Auf der diesjährigen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Hochschuldidaktik (dghd) habe ich an der TH Köln (hier zur Tagungswebseite) zum einen zusammen mit Tobias gestern an einer Diskurswerkstatt zu Scholarship of Teaching and Learning teilgenommen (darüber hat Tobias schon im Vorfeld berichtet) und zum anderen heute einen Vortrag gehalten. Gerne stelle ich mein Redemanuskript an dieser Stelle online. Meine Eindrücke zur Veranstaltung folgen in Kürze.
Vielen Dank für diesen Vortrag, den ich auch live auf der Tagung gehört habe. Ich finde es sehr lohnenswert, die Ansätze zur Entwicklung einer Hochschuldidaktik als Wissenschaftsdidaktik aus den 1970er Jahren neu zu lesen und eine solche Perspektive, in Abgrenzung von anderen Konzepten von Hochschuldidaktik, stark zu machen.
Mir stellen sich jedoch folgende Fragen: Wenn die Teilnahme an Seminaren, Vorlesungen etc. als Bildungsprozess verstanden wird, als ‚Bildung durch Wissenschaft‘, ist es dann tatsächlich angemessen, von Wissenschaft als ‚Inhalt‘ zu sprechen oder von Wissenschaft als ‚Vermittlungsgegenstand‘? Geht es nicht vielmehr bei der Idee einer Bildung durch Wissenschaft um die ‚Beteiligung‘ an Erkenntnisprozessen und somit um die Beteiligung an wissenschaftlicher Praxis? Ich halte diese Begriffsverschiebung von Vermittlung hin zu Beteiligung nicht für trivial. Jürgen Mittelstraß hat mit seinem Text zum „Elend der Hochschuldidaktik“ einen Beitrag geliefert, der ohne Frage sehr polemisch ist und auf viele Leser/innen arrogant wirken mag. Aber er trifft aus meiner Sicht einen sehr wichtigen Punkt: Wird Bildung durch Wissenschaft als ein zentrales Ziel des Studiums angesehen, stehen wir Lehrenden als Wissenschaftler/innen vor der Herausforderung, Studierende in Prozesse des Nachvollzugs, der Gewinnung, Prüfung und Kommunikation von Erkenntnissen einzubeziehen – und zwar methodisch geleitet und reflektiert. Wo bleiben nun die (didaktisch verstandenen) Methoden? Braucht es sie? Nach Mittelstraß eben nicht – das wäre eine ‚künstliche‘ Verdoppelung. Vielleicht folgt Mittelstraß aber auch dem Ideal einer ‚falschen Unmittelbarkeit‘ oder weitet den Begriff wissenschaftlicher Praxis zu stark aus.
Dies sind aus meiner Sicht spannende Punkte bei der Diskussion um ein Verständnis von Hochschuldidaktik als Wissenschaftsdidaktik und es scheint mir vor allem der Schlüsselbegriff der ‚Vermittlung‘ zu sein, über den man noch weitaus intensiver nachdenken müsste (was möglicherweise auch schon längst geschehen ist und ich kenne die entsprechenden Texte nicht)…
Gegenstand und Vermittlungsgegenstand ist nicht das Gleiche im gegebenen Kontext: Der Begriff „Gegenstand“ in der Didaktik ist in der Regel breiter gemeint: Lehrende und Lernender widmen sich einer „Sache“ bzw. einem „Gegenstand“. Wie sie sich diesem dann widmen, ist unterschiedlich – je nachdem, was genau wozu gelehrt und gelernt werden soll: Man kann sich also einen „Gegenstand“ erschließen bzw. aneignen, indem man sich rezeptiv damit beschäftigt (was ebenfalls ein aktiver und konstruktiver Prozess sein muss, wenn es wirklich in Aneignung münden soll), übend oder produktiv in dem Sinne, dass man z.B. tatsächlich an der Forschung selber teilhat. Wenn es heißt „Vermittlungsgegenstand“, dann ist das aus meiner Sicht tatsächlich enger, nämlich Lehren als Vermitteln und ein eher rezeptiver Lernprozess.
Siehe dazu z.B.: https://www.zfhe.at/index.php/zfhe/article/view/983
Vielen Dank für den Hinweis auf die begrifflichen Unterschiede bezüglich ‚Vermittlung‘, ‚Gegenstand‘ und ‚Vermittlungsgegenstand‘ aus einer didaktischen Perspektive, das ist nachvollziehbar und unterscheidet sich meiner Ansicht nach auch nicht wesentlich vom Begriffsgebrauch in der theoretischen Philosophie, konkret Erkenntnistheorie. Dennoch bleibt für mich die Frage, mit welchem Vokabular sich die Aktivitäten und Prozesse in der Lehre am besten beschreiben lassen, wenn diese versucht, der Idee einer Bildung durch Wissenschaft zu folgen, oder anders: in welcher Sprache dieses Vokabular ‚einheimisch‘ ist, in welcher ‚fremd‘ oder mit jeweils welcher Bedeutung wo anzutreffen. Denn zeigen, erklären, Rückmeldung geben usw. – mit diesen Ausdrücken beschreiben wir Handlungen, die auch in der wissenschaftlichen Praxis selbst ihren Platz haben, und im besten Fall zielgruppenorientiert realisiert werden. Wenn sich Wissenschaft, die in der Lehre praktisch wird, selbst gar nicht als Praxis reflektiert, ihre materiale Seite nicht anerkennt und ethische und soziale Aspekte nicht thematisiert, dann braucht sie sicherlich den Anstoß zur Reflexion sowie Anleitungen und Korrektive durch eine Perspektive, die dem wissenschaftlichen Selbstverständigungsdiskurs zunächst ‚fremd‘ ist (Didaktik z.B.). Ist etwas schwierig, die Diskussion über eine solche Kommentarfunktion zu führen, merke ich gerade, weil ich das Thema ziemlich komplex finde.
Besser als gar keine Diskussion :-). Gerne schließe ich mich Ihrem Plädoyer an, dass Wissenschaft sich selbst mehr als Praxis reflektieren sollte. Aus dem Grund sollten Fragen der Wissenschaftsforschung auch in der Hochschuldidaktik berücksichtigt werden.
Noch einmal kurz nach der Wochenendpause: Das sehe ich auch so, das mit der Diskussion – vielleicht ergibt sich ja mal die Gelegenheit, sie mit anderen Mitteln zu führen 😉
Finde ich prima, dass Sie hier so viele Texte online stellen, danke!