Nach einer längeren Pause, die ich (JA!) für Forschungstätigkeiten genutzt habe, heute endlich mal wieder ein Blick zurück auf die letzte Woche an der Zeppelin Universität (ZU): Semesterbeginn, von dem ich als Noch-nicht-Lehrende zwar nicht allzu viel direkt mitbekomme – allenfalls als Beteiligte an der Einführungswoche. Aber darüber möchte ich heute gar nicht berichten, weil ich nur meine eigene Einführung (zusammen mit Sandra, die dazu unter anderem sehr schöne Videoanker von Studierenden eingeholt hat) miterlebt hatte. Nein, kurz berichten möchte ich über etwas ganz anders bzw. (wieder mal) über einen ganz anderen, nämlich den ZU-Vizepräsidenten Alfred Kieser. Zwar hatte ich natürlich in den letzten Monaten des Öfteren mit ihm zu tun, aber am Anfang der Woche habe ich erst so richtig festgestellt, das er eine Leidenschaft mit mir teilt – er nennt es „Open Evaluation“ in Anlehnung an einen Artikel von Nikolaus Kriegeskorte (erfreulicherweise online zugänglich hier). Ich hatte es bislang immer unter der Bezeichnung „Open Peer Review“ geführt (siehe z.B. hier und an der Stelle natürlich auch zum Open Peer Review-Prozess von iTeL hier). Möglichst bald möchte ich zu dem eben genannten Artikel separat etwas sagen – zum Lesen empfehlen, kann ich ihn aber an dieser Stelle schon mal. Doch zurück zu Alfred Kieser:
Auch über die wissenschaftliche Fachgemeinschaft hinaus hat er sich in den letzten Jahren einen Namen vor allem durch seine offene Kritik an Wissenschaft-Rankings gemacht. Online zugänglich ist z.B. sein viel beachteter Beitrag mit dem Titel „Die Tonnenideologie der Forschung“ von 2010 (hier). Ein aktueller Beitrag in der FAZ zusammen mit Margit Osterloh ist leider nur ausschnitthaft frei verfügbar (hier): Schade, denn die Argumente, die überzeugend zeigen, dass Dauerevaluationen eher Länsgdenker statt Querdenker produzieren, sollten an sich frei zugänglich sein. Wie auch Wikipedia (hier) zu berichten weiß, initiierte Alfred 2012 einen Boykott des Handelsblatt Betriebswirte-Rankings. Wer dazu noch etwas nachlesen möchte, der sei z.B. auf diese Seite hier verwiesen.
Die gut begründete Skepsis gegenüber verschiedensten Ranking-Verfahren führt eigentlich fast zwangsläufig zu alternativen Verfahren der Bewertung von wissenschaftlichen Prozessen und Ergebnissen. Denn natürlich spielt die Bewertung, oder besser: die gegenseitige kritische Auseinandersetzung, die immer auch eine Peer-Bewertung ist (dabei allerdings nachvollziehbar sein muss), eine zentrale Rolle für das Wissenschaftssystem, ohne dass jedoch Rangreihen das Resultat wären. Eine offene Form der gegenseitigen Kritik ist ja genau ein Wesensmerkmal der Wissenschaft: Sie findet (im besten Fall) in öffentlich zugänglichen Publikationen aller Art, natürlich auch im mündliche Austausch etwa über Vorträge und Diskussionen auf Tagungen u. ä. statt. Es geht also nicht darum, die gegenseitige Kritik und begründete Bewertung abzuschaffen, sondern den Prinzipien der Wissenschaft anzupassen, und dazu gehört vor allem die Transparenz.
Beenden möchte ich den Beitrag mit einem Zitat aus dem oben genannten FAZ-Artikel von Alfred aus dem Jahr 2010 (leider immer noch gültig), weil es auf den Punkt bringt, was passiert, wenn wissenschaftsfremde Bewertungsmaßstäbe und Regeln die Oberhand gewinnen. Das bezieht sich jetzt auf Rankings, aber man kann es weiterdenken, also ausweiten auf geheim gehaltenen Evaluationen und Peer Reviews zum alleinigen Zwecke der Selektion:
„Akteure des Systems sind Herausgeber, Gutachter und Universitätsleitungen, die alle danach streben, dass ihre Rankingpositionen sich verbessern. Und weil sie alle karriererelevante Entscheidungen fällen, wollen die Wissenschaftler genau die Punkte erringen, die im System angerechnet werden. Sie gehen nicht mehr Forschungsfragen nach, die sie im Hinblick auf den Erkenntnisgewinn für wichtig erachten, sie sammeln Punkte für Ranglisten. Sie begeben sich nicht mehr auf wissenschaftliche Entdeckungsreisen, sondern folgen den in Rankings ausgeflaggten Trampelpfaden. “
Was bedeute „Pendelblick“? Siehe hier
Gabis Hinweis auf Margit Osterlohs Überlegungen finde ich wichtig, weil ich gerade vor ein paar Wochen ein tolles Augenöffner-Erlebnis hatte beim Lesen einer Analyse von Frau Osterloh über die problematischen Folgen von Rankings und anderen sich zur Zeit auf die wissenschaftliche Arbeit auswirkenden Belohnungssystemen. Obwohl leider nicht frei zugänglich, möchte ich den Artikel all denen wärmstens empfehlen, die schon länger vermuten, dass u. a. das Ranking-Fieber zu «unbeabsichtigten verhaltensbezogenen Nebenwirkungen» bei der akademischen Arbeit führt. Diese Hypothese untermauert Frau Osterloh mit einer schönen, klaren Analyse. Hier die Angaben: Margit Osterloh. 2013. «Unternehmen Universität»: Wie die Suche nach Effizienz, Output-Messung und das Ranking-Fieber in der Wissenschaft zu Opportunismus und Ideenarmut führen können. In: NZZ Fokus Nr. 54, Bildung als globale Währung, pp. 74-77. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich, http://www.nzzfokus.ch.