Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Von der Meinungsvielfalt zum kohärenten Konzept

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Unter dem Stichwort „Pädagogische Hochschulentwicklung“ ist kürzlich (Dezember 2015) ein Band von Taiga Brahm, Tobias Jenert und Dieter Euler herausgegeben worden. Die Beiträge des Bandes beschäftigen sich mit Fragen der Gestaltung von Lehrveranstaltungen ebenso wie mit Fragen der Studiengang- bzw. Programmentwicklung und der Implementierung von Programmen in der Organisation Hochschule. Es wird schnell deutlich, dass hier der Versuch gemacht wird, ein enges hochschuldidaktisches Verständnis zu weiten und dies mit dem Begriff der Hochschulentwicklung zu verknüpfen, was letztlich an ältere, ebenso umfassende, Auffassungen von Hochschuldidaktik erinnert (siehe dazu hier).

Im Augenblick ist für mich vor allem der Teil des Buches interessant, der als „Ebene der Studienprogramme“ umschrieben ist. Der Grund dafür ist, dass wir seit September 2015 intensiv an einer Weiterentwicklung des postgradualen und berufsbegleitenden „Master of Higher Education“ arbeiten. Dazu zunächst ein paar Infos zum besseren Verständnis.

Der Master of Higher Education ist aus einem Modellversuch an der Universität Hamburg, gefördert vom BMBF, hervorgegangen. 1999 fand der erste Probelauf des Master-Programms statt. Als Ergänzungsstudiengang mit dem Titel Lehrqualifikation für Wissenschaft und Weiterbildung wurde er mit Fördermitteln zwischen 2000 und 2003 weiterentwickelt und wissenschaftlich evaluiert. Eine umfangreiche Dokumentation mit positiven Evaluationsergebnissen sowie die damalige Nachfrage führten dazu, dass der Akademische Senat der Universität Hamburg 2002 entschied, das Studienangebot zu verstetigen und als Masterstudiengang akkreditieren zu lassen. Die Erst-Akkreditierung fand 2005 durch die Akkreditierungsgesellschaft ACQUIN statt. Im Jahr 2013 wurde der Studiengang reakkreditiert.

Im Zuge der Gründung des Hamburger Zentrums für Universitäres Lehren und Lernen (HUL) als zentrale Forschungs-, Lehr- und Weiterbildungseinrichtung haben wir den Master of Higher Education nach nunmehr zehnjährigem Bestehen im September 2015 einer erneuten Evaluation (Kombination aus Selbst- und Fremdevaluation) unterworfen. Aus der Evaluation ist der Entwurf für eine umfassende Reform des Masterstudiengangs hervorgegangen. Begleitet wird die Master-Reform von der Einführung eines hochschuldidaktischen Zertifikatsprogramms. In nächster Zeit werden wir dazu auch noch Infos online stellen können.

Den genannten Reform-Entwurf haben wir nun im Januar 2016 an zwei Lehre-Klausur-Tagen (dazwischen lag eine Woche) intensiv in Kleingruppen und im Plenum von ca. 18 Personen diskutiert, bearbeitet und in seiner Konkretisierung abwägend weitergedacht. Beteiligt waren alle Lehrenden, die Studienorganisation, Vertreter der Master-Studierenden und Vertreter unseres Tutorienprogramms. Auf diese Weise kamen viele Perspektiven zusammen, an einigen Stellen gab es Konsenslinien, an anderen wurde heftig in der Sache (!) gestritten. Deutlich wurden auch diejenigen neuralgischen Punkte eines Programms, an denen Kompromisse unerlässlich sind, weil sich nicht alle Bedürfnisse und Sichtweisen unter einen Hut bringen lassen (Beispiel: Anzahl und Abfolge von Präsenztagen, Art der Bewertung/Benotung).

Das oben genannte Buch von Brahm et al. enthält einen Beitrag mit dem Titel „Diskursive Studiengangentwicklung“ (Gerholz & Sloane), der in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung ist. Was verstehen die Autoren unter diskursiver Studiengangentwicklung? Ich zitiere mal ein paar Stellen im Text, die das einigeraßen deutlich machen: „Diskursive Studiengangentwicklung zielt […] einerseits auf die Schaffung kommunikativer Verfahren, die eine Teilhabe der in der Curriculumentwicklung und -verwendung beteiligten Akteure/-innen und deren Positionen ermöglicht. Andererseits gilt es, eine Themenstruktur aufzunehmen, die die Austauschprozesse entlang der Themen der curricularen Arbeit strukturiert.“ (Gerholz & Sloane, 2015, S. 163) […] „Die Themenstruktur bildet sich durch die Elemente (1) Leitbild des Studienganges, (2) Curriculumkonzeption, (3) Modulentwicklung, (4) Sequenzierung der Module und (5) Evaluation und Revision ab. Diese sind diskursiv zwischen den beteiligten Akteuren/-innen abzustimmen.“ (S. 164)

Im Rahmen unserer Master-Reform ist bereits das Grobkonzept so entstanden, dass viele Akteure (auch Externe und Alumni) eingebunden waren. Am Ende ist es dann aber doch nötig, dass wenige oder eine/r die vielen losen Enden sammelt und zu etwas Kohärentem bündelt. Mit unseren beiden Lehre-Klausur-Tagen haben wir eine weitere, besonders diskursive Phase der Studiengangentwicklung absolviert. Für mich hat sich das als sehr fruchtbar herausgestellt, weil solche Tage vieles zeigen und ermöglichen: erkennen, wo es innerhalb eines bereits geteilten Konzepts noch verschiedene Vorstellungen oder Missverständnisse gibt; neue Sichtweisen einbringen, die bisher zu wenig bedacht worden sind; didaktische Entscheidungen, die bereits in einen Entwurf gelangt sind, kommunikativ validieren; in der Diskussion gemeinsam neue Ideen entwickeln; Argumente abwägen, vor allem wenn es keine beste Lösung gibt, sondern Setzungen erforderlich werden, die man immer wieder anpassen muss, aber nicht von vornherein für alle Beteiligten optimal gestalten kann.

Vor diesem Hintergrund finde ich auch folgende Aussage im Text von Gerholz und Sloane relevant: „Studiengänge sind universitäre Bildungsgänge. Wie alle Bildungsgänge unterliegen sie normativen Vorstellungen. Eine solche Vorstellung ist beispielsweise die Idee, dass Lehre auf Forschung basieren soll, womit gleichzeitig Menschenbilder, gesellschaftliche Vorstellungen usw. verbunden sind, die im Forschungskonzept inkorporiert sind.“ (S. 151) Und genau das sind dann auch die Grenzen für die Integration der Vielfalt an Meinungen sowohl aus der Innen- als auch aus der Außenperspektive. Hier wird eher die Verständigung auf eine gemeinsame Wertebasis nötig (mit der wir uns übrigens in unseren Lehre-Klausur-Tagen gleich zu Beginn ebenfalls auseinandergesetzt haben). Und auch hier gilt: Am Ende müssen divergierende Phasen wieder beendet und Wege zu konvergenten Entscheidungen gefunden werden.

Ein Kommentar

  1. Liebe Gabi, Danke für den Hinweis auf den Beitrag „Diskursive Studiengangsentwicklung“ und die Schilderung eurer Masterreform. Für mich ist das spannend zu lesen, erinnert es doch ein wenig an unser Gedankenexperiment zur Reorganisation der Lehre. Auch da lag ja der Fokus darauf, gemeinsam durch das Zusammenbringen unterschiedlicher Perspektiven und den Diskurs die Lehre weiterzuentwickeln.

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