Von Verfasstheiten und Verfassungen der Lehre

Es geht gerade etwas chaotisch zu mit dem Begriff der Lehrverfassung. Im Mai 2017 hieß es in einem Positionspapier des Wissenschaftsrates, dass jede Hochschule eine Lehrverfassung brauche, die „ein verbindliches Leitbild für die Lehre“ (WR, 2017, S. 16) beschreibt. Die Fußnote dazu erläutert, dass Verbindlichkeit nicht im juristischen Sinne zu verstehen sei, „sondern als interpersonelle ideelle Norm, die an der jeweiligen Hochschule gemeinsam entwickelt wird und von ihren Mitgliedern als Maxime akzeptiert werden soll“ (S. 16). Eine Frage, die sich bei dieser Definition von Lehrverfassung als verbindliches Leitbild wohl sofort gestellt hat, war die, ob die Leitbilder, die sich viele Hochschulen für die Lehre inzwischen gegeben haben (und einige davon sind sicher auch in umfänglicher Gremienarbeit formuliert worden), nun als „Verfassung“ taugen.

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Die (Wieder-)Entdeckung des Lehrens

Gert Biesta hat nicht nur, aber vor allem die Schule im Blick, wenn er in seinem neuen Buch „The rediscovery of teaching“ eine bildungstheoretische Argumentation vorlegt, welche die Relevanz des Lehrens herausarbeitet – in einer Zeit, in der sich alles um das Lernen dreht. In der Hochschuldidaktik ist der „Shift from teaching to learning“ ein unhinterfragter Bibelspruch geworden, den man zu jeder Gelegenheit aufsagt und versichert, sich daran immerzu zu halten. Gert Bietsa hält dagegen – und das tut er an einigen Stellen seines Buches durchaus provokativ.

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Is there anybody out there …

to discuss articles about design-based research? Zwei neue Artikel haben wir in der Zeitschrift EDeR (Journal of Educational Design Research), die unterschiedlicher nicht sein könnten und daher schön die Spannbreite von EDeR aufzeigen: einer deutsch, der andere englisch – einer theoretisch, der andere empirisch – einer bezogen auf die Hochschule, der andere in die Schule hineinreichend usw. Was sie eint: Sie warten auf Diskutanten, also auf Leser, die gerne ausführlicher kommentieren, zustimmen, widersprechen, ergänzen, weiterdenken und auf diesem Wege selbst zu Autoren von „discussion articles“ auf EDeR werden wollen.

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Kaskade von Entwurfsübungen

Wie integriert man Lehre, Forschung und Entwurfspraxis in entwerfenden Disziplinen? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein Text (Titel „Entwerfen lernen“) von Susanne Wollin-Giering und Jochen Gläser (online zugänglich hier). Im Kern vergleichen die Autoren exemplarisch die Entwurfsprozesse der Architektur und der Nachrichtentechnik als zwei wissenschaftliche Disziplinen und erörtern die Folgen für Integrationsbemühungen von Forschung, Lehre und (Entwurfs-)Praxis. Ich finde in diesem Text drei interessante Anker bzw. Impulse für meine eigene Arbeit, die ich mal als Fragen formuliere: (a) Welchen Einfluss hat die Art der Forschung auf verschiedene Ausprägungen von „forschendem Lernen“ als didaktisches Konzept? (b) Inwiefern ist die Didaktik – und damit auch die Hochschuldidaktik – eine entwerfende Disziplin? (c) Wie verhält sich der Entwurfsprozess im Design-Based Research in Bildungskontexten (wie der Hochschule) zu den im Text vorgestellten Entwurfsprozessen?

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Die Kehrseite der Internationalisierung

Tina Bering Keiding und Ane Qvortrup haben in der Zeitschrift Higher Education Research & Development einen interessanten Beitrag mit dem Titel „Higher educational journals as didactic frameworks“ veröffentlicht, in dem sie die Ergebnisse einer Analyse von Themen in vier ausgewählten (englischsprachigen) Zeitschriften zu Higher Education untersucht haben (zwei angelsächsische, zwei skandinavische und eine fachdidaktische Zeitschrift). Die Autorinnen kommen zu dem Schluss, dass sich die Forschung zu Higher Education (wenn man mal davon ausgeht, dass die ausgewählten Publikationsorgane ein Spiegel der hochschuldidaktischen Forschung sind) vor allem mit Methoden beschäftigen und nur in geringem Maße mit Zielen, Inhalten und Assessment.

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Legitime Ignoranz?

So, das war sie also, die Fachtagung „Universität 4.0“ der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGFE). Meinen Vorab-Beitrag zum Streitgespräch mit Roland Reuß habe ich bereits hier gepostet. Dass ich schon mal in einer Podiumsdiskussion mit Roland Reuß das Vergnügen hatte (der Blog wird nicht 100 Jahre halten, aber für sieben Jahre reicht es allemal und so kann man das hier nachlesen), habe ich tatsächlich verdrängt. Das liegt aber vermutlich daran, dass ich Podiumsdiskussionen generell ganz gern verdränge, weil sie in der Regel wenig ergiebig sind (und ich mir auch geschworen habe, an diesen nicht mehr teilzunehmen). Anders ein Streitgespräch, das durchaus fruchtbar werden kann. Allerdings hat das konkrete Streitgespräch zur Universität 4.0 einige Zuhörer eher nicht so überzeugt (so jedenfalls kann man es den Twitter-Beiträgen entnehmen), aber in der Summe hat es sicher ein paar Anregungen gegeben – mir zumindest ;-).

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Bauernhof 4.0

„Universität 4.0“ – seit gestern beschäftigen sich rund 150 Wissenschaftler auf einer Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft mit der Frage, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Universität hat. Und wirklich: Nach dem Bauernhof 4.0 ist es wirklich mal Zeit für die Universität 4.0 … Heute Abend durfte ich ein Streitgespräch mit Roland Reuß führen. Ein Kurzbericht dazu und eine abschließende Einschätzung der Veranstaltung folgt nächste Woche. Einstweilen aber möchte ich auf einen neuen Impact Free Artikel (Nr. 12) hinweisen, in welchem ich vor dem Streitgespräch meine Überlegungen zu den Fragen festgehalten habe, die Rudolf Tippelt (Moderator) vorab zur Verfügung gestellt hatte.

Dehumanisierung im Kleinen

Nein, es ist kein wissenschaftlicher Text und er stammt auch nicht aus der Feder eines Wissenschaftlers, aber die darin enthaltenen Ansichten und Einschätzungen sollten ruhig Eingang in die Wissenschaft finden: „Wir brauchen einen neuen radikalen Humanismus“ von Tim Leberecht. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass aktuelle Debatten, Studien und Regierungsprogramme zu einseitig die potenziell möglichen Vorzüge der Digitalisierung (insbesondere der KI und der damit verbundenen Verschmelzung von Mensch und Maschine) im Blick haben, und die Risiken ignorieren oder unterschätzen. Die wohl größte Gefahr inmitten des Versprechens von der exponentiellen Weltverbesserung sei nämlich „die schleichende, unsichtbare Dehumanisierung im Kleinen.“

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Tiefgang oder Hochglanz

Gestern hatten wir Markus Deimann zu Gast im HUL-Forschungskolloquium – gewissermaßen im „flipped“-Modus, denn statt eines Vortrags gab es vorab einen Link zum videografierten Referat oder Text (siehe hier). Das Thema war groß und umfassend: Digitalität – Bildung – Hochschule, so könnte man es umreißen (siehe dazu auch hier und hier). Die – mit Markus – insgesamt elf Teilnehmenden hatten verschiedene disziplinäre und berufliche Hintergründe ebenso wie unterschiedliche Fragen und Erwartungen an den wissenschaftlichen Diskurs mitgebracht. Da wir vereinbart haben, dass sich mehrere aus der Gruppe zum Kolloquium noch via Blogs äußern werden oder dort kommentieren, beschränke ich mich tatsächlich auf die Inhalte und Impulse, die für mich persönlich besonders wichtig waren.

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Naiv oder gar dumm

Daten teilen? So richtig – also open? Letzte Woche habe ich einen Vortrag von Stefan Hornbostel zum Kerndatensatz Forschung gehört. Botschaft: Die Idee, Metainformationen über Forschung in einheitlicher und damit auch auffindbarer Form öffentlich zur Verfügung zu stellen, ist gut, aber schwierig umzusetzen. Okay, wenn das schon schwer ist, fragt man sich, welche Hindernisse es gibt, um tatsächlich Forschungsdaten zu „öffnen“. Zufällig bin ich nun über die DUZ (hier) auf eine Studie aufmerksam geworden, die untersucht hat, welchen Einfluss Persönlichkeitseigenschaften auf die Bereitschaft haben, Forschungsdaten öffentlich zu machen. Die Studie ist – gar nicht selbstverständlich – tatsächlich hier öffentlich zugänglich.

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