Der Wille würde es auch tun

Ich gebe es zu, dass ich mit den zahlreichen unter dem „Konnektivismus“ firmierenden Verlautbarungen zum selbstorganisierten und vernetzten Lernen insbesondere aufgrund des damit verbundenen missionarischen Eifers (der immer gleichen Leute) skeptisch gegenüberstehe. Das gilt auch für die im Moment durch viele Blogs und Ankündigungen laufenden Massive Open Online Courses (MOOC). Nun habe ich endlich den im Oktober 2011 veröffentlichten,  recht sachlichen Überblick über dieses Format in einem e-teaching.org-Artikel von Stefanie Panke (hier) gelesen. Der Beitrag stellt insbesondere eine Beziehung zum Konzept der „Personal Learning Environments“ her und versucht, die an MOOCs gestellten Erwartungen auf diesem Wege ein wenig zu ordnen und stellenweise auch kritisch zu hinterfragen. Als Kennzeichen für MOOCS werden Aspekte genannt, die so neu nicht sind:

(a) Es werden mehr Inhalte angeboten, als verarbeitet werden: Nun, das ist in anderen Veranstaltungen durchaus auch der Fall, wenn man Reader und Literaturlisten, Links und andere Ressourcen zusammenstellt – mir kommt das jedenfalls eher üblich vor. (b) Lernende treffen eine individuelle Auswahl und konstruieren ihren eigenen „Informationsmix“: Im Kopf der Lernenden erfolgt genau das, so würde ich behaupten, ebenfalls in jeder Seminarveranstaltung, im besten Fall auch im Hinblick auf die persönliche Gestaltung der Veranstaltungsressourcen in analoger und digitaler Form. (c) Die Inhalte überträgt jeder entsprechend seiner Ziele in eigene bedeutsame Kontexte: Seit den 1990er Jahren gibt es verschiedene didaktische Modelle, die zum einen zielgruppenspezifische, Interesse weckende Anwendungskontexte anbieten, aber natürlich auch dazu anregen, eigene Betroffenheit herzustellen, indem man Bezüge zu persönlichen Zielen und Anwendungsfeldern sucht. DASS man das macht, ist also ein alter Hut, WIE man es erfolgreich machen kann, wäre da schon interessanter. (d) Lernende sollen ihren Standpunkt öffentlich vertreten: Das hat man in klassischen Veranstaltungen (auch technologiegestützten) meistens nicht und dürfte wohl als einzige wirkliche Besonderheit gelten – mit entsprechend Vorteilen und Nachteilen.

Eher befremdlich sind die deutschen Wort-Neukreationen auf der Seite 10 im Zusammenhang mit Problemen bzw. Herausforderungen in MOOCs: „Kuration“ und „Voliation“ sind jedenfalls keine Wörter, die im Duden auftauchen und auch nicht gerade verständnisfördernd sind – muss das sein? Warum nicht „Informationspflege“ – hätte wenigstens einen netten metaphorischen Beiklang. Und was soll „voliation“ sein? Ist vielleicht „Volition“ gemeint? …, wobei ich auch dieses (bei Psychologen durchaus gängige Wort) seltsam finde – der Wille würde es auch tun.

Am Ende des Beitrags wird unter anderem die fehlende Anbindung des MOOC-Konzepts an institutionalisierte Lehr-Lernformen mit Prüfungen kritisiert. Meine These ist, dass das nie zusammengehen wird: Prüfungen sind nicht dazu geeignet, dazu anzuregen, sich in ungewisse Lernprozesse zu begeben, dabei auch noch motiviert bei der Stange zu bleiben und sich an der Unabgeschlossenheit des gemeinsam konstruierten Wissens zu erfreuen. Das sind einfach zwei ganz verschiedene Modi und ich kann es keinem Studierenden verübeln, wenn er sich da lieber ganz traditionell auf die nächste Prüfung vorbereitet. Solange wir an Hochschulen prüfen wie bisher, bleiben bei MOOCs die Marketing-Effekte wohl größer als die Effekte auf das Studium.

Permanenter Minderwertigkeitskomplex gegenüber anderen Wissenschaften

Eher zufällig bin ich auf das „Journal für Psychologie“ (Open Access!) und dort auf einen Beitrag aus dem Jahr 2009 gestoßen, in dem es um das Verhältnis zwischen „Grundlagen“ und „Anwendung“ in der Psychologie geht. Ziel des Beitrags ist es, die häufig (unter anderem von Heinrich Wottawa) unternommenen Versuche zu kritisieren, die Psychologie am Vorbild der Physik zu orientieren und das Verhältnis zwischen Grundlagenforschung und Anwendungsfächern in der Psychologie analog zum Verhältnis zwischen Physik und Ingenieurwissenschaften zu interpretieren. Um es vorwegzunehmen: Es wird gezeigt, dass und warum diese Analogiebildung nicht trägt und inwiefern ein Vergleich (wenn er denn sein muss) eher zu anderen Schlüssen führen müsste als den, dass allein die experimentell arbeitende Psychologie die eigentliche (oder bessere) Wissenschaft sei.

Wen das Thema interessiert, sollte den Beitrag am besten ganz lesen. Ich begnüge mich an der Stelle mit ein paar Zitaten:

„Nun könnte Psychologen jeder Art eine derartige Unterscheidung [Anm: zwischen Physik und Ingenieurswissenschaften] ziemlich gleichgültig sein, soweit sie selbstbewusst den eigenständigen Charakter ihrer Wissenschaft vertreten würden. Dies scheint aber keineswegs selbstverständlich zu sein, denn wie sonst wären sie im Laufe der Geschichte ihrer Disziplin immer wieder auf die Idee gekommen, sich mit Physikern vergleichen zu wollen. Dieses Faktum dürfte einen permanenten Minderwertigkeitskomplex gegenüber anderen Wissenschaften widerspiegeln und das Bedürfnis zur Folge haben, ihre Tätigkeiten laufend als wissenschaftlich ernst zu nehmend darzustellen. Das heißt, der Vergleich mit der Physik ist offenbar für manche Grundlagenforscher in der Psychologie von existenzieller Bedeutung“

„Physiker und Ingenieure wundern sich über die schier endlos erscheinenden Diskussionen von Psychologen zur „Methodenfrage“, wobei inhaltlich-gegenstandsbezogene Themen denselben eher zweitrangig erscheinen.“

„Pluralismus allein wird der Einheit der Psychologie nicht hinreichend gerecht. Es wäre vielmehr erforderlich, darüber nachzudenken, inwieweit das derzeit vorherrschende „Paradigma“ innerhalb dieser Wissenschaft mehr oder weniger in qualitativer Hinsicht modifiziert werden sollte. … Vor allem scheint uns ein anderer Punkt entscheidend zu sein, nämlich die unkritische, gelegentlich fast fanatisch wirkende Forderung nach einer ausschließlich experimentell arbeitenden Psychologie. Wer sich dabei ernsthaft an der Physik ein Vorbild nehmen wollte, ginge jedoch – wie oben erwähnt – an der vollen Realität dieser Naturwissenschaft vorbei. Orientierung an der Physik müsste vielmehr heißen, auch deren nichtexperimentelle Seite gebührend zu beachten. … Wie wäre es denn – durchaus in Anlehnung an die Physik – mit einer nichtexperimentellen Psychologie, am Ende gar – man wagt es kaum, dies auszusprechen – einer geisteswissenschaftlichen Justierung, zur Behebung der gegenwärtigen ´Schlagseite´ eines besonders wichtigen ´Seglers´ in den ´Gewässern´ der gelehrten (nicht nur englischsprachigen) Welt? Aber vielleicht ist es doch besser, dies zu versuchen ohne ständig voller Neid und Minderwertigkeitskomplexen ausgerechnet auf die Physik zu schielen und damit die eigene Wissenschaft zumindest gegenüber Physikern der Lächerlichkeit preiszugeben“.

Jenseits der „Toll-Danke-sehe-ich-genauso“-Kommentare

Es ist jetzt ziemlich genau zwei Jahre her, als ein Beitrag von Rolf Schulmeister zum Thema „Kommentarkultur in Weblogs“ ein wenig Aufregung unter einigen Bloggern verursacht hat – vor allem bei denjenigen, die in einer kleinen empirischen Studie zu den „Beforschten“ gehörten (z.B. hier, hier, hier und hier). In der Tat ist es in vielen Fällen nicht so weit her mit den Kommentaren auf Blog-Posts oder gar mit Diskursen, die dadurch angestoßen werden. Aber es gab und gibt Ausnahmen: Viel diskutiert (jenseits der einfachen „Toll-Danke-sehe-ich-genauso“-Kommentare) wird z.B. regelmäßig im Blog von Christian Spannagel oder auch im Lehrerblog von Herrn Rau. In meinem eigenem Blog geht diesbezüglich eher gemächlich zu – woran das genau liegt, kann ich nicht sagen. Jedenfalls habe ich an diese Diskussion über Blogs als Medium der Selbstdarstellung versus als Medium der gegenseitigen Kommentierung denken müssen, als ich die umfängliche Auseinandersetzung im noch jungen Blog des „Netzwerks Innovation durch Bildung“ zu Werner Sesinks Ausführungen über seine Vorlesungserfahrungen gelesen habe. Gut, man trifft da wieder auf die alt bekannten Namen und das wiederum stützt Rolfs These von der Kommentarmüdigkeit in der Blogosphäre, wenn es nicht um Themen geht, die man als persönliches Hobby verfolgt, sondern um solche rund um Lehren, Lernen und Bildung (das sind dann halt immer nur SEHR wenige, die da aktiv sind). Dennoch zeigt dieses Beispiel aus meiner Sicht schön, dass und wie ein Diskurs öffentlich geführt werden kann. Und wer das genau mit verfolgt, kann daraus viel lernen und zum eignen Mit- und Nachdenken angeregt werden, ohne selbst mit zu diskutieren. Auch für Studierende könnte das interessant sein. Aber freilich dürfte hier wieder gelten: Selbst WENN Professoren bloggen (nur sehr wenige tun es), ist wohl die studentische Lesergruppe eher klein. Oder doch nicht?

Schwingt das Pendel zurück?

Im Mai 2011 hat Tom Reeves (online hier) einen Text veröffentlicht, in welchem er die Frage stellt, ob Strenge bzw. Präzision (rigor) und Relevanz (relevance) wirklich Gegensätze sein müssen und wie man zwischen diesen beiden Kriterien, die häufig verschiedene methodische Schulen davon abhalten zu kooperieren, eine Balance erreichen könnte.

Im Abstract zum Text liest sich das so:

This paper addresses a complex question: Can educational research be both rigorous and relevant? The first eight years of the first decade of the 21st Century was a time when federal support for educational research in the USA emphasized rigor above most other concerns, and the last two years may mark the beginning of a shift to more emphasis on impact. The most desirable situation would be a balance between rigor and impact. Educational designers, teachers, and other practitioners would especially stand to benefit from such a balance because of the likelihood that it will enhance the impact of educational research. Educational design research is proposed as having enormous potential with respect to striking an appropriate balance between rigor and relevance in the service of the educational needs of learners, teachers, designers, and society at large.”

Leider enthält der Beitrag wenig neue Gedanken. Interessant aber fand ich Reeves Beobachtung, dass sich in den USA eine Veränderung anbahne (was er mit einem Pendelausschlag vergleicht) und man bei der Forschungsförderung wieder stärker die praktische Relevanz im Auge habe. Dass man praxistaugliche Forschung und damit auch entwicklungsorientierte Forschung nicht irgendwie, sondern systematisch, unter Nutzung sorgfältig bedachter Prinzipien, transparent sowie mit Bezug zu bestehenden Erkenntnissen und Theorien durchführt, erscheint mir allerdings selbstverständlich. Der Neuigkeitswert von Reeves Forderungen ist aus meiner Sicht entsprechend gering.

Auch die Schlussfolgerung am Ende fand ich eher enttäuschend: „Rigor versus relevance will likely remain an ongoing debate among many social scientists. Ultimately, it is an issue that each individual educational researcher must confront and resolve.” Ich finde, das ist genau nicht der beste Weg, dass das jeder Forscher individuell löst. Keinesfalls jedenfalls dürfte das die Chance erhöhen, dass neben Experimentalforschung, Korrelationsforschung, qualitativer Forschung etc. AUCH eine Entwicklungsforschung in den Bildungswissenschaften eine tragfähige Basis erlangt, gelehrt wird und sich entsprechend entfalten kann.

Offensiv bekundetes Desinteresse

Es gibt seit kurzem einen neuen Blog – einen Blog des Vereins „Netzwerk: Innovation durch Bildung e.V.“. Einige der Beiträge stammen von Werner Sesink, mit dem ich seit einiger Zeit einen für mich wertvollen Austausch unter anderen zum Thema Entwicklungsforschung habe. Der neuste Blog-Beitrag behandelt ein Problem, das ich auch immer wieder (und gerade erst) in meinem Blog bespreche: das Ringen um den Dialog in der Lehre, um Motivierung und Interessenentwicklung, um Vermittlung von Inhalten und Aktivierung zum eigenen wissenschaftlich fundierten Denken und Handeln. Wenige Professoren machen öffentlich, was Sie dabei erleben, welche Zwickmühlen entstehen, welche Fehler man macht und wo man sich – wohl ähnlich wie die Studierenden – ungerecht behandelt und immer wieder (trotz vieler Erfahrungen) auch etwas ratlos fühlt. Werner Sesink nun beschreibt hier seine etwas enttäuschenden Erfahrungen in seinem letzten Semester; ich möchte eine Stelle zitieren:

„Verletzend war das so offensiv bekundete Desinteresse eines großen Teils der Teilnehmer/innen an diesem besonderen Konzept, das so weit ging, dass sie keine Hemmungen hatten, die Veranstaltung praktisch kaputt zu machen (die Musik ging im Lärmpegel unter; mein Vortrag war kaum zu vernehmen – wobei ich selbst das gar nicht so gemerkt habe und erst durch die Rückmeldung der Studierenden darauf gestoßen wurde). Ich war erstmal ziemlich ratlos, wie ich einigermaßen würdevoll mit der Situation umgehen sollte. Schließlich hab ich mich entschlossen, zum einen den Studis eine Rückmeldung zu ihrem Verhalten zu geben, zum andern eine Neuregelung für den Erwerb des Leistungsnachweises einzuführen.“

Dass didaktische Konzepte, die sich bereits bewährt haben, nicht mehr „funktionieren“, ist eine Erfahrung, die ich ebenfalls schon gemacht habe. Ich frage mich dann mitunter, was genau sich geändert hat: Haben sich die Studierenden und ihre Erwartungen und Voraussetzungen geändert? Habe ich mich geändert, haben sich meine Anforderungen geändert? Oder habe ich übersehen, dass sich die Rahmenbedingungen geändert haben? Oder alles zusammen?

Auch die Suche nach Lösungen, die einen am Ende selbst nicht sonderlich überzeugen (auch das beschreibt Werner Sesink in seinem Beitrag) ist mir bekannt: Des Öfteren schon hatte ich das Gefühl, ein Loch zu stopfen und währenddessen ein neues aufzureißen, das dann wieder gestopft werden muss etc. Wahrscheinlich hilft nur, dass man das Ganze zwar weiterhin ernst nimmt, aber gelassener damit umgeht, dass man die interessierten Leute nach vorne bittet (wörtlich und bildlich gemeint) und mit ihnen spricht, sich freut, dass man ein paar erreicht und bei den anderen hofft, dass sie andere Wege finden, um ihre akademischen und beruflichen Ziele zu erreichen – ohne ihnen böse zu sein (was dann wohl das größte Kunststück ist)!

Die Wand zwischen den Studierenden und mir hat einen Namen

und der lautet: Beamer. Wie komme ich zu dieser Aussage? Es geht mal wieder um meine Einführungsvorlesung. In der zweiten Hälfte des Jahres 2011 hatte ich mir dazu wieder mal ein paar grundlegende Gedanken und einen neuen „Plan“ gemacht. Dies hatte ich schriftlich für mich festgehalten. Ich stelle die zwei Seiten hier gerne zur Verfügung:

Problem_Lösungsansatz_VL_DD_2012

Ich bin inzwischen fast bei der Hälfte der Veranstaltung angelangt und habe in den ersten vier Sitzungen ohne PowerPoint-Folien gearbeitet. Von außen mögen diese Sitzungen etwas unstrukturiert ausgesehen haben, weil wir viel diskutiert haben und manchmal auch zwischen den Themen gesprungen sind, aber: Immerhin ein Teil der Studierenden hat sich rege an Diskussionen beteiligt, eigene Beispiele beigesteuert und fast alle haben relativ aufmerksam zugehört. Wir haben zeitweise die Tafel und den guten alten Overhead-Projektor genutzt. Ich hatte für jede Sitzung Notizen dabei, welche Kernbotschaften ich in den Dialogen, mit den Beispielen und durch einige wenige systematische Darlegungen aus meiner Sicht „rüberkommen“ sollten. Auffällig war die vergleichsweise große Ruhe im mit ca. 80 Personen gefüllten kleinen Hörsaal. In der letzten Sitzung nun brauchte ich doch den Beamer, weil ich ein paar Beispiele für mediengestützte Lehr-Lernangebote direkt zeigen wollte: Das erschien mir angebracht, zumal es ja um Lehren und Lernen mit Medien geht und die Anschauung sollte ja auch eher motivierend sein als das Sprechen „über“ Medienangebote. Nun muss man dazu sagen, dass die Beamer in unseren Hörsälen unverschämt laut sind: Sie sind nicht an der Decke, sondern im hinteren Teil des Hörsaals angebracht, sodass vor allem die davor sitzenden Studierenden einem hohen Geräuschpegel ausgesetzt sind. Letzten Montag also war der Beamer an und schon war sie wieder da – die unsichtbare Wand zwischen den Studierenden und mir: Es war wesentlich unruhiger als in den Sitzungen davor, die Aufmerksamkeit war bei vielen woanders, ich hatte weniger Dialogpartner und war froh, als 90 Minuten um waren. Morgen lasse ich den Beamer wieder aus …

Sollte man nicht machen

Gestern, am 27.01.2012, fand der zweite Teil der Tagung „Studium 2020“ statt, über die ich im letzten Beitrag bereits kurz (und sehr ausschnitthaft) berichtet hatte. Nach einem Vortrag von Uwe Wilkesmann mit empirschen Daten zur Heterogenität der Studierenden an drei Universitäten fanden noch einmal drei parallele Foren statt.  Eines davon war ein „mediendidaktisches Forum“, in welchem Wolfgang Nejdl und ich je einen Impulsvortrag gehalten haben. An sich passiert es mir nicht so oft, dass ich mit der Zeit nicht klar komme, aber diese verkürzten Vortragszeiten von 20 Minuten scheine ich einfach nicht drauf zu haben – Wolfgang Neijdl allerdings noch weniger ;-). Das kommt wahrscheinlich daher, dass ich unbedingt ein paar Dinge loswerden musste, die mir noch vom Vortag auf der Zunge lagen – das sollte man halt nicht machen. Da ich über ein paar Dinge etwas schnell hinweggehen musste, möchte ich an der Stelle noch einmal eine schriftliche Fassung des Vortrags inklusive der Folien zur Verfügung stellen. Schön war, dass sich eine angeregte Diskussion um das Thema „Betreuung von Studierenden“ anschloss. Mehrer Wortmeldungen zeigten, dass es an verschiedenen Orten durchaus vergleichbare Probleme gibt (Aufwandsprobleme, Probleme bei der Rezeption von Feedback etc.).

Vortragstext Studium 2020 Jan 2012

Vortragsfolien Studium 2020 Jan 2012

Pastorales Lehren?

Aktuell findet gerade die Veranstaltung „Studium 2020“ in Berlin statt: Noch bis heute Mittag geht es um verschiedenste Fragen rund um das Studium – nicht nur um didaktische, sondern auch um organisationale (hier das Programm). Gestern bin ich leider etwas zu spät gekommen, aber immerhin pünktlich zum Vortrag von Dieter Euler. Anschließend gab es einen Beitrag von Rolf Arnold und schließlich habe ich mich ins Forum gesetzt, in dem Rolf Schulmeister und John Erpenbeck didaktischen Fragen zum Studium der Zukunft nachgegangen sind. Mein Einwand in der sich anschließenden Diskussion, der sich vor allem auf die Ausführungen von Arnold und Erpenbeck bezog, nämlich dass Sätze wie „Wissensvermittlung ist keine Kompetenzentwicklung“ wenig hilfreich für didaktische Neuerungen und eher ein Kategorienfehler sind, ist offenbar ein bisschen so angekommen, als sei ich ein Spielverderber. Jedenfalls wurde in den Erwiderungen das Ganze wieder einmal um die eigene Achse gedreht und ließ meinen Einwand so aussehen, als sei ich ein Befürworter nutzloser Vorlesungen. Vielleicht nochmal auf diesem Wege zur Klarstellung: Es ist ein Unding, ein Studium vor allem auf darbietenden Lehrformen wie z.B. Vorlesungen aufzubauen. Notwendig ist meiner Auffassung nach ein gut überlegter, auf die Phase eines Studiums abgestimmter Mix aus verschiedenen Formaten. Ich kann allerdings nicht die Auffassung teilen, dass jede Form von darbietendem oder auch anleitendem Lehren etwas grundsätzlich „Pastorales“ hat – es kommt ja darauf an, WIE man das macht. Nur weil es so viele schlechte Vorlesungen gibt, kann man daraus doch nicht schließen, dass es grundsätzlich unmöglich ist, auch mal durch Zuhören (oder Zusehen) etwa zu lernen. Logisch ist, das man dabei (im besten Fall) etwas anderes lernt als in einem Projektseminar, und dort wieder etwas anderes als in einer Übung, und dort wieder etwas anderes als beim freien oder angeleiteten Selbststudium oder in einem Praktikum. Ich denke jedenfalls, dass uns diese unsäglichen Dichotomien (siehe auch hier) für eine bessere Gestaltung von Studiengängen NICHT weiterhelfen.

Zeit schrumpfen

Normalerweise sehe ich ja zu, dass ich trotz engem Terminkalender einigermaßen regelmäßig diesen Blog „pflege“ , sprich: nicht vernachlässige. Aber dann passiert es halt doch, dass man das Vorhaben, einen kurzen Beitrag zu schreiben, immer wieder auf später verschiebt. Ja, zugegeben: Ich bräuchte mal wieder einen richtig freien Tag für freie Gedanken. „Frei“ ist da schon der richtige Begriff, denn wenn (auch so ein passendes Bild) das „Zeitkorsett“ zu eng wird, fühlt man sich wie ein Gefangener.  An sich mag ich es ja nicht, im Blog zu klagen, dass man nicht zum Bloggen kommt; das ist letztlich eine seltsam Meta-Blog-Kommunikation. Aber ich greife mal einen Aufhänger zu diesem Beitrag heraus, der über die Meta-Kommunikation hinausgeht: die Zeit! Neulich habe ich in der S-Bahn in einem Buch von Helmut Engel zum Thema „Gedankenexperimente“ eine schönen Hinweis zum Thema Zeit gefunden: In Gedanken nämlich kann man die Zeit rückwärts laufen lassen, in der Vergangenheit neu anfangen, die Zeit dehnen und schrumpfen, einen Zeitraum immer und immer wieder erleben usw. Mit zunehmenden Alter hat man ja das Gefühl, dass die Zeit schrumpft – jedenfalls die, die noch vor einem liegt. Die Zeit zu dehnen, ist mir jedenfalls noch nicht gelungen. In Gedankenexperimenten allerdings geht das in der Tat. Wenn ich mal wieder Zeit habe, werde ich intensiver drüber nachdenken. 🙂

Endloses Chaos

Schon vor über einer Woche war im Spiele online zu lesen, dass es Pläne gibt, die HIS Software-Sparte zu verkaufen, die seit Jahren eine (verbesserte) Software für die Vergabe von Studienplätzen verspricht. Im Artikel (hier) heißt es: „Jetzt, nachdem HIS von allen Seiten attackiert wurde, sieht es so aus, als ob Bund und Länder die Privatisierung der HIS-IT-Sparte ernsthaft in Betracht ziehen. Der Website studis-online.de ist ein Brief zugespielt worden, der darauf hindeutet. Das Schreiben, das SPIEGEL ONLINE vorliegt, stammt von Schavans Staatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen und richtet sich an die Amtschefs der Wissenschaftsminister der Länder. Darin mahnt das BMBF ´Handlungsbedarf´ in Sachen HIS an: ´Als Gesellschafter der HIS hält der Bund eine Privatisierung der HIS-IT für einen geeigneten Weg.´ Der HIS-Aufsichtsrat habe entschieden, dass eine Unternehmensberatung Konzepte entwirft, wie das gehen könnte.

Nun ist die Software für die Studienplatzvergabe ja nicht das einzige Programm, das Universitäten von HIS nutzen. Viele werden auch zu ihrem Leidwesen andere Produkte etwa zur Veranstaltungsplanung und Modulhandbuchgenerierung oder – noch besser – für buchhalterische Vorgänge kennen. Wenn man mit anderen darüber spricht, kommt einem in der Regel nur Verzweiflung entgegen: Genervt sind viele, aber keinen interessiert es. Das ist freilich weniger medienwirksam als das „Chaos ohne Ende“ bei der Studienplatzvergabe (siehe hierzu auch eine Nachricht bei Forschung & Lehre hier).

Wie kann das eigentlich gehen? Da gibt es eine GmbH (!), die jetzt privatisiert werden soll (wie soll man das denn verstehen?). Der Bund (auch die Länder?) sind an der HIS GmbH beteiligt – tragen sie dann nicht auch mit die Verantwortung? Die Software für die Studienplatzvergabe ist nicht das einzige Sorgenkind: Würde man mal die Nutzer fragen, käme schnell heraus, dass es noch andere endlose Chaos-Schlaufen gibt. Aber „richten“ soll das jetzt eine Unternehmensberatung? Vielleicht sollte man es mal mit einer Open Source Community probieren. Wenn man da nur einen Bruchteil der Gelder investieren würde, um diese zu unterstützen, hätte man die Probleme vielleicht schneller gelöst.