Im Juli 2017 hatte ich (hier) schon mal angedeutet, dass es gegebenenfalls Zeit wird, mich aus meinem digitalen Rückzugsgebiet zumindest stellenweise wieder herauszubewegen. Ich denke, ich habe das redlich versucht etwa mit meiner Beteiligung an der Veranstaltung „Universität 4.0“ (im November 2017 – siehe hier), mit meiner Zusage eines Vortrags in Mainz im März 2018 (Programm siehe hier) und immerhin mit einigen Blog-Posts (wenn auch eher kritisch-rezipierend). Nun aber dürfen wir uns am HUL auch über ein neues Projekt freuen – klein und kurz, aber immerhin:
Schlagwort: Forschung
Mut zur Geduld gegen die unaufhörliche Leistungsschau
Und noch eine Rede (online hier) – mit der gleichen Stoßrichtung wie die Rede von Peter Strohschneider (siehe hier), gehalten von Peter-André Alt, Präsident der FU Berlin am 30. November 2017 (im Allianz-Forum Berlin). Auch in dieser Rede geht es um die Wissenschaft und ihre gesellschaftliche Verantwortung, um die aktuelle Wissenschaftsfeindlichkeit, um Populismus und Vereinfachung, aber auch um Fehlentwicklungen im Wissenschaftsbetrieb. Ich finde, noch mehr als Strohschneider bringt Alt auf den Punkt, was uns verloren zu gehen droht, wenn er schreibt:
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Interessenkreuzung
Warum die Tagung zum forschenden Lernen in Münster „The Wider View“ hieß, dürfte jedem klar geworden sein, der da war: Die Bandbreite vor allem an Interessierten und Vortragenden aus Schule, Weiterbildung, Fachhochschule und Universität war groß und gab einen schönen Einblick in die vielfältigen Vorstellungen, Ansichten, Umsetzungen und – ja wohl auch – Hoffnungen, die mit forschendem Lernen in verschiedenen Kontexten verbunden sind. Neben Ludwig Huber, Nils Neuber und Klaus Langer durfte ich einen der vier Keynotes halten. Mein Fokus war diesmal die Forschung im forschenden Lernen – ein Thema, das mich sicher noch (viel) länger beschäftigen wird, denn: Hier kreuzen sich meine thematischen und methodologischen Interessen ganz besonders. Anbei die Schriftfassung (als Preprint) zum Vortrag.
Thematische Nähe in weiter Ferne
Sehr weit weg, im fernen Dunedin in Neuseeland, beschäftigt sich Tony Harland an der University of Otago mit Themen und Fragen, die auch für uns am HUL von höchstem Interesse sind. Nur durch Zufall bin ich auf ihn gestoßen. Eine seiner aktuellen Publikationen dreht sich um das Konstrukt Authentizität in der Lehre, speziell in der forschungsorientierten Lehre (teaching through research).
Unter dem Titel „A framework for authenticity in designing a research-based curriculum“ beschreibt er zusammen mit Navé Wald die Entwicklung eines Rahmenkonzepts für die Gestaltung forschungsorientierter Lehre unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte von Authentizität. Der Text gibt einen guten Überblick über verschiedene Auffassungen und Deutungen von Authentizität im Kontext der Hochschulbildung.
Hauptsache sichtbar!?
Wenn man die „Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie der Gesamtstrategie der Universität Hamburg“ und vielleicht auch die Pressestimmen (z.B. hier oder hier) dazu gelesen hat, kann man an vielen Stellen hängen bleiben; an welchen, ist wohl eine Frage der Perspektive und der Rolle, die man selber hat. Nach dem ersten Lesen sind mir vor allem wiederkehrende Formulierungen und mehr oder weniger deutlich hervorgehobene Beurteilungsdimensionen aufgefallen, die mich fragen lässt: Was genau unterscheidet Wissenschaft und Bildung noch von Unternehmen? Natürlich: Universitäten brauchen Ressourcen, mit denen sie haushalten und dabei sehr verschiedene Interessen im Blick behalten, also auch ökonomisch handeln müssen; sie befinden sich außerdem in einem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld und sind damit Vergleichen ausgesetzt und müssen sich dazu verhalten. Aber lässt sich die Betrachtung von Universitäten bzw. von einzelnen Disziplinen oder einer ganzen Gruppe von Disziplinen darauf reduzieren oder auch nur fokussieren?
Erklären, was Philosophen tun
Was hat Hochschuldidaktik mit Philosophie zu tun? Vermutlich würden viele darauf antworten: Nichts! Faktisch ist es auch so, dass sowohl im deutsch- als auch im englischsprachigen Bereich Forschung auf Datensammeln beschränkt wird und philosophisches Argumentieren darin eher nichts zu suchen hat. Zu diesem Schluss kommt auch der Neuseeländer Clinton Golding in einem Text von 2013:
Golding, C. (2013). Must we gather data? A place for the philosophical study of higher education. Higher Education Research & Development, 32 (1), 152-155.
Allerbeste Forschung
Einmal im Monat kommt per E-Mail der DHV-Newsletter. Vor ein paar Tagen habe ich die dritte Ausgabe von 2016 geöffnet; die erste drei Kurzmeldungen trugen die Titel: Eckpunkte der Exzellenzinitiative sollen stehen – Hochschulleitungen für exzellente Förderung über Spitzenforschung hinaus – Neue Förderpläne für innovative Hochschulen, wobei es auch unter dem dritten Titel um Leistung und Exzellenz geht. Letzten Monat (siehe hier) sah es ganz ähnlich aus; da hieß es: Exzellenzinitiative I: Imboden-Kommission legt Bericht und Empfehlungen vor – Exzellenzinitiative II: DHV will Neuausrichtung – Exzellenzinitiative III: HRK gegen Exzellenzregionen.
Praxis des Vernunftgebrauchs
Forschungsorientierung in der Studieneingangsphase (FideS) ist das Thema unseres Forschungsprojekts im Rahmen des Programms Begleitforschung zum Qualitätspakt Lehre. Eine unserer Fragen im Rahmen dieses Projekts dreht sich um das Verständnis und die Ausprägung der Forschungsorientierung in der Lehre in Abhängigkeit von verschiedenen Disziplinen. Um hier ein Stück weiter zu kommen, haben wir unter dem Titel „Forschendes Lernen und Wissenschaftsdisziplinen“ am Dienstag einen Expertenworkshop mit rund 30 Personen veranstaltet, die in verschiedenen Rollen mit dem Thema beschäftigt sind: als Lehrende, als Koordinatoren oder Mitarbeiter im Qualitätspakt Lehre, als Forschende. Wir sind mit vielen Fragen und Interessen in den Workshop gegangen:
Fremddisziplinär vereinnahmt
Nicht nur in der ZEIT werden Wissenschaftler/innen, ihre Arbeit und ihr (fehlender) Bezug Gesellschaft derzeit kritisch beleuchtet. Speziell auf die Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft gemünzt findet sich dazu auch ein aktueller Beitrag in der Zeitschrift für Pädagogik.
Smith, R. & Keiner, E. (2015). Erziehung und Wissenschaft, Erklären und Verstehen. Zeitschrift für Pädagogik, 61 (5), 665-682.
Die ersten Sätze aus dem Abstract macht die Stoßrichtung des Beitrags bereits deutlich: „Erziehungswissenschaft scheint gegenwärtig weltweit, besonders in englischsprachigen Ländern, zunehmend von der Übernahme, gar der Imitation, naturwissenschaftlicher Methoden bestimmt zu sein. Ein Beispiel hierfür ist die gegenwärtige Begeisterung für randomisierte kontrollierte Studien (randomised controlled trials, RCTs), die oft als der Goldstandard in der medizinischen Forschung gelten. Ein anderes Beispiel ist die bislang unerfüllte Erwartung, dass die Neurowissenschaften uns alles darüber sagen könnten, wie Menschen lernen und wie sie besser, d. h. schneller und effektiver, lernen könnten.“
Lehre statt Professur!?
Sollen Profs im Bachelor lehren? – so fragt die Deutsche Universitätszeit (duz) hier und druckt die Antworten von zwei Professoren ab, deren Meinung dazu nicht unterschiedlicher sein könnte.
Wolfram Koepf, Professor am Institut für Mathematik an der Universität Kassel, meint „Auf jeden Fall sollen Profs im Bachelor lehren“: Warum? „Der Umgang mit Studienanfängern ist eine wichtige Erfahrung, die ich in meiner Tätigkeit nicht missen möchte und die mich als Dozenten auch immer wieder aufs Neue eicht. Diese Erfahrungen prägen auch die Neuerungen unserer Studiengänge. […] Zum anderen sind Lehre und Forschung die beiden akademischen Säulen, die nach meiner Ansicht für Professorinnen und Professoren denselben Stellenwert haben sollten, auch wenn dieser Grundsatz möglicherweise nicht bei jedem Berufungsverfahren vollständig zur Geltung kommt. Meiner Meinung nach ist Forschung nicht „wertvoller“ als Lehre, unsere Studierenden haben einen Anspruch auf die bestmögliche Ausbildung. […] Wenn die Lehre in den Bachelor-Studiengängen hauptsächlich von Lehrbeauftragten geleistet würde, führte dies unweigerlich bei den Professorinnen und Professoren zu einer Verschiebung ihrer Tätigkeit in Richtung Forschung […] Dies halte ich allerdings für völlig falsch. […] Worin würden sich dann Universitäten noch von außeruniversitären Forschungseinrichtungen unterscheiden? Die Trennung von Lehre und Forschung mag an außeruniversitären Forschungseinrichtungen angebracht sein, an Universitäten hat sie meines Erachtens nichts zu suchen.“
Volker Haucke, Direktor des Leibniz-Instituts für Molekulare Pharmakologie, dagegen ist überzeugt: „Auf keinen Fall sollen Profs im Bachelor lehren“: Warum? Von einer Einheit von Bildung und Forschung könne schon lange keine Rede mehr sein, zumindest die unteren Semester betreffend. Zudem kämen Studienanfänger mit immer mehr Defiziten, die man erst beheben müsse. Von daher seien festangestellte Dozenten, die nur lehren, die Lösung: „Sie könnten die Ausbildung vom ersten bis zum vierten Semester übernehmen. Professoren sollten vom fünften Semester an Forschungspraktika und Bachelor-Arbeiten betreuen. Idealerweise würden die Stellen mit ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeitern besetzt werden, die die Lehre als Berufung erkannt haben. Realistischerweise würde man auch diejenigen einstellen, die das selbstgesteckte Ziel einer Professur nicht erreicht haben, aber Engagement in der Lehre zeigen. […] Unbefristete Stellen im Sinne hervorragender Forschung sind nicht sinnvoll und werden auch in Zukunft nur einer kleinen Gruppe vorbehalten bleiben; doch die vielen guten und engagierten Leute, die nicht alle an die Spitze gelangen können, haben Besseres verdient, als mit Anfang vierzig auf der Straße zu stehen. Professoren könnten verstärkt Master-Studenten betreuen – und das unterrichten, was sie selbst begeistert, in einer echten Einheit von Forschung und Lehre.“