Diskurs trotz Publikationsdruck

Viel diskutiert wird noch nicht auf EDeR – unserem neuen International Journal for Design-Based Research in Education -, aber der Anfang ist gemacht: Zu einem der Beiträge der ersten Ausgabe von EDeR habe ich einen sogenannten discussion article geschrieben – siehe hier. Dass wir in der Wissenschaft relativ wenige schriftliche Diskussionen führen, finde ich immer wieder schade. Das war auch einer der Gründe, warum ich mich sehr für dieses Format in EDeR eingesetzt habe. Wenn es Diskussionen zu interessanten Texten gibt, wie dies ab und zu in Zeitschriften vorkommt, finde ich das fast immer höchst bereichernd. Beteiligt man sich selbst daran, lernt man  ebenfalls eine Menge. Warum also machen wir das nicht viel öfter und intensiver?  Vermutlich ist es der nicht enden wollende Publikationsdruck oder besser: der Druck, bestimmte Texte an bestimmten bevorzugten Orten zu publizieren, der viele davon abhält, die eigene Zeit in Dinge wie „Kommentare“ oder „Diskussionsbeiträge“ zu investieren. Aber: Bringt es uns wissenschaftlich wirklich weiter? Wäre der wissenschaftliche Diskurs nicht viel wichtiger oder mindestens genauso wichtig?

Impact free

Von 1992 bis 2001 war ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der LMU München bei Prof. Heinz Mandl tätig. In dieser Zeit wurden am Lehrstuhl Mandl sehr viele Forschungsberichte, später auch Praxisberichte veröffentlicht – als „graue Literatur“ gedruckt und an unzählige Adressen versandt. Erst später konnte man die Berichte dann auch online abrufen.

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Geld oder Aufmerksamkeit?

Vielen Dank an Joachim, der in seinem Blog (hier) auf einen Beitrag von Hubertus Kohle zum Thema Open Access und der vor einigen Wochen in vielen Zeitungen dargestellten Streitfrage hinweist, ob das Einscannen von Büchern etwa durch Google einem Kulturkrieg gleichkommt. Der Text trifft die Problematik aus meiner Sicht auf den Punkt und bezieht klar Stellung zu den verschiedensten Angriffen auf einen offenen Zugang speziell zu wissenschaftlichen Inhalten. Ich hatte mich schon Anfang April über einige Beiträge etwa in der ZEIT geärgert (z.B. von Susanne Gaschke, die aber überhaupt ganz offensichtlich einige Probleme mit dem Netz hat), und als dann das in diesem Artikel ebenfalls erwähnte Schreiben von der VG-Wort mit der Aufforderung in der Post lag, ich solle mich mit einer Unterschrift dagegen wehren, dass man mir als Autorin meine Rechte nimmt, habe ich es weggeworfen – es hat mich NICHT überzeugt (hier die VG-Wort-Seite zu diesem Thema).

Nun drückt Kohle in seinem Beitrag aus, was mir nur diffus als Begründung für die „Nicht-Unterschrift“ im Kopf schwirrte. Kohle stellt völlig zu Recht klar, dass es bei wissenschaftlichen Büchern in der Regel um lächerliche Auflagen geht; hier verdienen die Verlage ohnehin anders das Geld als mit dem Verkauf der Bücher selbst (nämlich durch Zuschüsse und die Kosten, die viele Autoren selbst tragen). Er beschreibt ebenfalls, das klassische Dienstleistungen des Verlags oft gar nicht erbracht werden: nämlich Lektorat und Beratung. Da ist es kein Wunder, dass allein für Vertrieb und Marketing der Zulauf zu Book-on-demand-Verlagen wächst – wenn man eh alles selbst machen muss. Hier könnten Verlag umdenken und ihr Spektrum an Dienstleistungen ändern. Wissenschaftler verdienen selten an ihren Schriften und wenn dann sind das Summen, die mal für einen Ausflug oder ein paar Abendessen reichen. Sollte das wegfallen, wird das keinen umbringen. Die Entlohnung besteht halt dann in potenziell höherer Aufmerksamkeit, die ein offener Zugang mit sich bringt. Kohle berichtet auch, dass erste Erfahrungen die Hoffnung bestätigen, dass ein offener Zugriff auf ein Buch, das es auch gedruckt gibt, nicht dessen Verkauf schmälert – im Gegenteil: Es wird durch den offenen Zugang viel bekannter, sodass mehr Leute Lust haben, das Buch zu kaufen (wenn es gut ist). Ich nutze google-books sehr viel, denn es ist einfach hervorragend, wenn ich vorher feststellen kann, ob es sich lohnt, ein Buch etwa bei der BIB zu holen oder über Fernleihe zu bestellen oder eben zu kaufen. Ich kann mir vorher ein Bild machen, um dann das Buch in der Hand zu halten, das ich wirklich brauche. Gut, wer Romane schreibt und davon leben will, der befindet sich in einer andere Situation. Aber mal ehrlich: Wer liest denn einen Krimi am Rechner – am Abend – im Bett? Ich nicht. Schließlich ist der wissenschaftliche Mehrwert infolge von Open Access, den Kohle erwähnt, wichtig: Wissenschaftliche Erkenntnisse können und sollen sichtbar und kritisierbar sein und das sind sie im Netz eben viel besser und umfassender als in Bücherregalen … die bei mir trotzdem voll sind.

Wie gut ist ein Forscher in den Geistes- und Sozialwissenschaften?

Wie gut ist ein Forscher? So gut wie seine Publikationsliste. Aber natürlich nicht jede Liste! Das Gericht in einem Fünf-Sterne-Lokal erfordert ja auch erlesene Zutaten (aber wer weiß eigentlich schon, ob sich da nicht auch Discounter-Ware einschleicht?) und die kommen eben nicht irgendwo her. So ist das mit den Publikationen auch. Allerdings besteht wenig Konsens darin, was die „erlesenen Quellen“ sind und was man meiden muss – jedenfalls in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Der Unmut darüber, dass sich schon seit längerem in den Geistes- und Sozialwissenschaften Beurteilungspraktiken breit gemacht haben, die aus den Naturwissenschaften kommen, war und ist groß. Umso erfreulicher sind Vorstöße, hier differenzierter zu werden und die Besonderheiten der Disziplinen sowohl in der Forschung als auch in der Art der Veröffentlichung Rechnung zu tragen. Hierzu gibt es aktuell bei der DFG einen interessanten Hinweis (hier):

Die DFG spricht sich gegen den European Reference Index for the Humanities (ERIH) aus – einen Ansatz zur Bewertung von Zeitschriften als Publikationsorten für geistes- und sozialwissenschaftliche Forschungsergebnisse. Kritisiert wird zum einen, dass auch dieser Ansatz erneut allein Zeitschriften im Blick hat (und z.B. nicht Monografien und Sammelbände), und zum anderen, dass ad hoc zusammengesetzte Expertenpanels die Klassifizierung dieser Zeitschriften vorgenommen hätten. Das Ergebnis sei unterkomplexen und lade zu Missbrauch ein. Zusammen mit drei anderen Förderorganisationen aus Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden hat die DFG daher bereits Ende 2008 ein „Project Board unter Leitung von Professor Ben Martin, Universität Sussex“ initiiert – woher da jetzt die Experten kommen und wieso die nicht ad hoc zusammengesetzt sind, steht leider nirgendwo. Positiv aber ist folgendes Versprechen für die Arbeit dieser Gruppe (ich zitiere):

„Dabei sollen sowohl die Diversität europäischer Wissenschaftssprachen als auch die spezifischen Kommunikations- und Publikationsformen der einzelnen Disziplinen als besondere Herausforderungen mit bedacht werden. Beispielhaft sind hier die in vielen Fächern zentralen Publikationsformen der Monografie und des Sammelbandes zu nennen …“.

Schade, dass z.B. Lehrbücher und andere Lehrmaterialien wiederum NICHT berücksichtigt werden, obschon dies für den Transfer von Wissen und Wissenschaft und für die viel beschworene Einheit von Forschung und Lehre ja wohl auch SEHR wichtig wäre. Ein gutes Lehrbuch schreiben zu können, wäre das nicht auch eine wichtige Qualität eines Forschers? Wäre das nicht eine viel sinnvollere Initiative im Zuge einer höheren Wertschätzung der Lehre als ständig diese „Exzellenz-Wettbewerbe“? Ich frag ja nur …

Vom Pre-Print zum Already-Read

Ja, so kann es manchmal gehen: Ein vorschnell ins Netz gestellter als Preprint bezeichneter Artikel kommt erst gar nicht in den offiziellen Druck – wie bei meinem Beitrag „Selbstorganisation auf dem Prüfstand: Das Web 2.0 und seine Grenzen(losigkeit)“. Der Grund: Der Artikel ist zu lang für den Herausgeberband von Ben Bachmair. Ich müsste ihn um ein Drittel kürzen. Wie das gekommen ist? Nun, in den Autoreninformationen war zunächst die Rede von 5000 Wörtern (und da befinde ich mich zumindest in etwa). Dass in einer zweiten Info dann plötzlich Zeichenangaben standen, die wesentlich niedriger ausfielen, ist mir durch die Lappen gegangen. Und nun fehlt mir zum einen die Zeit für eine solche gravierende Kürzung (ich müsste die gesamte Argumentationsstruktur ändern, denn man kann ja nicht einfach einen Teil quasi „abschneiden“).  Zum anderen ist der Text bereits ziemlich verdichtet und (im Vergleich zum Vortrag im Juni 08 in Salzburg) auch erweitert. Mit anderen Worten: Ich will den Beitrag auch nicht kürzen, weshalb ich ihn zurückgezogen habe.

Na ja, vielleicht wird er ja trotzdem gelesen, denn erfahrunsgemäß sind die online verfügbaren Artikel in der offiziellen Bewertung eines Wissenschaftlers zwar quasi wertlos (allein die Bezeichnung „graue Literatur“ sagt ja schon alles ;-)), werden aber viel gelesen. Nun ist der Beitrag also kein „pre-print“ mehr (ich habe das Dokument bereits umbenannt – hier), aber vielleicht schon ein „alreday-read“. Auch gut …

Selbstorganisation zum Zweiten

Im Sommer 2008 habe ich mich bereits anlässlich der EduMedia in Salzburg etwas kritischer mit dem Thema Selbstorganisation auseinandergesetzt. Dazu ist ein Arbeitsbericht entstanden, der weitgehend den Inhalt des Vortrags wiedergibt. Nun habe ich für einen Band von Ben Bachmair mit dem Titel „Medienbildung in neuen Kulturräumen“ die Selbstorganisation noch einmal aufgegriffen und stärker mit dem Web 2.0-Gedanken verknüpft. Wer den Arbeitsbericht gelesen oder den Vortrag gehört hat, wird vieles wieder erkennen. Allerdings habe ich die Argumentation verdichtet, neue Literatur hinzugezogen und auch eine Reihe von Modifikationen vorgenommen.

http://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/opus4/files/1272/imb_Arbeitsbericht_18.pdf

Ja, also damit wäre auch die Frage beantwortet, was ich über Weihnachten gemacht habe ;-).

 

Buchbeitrag zu Wegen der Erkenntnis in den Bildungswissenschaften

So, hier kommt der erste Preprint 2009 mit dem Titel: Wege der Erkenntnis in den Bildungswissenschaften.  Im Sommer hatte ich (hier) bereits erste Gedanken – quasi in einer Form „Laut-Denk-Protokoll“ – dazu angestellt und auf ein paar Rückmeldungen gehofft. Aber dazu ist das Thema vielleicht doch zu spezifisch und womöglich auch zu komplex, als dass einem da mal eben ein paar Kommentare von der Hand gehen. Nun ist der Beitrag fertig (ich habe natürlich noch eine ganze Menge gelesen, damit aus den Gedanken auch vernünftige Argumente werden konnten)  und an die Herausgeber geschickt.

bildungsforschung_preprint_jan09

Der Text erscheint 2009 in dem Band „Konkrete Psychologie – die Gestaltungsanalyse der Handlungswelt“, herausgegeben beim Pabst Verlag von Gerd Jüttemann und Wolfgang Mack.

Pre- und Postprints ab 2009

Ab diesem Jahr werde ich alle meine (künftigen) Publikationen als Pre- oder Postprints zur Verfügung stellen. Damit versuche ich, neben den schon bestehenden Arbeitsberichten am imb, die man als „graue Literatur“ bezeichnet (welche in der wissenschaftlichen Community offiziell keinerlei Wert besitzen – und zwar völlig unabhängig vom Inhalt, der auch exzellent sein könnte), den sogenannten „grünen Weg“ des Open Access zu beschreiten.  Unter der neuen Kategorie „Pre- und Postprints“ stelle ich neue Artikel in diesem Blog mit kurzen inhaltlichen Hinweisen online.  Unmittelbar nach Erscheinen einer Publikation werde ich die vollständige Literaturangabe nachliefern, die dann im Falle des Zitierens zu verwenden ist. Das erspart einem leider nicht, im Falle des Falles die Originalliteratur heranzuziehen, aber es bietet dem Leser trotzdem Effizienzvorteile:

  • Zum einen hat man den Inhalt früher, denn leider dauern Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen ja immer sehr lange – vor allem, wenn bei Sammelbänden besonders viel beschäftige Autoren/innen aus einer Deadline eine ungefähre Richtlinie machen.
  • Zum anderen bemüht man sich nur dann um die Originalliteratur, wenn man bereits weiß, dass man den Inhalt auch tatsächlich (z.B. für einen eigenen Beitrag) gebrauchen kann; das spart einem die lästige Beschaffung von Texten, die sich letztlich als enttäuschend oder für das aktuelle Interesse irrelevant herausstellen.

Für die kommenden zwei Wochen kann ich schon mal zwei Artikel versprechen – die sind beide in der „Endschleife“.

E-Learning im Sport

Es gibt eine neue Ausgabe der Zeitschrift für E-Learning: Frank (Vohle) (eigener Blogbeitrag dazu hier) und Christoph Igel sind die Herausgeber: Das Editorial kann man online lese. Hierin wird u.a. deutlich, wie schwierig es in einer Fachdisziplin ist, ein quer liegendes Thema wie die Nutzung digitaler Medien zu Lernen, Lehren und Bildung zu etablieren, dabei die fachspezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen und dem Thema eine eigene Bedeutung zu geben, in un mit dem sich auch Nachwuchswissenschaftler profilieren können. Ich denke, da ist der Sport nur ein Beispiel für viele, wobei (und das gehörte auch mit zu den Zielen des Themenheftes ) natürlich die Besonderheiten des Gegestandes – nämlich die Bewegung im weitesten Sinne – eine ganz eigene Qualität bei der Gestaltung und beim Einsatz digitaler Medien einfordert.

Von der Reflexion zur Selbstreflexion

Gerade noch rechtzeitig zum Jahresausklang ist die von Thomas Häcker, Wolf Hilzensauer und mir herausgegebene Ausgabe der Online-Zeitschrift Bildungsforschung zum Thema „reflexives Lernen“ online gegangen. Ich hatte mich dazu bereit erklärt, weil ich (a) auf diese Weise Thomas Häcker und seine Position näher kennenlernen konnte (der mir auf dem Papier bzw. digital mehrmals schon beim Thema E-Portfolios „begegnet“ war) und weil ich selbst eher Schwierigkeiten mit dem Begriff des „reflexiven Lernens“ habe. Ja, ist das denn die rechte Voraussetzung für die Mitherausgeberschaft eines Themenhefts? Nun, die intensivere Auseinandersetzung mit einem Thema in Verbindung mit Lehrveranstaltungen und Publikationen anzugehen, ist im Wissenschaftsbetrieb sicher nicht ungewöhnlich und ein durchaus interessantes Prozedere (das meines Wissens wissenschaftssoziologisch oder -psychologisch noch nie ernsthaft untersucht wurde – warum eigentlich nicht?). Oft ist es ja so, dass diejenigen Lehrveranstaltungen (auch Publikationen?) am besten zu verstehen sind, bei denen man selbst als Novize gestartet ist ;-).

Dass es im Editorial heißt: „Reflexives Lernen als Grundlage Lebenslangen Lernens ist nicht nur aus pädagogischer Sicht interessant, sondern auch aus historischer, philosophischer, psychologischer und praktischer Perspektive“, steht da nicht von ungefähr: Ziel war es, verschiedene wissenschaftliche Zugänge zum „reflexiven Lernen“ zusammenzustellen, wobei von vornherein klar war, dass damit auch verschiedene Auffassungen dazu verbunden sind, was unter „reflexivem Lernen“ denn nun eigentlich zu verstehen ist. Meine anfängliche und nach wie vor bestehende Position dazu ist die, dass mit Ausnahme des „Reiz-Reaktion-Lernens“ behavioristischer Manier jedes Lernen auch Reflexionsmomente bedarf – sonst würde man wohl nicht von Lernen sprechen können, das diesen Namen auch verdient. Wohl aber gibt es sehr unterschiedliche Grade, vielleicht auch Qualitäten von Reflexion – und das, so meine ich, zeigen auch die in diesem „Heft“ versammelten Aufsätze.

Gefreut hat mich, dass auch Tobias einen Beitrag geliefert hat („Ganzheiltiche Reflexion auf dem Weg zu Selbstorganisiertem Lernen„): In diesem Beitrag führt er auch unser Begleitstudium und die darauf gerichteten (qualitativen) Studien an, die dazu bereits durchgeführt wurden. Die damit verbundenen kritischen Einschätzungen unserer Versuche, Studierende auch im knappen Bachelor-Studium zu projektorientiertem Arbeiten und einer darauf bezogenen Reflexion zu bewegen, hat zu einigen Turbulenzen und internen Diskussionen geführt – und die haben ganz gewiss eine ganze Reihe Reflexionsprozesse ausgelöst. Auch wenn das anstrengend ist (zumal dann, wenn man in die Rolle des Mediators gerät), sind das für mich genau die Dinge, die ich an sich an einer Universität erwarte: Kritische Auseinandersetzungen, das Ringen um die rechte Darstellung und Folgerung, Selbstzweifel und Aushandlungsprozesse – was zwar psychologisch für die Betroffenen nicht immer einfach, aber langfristig genau die fruchtbaren Prozesse sind, die man getrost als reflexives Lernen bezeichnen kann.

Danke an der Stelle an die Herausgeber/innen der Zeitschrift Bildungsforschung für die vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit.