Vertrauensvorschuss statt Misstrauen

Mehr Qualität statt mehr Quantität und mehr Gestaltungsspielraum statt mehr Vorgaben, weniger Prüfungen und mehr Feedback, ein erweiterter Lehrbegriff und eine andere Bemessung des Lehrdeputats, Lehre als Wissenschaftspraxis und als Gestaltungsaufgabe – das sind (unter anderem) die aktuellen Empfehlungen des Wissenschaftsrats für eine zukunftsfähige Gestaltung von Studium und Lehre – online zugänglich hier.

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Zug schon abgefahren?

Anwendungsorientierung in der Forschung“ empfiehlt der Wissenschaftsrat (WR) in einem aktuellen Positionspapier und kritisiert deutlich die bisherige rigide Trennung von Grundlagenforschung und Angewandter Forschung. Vor ziemlich genau einem Jahr hat sich die HRK ebenfalls mit der Anwendungsorientierung beschäftigt und für mehr Förderung der „Anwendungsorientierten Forschung“ ausgesprochen (ich hatte hier darüber berichtet). Der WR traut sich jetzt einen Schritt weiter und formuliert ein Plädoyer zur Überwindung des Dualismus von Grundlagen- und Angewandter Forschung, was keineswegs grundsätzlich neu ist (siehe z.B. einen älteren Beitrag dazu hier) aber in dieser Form vom WR meines Wissens noch nicht formuliert worden ist.

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Von Verfasstheiten und Verfassungen der Lehre

Es geht gerade etwas chaotisch zu mit dem Begriff der Lehrverfassung. Im Mai 2017 hieß es in einem Positionspapier des Wissenschaftsrates, dass jede Hochschule eine Lehrverfassung brauche, die „ein verbindliches Leitbild für die Lehre“ (WR, 2017, S. 16) beschreibt. Die Fußnote dazu erläutert, dass Verbindlichkeit nicht im juristischen Sinne zu verstehen sei, „sondern als interpersonelle ideelle Norm, die an der jeweiligen Hochschule gemeinsam entwickelt wird und von ihren Mitgliedern als Maxime akzeptiert werden soll“ (S. 16). Eine Frage, die sich bei dieser Definition von Lehrverfassung als verbindliches Leitbild wohl sofort gestellt hat, war die, ob die Leitbilder, die sich viele Hochschulen für die Lehre inzwischen gegeben haben (und einige davon sind sicher auch in umfänglicher Gremienarbeit formuliert worden), nun als „Verfassung“ taugen.

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Wettbewerbsfixiert

In den letzten beiden Wochen hatte ich einen für mich lehrreichen und interessanten Austausch mit Stefan Kühl, Marcel Schütz und Ines Langemeyer zum Positionspapier des Wissenschaftsrates. Ich hatte dazu (spontan wie die Hochschulrektorenkonferenz sozusagen) bereits Anfang Mai meine erste Einschätzung (hier) formuliert. Nun werfen Soziologen auf ein solches Papier noch einmal einen anderen Blick und die daraus resultierende Perspektive scheint mir eine wichtige Ergänzung zu solchen zu sein, die eher die Lehrentwicklung und Didaktik auf der Mikroebene vor Augen haben. Aus dem Austausch ist ein Text entstanden, der nun in mehreren Varianten hoffentlich ein paar Leser findet.

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Pustekuchen

Danke an Sandra, die mich mit ihrem Blogbeitrag auf die Seite Vorbild Pusteblume aufmerksam gemacht hat. „Agil, sichtbar und gut verankert“ werden hier Stimmen zum Positionspapier des Wissenschaftsrats zu Strategien für die Hochschullehre (siehe auch hier) zusammengestellt. Da sind interessante Kommentare dabei – eine gute Idee, verschiedene Stimmen einzufangen, die selbst als Wissenschaftler großes Engagement in der Lehre zeigen. Aber ob man der Hochschuldidaktik mit dem Bild der Pusteblume wirklich einen Gefallen tut oder nicht doch eher das Gegenteil erreicht, nämlich die Lehre wieder mal ein wenig der Lächerlichkeit preisgibt? Pustekuchen! – sagt man laut Duden dann, wenn gerade das Gegenteil von dem eintritt, was man sich vorgestellt oder gewünscht hat.

Gute Reflexe

Man kommt derzeit gar nicht so recht hinterher: Die verschiedenen Organisationen der Wissenschaft – vor allem Wissenschaftsrat (WR) und Hochschulrektorenkonferenz (HRK) –veröffentlichen in zunehmender Geschwindigkeit ihrer Positionen zur Lehre. Kaum hat der Wissenschaftsrat sein Positionspapier zu Strategien für die Hochschullehre veröffentlicht (siehe dazu hier meine Einschätzung), schon erteilt die HRK dem Vorschlag einer „institutionellen Programmförderung der Lehre“ (hier die Pressemitteilung) eine Absage. Der Journalist Wiarda sieht darin eine falsche reflexartige Ablehnung. Ich kann das Argument des HRK-Präsidenten Horst Hippler durchaus nachvollziehen: „Eine dauerhaft wettbewerbliche Förderung von Lehre wäre ein zweifelhaftes Unterfangen. Zum einen wäre es das politisch völlig falsche Signal, jetzt in großem Umfang eine institutionell verwaltete Programmförderung anzukündigen, während es den Hochschulen seit langem an einer Grundsicherung ihrer Lehrkapazitäten fehlt. Zum anderen sind dem wettbewerblichen Vergleich von Lehre und Lehrprojekten Grenzen gesetzt.“ Spontane Reaktionen (meinetwegen auch Reflexe) sind nicht immer schlecht, zumal wenn man auch Gründe spontan benennen kann, die überzeugen.

Anderes Denken im Gepäck der Sprache

Oft angekündigt, mit Spannung erwartet – jetzt ist es da: das Positionspapier vom Wissenschaftsrat zu „Strategien für die Hochschullehre“. Für diejenigen von uns, die sich mit dem akademischen Lehren und Lernen wissenschaftlich beschäftigen, ist es zunächst einmal höchst erfreulich, dass das Thema Hochschullehre derzeit so weit oben auf der Agenda steht – auch beim Wissenschaftsrat. Positiv aufgefallen ist mir an dem Papier, dass ein paar sehr grundlegende Dinge, die man endlich in Angriff nehmen müsste, angesprochen werden: unter anderem „alternative Berechnungsmodelle für die Gesamtheit von Lehraufgaben“ (S. 18) inklusive einer (rechtlichen) Reform der Lehrverpflichtungsverordnungen der Länder (S. 30) sowie eine ausreichende finanzielle Grundlage für bessere Lehrbedingungen (S. 33 f.) statt temporärer Förderprogramme. Hinweise darauf, dass auch die Studierenden selbst Verantwortung für ihren „Bildungserfolg“ tragen, dass Lehre in der individuellen Verantwortung der Lehrenden UND in der institutionellen Verantwortung der Hochschulen liegt, Hochschullehre mithin eine gemeinsame Aufgabe ist, bieten zwar nichts Neues, aber es kann in der Tat nicht schaden, wenn man das ab und zu neu begründet und wiederholt.

Es gäbe viel zu sagen zu dem Positionspapier und ich denke, es wird uns auch noch eine Weile beschäftigen. An dieser Stelle nur mal ein paar erste (noch unsystematische) Kommentare.

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Hauptsache sichtbar!?

Wenn man die „Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie der Gesamtstrategie der Universität Hamburg“ und vielleicht auch die Pressestimmen (z.B. hier oder hier) dazu gelesen hat, kann man an vielen Stellen hängen bleiben; an welchen, ist wohl eine Frage der Perspektive und der Rolle, die man selber hat. Nach dem ersten Lesen sind mir vor allem wiederkehrende Formulierungen und mehr oder weniger deutlich hervorgehobene Beurteilungsdimensionen aufgefallen, die mich fragen lässt: Was genau unterscheidet Wissenschaft und Bildung noch von Unternehmen? Natürlich: Universitäten brauchen Ressourcen, mit denen sie haushalten und dabei sehr verschiedene Interessen im Blick behalten, also auch ökonomisch handeln müssen; sie befinden sich außerdem in einem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld und sind damit Vergleichen ausgesetzt und müssen sich dazu verhalten. Aber lässt sich die Betrachtung von Universitäten bzw. von einzelnen Disziplinen oder einer ganzen Gruppe von Disziplinen darauf reduzieren oder auch nur fokussieren?

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Kern akademischer Hochschulbildung

Kürzlich habe ich noch einmal die aktuellen Empfehlungen des Wissenschaftsrats (2015) zum Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeitsmarkt (online hier) zur Hand genommen (es handelt sich um den zweiten Teil einer Empfehlungsreihe, die sich speziell der Arbeitsmarktrelevanz von Studienangeboten widmet). Nachdem ich das Dokument schon mal im November kursorisch durchgesehen hatte, habe ich es jetzt noch einmal unter der Frage gelesen, welchen Stellenwert der Wissenschaftsrat in diesem Papier der Persönlichkeitsbildung beimisst. Um diese Frage beantworten zu können, fasse ich zunächst ein paar aus meiner Sicht relevante Inhalte (selektiv!) zusammen:

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Die Schule als Modell!?

Neuerdings legen uns Artikel aus der Feder von Mitgliedern des Wissenschaftsrates insbesondere in der ZEIT dringend nahe, dass wir bei der Verbesserung der Hochschullehre von der Schule lernen sollten. Den Anfang machte Volker Meyer-Guckel bereits im April 2015 (hier) mit der Aufforderung, Verschulung nicht immer nur negativ zu sehen, sondern eher mal die Schule als Vorbild zu nehmen. So sollte man z.B. Lehrende auf ihre Aufgaben systematisch vorbereiten und regelmäßig fortbilden – wogegen wirklich gar nichts einzuwenden wäre, würde das nicht auch gepaart sein mit pauschalen Feststellungen über Unwille und Unfähigkeit von Hochschullehrenden, sich für die Lehre zu engagieren. Und nun Manfred Prenzel (hier): Von der Schule zu lernen, bedeutet für ihn, sich an gutem Unterricht in der Schule zu orientieren. Nun mag auch das in Grenzen eine Bereicherung sein, wenn man sich gelingendes Lehren und Lernen in verschiedenen Bildungskontexten also auch in Schulen, anschaut, um Impulse für die Hochschullehre zu gewinnen. Die Grenzen aber sind schnell erreicht, wenn man Ziele, Zielgruppen und Gegenstände der Schul- und Hochschulbildung miteinander vergleicht. Dass ausgerechnet der WISSENSCHAFTsrat so leichtfüßig über diese Unterschiede hinwegzugehen scheint, verwundert doch schon.

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