Besorgt war ich nicht, denn unsere Doktorandengruppe ist nicht nur engagiert, sondern experimentierfreudig und insgesamt mit weitgehend guten Nerven ausgestattet, aber etwas angespannt schon: Gestern Nachmittag nämlich stand der erste Writers´ Workshop im Doktorandenkolloquium an. Angesichts der Tatsache, dass ich selbst noch nie einen solchen Workshop besucht hatte und das Konzept quasi nur vom Hörensagen und aus der Literatur kannte, war es schon ein bisschen gewagt, so etwas gleich selbst zu organisieren. Aber es hat erstaunlich gut geklappt. Auf der Kolloquiumsseite (hier) habe ich die bereits die aus meiner Sicht wichtigsten Erkenntnisse dargestellt, aber weil es wirklich eine besondere Erfahrung war, möchte ich es hier in meinem Blog schon auch nochmal bringen.
Sehr schön war, dass wir zu unserem ersten Writers´ Workshop-Experiment Reinhard Bauer zu Gast hatten. An sich nämlich hat er mit seinem Vorschlag, Writers´ Workshops im Rahmen von Doktorandenkolloquien durchzuführen, den Stein ins Rollen gebracht. Mir leuchtete das Konzept schnell ein und gerne habe ich daher mit ihm auf kurzem Wege vor nicht allzu langer Zeit eine Forschungsnotiz erstellt, mit der wir sozusagen gleich Nägel mit Köpfen gemacht haben.
Wie war es jetzt also? Im Prinzip ließ sich alles wie geplant umsetzen; auch mit der Zeit sind wir recht gut ausgekommen. Es war anstrengend, aber machbar. Folgende Dinge haben sich aus meiner Sicht besonders bewährt: (a) Es ist sinnvoll, wenn – wie in unserem Fall bei drei Textbesprechungen – drei verschiedene Moderatoren tätig sind. Ihr Zeitmanagement und ihre Zusammenfassungen sind wichtig und verteilen sich so auf mehrere Schultern. (b) Dass sich der Autor bei der Textbesprechung von der Gruppe abwendet, erschien mir zunächst seltsam, aber es hat sich ebenfalls als sehr wichtig herausgestellt: Auf diese Weise spricht man wirklich über den Text und es kommt gar nicht erst der Verdacht (wie sonst oft) auf, man würde direkt die Person kritisieren. Vielmehr sind es wirklich die Sätze, Abschnitte und der Text als Ganzes, den man „im Blick“ hat. (c) Dazu gehört, dass sich der Autor NICHT verteidigt, sondern sich die Textbesprechung einfach erst mal kommentarlos anhört. Das mag schwer fallen, hat aber etwas Entlastendes – für alle Beteiligten. (d) Bedeutsam ist aus meiner Sicht zudem, zunächst einmal die positiven Aspekte des Beitrags herauszuheben: Zunächst wirkte das auf mich als etwas, was ein bisschen „therapeutischen Charakter“ hat, und letztlich verzichtbar ist (weil gut ist, was man nicht kritisiert). Aber in der Situation selbst ist es dann doch nicht so: Ich habe es als zur Textbesprechung notwendig dazugehörend erlebt. (e) Schließlich ist es nicht nur ein ungewöhnliches Ritual, sondern sinnvoll, dem Autor am Ende zu danken, denn: Man hat allen Grund dazu. Nicht nur der Autor lernt nämlich etwas bei so einer Textbesprechung, sondern ich denke, wir haben ALLE etwas dabei gelernt. Man lernt am Beispiel des anderen.
Für mich als Betreuerin der Arbeiten war es ausgesprochen positiv, auch mal das Thema Stil und Sprache in wissenschaftlichen Texten mit allen zusammen zum Thema machen zu können. Genau das nämlich läuft üblicherweise in Zwiegesprächen ab. Und das ist an sich schade, denn auf viele typische „Fehler“ und Fallstricke beim Schreiben treffen fast ALLE (in unterschiedlicher Verteilung und Gewichtung) und man kann daher auf jeden Fall auch „am Modell lernen“. Einige Kommentare gestern haben darauf hingewiesen, dass das nicht nur mein persönlicher Eindruck ist. Üblicherweise haben wir in den Kolloquien nur die Inhalte im Blick. Diese sind ja auch erst mal primär, aber man muss seine Gedanken ja auch zu Papier bringen und diesen Schritt, den vollzieht dann doch jeder gewissermaßen „in Einsamkeit“. Genau das bricht man mit einem Writers´ Workshop exemplarisch auf und dabei ergeben sich eine Menge Lernchancen. In einem Monat findet der zweite Workshop statt; den letzten haben wir dann im Dezember. Ich lasse nebenher eine kleine (interne) Evaluation laufen und werde die Ergebnisse an Weihnachten auf jeden Fall an alle Interessierten kommunizieren.
Nachtrag (17.10.2010): Weitere Einschätzungen gibt es bereits bei Tamara und Frank.
Hallo Gabi,
ich hatte denselben Eindruck und mir hat es ebenfalls sehr gut gefallen, wie intensiv (und in meinen Augen konstruktiv) die Auseinandersetzung mit den Texten stattgefunden hat.
Liebe Grüße,
Alex