Wenn der Ton gereizter wird …

Eine Änderung der Prüfungskultur an unseren Universitäten – davon bin ich nach wie vor überzeugt – ist der Schlüssel für eine Änderung in der Kultur des Lehrens, vor allem aber des Lernens, denn: Studierende orientieren sich in ihrem Lernen und Studierverhalten (und das ist ihnen sicher nicht zu verübeln) daran, wie sie geprüft werden. Selbst wenn Lehrende also neue Wege in der Gestaltung ihrer Lehrveranstaltungen gehen, kann es sein, dass der Erfolg ausbleibt, nicht weil die Lehre schlecht ist, sondern weil sie nicht oder nicht ausreichend gut zu den Prüfungen passt. Änderungen im Bereich der Prüfungen aber sind schwierig. Das weiß jeder, der das schon versucht hat. Prüfungsordnungen sind nicht umsonst Dokumente, deren Änderungen mit vielen formalen Hürden verbunden sind. Und die (Achtung Ironie!) wunderbaren uns zur Verfügung stehenden Campus Management Systeme, mit denen Modulhandbücher und damit auch Prüfungen (wie es so schön heißt) technisch modelliert werden, tun ihr Übriges dazu, dass man an Universitäten tendenziell lieber die Finger von Änderungen von Prüfungen lässt.

Auch bei Studierenden wird der Ton in der Regel gereizter, wenn es um Prüfungen geht, und die Wünsche, die hier artikuliert werden, sind meistens sehr divers: Weniger Prüfungen wollen die einen, mehr gar die anderen, denn es soll sich ja auch lohnen, was man so alles an Leistung bringt. Generell nimmt das Verhalten seltsame Züge bei Lehrenden und Lernenden an, wenn Prüfungen auf der Agenda stehen. Diskussionen zu diesem Thema laufen besonders schnell aus dem Ruder, führen zu Lagerbildungen, gegenseitigem Unverständnis und am Ende vielleicht sogar zu einer gewissen Erleichterung, dass sich sowieso nichts ändern wird …

Was wäre, wenn es keine Prüfungen mit Rechtsfolgen mehr gäbe (siehe hier), ist eine Frage, die ich mal vor ein paar Jahren gestellt habe. Es hat sich keiner so recht getraut, da wirklich mit zu diskutieren. Ich meine nach wie vor, dass derartige Gedankenexperimente fruchtbar sein könnten, um herauszufinden, was es genau ist, was da so große Schwierigkeiten bereitet.

Wie auch immer: Das Thema lässt mich nicht los. Die Gelegenheit, mein Gedankenexperiment auch mal umzusetzen, hatte ich noch nicht (das wäre nämlich nur sinnvoll, wenn man das wirklich mindestens für eine ganze Phase in einem Studium komplett verwirklichen würde). Also bleibt nur das Weiterdenken an der Frage, wie man die Prüfungskultur im laufenden (Prüfungs-)Betrieb ändern kann. Und dazu wiederum erscheint es erst einmal sinnvoll, sich Gedanken darüber zu machen, wie man überhaupt prüfen kann und wie sich das gleichzeitig mit formalen Anforderungen (etwa in Prüfungsordnungen und technischen Systemen) unter einen Hut bringen lässt.

An der Stelle möchte ich mal eine Tabelle zur Diskussion stellen, ohne dass diese bereits näher erläutert ist. Es handelt sich sozusagen um den Nukleus für einen Text, der noch nicht geschrieben ist. Vielleicht will das jemand kommentieren, hat Tipps oder einfach auch eine Meinung zu diesem Thema, das in seiner Bedeutung aus meiner Sicht immer noch unterschätzt wird!

Prüfungsformen_Mai2014

Ein Gedanke zu „Wenn der Ton gereizter wird …“

  1. Liebe Gabi,
    deinen Blog-Eintrag hatte ich wie immer gleich gelesen, die Tabelle konnte ich aber erst jetzt anschauen und bis dahin wollte ich mit einem Kommentar warten.
    Zur Tabelle kann ich jetzt aber auch nur sagen, dass sie vielversprechend aussieht und für mich sinnvoll strukturiert ist.
    Wichtiger finde ich aber dein Gedankenexperiment, denn ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass das gar nicht illusorisch ist. Denn vor der Bologna-Reform gab es doch überwiegend an der Uni den Freiraum, Inhalte ohne Prüfungsdruck kennenzulernen, zu erarbeiten, zu vertiefen und auch eigene Schwerpunkte zu setzen. Ich will hier jetzt nicht die Bologna-Diskussion eröffnen, aber ich denke, auch nach den Hochschulreformen könnte ein Blick zurück zeigen, welche Idee von universitärer Bildung eventuell verlorengegangen ist und nun wieder gestärkt werden könnte (s. o.).
    Dabei spielt aber auch die eigene Lernerfahrung in der Schule eine Rolle. Ich selbst hatte ja in der Schule keinen Noten-/Prüfungsdruck und war dadurch gut für das „freie“ Studium gerüstet – ich weiß nicht wie das heute in Zeiten von G8 ist. Selbst wenn das ein Hindernis wäre, würde das nicht bedeuten, dass in der Studieneingangsphase nicht doch vermittelt werden könnte, dass in der Uni ein anderes Lernen gefordert ist (nur könnte diese Fähigkeit nicht vorausgesetzt werden).
    Liebe Grüße,
    Alex

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