Und du siehst, dass es außer Kontrolle gerät

Zum dritten Mal fand im Rahmen unseres Studiengangs „Medien und Kommunikation“ gestern eine studentische Tagung statt, nämlich die dritte w.e.b.Square-Tagung zum Thema „Bekannt, befreundet, vernetzt! Wie soziale Netzwerke unser Leben prägen“ (hier das Programm). In drei Sessions haben insgesamt sechs Gruppen ihre Rechercheergebnisse und eigenen Überlegungen zu Identität und Profilierung sowie Probleme wie Isolation und Mobbing in sozialen Netzwerken auf äußerst kreative Weise beleuchtet. Jeder Vortrag integrierte originelle Darstellungsideen, mit denen langweilige Folienpräsentationen geschickt vermieden wurden. Und das ist – wie wir aus allen Tagungen wissen – nicht eben leicht. Die Vorträge wurden per Video aufgenommen, sodass sich Interessierte, die nicht dabei waren, bald selbst ein Bild machen können. Die dazugehörigen Artikel sind bereits online verfügbar (nämlich hier).

Was mir an dem Nachmittag besonders gefallen hat, war die Tatsache, dass hier Vertreter der Netzgeneration selbst darüber reflektiert haben, was soziale Netzwerke im Netz für sie bedeuten, wo sie sich angeregt, bedroht oder einfach nur unterhalten oder falsch verstanden fühlen etc. Angesichts der Tatsache, dass es so viele Mythen oder werbewirksame Slogans ÜBER junge Netz-Nutzer gibt, ist es wohl umso wichtiger, die Betreffenden selbst zu Wort kommen zu lassen – im Falle der w.e.b.Square-Tagung wohl wissend, dass hier natürlich eine selegierte Gruppe auftritt. Im Vergleich zum letzten Jahre (ich habe hier darüber berichtet), habe ich einen qualitativen Sprung festgestellt: Das gilt für die Besucherzahl, das gilt aber allem voran für die Vorträge und die Diskussionen. Diskutiert wurde erstaunlich viel – das Thema stößt also auf reges Interesse. Und das alles ist eine studentische Initiative? Funktioniert es quasi von allein? Nein, das tut es nicht. Ohne höchst engagierte Mitarbeiter/innen (ich nennen stellvertretend mal Sandra Hofhues, die die Leitung innehatte) würde so etwas nicht stattfinden: Auch Studierende müssen motiviert werden, brauchen zunächst Anleitung und Anregungen, das Engagement muss sich für das Studium „lohnen“ etc. Das zu arrangieren kostet Zeit und Ressourcen – umsonst ist das nicht zu haben (Sandras Beitrag dazu hier).

Abschließend sei exemplarisch eine der witzigen Ideen herausgegriffen, mit denen die Studierenden das Tagungsthema angegangen sind: z.B. die Schöpfungsgeschichte bei soziale Netzwerken (Genesis 2.0; siehe auch hier):

  • 1. Tag: Und du siehst, dass es nötig ist (so viele Leute können nicht irren)
  • 2. Tag: Und du siehst, dass es einfach ist.
  • 3. Tag: Und du siehst, dass du nicht allein bist.
  • 4. Tag: Und du siehst, dass du unbeachtet bleibst.
  • 5. Tag: Und du siehst, dass es bunt werden muss
  • 6. Tag: Und du siehst, dass es außer Kontrolle gerät.
  • 7. Tag: Und du siehst, dass es nie ruhen wird.

Betriebswirtschaftslehre bei Tchibo

Inzwischen sind die Vorträge der Campus Innovation 2009 (ich habe hier davon berichtet) online. Da ich einen halben Tag der Veranstaltung leider verpasst habe, bieten die Aufzeichnungen nun eine schöne Möglichkeiten, z.B. Rolf Schulmeisters Vortrag doch noch (hier) zuhören. Sein Beitrag bietet wohl eine ganze Menge an Diskussionsstoff, auf den ich hier nicht in der möglichen Vielfalt eingehen kann.

Was mir aber besonders im Kopf hängen geblieben ist, ist der Hinweis auf die „Akademisierung der Berufsausbildung“. Das ist quasi das Pendant zu meinen Überlegungen, dass und warum das Universitätsstudium zunehmend als Berufsqualifizierung verkauft wird (siehe z.B. hier). Es ist eine Frage der Perspektive und inzwischen glaube ich, dass beides zutrifft: die Berufsausbildung wird auf vielen Gebieten akademischer und das Universitätsstudium berufspraktischer. Ja, warum nicht?, könnte man da sagen. Sind dann nicht alle zufriedener? Ist es nicht das, was wir alle wollten? Raus sowohl aus dem Elfenbeinturm als auch aus der Werkhalle und rein in die Wissensarbeit? Gemeinsame Sache zwischen Wirtschaft und Wissenschaft? Ist das nicht die Zukunft? Theoretisch kann man wohl durchaus einige Vorteile in solchen Vermengungstendenzen sehen. Ganz praktisch aber ergeben sich sehr viele Probleme, denn den Lehrenden fehlen Anschauung und Kompetenzen, um solche Versprechen wirklich einzulösen.

Vorrangig jedoch bleibt für mich die grundsätzliche Frage, wo man – wenn nicht an einer Universität – noch lernen kann und darf, klar zu denken, kritisch zu hinterfragen, systematisch zu handeln, mit anderen zusammen Dingen auf den Grund zu gehen, die im operativen Geschäft der Berufswelt nicht mehr thematisiert werden, zu lernen, über den eigenen Gartenzaun zu schauen, sich selbst und die eigenen Potenziale kennenzulernen etc. Freilich, all dies ist mit einer Auffassung von „Unis als Dienstleister“, wie Rolf Schulmeister formuliert, nicht gut vereinbar – oder doch? Wäre es nicht eine Dienstleistung an unsere Gesellschaft und unser demokratisches System? Vielleicht schrecken ja Rolfs Beispiele von der „Betriebswirtschaftslehre bei Tchibo im Sonderangebot“ doch einige ab, an das Heil dieser neuen Verbünde zwischen Wissenschaft/Universität und Wirtschaft/Konzernen zu glauben. Vielleicht aber ist der Zug hier schon abgefahren und nur mehr mit geballtem Widerstand aufzuhalten.

Fehlinterpretationen

„Neue Einsichten in Lehren, Lernen und Kompetenz“ lautet der Titel eines aktuellen ITB-Forschungsberichts (Nr. 40) von Gerald Straka und Gerd Macke. Online ist der Artikel hier abzurufen. Ziel des Beitrags ist es, ein handlungstheoretisch begründetes Konzept für eine lehr- und lerntheoretische Didaktik vorzustellen und zwei „breit rezipierte“ andere Ansätze, nämlich den Cognitive Apprenticeship-Ansatz und den „Ansatz zur Gestaltung integrierter Lernumgebungen“ kritisch zu beleuchten. Da letzteres den Lehrbuchartikel von Heinz Mandl und mir im Lehrbuch Pädagogische Psychologie betrifft, komme ich kaum umhin, dazu Stellung zu nehmen.

Also erst einmal hat mich verwundert, dass und wie Straka und Macke auf die Idee kommen, ein Rahmenkonzept, das dazu da ist, für Studierende die Vielfalt an Literatur zur Gestaltung von Lernumgebungen zu strukturieren und Möglichkeiten der Verbindung verschiedener Auffassungen und Modelle in der Praxis darzulegen, als einen eigenen didaktischen Ansatz zu interpretieren und z.B. auf die gleiche logische Ebene wie das Modell des Cognitive Apprenticeship zu stellen. Normalerweise ist ein Lehrwerk nicht der Ort, an dem man einen neuen „Ansatz“ präsentiert und auch von uns war dies entsprechend nicht intendiert. Unser „Ansatz“ ist der Versuch, verschiedene Lehr-Lernmodelle zu ordnen und dem Leser eine Hilfe zur Bewertung dieser Modelle (im Hinblick auf verschiedene Ziele) zu geben. Natürlich kommen dabei auch eigene Positionen (etwa zum Lernbegriff) zum Vorschein. Das ist ja wie bei einer Vorlesung, deren primärer Zweck darin besteht, Inhalte zu präsentieren und zwar übersichtlich, die Kriterien für diese Übersicht aber durchaus subjektiv sind. Aber der hauptsächliche Zweck ist nicht eine neue theoretische Richtung, sondern die Ordnung bestehender Inhalte und Erkenntnisse insbesondere mit Blick auf die Praxis in Bildungsinstitutionen, in der ja auch die Mischung von Methoden üblich und nötig ist (weil immer verschiedene und mehrere Ziele verfolgt werden).

Besonders schön ist dann der Schlussabsatz, der lautet: „Möglicherweise haben Ansätze vom Typ „kognitive Meisterlehre“ und die breit rezipierte Position der „integrierten Lernumgebungen“ zusammen mit der Bachelorisierung zur Vermehrung der Praxisanteile der bundesdeutschen Lehrkräfteausbildung beigetragen“ (Seite 36). Das wiederum führe zu der Gefahr zum „model of master teacher“ zurückzukehren. Hmm – vielleicht stehe ich ja auf dem Schlauch, aber diese kompakte Zusammenfassung hinterlässt bei mir jetzt doch gleich mehrere offene Fragen: Ist das jetzt aus Sicht der Autoren gut oder schlecht, wenn die Lehrkräfteausbildung Praxisanteile enthält? Führen die Stärkung des Lehrenden bzw. deren Kompetenzen automatisch zur Schwächung des Lernenden? (so könnte man es lesen)? Sind ein (deutscher!) Lehrbuchartikel (Vorläufer immerhin im verdächtigen Jahr 1999) und der Bologna-Prozess (Beschluss auch 1999) eine unheilvolle Allianz eingegangen? Wenn ja, wie soll man sich das denn genau vorstellen?

Um nicht missverstanden zu werden: Bei Beitrag von Straka und Macke ist durchaus interessant und lese immer gerne neue Beiträge zu didaktischen Themen. Aber die groß angekündigte Kritik ist doch ein bisschen dünn und beruht vor allem auf einigen Fehlinterpretationen!

Überfordert, was anderes erwartet oder zu hohe Ansprüche?

Diese HIS GmbH hat eine neue Studie zum Thema Studienabbruch online gestellt. Der genau Titel lautet: „Ursachen des Studienabbruchs in Bachelor- und in herkömmlichen Studiengängen“. Die Pressemitteilung kann hier abgerufen werden. Gleich darunter befindet sich der Link zum Bericht, der knapp 200 Seiten umfasst und einen differenzierten Eindruck macht. Es handelt sich um eine bundesweite Befragung von Exmatrikulierten des Studienjahres 2007/08; der Fragebogen findet sich am Ende des Berichts.

Unabhängig von der mehr oder weniger latenten Behandlung des „Bologna-Problems“ (verstärkt oder reduziert der Bachelor den Studienabbruch?) finde ich die Folgerungen der Autoren besonders interessant, was die „Problemlagen“ mit Bündelung mehrerer Faktoren betrifft, die einen Studienabbruch befördern. Ich zitiere aus der Zusammenfassung:

„Drei Gruppen von abbruchfördernden Problemlagen spielen … eine besondere Rolle Eine erste Gruppe von Studienabbrechern ist dadurch gekennzeichnet, dass sie schon mit schulischen Defiziten und schlechter Schulabschlussnote das Studium aufnimmt, der es dementsprechend an fachlichen Voraussetzungen mangelt. Wenn ihre Studienwahl zudem in hohem Maße extrinsisch bestimmt ist und sie über zu wenig Informationen über die Studienanforderungen bei Studienbeginn verfügten, fällt es solchen Studierenden schwer, hohe Studienleistungen zu erbringen. Die Abbruchgefahr steigert sich noch, wenn sie nicht in der Lage sind, sich die notwendigen Betreuungsleistungen zu erschließen bzw. wenn sie keine motivierende Betreuung durch die Lehrenden erfahren. Dieses Bündel von Bedingungen wirkt vor allem auf einen Studienabbruch aufgrund von Leistungsproblemen hin. Eine weitere Gruppe von Studienabbrechern startet mit falschen Studienerwartungen hinsichtlich der fachlichen Inhalte und der beruflichen Möglichkeiten. Ihre Studienwahl zeichnet sich häufig durch Unsicherheit bzw. dadurch aus, dass nicht das Wunschfach realisiert werden konnte. Sie geraten in Gefahr, das begonnene Studium wegen mangelnder Studienmotivation abzubrechen. Für eine dritte Gruppe von Studienabbrechern ist bezeichnend, dass sie in hohem Maße erwerbstätig sind, da dies ihre wichtigste Möglichkeit ist, die Studienfinanzierung zu gewährleisten. Das ist häufig bei Studierenden der Fall, die eine Berufsausbildung absolviert haben und eine lange Übergangsdauer zur Hochschule benötigten. Höhere Lebensansprüche, die zum Beispiel aus Zeiten einer Berufstätigkeit vor dem Studium resultieren, verschärfen die problematische Lage noch. Die betreffenden Studierenden sind stärker als andere in Gefahr, ihr Studium aus finanziellen Gründen abzubrechen.“

Diese Ergebnisinterpretationen finde ich deswegen so interessant, weil alle drei unmittelbare Hinweise für Gestaltungsmöglichkeiten an den Hochschulen bieten: (a) Gestaltung des Übergangs Schule – Hochschule; (b) Information, Erwartungssteuerung und Motivationsförderung; sowie (c) berufsbegleitende Studiengänge. Das sind bekannte Forderungen und Ziele, die durch die Studie erneut an Brisanz gewinnen.

Was lange währt …

wird irgendwann (mitunter) doch noch was. Weihnachtsstress und (vor allem) andere Aufgaben sowohl bei Christian als auch bei mir haben leider dazu geführt, dass die Ergebnisse unserer kleinen Umfrage in der Community „(Bildungs-)Wissenschaftler 2.0“ etwas länger haben auf sich warten lassen als geplant. Aber jetzt können wir einen kleinen Bericht mit den Ergebnissen bieten, der natürlich auf der Community platziert und hier zu finden ist. An der Stelle noch einmal ganz herzlichen Dank an alle, die mitgemacht haben!

Minderheitenmeinungen

Erst jetzt bin ich auf einen kurzen Beitrag (hier) von Hans Brügelmann aufmerksam geworden, mit dem er ein „offenes Forum“ zu bildungswissenschaftlichen Themen (Titel: Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung kontrovers) anstößt und auf diesem Wege eine Alternative zu anonymen Peer Review-Verfahren anbietet. Das Forum (leider etwas versteckt eingebettet in das Pädagogische Journal) soll die Möglichkeit bieten, auch Minderheitenmeinungen zu diskutieren, „insbesondere von Manuskripten und Förderanträgen, die in Peer-Review-Verfahren abgelehnt worden sind“. Na ja, da wäre ich ja ein geeigneter Kandidat, der das Forum allein füllen könnte. 😉 Aber entweder es geht wenigen so wie mir (was nicht anzunehmen ist) oder es traut sich keiner (was schon wahrscheinlicher ist). Gestartet im Spätsommer 2008 hat das Forum bis jetzt nämlich keinen großen Zulauf finden können: Lediglich ein Beispiel findet sich dort – eines, das aber gut die Probleme des Peer Reviews aufzeigt und vor allem eine große Lernchance für Autoren bieten könnte – wenn denn auch diskutiert werden würde.

In seinem Zweiseiter fasst Brügelmann knapp, aber sehr deutlich die Gründe für seine Initiative zusammen. Dabei macht er vor allem auf die Schwierigkeit aufmerksam, Minderheitenmeinungen einen Platz zu geben. Das formuliert er so: „Sucht man kompetente Peers, werden in der Regel lang gediente VertreterInnen einer Fachdisziplin angefragt, die meist etablierte Positionen vertreten. Für sie aber ist die Versuchung groß, konkurrierende Minderheitenmeinungen klein zu halten. In der Jurisprudenz spricht man zu Recht von „herrschender Meinung“ – in einem doppelten Sinn: Sie prägt über Gerichtsurteile die soziale Wirklichkeit und sichert zudem mit der Ausbildung des Nachwuchses die zukünftige Deutungshoheit über eben diese Wirklichkeit. Diese Mechanismen werden auch bei der Förderung von Projekten durch Stiftungen oder durch die DFG wirksam.“

Ich habe mich mit Hans Brügelmann in Verbindung gesetzt, weil mich interessiert, wie er es sich erklärt, dass ein so wichtiges Angebot keine Resonanz findet: Ist die herrschende Meinung bereits zu stark? In diesem Zusammenhang ist übrigens noch ein anderer Beitrag von Uwe Laucken höchst interessant, obschon er fast 10 Jahre alt ist. Unter dem Titel „Qualitätskriterien als wissenschaftspolitische Lenkinstrumente“ arbeitet er für die Psychologie heraus, wie die herrschende Meinung (in dem Fall die Meinung, das Heil liege im naturwissenschaftlichen Paradigma) nicht nur das Denken und Handeln in der Wissenschaft, sondern auch das in Öffentlichkeit und Alltag beeinflusst. Dabei geht es zwar primär um Evaluation und Qualitätskriterien in der Wissenschaft, was aber aber natürlich in einem engen Zusammenhang zu Peer Reviews zu sehen ist. Der Beitrag ist etwas länger – die Lektüre aber lohnt sich!

Trödeln darf man nicht

Seit Weihnachten ist der Call zur GMW 2010 in Zürich nun online. Das Motto lautet „Digitale Medien für Forschung und Lehre“ und ist in drei Themenschwerpunkte gegliedert, die sich der methodisch-didaktischen, technologischen und curricularen Ebene annehmen. Schade eigentlich, dass ich mein vorhandenes „Pulver“ zum forschenden Lernen (mit digitalen Medien) nun bereits im Jahr 2009 sozusagen verschossen habe (siehe zusammenfassend z.B. hier). Na ja, macht nichts. An Ideen speziell für den methodisch-didaktischen Schwerpunkt ist an sich kein Mangel, eher an der Zeit. Trödeln darf man nämlich mit der Einreichung nicht. Deadline ist bereits der 1. März 2010, und wie wir alle wissen, nehmen es die Schweizer da (zu Recht!) genau.

2009 habe ich mein neues „Vorlesungskonzept“ auf der GMW vorgestellt (siehe hier) – mit dem Versprechen, über die Erfahrungen zu berichten. Das werde ich wohl beim diesjährigen GMW-Motto thematisch eher nicht unterbringen können. Trotzdem werde ich natürlich auf anderem Wege von den Ergebnissen unserer (noch laufenden) wissenschaftlichen Begleitung des Lehrprojekts berichten. Für März z.B. ist an der TU Dresden anlässlich des 3. Symposiums E-Learning ein Vortrag über die Ergebnisse geplant.

Eine ganz wesentliche positive Neuerung für die GMW 2010 sind aus meiner Sicht die Formate in Kombination mit einem vollständigen Text für den Tagungsband. Interaktive Formen der Darstellung werden auf diesem Wege nicht in eine scheinbar weniger relevante Ecke gedrängt.

Experiment vorerst abgeschlossen

Über meine „Vorlesung“ im Wintersemester 2009/10 (die an sich keine ist) habe ich hier ja bereits mehrfach berichtet (das Konzept kann man hier nachlesen; meine Gedanken zum Einstieg finden sich hier). Kurz vor Weihnachten nun haben wir den letzten Podcast, der sich auf prüfungsrelevante Inhalte bezieht, hochgeladen und die Arbeit im Wiki abgeschlossen (zwei zusätzliche, kürzere, Podcasts folgen noch). Die Podcasts sind in unserem „Vorlesungsblog“ alle öffentlich zugänglich; dies gilt auch für das dazugehörige Textmaterial, falls es im Netz ist. Eingescannte Textquellen kann ich leider nur den Studierenden im geschlossenen Raum zur Verfügung stellen. Das Wiki ist ebenfalls aus gutem Grund nicht öffentlich, denn es enthält auch meine Kritik an den Fragen und Antworten der Studierenden und bereitet unmittelbar auf die Klausur Ende Januar vor.

Über die Wiki-Arbeit, mit der die Studierenden gewissermaßen ihre eigene Klausur konstruieren, habe ich anderer Stelle (hier) bereits einen Zwischenbericht geliefert: Die Aktivität in den insgesamt acht „Wiki-Runden“ war leicht schwankend, aber alles in allem so, dass stets ausreichend viele (zwischen 20 und 40 Studierende) daran beteiligt waren. Die vier dazugehörigen Tutorien wurden (sogar am 23.12.2009) ebenfalls gut besucht. Unser erster Eindruck ist, dass die Aktivität zum größten Teil von den Studierenden des Studiengangs „Medien und Kommunikation“ (rund 60 Studierende) ausging, während die zahlreichen Nebenfachstudierenden offenbar weniger Zeit und Energie investieren wollten. Aktuell läuft eine Befragung unter den Veranstaltungsteilnehmern, damit wir unsere eigenen Beobachtungen (Abruf der Podcasts, Aktivität im Wiki, Mitarbeit im Tutorium) durch die Einschätzungen der Studierende komplettieren können. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse!

Wer zahlt?

Es geht schon Jahre hin und her – mit der Frage, ob und wie die Zeitschrift für E-Learning in ein Open Access-Modell überführt werden könnte. Im Herausgeberteam (Andrea Back, Peter Baumgartner, Rolf Schulmeister und ich) haben wir schon oft und auch erst wieder kürzlich durchaus kontrovers darüber diskutiert, unter welchen Bedingungen wir hier endlich weiterkommen könnten. Viele Open Access-Zeitschriften werden wieder eingestellt; manche sind nicht nur optisch schlecht, sondern auch fehlerhaft etwa in Sachen Rechtschreibung etc., weil es eben keinen Lektor gibt und die Ressourcen der ehrenamtlich Tätigkeiten auch mal erschöpft sind. Nun hat Andrea in ihrem Blog eine aus meiner Sicht gute Zusammenfassung eines entscheidenden Teils unserer Diskussionen ausformuliert – nämlich die Frage nach den Kosten (nachzulesen hier). In ihren Erläuterungen wird auch dargestellt, warum es mit dem Open Access nicht so simpel ist, wie man es sich vielleicht vorstellt, wenn man zu schnell Blogposts oder andere Kurzbeiträge im Netz mit wissenschaftlichen Beiträgen größeren Umfangs gleichsetzt.

Wir sind in unserem Team alle darum bemüht, möglichst viele Inhalte frei zugänglich bzw. verfügbar zu machen: über eigene Blogs, Preprints, Studientexte, Arbeitsberichte oder halbe Bücher im Netz (wie Rolfs dritte Version zur Netzgeneration: hier). Aber das ist eben nicht das Gleiche wie die Herausgabe einer wissenschaftlichen Zeitschrift. Trotzdem wollen wir – da sind wir uns einig – 2010 einen Weg finden, der die Probleme, wie sie Andrea beschreibt, löst und dann auch Chancen etwa für neue Formen des Peer Review eröffnet. Letzteres liegt vor allem mir ganz besonders am Herzen, ohne dass ich aber voraussagen könnte, wie leicht oder schwer es ist, eine Peer Review-Routine zu verändern, die in vielen Fach-Communities inzwischen unhinterfragten Status hat. Auch das verursacht übrigens Kosten – also ein Peer Review-Prozess, der nicht nur der Selektion, sondern auch der gegenseitigen Verbesserung, dem Lernen und der Unterstützung nicht nur, aber vor allem des wissenschaftlichen Nachwuchses dient. Vor diesem Hintergrund ist Andreas Frage danach, wer diese Kosten übernimmt, ganz entscheidend – eine Frage, die in der Web 2.0-Euphorie nur allzu oft untergeht.

Versunken – aber nicht im Schnee

Ein Blick in meinen Blog zeigt mir, dass da seit Tagen Ruhe herrscht – weihnachtliche Ruhe? Eher nicht. Und im Schnee bin ich auch nicht versunken, obschon es heute Morgen bei uns (südlich von München) durchaus möglich wäre. Versunken bin ich allenfalls zwischen vielen vollgeschriebenen Seiten, die ich zu lesen und zu begutachten habe. Gleich zwei Dissertationen quasi unterm Weihnachtsbaum – des einen Freud, des anderen Leid. Oder doch nicht? Nein, eher nicht, denn natürlich freut man sich auch als Betreuer und Gutachter, wenn nach mehreren Jahren eine Dissertation abgegeben wird, wenn man das Ergebnis eines längeren Betreuungsprozesses, vieler Kolloquien, Gespräche, Feedbacks etc. vor sich hat, wenn man die Fortschritte sieht, die Erreichung eines Ziels, das am Anfang noch so weit weg erscheint. Wenn man dann auch mit dem Ergebnis zufrieden ist, ist das auch für den Betreuer/Gutachter ein schönes Ereignis (trotz der vor einem liegenden Arbeit). Es funktioniert allerdings nicht immer: Auch bei mir gibt es „gescheiterte Arbeiten“, also Dissertationen, die mit großen Erfolgsaussichten starteten und dann eingestellt wurden, oder solche, bei denen von Anfang an Skepsis da war z.B. aufgrund zu vieler Verpflichtungen und „Baustellen“. Auch was die Zeitdauer betrifft, gibt es große Unterschiede: Schnelle und solche, die sich dann doch (aus verschiedensten Gründen) mehr Zeit lassen (müssen oder wollen).

Noch vor Weihnachten jedenfalls werden die beiden oben erwähnten Arbeiten begutachtet sein – Zeit für ein kleines Resümee? Anbei mal die Liste der Dissertationen, die ich in meiner Augsburger Zeit bis Ende 2009 betreut und begutachtet habe (nur Erstgutachten):