Wie Anfang November bereits (hier) angekündigt, ist nun der Text zur Entwicklungsforschung bzw. entwicklungsorientierten Bildungsforschung fertig, den ich zusammen mit Werner Sesink verfasst habe. Entstanden ist dieser anlässlich eines Vortrags (siehe hier). Das Thema beschäftigt mich seit vielen Jahren. Den ersten Text dazu habe ich – mit einem Fokus auf die englischsprachigen Ausführungen zu Design-Based Research – 2005 für die Unterrichtswissenschaft geschrieben. Es folgte 2007 ein Herausgeberband i.w.S. zum Thema Bildungswissenschaften im Spannungsfeld zwischen Nutzen und Erkenntnis zusammen mit Joachim Kahlert, zu dem ich auch einen eigenen Text zur Entwicklungsforschung beigetragen habe. 2010 dann gab es noch einen Beitrag in einem Sammelband aus der Psychologie, in welchem ich stärker die Frage zu beantworten versuchte, welchen Erkenntniswert Entwicklungstätigkeiten in der Wissenschaft haben (siehe hier).
Man kann nicht sagen, dass diese Beiträge sonderlich viel diskutiert worden sind – weder zustimmend noch kritisierend. Nur vereinzelt kamen Diskussionsbeiträge, was sich aber in der letzten Zeit etwas zu ändern scheint – also in dem Sinne, dass thematisiert wird, welche Art(en) von Forschung die Bildungswissenschaft braucht. Dem Aspekt der Entwicklung (inklusive der Pilotierung, Umsetzung im „Echtbetrieb“ und beleitenden Erhebungen und Auswertungen) wird dabei ebenfalls eine gewisse Aufmerksamkeit geschenkt, auch wenn da nach wie vor die Meinung vorherscht, dass das an sich mit Wissenschaft nichts zu habe, denn das Hauptargument, das dann als Pro-Argument ins Feld geführt wird, ist der praktische Nutzen.
Wie auch immer: Nun kommt der nächste Anlauf – jedes Mal sozusagen aus einer leicht anderen Perspektive, was hoffentlich dazu beiträgt, die Chancen und Grenzen einer Entwicklngsforschung allmählich einzukreisen und – das wäre natürlich das Beste – Mitstreiter/innen zu finden, denn nur dann kann sich ein alternativer empirischer (!) Zugang auch entwickeln. Und ja – ich bezeichne das als empirisch und bin nicht bereit, den derzeit engen Empiriebegriff im Kontext der Schulforschung zu teilen.
Liebe Gabi, lieber Herr Sesink,
vielen Dank für das Diskussionspapier zur entwicklungsorientierten Bildungsforschung! Das Papier ist aus mehreren Gründen für mich interessant und wertvoll: (a) Es hilft mir, den genuin pädagogischen Zusammenhang zwischen „alten“, d.h. klassischen Texten (Klafki & Benner) auf der einen Seite und methodischen oder besser, methodologischen Überlegungen zu sehen. Das wiederum kann den Aufbau einer methodischen Identität in Richtung einer PÄDAGOGISCHEN Bildungsforschung unterstützen. (b) Der Text führt dazu, dass ich besser verstehen kann, was ich seit Jahren mit und in der Sportpraxis der Trainer treibe. Ich kann das „(sport)pädagogische Experiment“ als komplexen Veränderungsprozess einer Organisation und den beteiligten Menschen deuten und dabei die Gewichtungen der wissenschaftlichen Zielgrößen auszuloten: PRIMAT der innovativen Praxis vor einer nachgelagerten Theorieentwicklung(siehe S. 16) und PRIMAT von plausiblen Indikatoren für Veränderungsprozesse vor quantifizierenden Messverfahren (siehe S. 15).
Genau an diesen Punkten wird es wahrscheinlich Widerspruch geben oder daran entzündet sich die Diskussion zwischen einer genuin pädagogischen und genuin psychologischen Deutung(shohheit) der Entwicklungsforschung. Wer Lust hat kann den Text von Einsiedler (s.u.) in einer Synopse zum Text von Reinmann/Sesink lesen … und für sich die Folgerungen ziehen.
Frank (Vohle)
Einsiedler: http://www.wolfgang-einsiedler.de/pdf/einsiedler_didaktische-entwicklungsforschung_2010.pdf
Meine Erstreaktion auf das Diskussionspapier:
Beim ersten Überfliegen des Textes, habe ich am stärksten auf das Menschenbild, das auf S. 7 unter dem Terminus Bildungswissenschaft gezeichnet wird, reagiert. Ich finde es unabdingbar, dass man sich zuerst einmal damit auseinandersetzt, welche Grundeigenschaften man dem „Forschungssubjekt“ zuschreibt. Ich erwarte von jedem, der Menschen erforscht, dass er/sie sich erst einmal selbst klar macht, was er einem Menschen zutraut aber auch zugesteht, zu sein. Da meine Auffassung des Menschen mit dem im Diskussionspapier gezeichneten Menschenbild soweit übereinstimmt, möchte ich mich vertiefter mit dem Text auseinandersetzen. Dafür werde ich mir mehr Zeit nehmen.
GC