Ja, ich weiß, es ist komisch. Was meine inhaltliche Arbeit an der Zeppelin Universität (ZU) betrifft, halte ich mich seit Monaten bedeckt. Das mag vielleicht daran liegen, dass ich hochschuldidaktisch an der ZU noch nicht so recht angekommen bin. Damit will ich sagen: Lehrende und Studierende an der ZU haben mich sehr wahrscheinlich in dieser mir ja besonders wichtigen Rolle noch nicht sonderlich wahrgenommen. Und das konnten sie bisher auch kaum, weil ich wohl vor allem da sichtbar werde, wo die Meso- und Makroebene der Hochschuldidaktik tangiert ist: nämlich z.B. in der Programmgestaltung, speziell in der Mastergestaltung (aber auf einer sehr formalen Ebene), in der Diskussion zu Prüfungsfragen (wiederum vor allem auf einer formalen Ebene), in einem nach außen kaum sichtbaren „(People) Management“, in Vorarbeiten für eine Deputatsrichtlinie der Geschäftsführung (wobei ich aus diesen Vorarbeiten eigentlich auch mal einen zusammenhängenden Text machen könnte) etc. (das sind jetzt nur ein paar Beispiele). Wofür ich als Wissenschaftlerin stehe, dürfte (mit Ausnahme der Antrittsvorlesung) wohl noch etwas im Dunkeln liegen.
Autor: Gabi Reinmann
Digitalisierte Neugier
Warum nur ist mir das Wort „Digitalisierung“ im Kontext von Hochschulbildung so derart unsympathisch? Vielleicht, weil es in Wikipedia dazu heißt: „Der Begriff Digitalisierung bezeichnet die Überführung analoger Größen in diskrete (abgestufte) Werte, zu dem Zweck, sie elektronisch zu speichern oder zu verarbeiten.“ Die elektronische Speicherung und Verarbeitung analoger Größen aber kann ja nun nicht der Zweck des Einsatzes digitaler Medien in der Hochschule – speziell in der Hochschullehre (vielleicht in der Buchhaltung) – sein!
Weshalb daher die neue gemeinsame Initiative vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, dem Centrum für Hochschulentwicklung und der Hochschulrektorenkonferenz (gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung) für einen Dialog über Potenziale digitaler Medien für deutsche Hochschulen ausgerechnet „Hochschulforum Digitalisierung“ heißt, bleibt mir ein Rätsel.
Ich hab keine Ahnung, machs aber trotzdem
Wer kennt das nicht: Man schreibt einen Artikel (oder auch einen Antrag) und bekommt ein Feedback von zwei oder gar drei Gutachter/innen und fühlt sich nach dem Lesen der Gutachten missverstanden, falsch beurteilt, unnötig in eine bestimmte Richtung abgestempelt etc. Gut, manchmal ist es „nur“ der normale Ärger, den fast jeden befällt, wenn Kritik zu heftig oder umfangreich ausfällt. Manchmal zeigt einem der zweite Blick am nächsten Tag, dass Kritikpunkte gerechtfertigt sind, dass der Beitrag noch nicht „reif“ war oder dass es keine Passung gab zwischen den wissenschaftlichen Auffassungen des Autors und des Gutachters. Manchmal ist man aber einfach nur fassungslos (und darüber habe ich in diesem Blog auch schon öfter relativ ehrlich berichtet): Genau so ist es gerade Peter Baumgartner ergangen, der hier ausführlich über seine Erfahrungen bei der Begutachtung eines Textes zum Musteransatz in der Didaktik im Kontext der Jahrestagung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW) berichtet. Grund für den Ärger ist, dass das „Peer Review“ (double blind) keine Peers zusammenbringt, sondern dass Gutachter in die Lage kommen (bzw. sich bringen lassen), zu sagen: „Ich hab keine Ahnung, machs aber trotzdem“.
Sich selber korrigieren – auch eine Form des Prüfens
Nun ist es erst ein paar Tage her, dass ich eine Art Tabelle zum Thema Prüfungen hier in diesem Blog veröffentlicht habe – wohl gemerkt als allerersten Entwurf meiner Überlegungen. Mir war von Anfang an klar, dass das theoretisch nicht konsistent ist, zumal da „mündliche – schriftliche – praktische Prüfungen“ nicht auf EINER Dimension liegen. Trotzdem findet man das genau so relativ oft auf Web-Seiten von Universitäten (z.B. auch bei der TUM – siehe hier). Mir ist dann selber aufgefallen, dass wahrscheinlich die tabellarische Darstellung ungünstig ist und ein Entscheidungsbaum sinnvoller sein könnte, bei dem man mit mehreren Dimensionen arbeiten kann. Ich habe das jetzt mal versucht und revidiere mich hiermit zeitnah gleich mal selber:
Wenn es darum geht, ein Modell zu entwickeln, das auch anschlussfähig an die gängige Praxis ist, dann scheint man – so mein aktueller Stand – nicht daran vorbeizukommen, zunächst einmal Kompromisse in der Konsistenz des Modells zu machen. Ziel wäre freilich – wenn man mal in der Prüfungspraxis weiter ist -, diese Phase zu überwinden und sowohl Ordnungs- als auch Gestaltungsdimensionen zu finden, die sich empirisch bewähren UND theoretisch konsistent sind.
Wenn der Ton gereizter wird …
Eine Änderung der Prüfungskultur an unseren Universitäten – davon bin ich nach wie vor überzeugt – ist der Schlüssel für eine Änderung in der Kultur des Lehrens, vor allem aber des Lernens, denn: Studierende orientieren sich in ihrem Lernen und Studierverhalten (und das ist ihnen sicher nicht zu verübeln) daran, wie sie geprüft werden. Selbst wenn Lehrende also neue Wege in der Gestaltung ihrer Lehrveranstaltungen gehen, kann es sein, dass der Erfolg ausbleibt, nicht weil die Lehre schlecht ist, sondern weil sie nicht oder nicht ausreichend gut zu den Prüfungen passt. Änderungen im Bereich der Prüfungen aber sind schwierig. Das weiß jeder, der das schon versucht hat. Prüfungsordnungen sind nicht umsonst Dokumente, deren Änderungen mit vielen formalen Hürden verbunden sind. Und die (Achtung Ironie!) wunderbaren uns zur Verfügung stehenden Campus Management Systeme, mit denen Modulhandbücher und damit auch Prüfungen (wie es so schön heißt) technisch modelliert werden, tun ihr Übriges dazu, dass man an Universitäten tendenziell lieber die Finger von Änderungen von Prüfungen lässt.
Auch bei Studierenden wird der Ton in der Regel gereizter, wenn es um Prüfungen geht, und die Wünsche, die hier artikuliert werden, sind meistens sehr divers: Weniger Prüfungen wollen die einen, mehr gar die anderen, denn es soll sich ja auch lohnen, was man so alles an Leistung bringt. Generell nimmt das Verhalten seltsame Züge bei Lehrenden und Lernenden an, wenn Prüfungen auf der Agenda stehen. Diskussionen zu diesem Thema laufen besonders schnell aus dem Ruder, führen zu Lagerbildungen, gegenseitigem Unverständnis und am Ende vielleicht sogar zu einer gewissen Erleichterung, dass sich sowieso nichts ändern wird …
Was Medien mit Medikamenten zu tun haben
„Generelle Aussagen über das Lernen mit Medien sind bei näherem Hinsehen kaum möglich. Die Palette der Lernmedien ist derart vielfältig, dass bestenfalls nur Aussagen über spezifische Medientypen möglich sind […]. Die generelle Wirksamkeit des Lernens mit Medien zu untersuchen, ist deswegen ähnlich schwierig, wie generelle Aussagen über die Wirksamkeit von Medikamenten machen zu wollen. Jedes Medikament ist verschieden und muss separat untersucht werden“ (Petko, 2014, S. 106).
Man hätte diese Sätze auch an den Anfang des Buches stellen können, das der Autor, Dominik Petko, als praxisorientierte Einführung in das Lehren und Lernen mit Medien konzipiert hat, denn: Wie andere Werke zur Mediendidaktik auch, dürfen die Leser/innen von dieser Neuerscheinung kein Rezeptbuch erwarten, das durchgängig evidenzbasiert ist und Handlungsempfehlungen gibt, die durch empirisch Studien ein objektives wissenschaftliches Prüfsiegel haben. Erwarten dürfen die Leser/innen auch keine Handreichung für den Einsatz der digitalen Medien, weil deren Vielfalt so groß und dynamisch, deren Verwobenheit mit Lernzielen, -inhalten und -aufgaben so komplex, deren Interaktion mit individuellen Stärken, Schwächen, Präferenzen und Abneigungen von Lehrenden und Lernenden so eng und deren Einbettung in institutionelle, organisatorischen und technische Gegebenheiten der Kontexte so vielschichtig ist, dass der zitierte Medikamenten-Vergleich die Sachlage recht gut trifft.
Kann man unter diesen Umständen trotzdem ein Lehrbuch schreiben, das wissenschaftlichen Ansprüchen genügt und der Praxis hilft? Ja, kann man! Dominik Petkos Buch zeigt, dass das möglich und sinnvoll ist: Seine Einführung integriert Erkenntnisse theoretischer und empirischer Art und verknüpft sie mit Empfehlungen für Lehrende, die digitale Medien einsetzen wollen, ohne unangemessene Versprechungen zu machen, aber auch ohne sich jeglicher praktischer Präskription zu enthalten. […]
Die gesamte Rezension findet sich hier: Rezension_Petko_Mai2014
Absurde Perversion der Universitätsidee
„Bildung statt Bologna!“, so lautet der programmatische Titel eines schmalen Taschenbuches von Dieter Lenzen, das verschiedene in Zeitungen und Zeitschriften bereits veröffentlichte Beiträge von Lenzen unter drei Kapitel zusammenführt: I. Bologna: Vom Scheitern einer Reform, II. Was ist Bildung?, III. Die Zukunft universitärer Bildung.
Wenn ich mal mit einem Resümee anfange, dann muss ich sagen: Ja, letztlich stimme ich Lenzen zu einem relativ hohen Prozentsatz in dem zu, was er da auf knapp 100 schnell zu lesenden Seiten zusammenstellt (auch wenn ich nicht jeden Satz unterschreiben würde): Das Kopieren des britischen Bachelor- und Master-Systems und der US-amerikanischen Abschlusstypen ohne tiefere Analyse, ob die Bedingungen passen und die Folgen gewollt sind, die Ignoranz gegenüber dem kontinentaleuropäischen Bildungsverständnis und der Idee „Bildung durch Wissenschaft“, das Elend mit der Akkreditierung sowie die Versäumnisse der Hochschullehrer selbst im Bologna-Prozess infolge von Unkenntnis, Fehleinschätzung und/oder Gleichgültigkeit – all das sind Punkte, die Lenzen aus meiner Sicht gut auf den Punkt bringt.
Mit dem Nichts sprechen
Eine kurz Vortragshinweis – leider etwas spät, aber auch die Ankündigung ging eben erst online: e-teaching.org beginnt heute mit einem Themen-Special zur E-Learning-Forschung. Gerne habe ich zugesagt, mich beim ersten Online-Event des Themen-Specials am kommenden Mittwoch (30.01.2014) mit einem kurzen Vortrag zu Design-based Research zu beteiligen. Weitere Informationen dazu hier. Einen Vortrag vor dem Bildschirm zu halten und quasi mit dem Nichts zu sprechen, ist zwar immer etwas seltsam, aber ich werde mich bemühen, mir die Zuhörer/innen vorzustellen. 🙂 Wer keine Zeit vor dem Mittagessen (nämlich um 11.00 Uhr hat) – macht nichts: Der Vortrag wird auch aufgezeichnet.
Nachtrag: Link zur Aufzeichnung.
Unverzichtbares Instrument oder verzichtbare Gängelei?
Evaluation ist ein Thema, das in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten in der deutschen Hochschullandschaft kontinuierlich an Bedeutung gewonnen hat. Erfasst und bewertet wird alles, was sich irgendwie greifen lässt: Forschungsleistungen, Publikationen, Forschungsanträge, Reputation, und eben auch die Lehre und die Lehrenden. 2008 ist ein Buch mit dem Titel „Wissenschaft unter Beobachtung“ erschienen. Bruno Frey spricht darin von einer neuen Krankheit: der Evaluitis.
Lehrevaluationen gelten den einen als unverzichtbares Instrument der Qualitätssicherung und -entwicklung, den anderen als verzichtbare Gängelei von Lehrenden und Studierenden. Einerseits wird Transparenz in der Lehre gefordert, andererseits sind kleine Beteiligungsquoten überall ein Problem. Von nützlichen Rückmeldungen für eine bessere Lehre ist ebenso die Rede wie unnützen Befindlichkeitsmessungen. Lehrevaluationen erhitzen schnell die Gemüter und polarisieren mitunter stark.
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Nicht zum Nulltarif
Der Deutsche Hochschulverband (DHV) hat sich zur Online-Lehre zu Wort gemeldet (hier). Der Text wirkt einerseits relativ „geerdet“ und rückt – wie das jetzt ja auch wieder Mainstream ist – den MOOC-Hype zurecht; zudem werden auch einige einfache, aber deswegen nicht minder wichtige Aussagen zur Hochschuldidaktik gemacht. Andererseits offenbart das vierseitige Dokument auch einige Passagen, die deutlich machen, dass nach wie vor Unsicherheit und fehlende Kenntnisse zum Einsatz digitaler Medien (aber auch zur Didaktik an sich) bestehen. Ich greife im Folgenden einige Sätze heraus und kommentiere diese kurz, um meine Einschätzung zu erläutern.