Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Preußische Strenge und rheinische Gelassenheit

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Den „Expertenworkshop Lehr-/Lernformen“, veranstaltet von der Koordinierungsstelle der Begleitforschung des Qualitätspakts Lehre kann man wohl auch als eine Art Netzwerkveranstaltung (wie hier) bezeichnen. Sechs Begleitforschungsprojekte, darunter unser FideS-Projekt, haben am ersten Tag den Stand ihrer Arbeiten präsentiert und – sofern dazu jeweils noch Zeit war – mit den Zuhörern diskutiert. Die Einblicke in die verschiedenen Studien waren für mich sehr interessant und haben die Eindrücke aus der Forschungstagung am HUL wenige Tage zuvor sehr gut ergänzt bzw. erweitert. Eileen, mit der ich zusammen auf der Veranstaltung war, und mir waren die Ergebnisse aus dem Projekt ForschenLernen am vertrautesten, weil wir angesichts der thematisch großen Nähe mit diesem Projekt in einem engen Austausch stehen. Zu den anderen Projekten dagegen hatte ich wenige Kenntnisse. Deutlich geworden ist, dass die psychologisch orientierte Lehr-Lernforschung dominiert: Kompetenzmodelle und dazugehörige Instrumente, Kompetenzen zu erfassen (bei Lehrenden – hier – wie auch bei Tutoren – hier), spielen eine zentrale Rolle in zwei Projekten. Forschung zur Wirkungsweise von Beratungen auf der Basis von Evaluationen – hier – lassen sich ebenfalls gut in diesen thematischen Rahmen einordnen, d.h. auch hier liegt eine lernpsychologische Herangehensweise vor. Mit dem Einsatz digitaler Medien als Interventions- und Forschungsinstrument experimentiert ein Projekt zur studentischen Selbstregulation – hier.

Am zweiten Tag präsentierte das Oldenburger Team der Koordinierungsstelle Ergebnisse aus eigenen Erhebungen zu den QPL- wie auch Begleitforschungsprojekten. Hier ist mir nochmal klar geworden, dass eine solche Metasicht und die damit verbundenen Versuche wichtig sind, nicht nur die Erkenntnisse einzelner Forschungsprojekte zu beachten, sondern diese auch in ihrer – im besten Fall – bestehenden Komplementarität, vielleicht auch Überschneidung oder Widersprüchlichkeit, in den Blick zu nehmen.

Im Anschluss an die Befunde der Koordinierungsstelle hat Heribert Nacken zunächst seine Beobachtungen und Eindrücke aus der Veranstaltung in einer Reihe von Fragen und Thesen zusammengefasst und die Teilnehmer der Veranstaltung mit einem Clicker System „abstimmen“ lassen (z.B. über meine Aussage, dass es genau genommen keine „Theorie“ zum forschenden Lernen gibt, sondern allenfalls Ordnungsvorschläge). Das hat mir gut gefallen, weil es einen Einblick in die Rezeption der Inhalte bei den Zuhörern ermöglicht hat. Schade, dass wir dann über die Ergebnisse so rasch hinweg gegangen sind, denn das wären Anlässe für eine vielleicht ertragreiche Diskussion gewesen. Allerdings hatte Heribert Nacken ja auch noch einen eigenen Vortrag dabei. Und der beschäftigte sich damit, wie man – am Beispiel der RWTH Aachen – „einen Tanker steuert“, wenn man die Qualität der Lehre verbessern will: Anschaulich hat Nacken die aus seiner Sicht erfolgreiche Strategie der RWTH Aachen als eine gelungene Balance aus preußischer Strenge und rheinischer Gelassenheit am Beispiel Blended Learning beschrieben. Hier lautet die Devise: 50+X Prozent Blended Learning als Vorgabe seitens der Unileitung (das ist sozusagen der preußische Part) und Freigabe der Art und Weise, wie man Blended Learning umsetzt (das wäre dann gewissermaßen der rheinische Part). Das klang aus Nackens Mund alles sehr plausibel; dem einen oder anderen in der Zuhörerschaft war es aber ganz offensichtlich auch ein wenig zu „technisch-pragmatisch“.

Der letzte Vortrag von Ada Pellert hat denn auch wieder den Fokus auf die zahlreichen offenen Fragen gelegt, mit denen speziell Reformmaßnahmen in der Lehre zu kämpfen haben. Interessant waren hier Ada Pellerts Erfahrungen aus verschiedensten Reformprojekten. Anhand dieser machte sie deutlich, dass und warum Veränderungen in Experten-Organisationen wie Hochschulen mit ihren Autonomie-bewussten Akteuren mintunter so schwerfällig bis unmöglich sind.

Im letzten Part der Veranstaltung, so meine Einschätzung, ging die Rolle der Forschung für Veränderungen und Verbesserungen der Hochschullehre etwas unter. Es scheint nach wie vor schwierig, jenseits der Evidenzbasierung die Forschung und die Praxis der Hochschuldidaktik zusammenzubringen. Umso wichtiger erscheinen mir denn auch die Begleitforschungsprojekte zum QPL zusammen mit Veranstaltungen dieser Art.

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