Wie eine Schulstunde – ohne Frühstück

Unter dem Titel „Eine ganz normale Seminarsitzung“ findet sich in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Forschung und Lehre“ der Bericht eines Geschichtsprofessors, der manchem Leser etwas zynisch, anderen Lesern dagegen bekannt vorkommen wird und auf wieder andere vielleicht sogar entlastend wirkt. Ich beschränke mich auf zwei längere Zitate, weil man den ganzen Text auch selbst online hier nachlesen kann:

„Um 9.15 sind alle heute zum Erscheinen Entschlossenen vollzählig. Gelegentliche Ermahnungen, mit dem Thema Pünktlichkeit doch erwachsen und so umzugehen, als sei die Universität ein Arbeitgeber, verfangen dauerhaft ebenso wenig wie die wiederholt vorgebrachten Hinweise, dass in akademischen Lehrveranstaltungen nicht gefrühstückt wird. […] In der Seminarsitzung heute fehlt einer der zwei Referenten. Die letzten Wochen war er da, er hat das Doppelreferat angeblich mit einem Kommilitonen vorbereitet, nun fehlt er unentschuldigt. Ich bin weniger überrascht als der vereinzelte Referent. Inzwischen muss ich davon ausgehen, jede Sitzung eines Seminars, in dem aufgrund eines seit einem Dreivierteljahr bekannten Themenplans Referate gehalten werden sollen, mit Unterrichtsmaterialien wie eine Schulstunde auffangen zu können, wenn die Referenten ohne oder nach kurzfristiger Absage ausfallen“.

Nach dieser resignierend wirkenden Darstellung eines Dauerzustands folgt eine konkrete Episode über den „vereinzelten Referenten“:

„ ´Hallo. Ich bin der Marco und erzähle Euch heute etwas über, äh, …´. Marco bekommt durch die Mithilfe einer Kommilitonin den Beamer nach nur fünf Minuten in Gang. … Marcos halbes Referatsthema ist die Rolle der Reichsregierung in der Julikrise 1914. Sein fehlender Mitreferent hätte über den Generalstab sprechen sollen. Aufteilung und die einzelnen Punkte der Agenda einschließlich gedruckter Quellen und einschlägiger Sekundärliteratur habe ich mit Marco, der im fünften Fachsemester eines sechssemestrigen B.A.-Studiengangs ist, detailliert durchgesprochen. Der Beamer wirft nun Marcos Namen, den fast fehlerfrei getippten Titel seines Referats, Datum und Matrikelnummer, das Logo unserer Anstalt sowie die drei Gliederungspunkte an die weiße Wand. Diese kommen mir bekannt vor, weil ich sie Marco vorgeschlagen habe. Neun Minuten lang wird Marco, der aufgefordert war, ein diskussionsorientiertes Referat mit Thesen zu halten und den Seminarteilnehmern die für ihn ausgesuchten Schlüsselquellen vorzustellen, eine Chronologie der Julikrise 1914 vortragen, die erkennbar aus der Datenliste stammt, die ich in den Semesterferien vor dem Seminar neben anderen Materialien zur Verfügung gestellt habe. […] Meiner Einladung, einmal ausführlich über sein Referat unter vier Augen zu sprechen, kommt Marco nicht nach, wird sich aber über die Note auf seinem Leistungsnachweis beim Studiendekan beschweren und mich als Prüfer in seinem B.A.-Abschluss meiden. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird er danach irgendwo ins Masterstudium gehen.“

Ob das nun eine „ganz normale Seminarsitzung“ – was ja ein wenig nach Repräsentativität klingt – oder gar nur die Spitze eines Eisbergs oder ein Beispiel ist, das man zwar kennt, aber nicht die Mehrheit von Seminarsitzungen repräsentiert, sei dahingestellt. Ich bin ja schon der Meinung, dass die Leistungen und das Engagement von Studierenden AUCH eine Reaktion auf die didaktische Leistung und das Engagement eines Lehrenden sind. Bezeichnenderweise signalisiert der Bericht schon eine recht negative Haltung zu hochschuldidaktischen Bemühungen, und vielleicht könnte man ja mal auf die Idee kommen, dass das eine mit dem anderen durchaus zusammenhängt. Allerdings kommt es auch nicht von ungefähr, dass – so meine Vermutung – viele Hochschullehrer, die das lesen, wissend lächeln werden, denn natürlich gibt es diese Fälle überall. Was mich z.B.  immer sehr ärgert ist, wenn Studierende kein Feedback haben wollen, oder dieses einfordern, dann aber gar nicht richtig zur Kenntnis nehmen geschweige denn berücksichtigen. Da kommt man sich dann einfach nur veralbert vor und fragt sich schon, warum man sich das antut. Aber es gibt eben AUCH die anderen „Fälle“ und „Sitzungen“ – das heißt: Lehrsituationen, in denen es Entwicklungen, kleine und größere Verbesserungen von Leistungen, entstehendes Interesse und Veränderungen im Laufe der Zeit (manchmal auch länger verzögert) gibt, die man mit Testverfahren und Evaluationsmaßnahmen am Ende einer Veranstaltung nicht einfangen kann, sondern die man erst erkennt, wenn man Studierende etwas länger kennt, mit ihnen spricht und auch mal genauer hinhört.

Also, lieber Kollege (wie man so schön sagt): Ich kann das einerseits schon verstehen (und teilweise nachfühlen) – den Frust und die Unverständnis vor dem Neun-Minuten-Referat, der schlampigen Sprache und Gefummel am Beamer, aber: Ebenso wenig, wie wir das als neues Niveau verwenden und aus universitären Veranstaltungen reine Schulstunden machen dürfen, sollten wir dauerhaft zynisch werden (es reicht ja eine zeitlich begrenzte Ironie) und in die Haltung verfallen, dass da nichts mehr zu retten ist. Und wer auf dem Standpunkt steht, dass jede Form von didaktischer Gestaltung den wissenschaftlichen Himmel zerstört, der darf sich nicht wundern, wenn ihn neue Herausforderungen in der Lehre erst mal ratlos machen.

Geld, Reputation, Gestaltungsfreiheit, Zeit

Geld, Reputation, Gestaltungsfreiheit, Zeit – das sind laut neuester Empfehlungen des Wissenschaftsrats „zur Bewertung und Steuerung von Forschung“ (online hier zugänglich) die wichtigsten „steuerungswirksam einsatzbaren Anreize“ an Hochschulen. Diese konsequent einzusetzen, befürworten die einen, um die Leistungsfähigkeit in der Forschung zu erhöhen. Die anderen kritisieren dies als kontraproduktiv und attestieren solchen Verfahren eher negative Effekte für das Wissenschaftssystem. Die Gegensätzlichkeit dieser Positionen sowie deren Unvereinbarkeit hat jetzt der Wissenschaftsrat jetzt erkannt und liefert Empfehlungen dafür, wie man damit umgehen kann, falls es gelingt, dass man „beiden Seiten Zugeständnisse abverlangt“ (S. 10). Erklärtes Ziel des Papiers ist es, „die Auseinandersetzungen um die Bewertung und Steuerung von Forschung zu versachlichen“ (S. 13), was voraussetzt, dass diese bislang als unsachlich wahrgenommen wird. Zudem soll „eine Balance der unterschiedlichen Interessen“ (S. 13) angestrebt werden. was daraufhin hindeutet, dass hier verschiedene Wissenschaftlergruppenoffenbar tatsächlich verschiedene Interessen haben (Geld, Reputation, Gestaltungsfreiheit, Zeit?).

Zunächst werden einige Beobachtungen zusammengetragen zu: (a) Bewertung durch Peers, (b) Bewertung durch quantitative Indikatoren, (c) Evaluationsverfahren, (d) Ratings und Rankings, (e) Steuerung über Mittelallokation (leistungsorientierte Zuweisung des Landesmittel an Hochschulen, leistungsorientierte Mittevergabe innerhalb der Hochschulen und W-Besoldung), (f) Standards „guter wissenschaftlicher Praxis“, (g) Folgen für die Lehre und (h) wissenschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Dann folgende die eigentlichen Empfehlungen: zunächst „übergeordnete Empfehlungen“, die – per definitionem – relativ abstrakt sind, und dann einzelne Empfehlungen, die sich auf die gerade genannten Gegenstände der Beobachtung beziehen.

Es ist aus meiner Sicht durchaus empfehlenswert, sich das durchzulesen. Viele Punkte sind derart, dass sie rasch auf Zustimmung stoße werden, so z.B. weniger Dokumentationen und Evaluationen, indem das alles besser koordiniert und getaktet wird. Dünn sind die Vorschläge zum Peer Review (S. 37 f.): Mehr Transparenz durch offene Peer Review-Verfahren werden z.B. gar nicht erwähnt. Dass der Begriff der Forschungsleistung möglichst breit gefasst werden sollte (S. 34), hört sich ebenfalls gut an: Hinweise auf die damit (unter anderem) verbundene Notwendigkeit, dass auch eine Diskurs über das Wissenschaftsverständnis in den einzelnen Disziplinen stattfinden muss, fehlt allerdings. Am Glauben, dass Wettbewerb prinzipiell die Dinge heiligt, wird weitgehend festgehalten, wenn z.B. empfohlen wird, Drittmittel, die „kompetetiv eingeworben“ wurden, höher zu gewichten als solche, die in nicht-kompetetiven Verfahren vergeben worden sind (S. 40). Auch wenn man vielen Ratings keine hohe Qualität bescheinigt, hält der Wissenschaftsrat auch in den aktuellen Empfehlungen an Ratings als Maßnahme der Steuerung von Forschungsleistungen fest (S. 44). Und zur W-Besoldung mag man jetzt noch nichts sagen (S. 46); dazu soll es eine eigene Empfehlung geben.

Was ich jetzt davon halte? Es ist gut, DASS sich der Wissenschaftsrat mit dem Thema beschäftigt, zeigt es doch, dass die in den letzten Jahren mehr gewordenen kritischen Stimmen nicht mehr überhört werden (können). Man kann auch einige „Zugeständnisse“ aus dem Empfehlungen ebenso wie durchaus sinnvolle Vorschläge herauslesen. Alles in allem aber läuft es meiner Einschätzung nach auf ein paar Korrekturen des gegenwärtigen Steuerungssystems hinaus, keinesfalls aber auf einen Kurswechsel. Es kann sich ja jeder (Wissenschaftler und Hochschullehrer) mal fragen, womit er sich am schnellsten locken lässt (mehr Geld, mehr Reputation, mehr Gestaltungsfreiheit, mehr Zeit?) und ob er einen echten Kurswechsel mittragen würde …

Alles gut mit Gutachten?

Einen Monat lang konnte man nun im GMW-Blog Kommentare zum Thema Peer Review bzw. Begutachtungsverfahren in der GMW (Jahrestagung bzw. Tagungsband) machen – nämlich hier. Gut – ich war mit meinem Kommentar auch spät dran. Aber dass es am Ende nur vier Personen gab, die etwas dazu zu sagen haben/hatten, ist vielleicht doch etwas wenig. Gibt es keinen Verbesserungsbedarf bzw. wird keiner gesehen? Oder war das nur zu versteckt und viele haben die Möglichkeit, ihre Meinung und ihre Vorschläge zu diesem Thema kundzutun, nicht bemerkt?

2010 hatte ich mit Silvia und Christian zusammen das Thema Peer Review bereits als Beitrag eingereicht (hier). Die Resonanz war auch damals eher verhalten. Da das gegenseitige Feedback zwischen Wissenschaftlern eine zentrale Säule des Wissenschaftsbetriebs ist und infolge von Evaluationen verschiedenster Art zudem über „Karrieren“ entscheiden kann, wundert es mich doch sehr, dass dieses Thema in Diskussionen so wenig aufgegriffen wird. Peer Reviews sind aus meiner Sicht einerseits so etwas wie eine besondere Art der Kommunikation und Vermittlung von Kritik und Begründung und damit ein ganz wichtiger Schritt in Erkenntnisprozessen. Andererseits haben Peer Reviews die Funktion von „Qualitätshütern“, sind mitunter eine Art Sozialisationsinstanz (manchmal hat man auch den Eindruck: Erziehungsinstanz) in einer wissenschaftlichen Community. Mit diesen zentralen Aufgaben sollte doch das Peer Review selbst Gegenstand der kritischen Reflexion sein und bleiben. Es darf sich meiner Meinung nach durchaus auch verändern, weiterentwickeln – und zwar mit Blick auf das Ziel, die jeweilige „Sache“ weiterzubringen, um die es geht.

Wo also bleiben all die (kritischen und kreativen) Stimmen?

 

Sich gegenseitig in Ruhe lassen

Wenn man ein bestimmtes Bild von der Universität zeichnet, z.B. in die Richtung, dass Studierende besonders engagiert in ihrem Studium oder im Gegenteil besonders lethargisch und gleichgültig sind oder in die Richtung, dass Lehrende besonders einfallsreichreich in der Lehre oder im Gegenteil besonders ignorant sind, dann erntet man in jedem Fall Widerspruch, weil es immer Gegenbeispiele zu dem gibt, was man gerade darstellt. Und das ist auch nicht verwunderlich, denn Universitäten sind voll von engagierten und lethargischen Studierenden, von einfallsreichen und ignoranten Lehrenden; und sie sind voll von Studierenden und Lehrenden, auf die eine Vielzahl anderer und dabei auch gegensätzlicher Eigenschaften zutrifft – mitunter auch mehrere gegensätzliche bei einer Person je nach Situation. Wenn also variable Bilder von erfolgreichem und misslungenem Lehren und Studieren gezeichnet werden, dann treffen sie wahrscheinlich stets zu und zwar gleichzeitig und machen zusammen die Vielfalt aus, die wir im Universitätsalltag antreffen.

Sind Lehrende UND Studierende engagiert, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass zwar beide Seiten einen großen Aufwand, aber ähnliche Erwartungen haben und ihre jeweilige Investition als lohnend empfinden. Umgekehrt gilt (leider) auch, dass im Falle wenig engagierter und interessierter Lehrender UND Studierender die Erwartungen ebenfalls weitgehend übereinstimmen, man den Aufwand auf beiden Seiten klein hält und sich schlicht gegenseitig in Ruhe lässt. Probleme und Herausforderungen ergeben sich allerdings in besonderem Maße überall dort, wo infolge der Verschiedenheit die Erwartungen seitens der Studierenden und die der Lehrenden auseinanderdriften: Studierende, die etwas lernen wollen, sich engagieren und auf Lehrende treffen, das das Minimum erfüllen, keine Rückmeldungen anbieten und kein sonderliches Interesse an der Lehre und den Studierenden haben, sind enttäuscht, bei günstigen personalen Bedingungen werden sie selbst aktiv und im ungünstigen Fall ziehen sie sich demotiviert zurück. Umgekehrt gilt aber auch: Lehrende, die in der Lehre mehr sehen als eine Pflicht, sich viel einfallen lassen und auf Studierende treffen, die das Minimum erfüllen, Rückmeldungen eher als lästig empfinden und letztlich das Studium aus anderen Gründen als aus Interesse an der Sache absolvieren, entwickeln ebenfalls unterschiedliche negative Reaktionen: Ärger, Resignation und Zeitinvestition in andere Dinge als Lehre.

Noch einmal komplexer wird die Situation, wenn man die Möglichkeit hinzuzieht, dass die verschiedenen Konstellationen sowohl bei den Studierenden als auch bei den Lehrenden zum einen unreflektiert „passieren“, zum anderen aber auch bewusst wahrgenommen und mit Kalkül praktiziert werden können. An dieser Stelle werden dann auch von beiden Seiten vielfältige Gründe angeführt, die das eigene Verhalten (scheinbar) legitimieren.

Wie ich da jetzt darauf komme? Nun, das Trimester (wir beginnen Anfang Oktober) ist noch im ersten Drittel, aber sowohl aktuelle Erlebnisse mit Studierenden als auch solche mit Kollegen/innen führen dazu, dass ich über solche Dinge im Moment gerade (mal wieder) nachdenke. Ich empfinde die Situation jedenfalls als vertrackt, denke mir oft, dass alle „am Spiel Beteiligten“ ihre Erwartungen und Aufwandsbereitschaft eigentlich transparenter machen müssten, wohl wissend, dass das infolge von sozialer Erwünschtheit und anderen Gründen eine utopische Vorstellung ist. Aber selbst WENN man den Versuch macht, die eigenen Erwartungen zu explizieren, steht in den Sternen, wie das der jeweils „andere“ interpretiert, ob er/sie die Erwartungen als legitim empfindet etc. Denkt man das weiter, landet man unweigerlich bei den Erwartungen an die Universität als eine gesellschaftliche Institution und stellt auch da eine hohe Diskrepanz fest, sodass es wiederum nicht verwunderlich ist, wenn wir auch zwischen Lehrenden und Studierenden auf diese teils ausgesprochenen, teils unausgesprochenen Erwartungsdiskrepanzen treffen.

Ich freue mich über Kommentare mit Ideen oder Erfahrungen, wie man damit konstruktiv(er) umgehen kann.

Keine Wissenschaft

Was ist eine wissenschaftliche Publikation wert? Welchen Stellenwert dürfen darin die Praxis und praktische Versuche sowie die Erfahrung von Wissenschaftlern haben? Fragen dieser Art sind nicht neu. Ganz konkret werden sich all diejenigen diese Frage allerdings häufiger stellen, die versuchen, mit ihrer Wissenschaft auch einen Beitrag zur Veränderung der Bildungspraxis (falls man sich zu den Bildungswissenschaftlern zählt) zu leisten. Dabei spielen speziell die Rückmeldungen der Peers eine gewichtige Rolle, wenn es darum geht, sich nicht nur eine eigene Position zu erarbeiten, sondern auch diverse Selektionsprozesse zu bestehen. Die Erfahrungen, die man dabei machen kann, sind vielfältig. Ich kann dazu drei aktuelle Beispiele liefern.

Beispiel 1: ein Text zum Thema „Writer´s Workshops in der Doktorandenausbildung“, der sowohl die Konzeption als auch die mittels einer Evaluation erhobenen Erfahrungen der Beteiligten dokumentiert. Ich stelle diesen Text hier online zur Verfügung:

Artikel_Writers_Workshops_final

Wir reichen den Text bei einer Zeitschrift ein, dessen Profilbeschreibung aus unserer Sicht an sich thematisch passen müsste. Wir kommen allerdings nicht einmal ins Review-Verfahren – und zwar mit folgender Begründung:

„Grund für die Desk Rejection ist, dass das Manuskript von seiner Ausrichtung und empirischen Substanz nicht in die (Name der Zeitschrift) passt und im Reviewverfahren aller Voraussicht nach kaum Chancen hat. Die durchgeführte Fallstudie ist keine Forschungsarbeit im engeren Sinne, sondern stellt eine Begleitung einer Realisierung des Konzepts dar, dessen Ergebnisse keinen weiterführenden Erkenntnisgewinn liefern. Ich begrüße es, wenn Universitäten sich bemühen, die Doktorandenausbildung mit Workshops zu verbessern. Aber diese didaktischen Bemühungen an sich sind noch keine wissenschaftliche Publikation wert.“

Ich halte fest: Fallstudien sind keine Forschung. Die im Text beschriebenen Ergebnisse liefern keinen Erkenntnisgewinn. Didaktische Versuche sind es nicht wert, publiziert zu werden.

Beispiel 2: ein Text zum Thema Studierendenorientierung, in dem die verschiedenen Facetten des Begriffs kritisch daraufhin analysiert werden, inwiefern sie in der Praxis als solche wahrgenommen werden und welche Folgen sie im Falle defizitärer Wahrnehmung haben können. Wir erhalten ein sehr positives Gutachten (Annahme ohne Änderung) und ein klar negatives Gutachten (Ablehnung). Die Herausgeber entscheiden sich dennoch für eine Veröffentlichung, auf die ich hiermit verweise (siehe hier).

Die Gründe für die Ablehnung sind allerdings sehr interessant und lauten wie folgt (die bloß inhaltlich referierenden Anteile sowie Wiederholungen von Kritikpunkten lasse ich heraus).

„… Der Beitrag changiert zwischen persönlicher Erfahrung aus Studierendenperspektive … und dem Versuch, die einzelnen Zugänge wissenschaftlich (mit einer Reihe von bibliographischen Hinweisen) zu belegen, wobei dies mitunter einen sehr willkürlichen Eindruck erweckt und in der Argumentation zwar sehr bemüht, aber nicht immer kohärent und nachvollziehbar ist. So sind die einzelnen Zugänge (z.B. „Studierende als Kunden“) kurz angerissen und umschrieben, aus meiner Sicht nicht umfassend erörtert. Dies betrifft die folgenden Kategorien in gleichem Maße. Die Schlussfolgerungen aus der versuchten Kategorisierung … sind sehr daran ausgerichtet, Widersprüche zu argumentieren, die meines Erachtens, real so nicht existieren, zumal eine Bedeutungsvielfalt je nach Perspektive und Kontext durchaus legitim ist. … Der vorgeschlagene Ausweg, den Begriff `Studierendenorientierung´ mit ´Bildungsorientierung´ zu substituieren bringt meines Erachtens keine Klarheit in die Debatte. Wie oben bereits erwähnt basiert der Beitrag auf persönlicher Erfahrung, die in einem wissenschaftlichen Kontext reflektiert wurde. … Die Ansätze sind legitim und auch interessant, die Ausführungen fallen oft zu knapp oder einseitig aus. In dem Fall wäre es vielleicht besser gewesen, es bei einem persönlich gehaltenen Erfahrungsbericht zu belassen und nicht den Versuch einer wissenschaftlichen Abhandlung zu unternehmen.“

Ich halte fest: Persönliche Erfahrungen haben in wissenschaftlichen Texten nichts zu suchen. Begriffe zu reflektieren und mit praktischen Phänomenen in Verbindung zu setzen, sind allenfalls Erfahrungsberichte. Daraus wissenschaftliche Texte zu machen, sollte man unterlassen.

Beispiel 3: Die Einreichung eines Symposiums zu einem Kongress mit einem Motto, das exakt zu unserem Thema zu passen scheint. Unser Beitrag greift das Teilthema Bildungsforschung auf und möchte eine interdisziplinäre Diskussion zu einer entwicklungsorientierten Bildungsforschung leisten, die bislang kaum zur Kenntnis genommen wird, obschon es sowohl Vorläufer als auch aktuelle Vertreter in verschiedenen Disziplinen gibt. Hier der Abstract:

Abstract_Entwicklungsforschung_2011

Die Einreichung wird abgelehnt. Leider erhalten wir keine explizite Begründung für die Ablehnung, sodass meine vorläufigen Folgerungen rein spekulativer Natur sind (es können also völlig andere Gründe ausschlaggebend gewesen sein). Wir bekommen nur einen Hinweis auf die angelegten Kriterien, was dann wohl bedeutet (bzw. bedeuten könnte), dass diese nicht erfüllt waren. So heißt es:

„Für die Auswahlentscheidungen des Programmkomitees waren insbesondere folgende Aspekte ausschlaggebend: 1. das Ausmaß an inhaltlicher Konsistenz, 2. die Erkennbarkeit eines Theorie-, Forschungs- oder Methodenbezugs, 3. die Verknüpfung des Themas mit dem wissenschaftlichen Diskurs und die personelle beziehungsweise institutionelle Vernetzung, 4. die Struktur des Angebots, Erkennbarkeit und Umsetzbarkeit von Ablauf/Organisation des Angebotes, 5. bei den Symposien zudem der deutliche Bezug zum Rahmenthema des Kongresses.“

Ich halte fest: Da das Rahmenthema auf jeden Fall berücksichtigt wurde und das Vorhaben jedenfalls nicht unrealistisch ist, muss entweder unser Vorschlag einer entwicklungsorientierten Bildungsforschung inkonsistent sein oder es wird auch hier unterstellt, dass es sich dabei nicht um Forschung handelt, was dann zugleich bedeuten könnte, dass dieser weit entfernt vom wissenschaftlichen Diskurs ist.

Was schließe ich daraus? Ich könnte jetzt das Fazit ziehen, dass ich mich mit dem, was ich tue, vergleichsweise häufig im außerwissenschaftlichen Raum bewege (dazu passen auch diverse andere Gutachten; siehe z.B. hier). Möglich wäre aber auch, dass es vielfältige Bestrebungen gibt, eine wissenschaftliche Monokultur zu verteidigen oder herzustellen (das kommt jetzt darauf an, von welcher Warte aus man das betrachtet). Vielleicht ist es aber auch nur Zufall gewesen, dass diese drei Ablehnungen innerhalb von drei Wochen hereinflatterten … Um nicht falsch verstanden zu werden: Ablehnungen gehören im Wissenschaftsbetrieb zum Alltag. Sind die Gründe gut expliziert, kann man häufig daraus lernen – es kann der SACHE dienlich sein. Es kann allerdings nicht schaden, sich genau anzuschauen, WAS abgelehnt wird und mit welchen Begründungen.

Krankes System

Es ist kaum mehr wegzudenken: das Ranking der Hochschulen in Deutschland. Regelmäßig füllt es Zeitungen und Zeitschriften und das – so das eigene Motto des CHE „fair, informativ und qualifiziert“. Es mehren sich die Institute, Fakultäten und Hochschulen, die daran ihre Zweifel haben. Das jüngste Beispiel ist die Bildungswissenschaft an der Universität Duisburg-Essen. Michael Kerres schreibt (hier) in seinem Blog: „Eine deutliche Mehrheit der Institute unserer Fakultät für Bildungswissenschaft hat sich dafür ausgesprochen, künftig nicht mehr am CHE-Ranking teilzunehmen. Ich hoffe, der Fakultätsrat wird diesem Votum folgen und damit der Tendenz folgen, dass in Deutschland immer mehr Fächer und Hochschulen aus dem Ranking aussteigen.“ und begründet dies mit Mängeln im methodischen Vorgehen wie auch in der Berichterstattung darüber. Ähnlich sehen das z.B. die Soziologen an der Universität Jena, die trotz „Spitzenplatzierung“ am Ranking nicht mehr teilnehmen wollen (siehe hier). Bereits Ende 2009 hat die gesamte Universität Bonn dem CHE den Rücken gekehrt (siehe z.B. hier). Wer die Gründe der Bonner genauer wissen will, kann sich eine dazugehörige Präsentation (hier) ansehen. Allerdings: Eine recht aktuelle Meldung weist darauf hin, dass Bonn sich nun wieder beteiligt – weil die wichtigsten Kritikpunkte aufgegriffen worden seien (siehe hier). Die Kritik am CHE-Ranking ist jedoch nicht neu (siehe z.B. einen Beitrag von 2007: hier) und der Widerstand gegen die „Hitlisten“ regt sich auch in anderen Ländern.

Ich kann nichts Substanzielles zur methodischen Kritik beitragen – das überlasse ich besser Statistikern und Experten, die sich mit nichts anderem beschäftigen als den dort verwendeten Methoden. Eher stelle ich mir die Frage, ob methodische Mängel DAS zentrale Argument gegen solche Rankings sind und damit knüpfe ich quasi nahtlos an den letzten Blogbeitrag an: Ich bezweifle, dass diese Form von Wettbewerb (und ich meine jetzt nicht nur das CHE-Ranking, sondern z.B. auch hochschulinterne sowie fakultätsinterne Rankings) dazu beiträgt, dass sich Wissenschaft und Hochschulbildung weiter verbessern, denn: Wer ist vor allem Wissenschaftler und Hochschullehrer geworden, weil er immer schon in irgendwelchen Hitlisten stehen wollte? Haben Wissenschaftler und Hochschullehrer flächendeckend keinerlei intrinsischen Motive für erkenntnisreiche Wissenschaft und qualitativ hochstehende Lehre? Gehen Politik, Öffentlichkeit und Hochschulleitungen davon aus, dass Wissenschaftler und Hochschullehre nichts tun, wenn man sie nicht anspornt – mit Exzellenz-Buttons, Leistungspunkten für mehr Gehalt und grünen Ampelfarben in Hochglanzmagazinen? Es wird immer AUCH Wissenschaftler und Hochschullehrer geben, die eine „ruhige Kugel schieben“; ich behaupte, die hat es schon immer gegeben und die wird es weiter geben – so wie in allen anderen Berufen auch. Aber solange dies eine kleine Gruppe ist, kann das ein „gesundes System“ vertragen, während es auf Dauer kaum zu ertragen ist, wenn man pauschal als „krankes System“ mit externem Reglement und wachsender Formalisierung und Bürokratisierung „behandelt“ wird.

Stütze für die mentale Gesundheit

Es gibt kleine und große Dinge, die kann man – einmal in Gang gesetzt – nicht mehr aufhalten: Eine Tasse Kaffee, an die man dranstößt, bekommt man in der Regel erst dann wieder zum Stehen, wenn sich der Inhalt bereits über den ganzen Tisch ergossen hat. Die Mail, die gar nicht fertig war und noch Adressaten enthielt, die da nicht stehen sollten, lässt sich nicht mehr zurückholen, wenn der Send-Button einmal angeklickt ist. In beiden Fällen beobachtet man in den entscheidenden Bruchteilen von Sekunden die Katastrophe und weiß gleichzeitig, dass man sie nicht mehr aufhalten kann – umgekippt – weggeschickt – unwiderruflich.

Bisweilen habe ich den Eindruck, dass auch die Ökonomisierung von Wissenschaft und Hochschulbildung ein Prozess ist, der – einmal angestoßen – nicht mehr anzuhalten ist, obwohl viele Augen auf die sich abspielenden Prozesse geheftet sind und die sich daran anschließenden kleineren und größeren Katastrophen quasi live mitverfolgen – nicht in Bruchteilen von Sekunden, sondern in Zeiträumen von Jahren. Die Beobachtungen werden sogar zunehmend öffentlich mitgeteilt – in Büchern, Sendungen und Zeitschriften, so z.B. wieder einmal in der aktuellen Ausgabe von Forschung und Lehre, die den Titel trägt „Wettbewerb: Glanz und Elend“. Neben einigen anderen kommen die allseits bekannten Kritiker zu Wort, so z.B. Martin Binswanger (auf sein lesenswertes Buch habe ich hier bereits hingewiesen) und Richard Münch (ebenfalls schon Anlass für Blog-Postings, z.B. hier). Aber was hilft es? Nach der erste Freude über die Existenz von Gleichgesinnten, die man als Stütze für die eigene mentale Gesundheit erlebt, bleibt die bange Sorge, ob und wie sich der in Gang gesetzte Prozess noch aufhalten oder zumindest umlenken lässt, gefolgt von der „Fast-Gewissheit“, dass diese Chance bereits unwiderruflich vertan ist. Das Schlimme nämlich ist, dass wir alle mittendrin stecken: Drittmittel und gute Evaluationsergebnisse in der Lehre bestimmen mit, was am Monatsende auf dem Konto ist; von unserem Antragserfolg sind Nachwuchswissenschaftler abhängig, die wir fördern möchten; die Güte unserer Prosa bei der Beschreibung von Studiengängen entscheidet über die (Re-)Akkreditierung und damit über Rahmenbedingungen für Studierende; wer eine Professur ergattern oder sich noch einmal verändern möchte, wird tunlichst die aktuell geforderten Publikationsriten mitspielen usw. Wenn die eigene Person und Menschen, für die man sich verantwortlich fühlt, tangiert sind, wird es schwer, den Schritt vom Reden zum Handeln zu vollziehen und das Unmögliche zumindest zu versuchen: aufzufangen und anzuhalten, was scheinbar nicht mehr aufzufangen und anzuhalten ist – und das obwohl uns hier nicht nur Bruchteile von Sekunden, sondern Jahre zur Verfügung stehen.

Wo sind die kreativen Intellektuellen?

Seit einigen Tagen liegt die Veröffentlichung der Studie „Der Wandel des Hochschullehrerberufs im internationalen Vergleich” auf meinem Schreibtisch, die ich endlich gelesen habe. Mandy hat (hier) bereits ausführlicher einige – speziell für Fragen der Lehre interessante – Resultate zitiert (sie war schneller als ich ;-)), was ich von daher an der Stelle nicht zu wiederholen brauche. Seltsam ist, dass zwischen der Veröffentlichung und der Befragung selbst vier Jahre liegen. Ich vermute, dass sich in diesen vier Jahren wieder einiges verändert hat. In der Summe kommt die Studie beim Thema Lehre zu dem Schluss, dass deutsche Hochschullehrer im internationalen Vergleich verschiedene Defizite aufweisen und allem voran von den digitalen Medien zur Verbesserung der Lehre eher wenig wissen wollen – also: sehr wenig! Auch die Entwicklung von Lehrmaterialien scheint nur eine Minderheit der Lehrenden an deutschen Hochschulen zu interessieren. Innovationsfreude in Sachen Studiengangentwicklung – so die Interpretation der Autoren der Studie – sei wenig vorhanden. Außerdem ein Ergebnis: Allenfalls ein Drittel der Hochschullehrer sehen einen Einfluss von Lehrevaluationen auf ihre Lehre in dem Sinne, dass diese zu Verbesserungen führen. Okay – „nur“ ein Drittel, aber ich war fast überrascht, dass es immerhin ein Drittel ist: So wie viele Lehrevaluationen erfolgen – mit oft unpassenden standardisierten Items und in Form einer Zwangsmaßnahme – finde ich dieses Ergebnis fast schon positiv.

Überhaupt sollte man den Zusammenhang zwischen Lehrqualität und der Art der Evaluation genauer betrachten. Meiner Ansicht nach wirken sich Evaluationen, wenn sie als zentralistisches Kontrollinstrument verstanden und durchgeführt werden, eher kontraproduktiv auf die Lust der Lehrenden aus, „innovationsfreudiger“ zu werden – was ja die Studie als Mangel feststellt. In manchen Unis wähnt man sich schon im Besitz eines „Konzepts zur Lehrqualität“, wenn man sich für ein technisches Erhebungsinstrument entschieden hat. Auf den Trend, hier mehr mit Vorgaben statt mit Vertrauen auf die Expertise der Hochschullehrer zu arbeiten, weisen auch die Autoren der Studie hin, wenn sie auf folgende Veränderung der Rahmenbedingungen für Hochschullehrer aufmerksam machen: „Mehr Dispositionsspielräume für die einzelnen Hochschulen gegenüber staatlichen Vorgaben, mehr Evaluation, ein machtvolleres Hochschulmanagement, mehr Anreiz- und Sanktionsmechanismen, sowie stärkere Erwartungen, die Qualität, Relevanz und Effektivität der wissenschaftlichen Arbeit zu demonstrieren.“ Wer hier ein gewisses Unbehagen spürt, dem kann ich die Abschiedsvorlesung von Heiner Keupp aus dem Jahr 2008 (also einem Jahr nach der Befragung) empfehlen, der es gut versteht, dieses Unbehagen auf den Punkt zu bringen – allem voran mit dem Hinweis, dass die Universität als Teil eines „marktradikalen Gesellschäftsmodells“ immer mehr „die Figur des kreativen Intellektuellen“ ersetzt, „der seine gedankliche Unabhängigkeit gerade dadurch erweist, dass er nicht von fremdgesteuerten Geldströmen abhängig ist“ (Keupp, 2008, S. 8). Vielleicht hätte man in die Studie zum Hochschullehrerberuf auch eine Frage in diese Richtung einbauen können – nämlich, ob und inwieweit sich Hochschullehrer noch als unabhängig empfinden und an einem Ort wähnen, der „gesellschaftliche Verantwortung übernimmt“ und an dem „die wichtigsten Zukunftsthemen unserer globalen Welt“ (Keupp, 2008, S. 13 f.) öffentlich und kritisch diskutiert werden.

Nicht besser werden wollen?

Feedback geben – es gibt viele gute Argumente wie auch Studien, die zeigen, dass die Rückmeldung an studentische Leistungen im Rahmen der Hochschule wichtig ist. Studierende beklagen überdies häufig einen Mangel an Feedback und geben entsprechend an, sich mehr davon zu wünschen. Ich meine, viel Feedback in meiner Lehre zu geben. In einer Veranstaltung, die ich mit dem Konzept „Lernen durch Lehren“ mache, bekommt jedes Lehrteam mindestens zwei Seiten schriftliche Rückmeldung dazu, was gut war, was man verbessern kann und wie man es verbessern kann. Die anderen Lehrteams, auch die, die Ihre Lehreinheit noch vor sich haben, können diese Feedbacks ebenfalls lesen. Auf die abschließenden Hausarbeiten, die 10 bis 12 Seiten umfassen, kommen in der Regel ebenfalls bis zu zwei Seiten Rückmeldung von mir. Das ist extrem aufwändig. Ich habe mal den Zeitaufwand für zwei Kurse über drei Monate lang (insgesamt 30 bis 40 Studierende) zusammengestellt und komme auf ca. 45 bis 50 Stunden allein (!) für die Formulierung schriftlicher Rückmeldungen (und mir geht das wahrscheinlich inzwischen recht schnell von der Hand – ein Novize kann da locker mal das Doppelte brauchen). Gut, das muss ich nicht machen, ich bin also selber schuld. Ich muss also folglich Gründe haben, warum ich es mache. Habe ich: Ich erhoffe und erwarte mir, dass die Studierenden das Feedback aufnehmen, verstehen, für sich nutzen und besser werden – so einfach. Ich möchte, dass die Studierenden besser werden.

Meine eigenen Lehrevaluationen sowie meine Beobachtung (oft gestützt durch Silvias Beobachtungen, die mich in den letzten Kursen immer begleitet hat, sodass ich weiß, dass es kein Verfolgungswahn ist) zeigen allerdings ziemlich deutlich: Die Rückmeldungen haben wenig bis keine unmittelbaren Wirkungen. Verbesserungsvorschläge werden kaum aufgegriffen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht einmal, wie viele der Studierenden das überhaupt lesen. Wenn sie es lesen, weiß ich nicht, ob sie es verstehen – mein Angebot nachzufragen, wird nämlich selten aufgegriffen. Falls sie es gelesen und verstanden haben, müssten sie es auch umsetzen – und davon sehe ich wenig. Die Rückmeldungen sind weitgehend so gestaltet, wie man „das so machen soll“: Informativ mit Hinweisen auf Stärken und Schwächen sowie konkreten Verbesserungsvorschlägen – oft auch mit Begründungen. Ein „handwerklicher Fehler“ beim Feedback sollte also eher nicht die Ursache sein. Nun ist das kein neues Problem und vielleicht kommt hier die Frage auf, warum ich das gerade jetzt schreibe (nachdem auch in Christians Blog hier kürzlich ein ähnlicher Beitrag für Diskussionsstoff gesorgt hat). Der aktuelle Grund: Zwei Studierende, die meine Kritik an zahlreichen unverständlich formulierten Botschaften in ihrer Arbeit darauf zurückführten, dass ich die Arbeit nicht richtig gelesen hätte …. Auf die Idee, dass es wohl eher umgekehrt sein könnte, dass also besonders gute Noten oft zustande kommen, weil manche Kollegen/innen diese Arbeiten genau nicht intensiv lesen, sind die beiden nicht gekommen. Sie beharrten darauf, „wissenschaftlich geschrieben“ zu haben, so wie es anderswo akzeptiert und nur von mir als unverständlich gewertet werden würde. Immerhin wurde dieses Feedback ja gelesen, wenn auch nicht verstanden, oder aber zwar verstanden, aber nicht akzeptiert.

So rechten Rat weiß ich mir keinen, wie man mit diesem Problem umgeht: Feedback geben ist anstrengend, Feedback annehmen und vor allem auch nutzen, allerdings auch (wir wollten dazu mal ein Forschungsprojekt machen, aber dafür haben wir leider keine Finanzierung bekommen – siehe hier). Fehlt es (manchen, vielen?) Studierenden an Anstrengungsbereitschaft? Die Vermutung habe ich mitunter schon, OHNE da alle unter Generalverdacht zu stellen. Wollen manche Studierende gar nicht besser werden? Auch das kann ein Grund sein, vor allem, wenn das Interesse an einem Thema oder gar am ganzen Fach fehlt. Haben einige Studierende (z.B. die besagten beiden) schlicht kein Vertrauen in die Lehrenden? Möglich ist das auch, jedenfalls in Einzelfällen wie dem geschilderten. So lange man keine Antworten auf diese Fragen hat, wird es wohl schwierig bleiben, das Problem zu lösen …. und die eigene Motivation aufrecht zu erhalten.

Aus dem Lot geraten

Im Newsletter des Deutschen Hochschulverbands (auf der Webseite noch nicht online, aber bereits per Mail verschickt) und bei bildungsklick kann man es nachlesen – ein paar Verlautbarungen des Präsidenten des DHV, Professor Bernhard Kempen, anlässlich des 61. DHV-Tags in Potsdam. Z.B.: „Forschung an Deutschlands Universitäten ist ohne die Einwerbung von Drittmitteln und erfolgreich begutachteten Anträgen nahezu unmöglich geworden. Das Verhältnis von angemessener Grundausstattung, Programmförderung und thematisch freier Förderung ist auf Grund der chronischen Unterfinanzierung der Hochschulen aus dem Lot geraten“ – ja, allerdings nicht erst seit gestern, aber richtig ist, das man zumindest den Eindruck hat, es wird immer schlimmer. In der Pressemeldung heißt es weiter, Kempen weise darauf hin, dass die Handlungsfreiheit von Wissenschaftlern durch zunehmende Managementaufgaben und wachsende Weisungsabhängigkeit von Dekan, Rektor oder Präsident eingeschränkt und Forschung immer mehr durch Förderprogramme gesteuert werde – auch das ist ein Prozess, der schon seit langem begonnen hat, und der als Belohnungssystem für Anpassung fungiert. Allerdings haben sich viele Wissenschaftler natürlich auch aktiv daran beteiligt, denn auf diese Weise ist es einigen ausgesprochen gut gelungen, den Mainstream nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. So etwas fällt ja nicht vom Himmel. Die Folgen werden jetzt eben besonders drastisch sichtbar. Wortlaut Kempen: „Unkonventionelles Denken, das innovative Wege eröffnet, wird strukturell benachteiligt.“ und: „Erfolg in der Wissenschaft bemisst sich nicht mehr allein am Erkenntnisgewinn, sondern an Zielvereinbarungen mit quantitativen Parametern wie Drittmitteln und Publikationsleistungen.“ Nun, das ist jetzt auch keine neue Erkenntnis. Gerade gestern habe ich ein Gutachten für die Zwischenevaluation im Rahmen einer Juniorprofessur geschrieben und dabei genau festgelegte Kriterien für die Bewertung der Forschungsleistungen vorgelegt bekommen – das ist schon lange Realität und man kann nur versuchen, diese Kriterien, wenn man denn begutachtet, zumindest da auszuhebeln, wo sie einem begründet nicht einleuchten! Und bei jeder Berufung wird darum geschachert, wie viel man an Drittmitteln einwerben MUSS, um das schlechte Grundgehalt ein wenig aufzuwerten; man darf da gar nicht so viel darüber nachdenken, denn das hat alles mit Wissenschaft nichts mehr zu tun – schon lange nicht mehr! Kempens Schlussfolgerung: „“Wissenschaft wird zum Betrieb, und der Betrieb bedroht die wissenschaftliche Freiheit“. Sein Lösungsvorschlag: „Die Einzelförderung für Wissenschaftler muss ausgebaut werden. Hervorragende Wissenschaftler müssen ausreichend Mittel erhalten, um Forschungen ohne inhaltliche Vorgaben vorantreiben zu können“. Und wer bestimmt wie, wer „hervorragend“ ist? Das soll eine Lösung sein? Wie wäre es mit einer prinzipiell besseren Ausstattung und ideellen Aufwertung von Wissenschaft und Bildung, mit einem Umdenken in unserer Gesellschaft in die Richtung, dass es noch mehr Verpflichtungen als ein schnelles und kontinuierliches Wirtschaftswachstum gibt?