Positionspapier zur Hochschullehre

Die junge Akademie (ein Projekt der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, deren Mitglieder 50 junge Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus dem deutschsprachigen Raum sind) hat in der AG Lehre ein Papier mit Überlegungen zur Stärkung und Verbesserung der Lehre verfasst (Download hier).

Als Probleme werden der Verlust der Einheit von Forschung und Lehre, mangelnde Anerkennung der Lehre, unzureichende Nutzung bestehender Personalressourcen, zunehmende Bürokratisierung sowie chronische Unterfinanzierung deutscher Universitäten ausgemacht. Parallel dazu sind die vorgeschlagenen Ansatzpunkte für Verbesserungen formuliert: Stärkung einer engen Verbindung von Forschung und Lehre, Flexibilisierung bei der Lehrverpflichtung, mehr Anerkennung guter Lehre, bürokratische Entlastungen und erhebliche Erhöhung finanzieller Mittel. Nicht der Problemlösung würden Lehrprofessuren, zentrale Institutionen der Hochschuldidaktik und eine Deutsche Lehrgemeinschaft dienen. Letztere würde die Trennung von Forschung und Lehre nur weiter vorantreiben.

Ich stimme in fast allen Punkten zu. Auch Lehrprofessuren halte ich für sinnlos – wenn man welche bekommt und quasi nehmen „muss“, wird man aber wohl damit umgehen können, vor allem wenn sich die Lehrbelastung auf 12 SWS z.B. begrenzt, denn: Rechnet man wirklich mal konsequent auch Doktorandenkolloquien und vor allem die Betreuung von Abschlussarbeiten in die Lehrverpflichtung ein, ist man eh fast immer bei 12 SWS (das ist jedenfalls bei mir so). Eine Deutsche Lehrgemeinschaft halte ich ebenfalls für nicht zielführend – das ist wie bei den Frauenbeauftragten: Man schafft Stellen und Institutionen, um das Gewissen und das alltägliche Handeln zu entlasten, blödsinnige Formalia abzuspulen und sich insgeheim darüber lustig zu machen. Besser im Alltagsgeschäft die Lehre aufwerten und mit den neuen Herausforderungen mutiger und kreativer umgehen – mit dem notwendigen Maß an Anerkennung von Lehrleistungen. Was die Institutionen zur Hochschuldidaktik dagegen angeht, bin ich etwas anderer Meinung als die Autoren/innen des Papiers: Zwar stimmt die Kritik, dass domänenunspezifische Kurse für einzelne Lehrfertigkeiten wenig substanzielle Veränderung bewirken, aber wer sagt denn, dass das die zentrale Aufgabes olcher Institutionen ist? Das ist wohl eher eine Frage der Gestaltung und Ziele der Hochschuldidaktik-Institutionen, um die es da geht, und – das sehe ich auch so – da kann man noch viel verändern, besser machen und neu „erfinden“.

Bildungsserver Blog

Seit März 2008 gibt es einen eigenen Blog des Bildungsservers, in dem Aktuelles zu Bildungsthemen berichtet, diskutiert und kommentiert werden soll (Link zum Blog). Alle Bildungskontexte sollen vertreten sein: Elementarbildung, Schule, Hochschule, Weiterbildung. Man hofft auch auf eine rege Beteiligung der Landesbildungsserver. Finde ich sehr positiv, habe den Blog auch gleich in meine Liste aufgenommen. Da ich im Moment leider nicht auf allen Seiten immer auf dem Laufenden bin und auch den Informationsdienst Wissenschaft mitunter nicht ganz so aufmerksam verfolge (wo bleibt eigentlich nur immer die Zeit?), bin ich mit der Meldung leider ein bisschen spät dran – aber na ja … was ist schon ein Monat angesichts der heutigen Lebenserwartung.

E-Learning und Evaluation

Peter Baumgartner hatte es bereits (hier) angekündigt: Die Dissertation von Annabell Preußler mit dem Titel „Wir evaluieren uns zu Tode. Möglichkeiten und Grenzen der Bewertung von Online-Lernen“ ist fertig und nun auch – erfreulicherweise – online zugänglich. Auch in Augsburg werden zunehmend mehr Dissertationen online publiziert – ein paar werden bei uns in diesem Jahr auch fertig – ich werde natürlich informieren.

Hier noch die Kurzfassung der Arbeit von Frau Preußler:

E-Learning ist derzeit uneingeschränkt up to date. Der Frage, worin dessen Vorteile liegen, wird oftmals mit wissenschaftlichen Studien begegnet: Wird durch E-Learning tatsächlich ein höherer Lernerfolg erzielt als mit traditionellem Lernen? Wie ist dieser messbar? Um in der Praxis zu untersuchen, ob ein E-Learning-Setting oder eine Präsenzveranstaltung besser zum Lernen geeignet ist, werden in der Regel Vergleichsuntersuchungen durchgeführt. In diesem Beitrag soll es darum gehen, die Schwierigkeiten dieser Art von Bewertung aufzuzeigen. Nach einer theoretischen Auseinandersetzung mit den Konstrukten Lernqualität und Lernerfolg werden Studien, die sich mit dem Zusammenhang von E-Learning und Lernerfolg beschäftigen, im Rahmen einer Meta-Evaluation analysiert und bewertet. Das Forschungsinteresse geht der Vermutung nach, dass Lernerfolg nicht eindeutig operationalisierbar ist und unspezifische Vergleiche von Online- versus Präsenzlernen nicht uneingeschränkt sinnvoll anwendbar sind. Dennoch werden am Ende der Arbeit Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen – diese greifen vor allem den Aspekt der Lernziele auf.

Dazu passt ja vielleicht auch eine aktuelle HIS-Studie zu Kapazitätseffekten von E-Learning an deutschen Hochschulen. Auch diese Publikation kann man kosten (hier) runterladen.

Interaktionsmodi zwischen Wissenschaft und Praxis

Einen schönen Überblick über verschiedene Interaktionsmodi zwischen Wissenschaft und Praxis liefert Fritz C. Staub in seinem Text „Fachspezifisch-Pädagogisches Coaching: Ein Beispiel zur Entwicklung von Lehrerfortbildung und Unterrichtskompetenz als Kooperation“ (Seite 118 bis 124) erschienen in der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 2004, 7(3), 113-141.

Leider bin ich (über Frank) erst jetzt auf diesen Beitrag gestoßen – leider deswegen, weil die Frage nach dem Nutzen der Bildungswissenschaft bzw. danach, welchen Stellenwert der (praktische) Nutzen in der Bildungswissenschaft haben darf oder muss, ja ein Thema ist, das mich immer wieder beschäftigt (siehe ältere Blogeinträge: z.B. hier). Staub bemängelt, dass es zwar eine immense Forschungsleistung in der Bildungswissenschaft gibt, die davon ausgehenden Wirkungen auf die Praxis allerdings eher dürftig sind. Er weist anhand seines Beispiels (fachspezifisch-pädagogisches Coaching) u.a. darauf hin, dass es für eine nutzenorientierte Forschung insitutioneller Rahmenbedingungen (einschließlich Fördergelder) bedarf und die bloße Bereitschaft zur Kooperation keineswegs ausreicht (auch wenn diese natürlich unabdingbar ist).

Ich meine ja, es ist generell an der Zeit, den Begriff vor allem der empirischen Bildungsforschung differenzierter zu behandeln, auszuarbeiten und die Förderpolitik entsprechend vielfältiger zu gestalten, denn : Es kann nicht sein, dass man bei einem so komplexen Feld wie der Bildung darauf setzt (und hofft), mit einer Monokultur in der empirischen Forschung sichtbare und umsetzbare Fortschritte zu erzielen – und zwar sichtbar und umsetzbar für die Praxis.

Gibt es eine "net generation"?

Die allgegenwärtige Behauptung, dass die zukünftigen Studierenden der Net Generation anders sind und anders lernen, und zwar so grundlegend anders, dass genau das die wichtigste Begründung dafür sei, dass wir neue Konzepte für die Lehre benötigen, das ist Rolf Schulmeister schon seit längerem ein Dorn im Auge. Für ihn ist diese Begründung teils schwach, teils sogar unseriös und er zeigt in seinem über 100 Seiten fassenden Dokument mit dem Titel „Gibt es eine ´net generation´?“, wie und warum er zu diesem Urteil kommt. Er tut dies mit vielen Hinweisen auf interessante Studien und Befunde und mit ebenso zahlreichen Argumenten gegen die mitunter raschen und oberflächlichen Behauptungen und Interpretationen von Forschern und Experten, die es eben damit nicht so genau nehmen. Man mag nicht mit allen Interpretationen und Folgerungen mit Rolf Schulmeister übereinstimmen – muss man ja auch nicht, denn was wäre die Wissenschaft, wenn wir immer aller Meinung sind. Aber ich meine, man kann ihm nur voll und ganz zustimmen, dass wir eines nötig brauchen: Eine transparente und sorgfältige Auseinandersetzung zu diesem Thema, Redlichkeit bei den Aussagen, Beachtung empirischer Studien und eine verantwortliche Deutung der Ergebnisse – aber auch Mut, dem Mainstream zu widersprechen, wenn es denn sinnvoll ist.

Rolf Schulmeister stellt seinen Beitrag online zur Verfügung – ich bin gespannt auf die Reaktionen. Hier der Link.

Playing to learn

Das Thema game-based learning ist schwierig – vor allem, wenn man nach seriösen Studien, aber auch guten und praktikablen Gedanken sucht. Das Thema ist umrahmt von vielen Missverständnissen und aus fast jedem Pro-Argument kann man letztlich auch ein Contra-Argument machen. Umso wichtiger halte ich Beiträge wie den von Celina Byers in einer aktuellen Ausgabe der Online-Zeitschrift International Journal of Teaching and Learning in Higher Education – abzurufen hier. Der Beitrag ist insofern interessant, als dass er ein konkretes Beispiel liefert, wie man das Spiel in einem insitutionalisierten Bildungssetting einsetzen kann.

PISA-Kritik-Buch und was das auch mit Bologna zu tun haben könnte

Erst jetzt habe ich – anlässlich eines aktuellen Beitrags in Forschung und Lehre – ein Interview mit Thomas Jahnke zu seinem Buch „PISA & Co. Kritik eines Programms“ gefunden, nämlich hier: Ich kann viele Punkte dieser Kritik nachvollziehen, frage mich aber gleichzeitig, warum man das Assessment-Problem einfach nicht in den Griff bekommt bzw. warum sich da ständig solche Gräben zwischen denjenigen auftun, die jede Form von Assessment wie auch Evaluation strikt ablehnen, und denjenigen, die meinen, damit die Welt retten zu können. Gut, Extrempositionen sind in der Regel besser zu vermitteln, aber geht es nicht doch auch anders? Ich meine, Assessment in Schule UND Hochschule KANN hilfreich sein – für alle Seiten, wenn es einem gelingt, dieses mit Lernen und Lehren sinnvoll zu verbinden. Vielleicht kann man diese Argumentation (siehe dazu einen Arbeitsbericht aus dem letzten Jahr) auch im PISA-Zusammenhang aufgreifen?

Mitunter bin ich hin- und hergerissen: Auf der einen Seite haben viele sowohl PISA- als auch Bologna-Kritiker recht mit zahlreichen Details, die sie anprangern. Und bei Bologna geht mir die Bürokratisierung und vor allem der Umstand extrem auf die Nerven, dass Akkreditierungsagenturen (völlig zu Unrecht, wie ich meine) eine solche Macht erlangt haben. Aber war und ist das wirklich im Sinne von Bologna? Auch Bürokratiemonster sind so mit Sicherheit nicht zwingend gewesen. Denn man muss schon auch sehen: Was soll daran schlimm sein, Ziele transparent zu machen und auf diese Weise Vergleichbarkeit herzustellen? Warum sollte es schaden, sich über Kompetenzen und Standards Gedanken zu machen – wie soll ich denn gute Lehre machen, wenn ich das nicht ohenhin tue? Ist es nicht viel eher eine Frage des Wie? Kommt der (berechtigte) Frust nicht eher daher, dass man die Ziel- und Standardsetzung den Hochschulllehrern nicht mehr zutraut und statt dessen Akkreditierungsagenturen deren Bewertung überlässt? Und vielleicht ist es bei PISA ähnlich?

Um noch einmal auf Jahnke zurückzukommen: In besagtem Beitrag in Forschung & Lehre spricht er eine interessante Verbindung zwischen PISA und Universität an: „So profitiert etwa die empirische Bildungsforschung nahezu unmäßig von dieser … Mutter aller Tests. Man kann in diesem Bereich geradezu von einer Überhitzung der Konjunktur sprechen. Serienweise werden Professuren in dieser Disziplin ausgeschrieben“. Ja, das ist mir auch schon aufgefallen, wobei: Ich habe nichts gegen die empirische Bildungsforschung – im Gegenteil; aber ich habe etwas gegen die einseitige Auslegung, wie diese auszusehen hat, und ich wundere mich, dass die Politik mit diese Monokultur so glücklich ist ! Doch dazu ein andermal mehr.

schuleZWOnull

schuleZWOnull heißt eine Initiative von Alfons Musolf und erreichbar ist das Ganze hier. Auf dieser Seite, die sich laut Auskunft des Betreibers erst noch im Aufbau befindet, soll interessierten Lehrern in sehr einfacher Weise ein Zugang zu Web 2.0-Werkzeugen eröffnet werden. Gut gefallen mir vor allem die einfachen kurzen Screencasts (z.B. hier), die für die tägliche Arbeit vieler Lehrer sicher hilfreich sind. Mich ermutigen solche Seiten (und vor allem deswegen verweise ich darauf) ähnlich wie bloggende Lehrer. Sie zeigen, dass auch in der Schule (die sich mit Änderungen nun mal schwer tut) eine ganze Menge vorangehen kann, wenn nur engagierte Personen dahinter stehen!

Bessere Lehre im Bachelor-Studium?

Eine neue Studie der HIS GmbH unter Absolventen von BA-Studiengängen (abrufbar hier) kommt u.a. zu folgendem Schluss:

„Moderne, aktivierende Lehr- und Lernformen kommen im Bachelorstudium häufiger zur Anwendung als in traditionellen Studiengängen. Und auch zahlreiche andere Aspekte des absolvierten Studiums bewerten Bachelorabsolventen besser als Absolventen mit herkömmlichen Abschlüssen – dazu gehören u. a. die wissenschaftliche Qualität der Lehre, die Praxisbezüge im Studium und die kommunikativen Strukturen. Aber auch bei den Absolventen mit herkömmlichen Abschlüssen fallen die Urteile über das Studium beim aktuell befragten Jahrgang im Vergleich mit früheren Jahrgängen besser aus. Die Umstellung auf die neuen Abschlüsse legt somit Potenziale zur Erneuerung des Studiums frei, die auch auf die tradierten Studiengänge abstrahlen. Dieses Ergebnis ist insbesondere für die Kompetenzentwicklung von Studierenden von Bedeutung, da sich die erwähnten aktivierenden Lehr- und Lernformen positiv auf das Niveau der im Studium entwickelten Kompetenzen auswirken.“

Ab Seite 47 in dem Bericht kann man nachlesen, auf welche Items sich diese Aussagen stützen, und die sind eher breit und unspezifisch. Trotzdem: Immerhin ein positives Signal, dass Bologna nicht zwangsläufig zu Verschlechterungen im Lehrbetrieb führt, sondern dass es tatsächlich einen Gestaltungsspielraum gibt!

Öffentlicher Dialog über den pädagogischen Nutzen digitaler Medien

Dank Jochen Robes bin ich auf eine sehr interessante Seite des „Economist“ aufmerksam geworden: Zwei Experten beziehen zum Thema Lernen/Bildung mit digitalen Medien öffentlich Stellung (hier) und diese Stellungnahmen dürfen kommentiert werden – was etliche Leser auch fleißig tun (kann man sich hier anschauen). Das Ganze wird auch moderiert, dauert mehrere Tage (und ist morgen abgeschlossen). Ich finde das Format auf jeden Fall spannend: Einmal als eine Möglichkeit der Nutzung digitaler Medien zum öffentlichen Diskurs, der oft genug nicht stattfindet (statt dessen werden verschiedene Statements aneinandergereiht). Zum anderen aber könnte man sich auch überlegen, wie man dieses Format didaktisch nutzbar machen kann. Wie das Ganze funktioniert, kann man hier nachlesen.