten kann. Hier hat man uns bereits Handschellen angelegt. Setzen wir uns darüber hinweg und gefährden eine Akkreditierung, dann hat man Ärger am Hals – von den Kollegen und vielleicht auch von den Studierenden. Wenn die versprochene Betreuung im Bachelor nicht besser wird, dann reichen wir nochmal tiefer an tatsächlich bildungspolitische Grundsatzprobleme heran: „Schauen Sie sich den Stapel in meinem Büro an. Ich habe eine Siebentagewoche. Neun Stunden Lehrverpflichtung sind einfach nicht zu leisten, wenn man die neuen Lehr- und Lernformen ernst nimmt. Sie müssen die Mentoren und Tutoren für die Lehre betreuen, Reader mit der wichtigsten Literatur erstellen, auf studentische Kritik an den Lehrveranstaltungen eingehen. Und dann sollte man als Professor auch noch exzellent forschen, denn nach der Forschungsleistung bemessen sich der Erfolg und die finanzielle Zuweisung. Das ist irre! Man kann nicht verlangen, dass Studenten hierzulande so gut wie in Harvard betreut werden, aber kein Geld dafür investieren.“ Ternoth trifft einen wichtigen Punkt mit dieser Aussage – das kann ich nur unterstreichen!

Wir haben mit Bologna eine überfällige Reform der Hochschulen angeschoben, aber irgendwie hat man da zwei Esel vor einen langen und schweren Güterzug gespannt … und ihnen moderne Flyer umgehängt. Bei mir verursacht die ganze Exzellenz- und Wettbewerbsrhetorik im Zusammenhang mit Bologna inzwischen gewltigen Ärger, obschon ich rein gar nichts gegen Modularisierung, gegen Leistungspunkte und studienbegleitende Prüfungen habe. Und wieso sollte man als Hochschullehrer etwas dagegen haben, Studierende „berufsfähig“ zu machen – ja was sonst? Aber wieso bitteschön, sollten Wissenschaft und Forschung, auch ein forschendes Lernen, das Eindenken in eine Wissenschaft NICHT dabei helfen, einen Beruf verantwortungsvoll auszuüben? Wer um Gottes Willen hat denn in die Welt gesetzt, dass man sich Berufsfähigkeit nur in Trainings für Präsentieren und interkulturelle Kommunikation holen kann? Warum sollte man Forschungsmethoden erst im Master lernen – was ist denn das für ein Blödsinn? Wer den verzapft, der kann nie verstanden haben, was Wissenschaft, was wissenschaftliches Denken und Handeln gerade auch für praktische Problemlösungen leisten kann. Natürlich muss man dann die Brücke zur Praxis in der Lehre auch schlagen, indem man wissenschaftliche Angebote ergänzt durch Praxiskontakte und Projektseminare mit der Wirtschaft, durch Praktika und Kooperationen außerhalb der Uni.

Nicht die Grundidee von Bologna nimmt uns die Luft zum Atmen, sondern die bürokratische Umsetzung, der Unsinn mit den Akkreditierungsagenturen und die wiederholten Versuche, Studierende und Hochschullehrer gegeneinander auszuspielen – was auch die Medien gerne tun, die ja von den Schlagzeilen-tauglichen dummen Studierenden ebenso leben wie von den faulen Professoren. Ich hätte gerne Professoren in Jeans UND Anzügen; mir ist es völlig egal, ob Studierenden grüne Haare haben (haben sie aber nie – warum eigentlich nicht?) oder im Business-Kostüm herumlaufen. Das muss doch jeder selber wissen. Ich habe eher Angst vor Uniformität und davor, dass wir allesamt verlernen, selbst zu denken, einen eigenen Standpunkt zu entwickeln und einen persönlichen Weg zu finden, dass wir uns nicht mehr trauen, blödsinnige Regeln schlichtweg NICHT zu befolgen.

Freiheit und Utopie

Freiheit und Utopie – das sind starke Worte, die da den taz-Kongress zum 30-jährigen Bestehen der Zeitung (letzte Woche) schmücken. Auch das Thema „Lernen 2.0“ (weil es mehr Freiheit verspricht oder eine Utopie bleibt?) wurde diskutiert – und zwar in einer Runde, in der Mandy vertreten war. Sie hat denn auch dankenswerter Weise in ihrem Blog eine Zusammenfassung (hier) gegeben. Im taz-Blog selbst findet sich außer der Ankündigung enttäuschender Weise nichts (oder habe ich es nur nicht gefunden?), obschon es doch nur konsistent wäre, hier etwas aktiver ein Vorbild zu sein. Auch die Artikel-Serie (ich habe hier davon berichtet – und damit endlich mal eine kleine Diskussion ausgelöst ;-)) scheint ja erst mal nicht weitergegangen zu sein: Wann also kommt das Lernen 2.0 (bei der taz) wieder in Gang?

Nachtrag: Im Kommentar nun doch ein Link auf die (verstpäteten) Blogbeiträge, die es zum Kongress zu lesen gibt. Danke für den Hinweis.

Universitäre Praxis als Ressourcenmanagement

Angeregt durch die Lektüre von Richard Münchs „Globale Eliten, lokale Autoritäten“ (auf Rezensionen dazu habe ich hier verwiesen) lese ich gerade einige Artikel aus dem Sammelband „Wissenschaft unter Beobachtung. Effekte und Defekte von Evaluationen„, herausgegeben 2008 von H. Matthies und D. Simon (VS Verlag für Sozialwissenschaften). Die dort versammelten Autoren (mit Ausnahme des letzten: der ist Restaurantkritiker und bringt eine treffende Analogie für die „Evaluitis“ aus dem Bereich der Sterne-Restaurants) stammen (fast) alle aus dem weiten Umkreis von (Wissenschafts-)Soziologie und Politikwissenschaft. Für Psychologen und Pädagogen ist das daher nicht ganz so einfach zu lesen, aber äußerst anregend. Das Buch ist ein sehr gutes Pendant zu Münch, der natürlich einen eigenen (für mich an vielen Stellen durchaus überzeugenden) Argumentationsstil hat und sicher nicht alle möglichen Argumente und Sichtweisen entfalten kann, wenn es darum geht, Phänomene wie New Public Management und die damit verbundene Ökonomisierung von Bildung und Wissenschaft zu beschreiben und einzuschätzen.

Ein Beitrag beschäftigt sich mit der unternehmerischen Orientierung von Wissenschaftsorganisationen, der mich immer wieder daran erinnert, dass es Zeit wird, das auch von mir bearbeitete Thema „Wissensmanagement“ in öffentlichen und nicht kommerziell ausgerichteten Organisationen vor diesem Hintergrund noch kritischer zu beleuchten. In der Überarbeitung meines Studientextes (bei dem aber das letzte Kapitel leider immer noch aussteht; siehe hier) habe ich das bereits berücksichtigt, aber nachdem ich in den letzten Wochen wegen zweier im Juni anstehender Vorträge vermehrt Texte zum hier angerissenen Themengebiet gelesen habe, muss ich darüber noch vertiefter nachdenken. Leider gibt es zum Band von Matthies und Simon nichts online.

Zitiert wird in einem Artikel aber ein kurzer und lesenswerter Artikel von David Gugerli, Professor für Technikgeschichte an der ETH Zürich (2005), der die unternehmerische Ausrichtung der eigenen Universität zum Ausgangspunkt einiger Ausführungen nimmt (hier): Die forschungsorientierte Hochschule des 21. Jahrhunderts folge – so schreibt er – den Regeln des New Public Management und werde mit unternehmerischen Controlling- Technologien überwacht, sodass aus ihrer akademischen Autonomie eine betriebswirtschaftliche Budgetautonomie geworden sei. Aus der Managementkultur – so Gugerli – folge ein Zwang zur Formalisierung, der Inhalte oft zu einer zweitrangigen Sache werden lasse oder sogar die Wirkung von negativen Anreizen habe, in jedem Fall die in der Wissenschaft so notwendige Kreativität untergrabe. Zitat: „Management ist als Topos … allgegenwärtig – der Zuwachs der Bedeutung universitärer Verwaltung ist unübersehbar. Er geht einher mit einer zunehmenden Marktförmigkeit der Produkte und der Sozialbeziehungen innerhalb der Hochschule, und er verwandelt universitäre Praxis in eine Sonderform von Ressourcenmanagement.“

Eines frage ich mich: Wenn sich doch offenbar eine ganze Reihe von Hochschulangehören aus verschiedenen Disziplinen einig sind, dass der jetzt eingeschlagene Weg zwar eine notwendig andere Richtung nimmt als früher (denn früher war ja wohl nicht alles besser), aber offenbar nicht der richtige, sondern ein für das Gefährt sogar riskanter Weg ist (deren Wegweiser verwirrend und auch nicht immer glaubwürdig sind), warum bleiben wir dann nicht stehen und suchen einen anderen? Warum traben wir weiter zwanghaft auf diesem Weg weiter?

Rückendeckung auf Verbandsebene

Im aktuellen Newsletter des Deutschen Hochschulverbands (DHV) heißt es: „Der Deutsche Hochschulverband (DHV) will seinen Forderungen nach einer grundlegenden Umgestaltung des Akkreditierungswesens in Deutschland notfalls dadurch Nachdruck verleihen, dass er seine 24.000 Mitglieder aufrufen wird, sich als Gutachter für Programmakkreditierungen zukünftig nicht mehr zur Verfügung zu stellen.“ (Pressemeldung) Wieso „notfalls“? Wieso überhaupt ein Aufruf? Wenn man selbst drüber nachdenkt (siehe hier), kommt an sich auch allein drauf, dass an diesem System etwas nicht stimmen kann. Aber klar: Es wäre schon gut so ein Aufruf vom DHV, denn sowohl der Newsletter als auch die Zeitschrift „Forschung und Lehre“ werden viel gelesen. Und mein Vorschlag in der Kleinst-Community der bloggenden Hochschullehrer hätte Rückendeckung auf Verbandsebene. Das wär doch was 🙂

Intellektueller Kapitalismus

Seit knapp zwei Wochen gibt es von Richard Münch ein neues Buch: „Globale Eliten, lokale Autoritäten, Bildung und Wissenschaft unter dem Regime von PISA, McKinsey und Co„. Nachdem in seinem letzten „Beststeller“ vor allem die Forschung im Vordergrund stand (mir hatte das Buch zur „Akademischen Elite“  recht gut gefallen; ich habe hier darüber berichtet – mein Gott, wie die Zeit vergeht), widmet sich Münch nun stärker der Bildung und stellt Dinge fest, die an sich seit Jahren in zahlreichen Artikeln z.B. der Zeitschrift „Forschung und Lehre“ immer wieder zu lesen sind: Die Problematik von Bologna mit der dazugehörigen Bürokratisierung, die Schwierigkeit der schleichenden Ökonomisierung über Marktprinzipien und den viel beschworenen Wettbewerb etc. An Münch sieht man, wie wichtig es ist, dass man mit diesen Aussagen nicht in der „eigenen Community“ (wie bei oben genannter Zeitschrift) verbleibt, innerhalb derer man zwar viel Konsens erzielt, der aber außen nicht gehört wird. Von diesem „Außen“ sind Wissenschaft und Lehre an der Hochschule nun eben abhängig. Auch wenn Münch also aus einer bestimmten Perspektive über die „Wissenschaftsstars“ schimpft, die man sich an die Hochschulen holt, während man dann an vielen anderen Ecken sparen muss, zeigt er doch, dass diese Stars aus einer anderen Perspektive wieder wichtig sind – z.B. als Sprachrohr wie er selbst. Und er zeigt, wie essenziell der richtige Zeitpunkt für Kritik ist: Erst der Zusammenbruch der globalen Wirtschaft infolge der Bankenkrise hat das Feld dafür geebnet, dass mehr Leser überhaupt geneigt sind, ihm (oder vielleicht auch den vielen anderen) zuzuhören. Das ist natürlich auch ärgerlich: Denn was bleibt von der Kritik, wenn sie schon fast wieder Mainstream ist?

Ein guter Beitrag zu Münchs neuem Buch findet sich im Deutschlandfunk (hier). Weniger gelungen finden ich den Beitrag in der SZ (hier): Der Autor wirft hier ein bisschen viel durcheinander – allerdings natürlich auch angeregt durch Münchs Aussagen, der an manchen Stellen übers Ziel hinausschießt. So habe ich z.B. den Eindruck, dass die Bedeutung des Wissens für unsere Gesellschaft (Wissensgesellschaft) und damit auch für Ökonomie und Arbeit (Wissensökonomie und Wissensarbeit) verkürzt dargestellt wird. Diese Entwicklungen sind ja keinesfalls so zu verstehen, dass damit auch jeglicher Umgang mit Wissen wirtschaftlichen Prinzipien zu unterwerfen ist. Im Gegenteil: Die wachsende Bedeutung des Wissens für Ökonomie und Arbeit macht die Rolle von Bildung und Lernen ja besonders deutlich! Die Antwort darauf kann also genau nicht ein „intellektueller Kapitalismus“ sein, sondern – wie in diesem Blog (hier) ja bereits ausführlich diskutiert – eine „Aufklärung 2.0“. Aber da ist Münch noch nicht. Ich hätte es sehr spannend gefunden, wenn sich ein erfahrener Wissenschaftler wie Münch bei einem solchen Buch mit jüngeren Co-Autoren zusammengetan hätte, die in unserer kapitalistischen Welt Nischen gefunden haben, in denen Ansätze einer solchen „Aufklärung“ aufscheinen.

Trotz dieser (kleinen) Kritik: Toll wäre es, wenn man Münch an diesem „Improve-Kongress“ (ich habe einigermaßen erschüttert vor nicht allzu langer Zeit hier davon berichtet) die Eröffnungsrede halten ließe – dann würde ich auch hingehen.  🙂

Wie gut ist ein Forscher in den Geistes- und Sozialwissenschaften?

Wie gut ist ein Forscher? So gut wie seine Publikationsliste. Aber natürlich nicht jede Liste! Das Gericht in einem Fünf-Sterne-Lokal erfordert ja auch erlesene Zutaten (aber wer weiß eigentlich schon, ob sich da nicht auch Discounter-Ware einschleicht?) und die kommen eben nicht irgendwo her. So ist das mit den Publikationen auch. Allerdings besteht wenig Konsens darin, was die „erlesenen Quellen“ sind und was man meiden muss – jedenfalls in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Der Unmut darüber, dass sich schon seit längerem in den Geistes- und Sozialwissenschaften Beurteilungspraktiken breit gemacht haben, die aus den Naturwissenschaften kommen, war und ist groß. Umso erfreulicher sind Vorstöße, hier differenzierter zu werden und die Besonderheiten der Disziplinen sowohl in der Forschung als auch in der Art der Veröffentlichung Rechnung zu tragen. Hierzu gibt es aktuell bei der DFG einen interessanten Hinweis (hier):

Die DFG spricht sich gegen den European Reference Index for the Humanities (ERIH) aus – einen Ansatz zur Bewertung von Zeitschriften als Publikationsorten für geistes- und sozialwissenschaftliche Forschungsergebnisse. Kritisiert wird zum einen, dass auch dieser Ansatz erneut allein Zeitschriften im Blick hat (und z.B. nicht Monografien und Sammelbände), und zum anderen, dass ad hoc zusammengesetzte Expertenpanels die Klassifizierung dieser Zeitschriften vorgenommen hätten. Das Ergebnis sei unterkomplexen und lade zu Missbrauch ein. Zusammen mit drei anderen Förderorganisationen aus Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden hat die DFG daher bereits Ende 2008 ein „Project Board unter Leitung von Professor Ben Martin, Universität Sussex“ initiiert – woher da jetzt die Experten kommen und wieso die nicht ad hoc zusammengesetzt sind, steht leider nirgendwo. Positiv aber ist folgendes Versprechen für die Arbeit dieser Gruppe (ich zitiere):

„Dabei sollen sowohl die Diversität europäischer Wissenschaftssprachen als auch die spezifischen Kommunikations- und Publikationsformen der einzelnen Disziplinen als besondere Herausforderungen mit bedacht werden. Beispielhaft sind hier die in vielen Fächern zentralen Publikationsformen der Monografie und des Sammelbandes zu nennen …“.

Schade, dass z.B. Lehrbücher und andere Lehrmaterialien wiederum NICHT berücksichtigt werden, obschon dies für den Transfer von Wissen und Wissenschaft und für die viel beschworene Einheit von Forschung und Lehre ja wohl auch SEHR wichtig wäre. Ein gutes Lehrbuch schreiben zu können, wäre das nicht auch eine wichtige Qualität eines Forschers? Wäre das nicht eine viel sinnvollere Initiative im Zuge einer höheren Wertschätzung der Lehre als ständig diese „Exzellenz-Wettbewerbe“? Ich frag ja nur …