Heute bin ich an der PH Zürich. Eingeladen hat mich Peter Tremp, der mich über mehrere Jahre hinweg an der Uni Zürich immer wieder in sein hochschuldidaktisches Weiterbildungsprogramm als Referentin aufgenommen hat. Ich habe damals eine Menge gelernt: Weiterbildung unterscheidet sich schon stark von der grundständigen Lehre, und mit den da artikulierten Anforderungen umzugehen, muss man auch erst einmal lernen. Jetzt bin ich nach längerer Zeit endlich mal wieder in Zürich. Das Thema passt gerade hervorragend: Es geht um das forschende Lernen bzw. genauer: um die Beziehung zwischen Forschungs- und Berufsorientierung. Hier das Programm der Veranstaltung. Meinen Beitrag lehne ich an meine Ausführungen zur forschungsorientierte Lehre an, den ich Mitte Oktober auch hier gepostet habe. Passend dazu habe ich gestern im Zug eine neue Ausgabe der Zeitschrift „Personal- und Organisationsentwicklung in Einrichtungen der Lehre und Forschung“ angelesen (hier zumindest das Inhaltsverzeichnis). Dass das forschende Lernen in den letzten Jahren wieder so stark aufgegriffen worden ist, wurde höchste Zeit. Allerdings ist und bleibt die Umsetzung eine besondere Herausforderung. Ich bin jedenfalls gespannt auf den Austausch.
Kategorie: gesprochen
Anfängervortrag
Was für ein Wort: „Antrittsvorlesung“. Antreten? Das vermutet man doch jetzt wohl nur bei der Bundeswehr, oder? Okay, gut: Ein Amt antreten … Ich finde es trotzdem keine schöne Bezeichnung. Vielleicht wäre „Begrüßungsvorlesung“ besser oder noch schöner: „Anfänger-Vorlesung“. Allerdings stimmt Vorlesung ja auch nicht: Es ist EIN Vortrag – also ein Anfängervortrag?
Wie auch immer: Bislang habe ich es erfolgreich geschafft, diesem fehlbezeichneten Ritual aus dem Weg zu gehen. An der Zeppelin Universität (ZU) ist mir das leider nicht gelungen. Gelungen ist zumindest, dass ich selbst nicht auch noch Werbung dafür gemacht habe. Aber es gibt ja wieder ein Redemanuskript, und das kann man bei der dunkler werdenden Jahreszeit gemütlich selber lesen. Ich freue mich jedenfalls, wenn das ein paar meiner Blog-Leser tun.
Vortragskonserve
Wegen eigener Veranstaltungen konnte ich gestern leider nicht persönlich der Einladung folgen, auf der Nachwuchstagung der Fachgesellschaften: Deutsche Gesellschaft für Hochschuldidaktik (dghd), Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW), Sektion Medienpädagogik (DGfE) und der Fachgruppe E-Learning (GI) an der Universität Potsdam (hier das Programm) einen Vortrag zu Design-Research zu halten. Daher habe ich eine kleine „Vortragskonserve“ gemacht und gehe davon aus, dass Sandra und Mandy, die mich ja gut kennen, mit diesem Inhalt vor Ort eine gute Diskussion in Gang bringen konnten. Den Vortrag kann man online hier abrufen (falls das nicht funktioniert, bitte über diesen Link gehen).
Aus dem Reich der Unwissenschaftlichkeit befreien
Gestern war ich zur Eröffnung einer neuen Graduiertenschule an der Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft (EPB) an der Universität Hamburg eingeladen (Web-Auftritt hier). Über die Anfrage bzw. Bitte vor einigen Monaten, mich an dieser Eröffnung mit einem Vortrag zu Design-Based Research zu beteiligen, habe ich mich fast ein wenig gewundert, aber auch gefreut: Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass an diesem Forschungsansatz explizit Interesse bekundet wird, und wenn das dann noch dazu im Kontext der Nachwuchsförderung der Fall, ist das besonders erfreulich. Daher habe ich natürlich zugesagt!
Ich finde es äußerst schwer, zu einem methodischen Thema dieser Art einen „Vortrag“ zu gestalten. An sich bräuchte man da eine Workshop-Reihe inklusive mehrerer Beispiele. Ich hatte zwar im Vortrag eine Reihe von Fragen und Diskussionsphasen vorgesehen (hier die dazugehörigen Folien: DBR_Vortrag_Hamburg_April13) und mit einer viel kleineren Gruppe gerechnet, die sich wahrscheinlich stärker hätte aktivieren lassen. Hätte ich gewusst, dass so viele kommen, hätte ich es wahrscheinlich etwas anders aufgezogen. In jedem Fall aber ist der Beitrag mit offenbar großem Interesse verfolgt worden und auf der anschließenden Poster-Präsentation (Poster zu Promotionsvorhaben) hatte ich die Möglichkeit, mich noch mit mehreren Doktoranden zu unterhalten. Dabei habe ich mitgenommen, dass einige zwar „Entwicklungsanteile“ in ihren Arbeiten vermuten bzw. haben, aber nicht so recht wissen, welchen Stellenwert sie diesen geben dürfen (damit es „wissenschaftlich bleibt“) und wie sie diese auch angemessen darstellen können.
Meinen auch kritischen Bemerkungen während des Vortrags zu immer noch mangelnden Förderinitiativen für entwicklungsorientierte Forschungsvorhaben haben zwei (Nicht-Nachwuchs-)Wissenschaftlern heftig widersprochen – mit Verweis auf BMBF-Programme und die neue DFG-Förderlinie zum Transfer von Ergebnissen aus der Grundlagenforschung. Weil ich ein bisschen zu polemisch geworden bin, habe ich diesen Widerspruch wahrscheinlich selbst provoziert. Ich räume auch gerne ein, dass es natürlich immer irgendwie möglich ist, auch für ausgefallene Projektideen und solche, die Entwicklungsanteile haben, eine Finanzierung zu finden, und dass auch immer wieder Bemühungen sichtbar werden, die „Nutzung von Forschungsergebnissen in der Praxis“ zu unterstützen. Das geht aber letztlich an dem etwas vorbei, worum es mir geht, nämlich: den Prozess der Entwicklung an sich aus dem Reich der „Unwissenschaftlichkeit“ zu befreien und dies auch so zu tun, dass sich Nachwuchswissenschaftler an Entwicklungsarbeiten herantrauen und Unterstützung erfahren. Design Research kann und soll andere Forschungsansätze nicht (!) ersetzen; sie kann und soll – so meine Auffassung – aber ein zusätzlicher Ansatz in der Landschaft der Bildungsforschung sein.
(An der Stelle verweise ich noch einmal auf den Reader zur Entwicklungsforschung – siehe hier. Zudem möchte ich ankündigen, dass ein Beiheft der Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik in Vorbereitung ist, herausgegeben von Dieter Euler und Peter Sloane; in diesem werde ich einen Beitrag speziell zur Entwicklungsphase im Design Research-Prozess leisten).
Nicht nur lästige Pflicht
Nachdem ich nun schon mehrfach eingeladen worden war, habe ich gestern (am 05.12.2012) endlich mal den eLearning-Netzwerktag an der Universität Frankfurt (studium digitale) besucht und dort einen Vortrag gehalten. Es war die siebte Veranstaltung dieser Art und zu Beginn wurde verkündet, dass studium digitale für die kommenden fünf Jahre weiter finanziert wird. Das freut mich für das Frankfurter Team um Claudia Bremer!
Gerne mache ich mein Vortragsmanuskript zum Thema „Forschendes Lernen und mediengestützte Textarbeit“ hiermit online zugänglich. Vorgestellt habe ich unser Online-Tool Release (dazu gibt es auch bereits eine Forschungsnotiz), an dem wir schon seit längerem sitzen. Daran anknüpfend ging es mir darum, zur Diskussion zu stellen, ob und wie Textarbeit und damit rezeptives Lernen mit produktiven Lernformen, insbesondere mit dem forschenden Lernen, sinnvoll und für Lernende gewinnbringend verknüpft werden kann.
Die Fragen und Diskussion am Ende haben gezeigt, dass auch andere (also nicht nur ich) einen Bedarf sehen, Studierende darin zu unterstützen, speziell das Lesen wissenschaftlicher Textsorten (also auch Originalbeiträge zu empirischen Studien) einzuüben. In Seitengesprächen wurde auch mehrfach beklagt, dass Studierende generell zu wenig lesen. Deutlich wurde zudem, dass es wichtig ist, Werkzeuge wie Release so in Veranstaltungen einzubauen, dass Studierende einen Mehrwert in der mediengestützten Textarbeit sehen.
Aus meiner Sicht ist es immer wieder eine große Herausforderung, rezeptive und produktive Anteile des Lernens so miteinander zu verknüpfen, dass kognitive und motivationale Hürden genommen werden können. Speziell in Methodenfragen, worin Studierende oft eine lästige Pflicht sehen, ist es erfahrungsgemäß schwierig, Studierende zu begeistern und gleichzeitig die erforderlichen Wissensgrundlagen zu schaffen.
Von Freiheit und Zwang – zu starke Begriffe?
Heute bin ich im Wissenschaftszentrum Bonn auf der Fachtagung des Deutschen Hochschulverbands (DHV), welche dieses Jahr den Titel trägt „Digitales Denken: Wie verändert die digitale Revolution unser Leben?“ Insgesamt sechs Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen sollen sich aus ihrer jeweiligen Fachperspektive heraus mit dem Thema beschäftigen (hier das Programm). Mein Part ist die erziehungs- bzw. bildungswissenschaftliche Perspektive. Bei der Ausarbeitung des Beitrags bin ich bei (zu?) starken Begriffen gelandet – nämlich Freiheit und Zwang. Ich hoffe, dass meine Botschaften dennoch ankommen bzw. angekommen sind.
Wie so oft, halte ich meine Folien ohne das gesprochene Wort für wenig aussagekräftig und möchte diese folglich weder als Handout verteilen noch auf digitale Reise schicken. Stattdessen aber mache ich gerne mein Redemanuskript zugänglich – inklusive der verwendeten Literatur.
Redemanuskript_Bonn_Nov2012_DHV
Ein Rückblick auf die Fachtagung und was ich dabei alles gelernt habe, kommt in Kürze.
Hochschuldidaktik – unbelehrbar?
Fast wäre es untergegangen … Mit einigen Wochen Verspätung, aber immerhin jetzt, möchte ich einen kurzen Vortrag zum Thema Hochschuldidaktik öffentlich machen, den ich in einer kleineren Runde Mitte September 2012 gehalten habe. Wem der Inhalt zu pessimistisch vorkommt, den kann ich beruhigen: Ich bin davon überzeugt, dass die Hochschuldidaktik eine Zukunft hat. Dennoch muss man ja ab und zu der Realität ins Auge sehen
Was wäre, wenn … Akt VII des Blended Talk
Nun ist die GMW 2012 schon wieder vorüber. Anstatt an dieser Stelle nun den Rest des Textes zu posten, verweise ich jetzt auf den GMW-Band, der online hier zugänglich ist. Auf den Seiten 29 bis 40 findet sich der Text zum Gedankenexperiment – natürlich in der Gänze.
Im „Blended Talk“ zum Gedankenexperiment über Prüfungen haben mich Beat und Petra tatkräftig unterstützt. Ihre Überlegungen dazu, was denn wäre, wenn es keine Prüfungen mit Rechtsfolgen mehr gäbe, waren sehr interessant! Ich habe mich gefreut, dass die beiden das mitgemacht haben – vielen Dank an der Stelle nochmal an euch beide! Bei genauem Hinhören wurde aus meiner Sicht bei den drei Varianten deutlich, dass wir alle an mehreren Stellen die Bedingungen geändert haben, unter denen wir unsere Überlegungen ausgeführt haben. Die Zeit war aber viel zu knapp, um das zu explizieren. Zu eng war auch der Zeitrahmen für eine genaue Beantwortung aller vier Fragen.
Wie immer ist man hinterher schlauer und ich würde bezogen auf den „Blended Talk“ sagen, dass man auf jeden Fall einen Workshop (mindestens 90 Minuten) dazu hätte machen müssen. Erst mal wäre es wichtig gewesen, die Methode des Gedankenexperiments auch in der Präsenzsituation ausführlicher darzulegen, damit man „systematisch“ nachdenkt. Das hat vor allem zu zweit oder zu dritt meiner Einschätzung nach großes Potenzial – vielleicht ist das ja auch ein bisschen rübergekommen. Um dieses Potenzial wirklich auszuschöpfen, erscheint es mir notwendig, hier methodisch ausreichend Vorarbeit zu leisten. Da reicht ein kurzer Text vorab sicher nicht.
Sodann hätte jeder von uns mindestens 15 Minuten Zeit haben müssen, um die Fragen unter den definierten Bedingungen ausführlich zu beantworten und zu begründen. Im Anschluss hätte man dann unsere Antworten miteinander vergleichen und diskutieren können, warum wir an welchen Stellen zu ähnlichen oder eben verschiedenen Antworten gekommen sind. Schließlich wäre es sehr fruchtbar gewesen, in einer zweiten Runde die Bedingungen zu ändern, die ich als Autorin ein wenig selbstherrlich festgelegt hatte.
Aber egal: Ich bin froh, das mal ausprobiert zu haben. Und vielleicht lässt sich das oben Gesagte ja auch asynchron nachholen (wobei es da aber wohl wieder Zeitprobleme geben wird). Inhaltlich, also bezogen auf das Thema Prüfungen, meine ich nach wie vor, dass ein solches Gedankenexperiment die eine oder andere kreative Idee zur Lösung unserer vielfältigen Assessment-Probleme beitragen oder wenigstens das ein oder andere typische Phänomen im Kontext von Lehre und Assessment in einem anderen Licht oder nachvollziehbarer erscheinen lassen könnte.
Was wäre, wenn … Akt IV des Blended Talk
Morgen beginnt bereits die Preconference der GMW – es werden also schon einige in Wien sein. Die Hauptkonferenz beginnt am Dienstag. Nun ist der GMW-Band ja bereits online – trotzdem kommt jetzt stoisch der letzte Blog-Post, der dazu beitragen soll, dass der „Vortrag“ am Dienstag-Nachmittag mit dem Titel „Was wäre, wenn es keine Prüfungen mit Rechtsfolgen mehr gäbe“ etwas anders gestaltet werden kann. Die vorhergehenden Akte finden sich (in aufsteigender Reihenfolge) hier, hier und hier. Im Folgenden wird dargelegt, unter welchen Bedingungen das Gedankenexperiment abläuft.
Das Setting des Gedankenexperiments
(1) Prolog: Was ist das Grundsätzliche und Übergreifende in meinem Gedankenexperiment? Welchen Rahmen habe ich gesteckt? Einerseits geht es mir um die Koppelung von Lehren und Lernen, die unter anderem durch Prüfungen behindert, oft genug auch verhindert wird. Didaktisch betrachtet spricht viel dafür, „Prüfungen mit didaktischen Funktionen“ bzw. verschiedenen Formen eines „Assessment for Learning“ mehr und intensiver als bisher in die Lehre zu integrieren und im Gegenzug Prüfungen mit Rechtsfolgen abzuschaffen, die komplexeren didaktischen Szenarien zur Kompetenzförderung nicht gerecht werden. Andererseits geht es mir um die Effizienz im Bildungsalltag von Universitäten, die infolge von Prüfungen denkbar schlecht ausfällt. Ökonomisch betrachtet spricht wenig dafür, Prüfungen mit Rechtsfolgen in der heutigen Form beizubehalten: Anschlusssysteme auf dem Arbeitsmarkt kritisieren Prüfungsergebnisse und Noten, weil sie wenig valide (z.B. inflationär gut) oder nicht aussagekräftig sind, setzen eigene Assessment-Verfahren ein oder fällen falsche Entscheidungen auf der Grundlage von Ziffernnoten (vgl. Lang-von Wins, Triebel, Buchner & Sandor, 2008).
(2) Annahmen: Welche Prämisse liegt meinem Gedankenexperiment zugrunde? Inwiefern sind die Annahmen, welche die Prämisse bilden, kontrafaktisch und dennoch denkbar oder real möglich? Die Prämisse ist: Nehmen wir an, an Universitäten gäbe es keine Prüfungen mit Rechtsfolgen mehr, also keine Prüfungen, die einen Selektionscharakter haben und mit einer Ziffernnote bewertet werden. Nehmen wir weiter an, dass von außen (z.B. Wirtschaft, andere Arbeitgeber) kein prinzipieller Protest gegen diese Abschaffung laut würde, und dass die Ressourcen der Universitäten konstant blieben.
Die erste der formulierten Annahmen, die Kernannahme des Gedankenexperiments, ist einerseits kontrafaktisch: Sie entspricht heute und in unserer Gesellschaft nicht der Wirklichkeit – im Gegenteil: Prüfungen spielen an Universitäten für Studierende und Lehrende eine herausragende Rolle. Gleichzeitig aber ist die Annahme prüfungsfreier Universitäten durchaus denkbar, hat doch z.B. die BAK bereits 1970 die Abschaffung von Prüfungen mit Rechtsfolgen als möglich dargelegt. Auch die anderen beiden Annahmen sind fiktiv bzw. hypothetisch (zumal da man annehmen muss, dass Anschlusssysteme am Arbeitsmarkt Ziffernnoten zumindest als ersten Filter verwenden), aber im Bereich des Möglichen. Zusammen haben die formulierten Annahmen eine gewisse Katalysator-Funktion: Das angestoßene Szenario regt die Vorstellung an und man kann es weiterdenken.
(3) Fragenkomplex: Welche Fragen sollen in meinem Gedankenexperiment beantwortet werden? Meine Fragen lauten: Wie würden Studierende darauf reagieren, wenn es keine Prüfungen mit Rechtsfolgen mehr gäbe? Was würde das für die Lehrenden und für die Verwaltung an Universitäten bedeuten? Welche Alternativen zum Prüfungssystem mit Rechtsfolgen würden sich entwickeln? Welche Rolle würden die digitalen Medien dabei spielen?
Die durch die Annahmen gebildete Prämisse des Gedankenexperiments legen die formulierten Fragen nahe, aber nicht fest: Während sich die erste Frage relativ eng an die gemachte Prämisse anlehnt, ist die letzte Frage nicht zwingend, für meine Zielsetzung aber wichtig. Alternativ hätte man z.B. auch fragen können, ob das mit der Versuchsanordnung geschaffene Szenario überhaupt wünschenswert ist oder nicht und warum es (un-)erwünscht ist, oder welche Reaktionen von außen (Arbeitgeber) kämen.
(4) Bedingungen: Von welchen Bedingungen gehe ich aus? Die Bedingungen, von denen ich bei diesem Gedankenexperiment ausgehe, lassen sich in aller Kürze wie folgt benennen: (1) die Erkenntnis, dass Studierende in der Regel so lernen, wie sie geprüft werden (z.B. Reeves, 2006); (2) die Beobachtung, dass sich die Masse der Prüfungen auf die Abfrage von Kenntnissen beschränkt (z. B. Wannemacher, 2009); (3) die Folgerung, dass die Kompetenz-Rhetorik in Modulhandbüchern mit den Merkmalen heutiger Prüfungen in der Regel wenig gemeinsam haben (z.B. Borgwardt, 2011); (4) die Erfahrung, dass anspruchsvolle Prüfungen mit gegebenen Ressourcen nur schwer zu bewältigen sind (z. B. Müller, 2011); (5) der Grundsatz, dass man die an Universitäten vorhandenen Ressourcen nicht unnötig verschleudern sollte (z.B. Schimank, 2008).
In diesem Rahmen werden sich alle drei Varianten des Gedankenexperiments auf der GMW-Tagung bewegen. Nicht nur ich werde meine Version darstellen, die sich auch im schriftlichen Artikel des GMW-Bandes befindet, sondern auch Petra Grell und Beat Döbeli werden unabhängig von mir eigene Versionen präsentieren. Leider sind 30 Minuten sehr knapp dafür: Jeder von uns wird nur fünf Minuten Zeit haben, denn das Ganze muss ich trotz der Blog-Posts ja doch ein wenig rahmen. Ich bin aber sehr gespannt, denn ich kenne Beats und Petras Versionen auch noch nicht! Bis dann!
Was wäre, wenn … Akt III des Blended Talk
Die GMW rückt näher und ich bin beim dritten von vier Blog-Posts als Vorbereitung auf einen Beitrag zum Thema Prüfungen. In diesem Beitrag geht es um den Versuch, in einem Gedankenexperiment der Frage nachzugehen, was wäre, wenn es keine Prüfungen mit Rechtsfolgen mehr gäbe. Das Vorgehen habe ich hier erklärt; die beiden vorausgegangenen Abschnitte befinden sich hier und hier.
Dieser Akt nun ist SEHR wichtig. Denn man muss sich ja fragen, was ein Gedankenexperiment überhaupt ist! Wenn man sich darüber keine Klarheit verschafft, bleibt das Ganze eine ziemlich windige Sache. Also: Wer Interesse an dem Präsenz-Beitrag am Dienstag-Nachmittag auf der GMW hat: Bitte diesen Abschnitt unbedingt lesen. Ich werde das nämlich am Dienstag nicht wiederholen können.
Was ein Gedankenexperiment auszeichnet und (nicht) leisten kann
Manchen gilt das Gedankenexperiment lediglich als eine andere Bezeichnung für Gedankenspiele ohne Bezug zur Wissenschaft; andere sehen im Gedankenexperiment eine wissenschaftliche Methode. Eine umfassende Darstellung der Ideen- und Wissenschaftsgeschichte sowie eine kritische Analyse dieser Methode liefert Ulrich Kühne (2005). In seinem Buch erläutert er das Gedankenexperiment in der Naturphilosophie, Psychologie und Logik sowie in der modernen Physik und Wissenschaftsphilosophie. Eine erste theoretische Arbeit über die Methode des Gedankenexperiments stammt aus dem Jahr 1811 vom dänischen Naturforscher Hans Christian Ørsted; in das Vokabular von Naturwissenschaft und Wissenschaftsphilosophie führte Ernst Mach um 1900 den Begriff des Gedankenexperiments ein (Kühne, 2005, S. 21). Seitdem wurde und wird er unsystematisch gebraucht, was unter an-derem daran liegt, dass es zwar viele Beispiele für Gedankenexperimente (aus Naturwissenschaft und Philosophie) gibt, aber kaum genaue Definitionen oder gar methodische Anleitungen. Für Kleining (1986, S. 742 ff.) ist das Gedankenexperiment eine Form des qualitativen Experiments, für das entsprechend alle Techniken (des geplanten Veränderns) verwendet werden können wie bei anderen Formen des Experimentierens. Seel (2007, S. 38) betont, dass Gedankenexperimente letztlich darauf hinauslaufen, mögliche Welten zu konstituieren. Es geht in einem Gedankenexperiment weniger darum, zu eruieren, ob etwas wahr oder falsch ist, sondern darum, ob es möglich oder notwendig ist.
Kaum jemand behauptet, Realexperimente würden durch Gedankenexperimente widerlegt oder überflüssig gemacht werden. Stattdessen wird vor allem deren heuristische Funktion betont: Mit Hilfe von Gedankenexperimenten kann man sich das Unübliche, Andersartige, Unvertraute vorstellen (Engels, 2004, S. 220 f.). „Sinnvoll verstanden sind Gedankenexperimente eine Methode, um argumentative Brücken zwischen weit auseinanderliegenden, logisch zuvor unverbundenen Wissensinhalten herzustellen. Die Brücke wird durch Prinzipien hergestellt. Ausgehend von einem vorhandenen Wissen – Alltagswissen oder fortgeschrittene Theorien – werden qualitative Allgemeinsätze abstrahiert, deren Gültigkeit in einen noch nicht erforschten Anwendungsbereich stipuliert wird“ (Kühne, 2005, S. 390). Festzuhalten ist: Nicht jede Überlegung, die mit „Was wäre, wenn ….“ beginnt, ist ein Gedankenexperiment. Das aber wirft die Frage auf: Wann führt der Satzanfang „Was wäre, wenn ….“ zu einem solchen? Nach Helmut Engels (2004, S. 14 ff.) lässt sich an folgender (oft implizit bleibender) Struktur erkennen, ob man ein Gedankenexperiment vor sich hat:
- Während man bei einem Realexperiment von Hypothesen ausgeht, die man verifiziert oder falsifiziert, liegen einem Gedankenexperiment zunächst einmal eine oder mehrere Annahmen zugrunde, die kontrafaktisch sind, also gegen die Fakten sprechen, aber denkbar sein müssen, prinzipiell auch real möglich sein können und die Vorstellung anregen.
- Neben den Annahmen, welche die Versuchsanordnung bzw. Prämisse bilden, umfasst ein Gedankenexperiment eine Frage oder einen Fragenkomplex, der in Bezug zu den Annahmen steht, ohne direkt daraus ableitbar zu sein.
- Das eigentliche Experiment besteht darin, Überlegungen zur Beantwortung der formulierten Fragen anzustellen. Dabei kann man weitere Bedingungen einbeziehen, z.B. „logische Prinzipien, moralische Normen, Wertentscheidungen, Erkenntnisse der Einzelwissenschaften, Einsichten aus der Lebenserfahrung, lebensweltliches Wissen usw.“ (Engels, 2004, S. 16). Zudem bedient man sich beim Überlegen verschiedener Vorgehensweisen wie z.B. Analogiebildung, hypothetische Verallgemeinerung, Perspektivenwechsel, experimentelle Umkehrung und vieles mehr. Der Ausgang des Experiments ist offen.
- Zu einem Gedankenexperiment gehört schließlich ein größerer Rahmen, der etwas Grundsätzliches oder Übergreifendes beinhaltet. Diesen Rahmen bilden der Prolog am Anfang und der Epilog am Ende.
Daraus ergeben sich insgesamt fünf Schritte für die Umsetzung und Präsentation, an denen ich mich im Folgenden (explizit) bei der Darstellung meines Gedankenexperiments zur (Un-)Entbehrlichkeit von Prüfungen an Universitäten orientieren werde.