Der Behaviorismus ist zurück – im neuen Gewand der sogenannten Learning Outcomes, die uns seit Beginn des Bologna Prozesses die Modernisierung der verstaubten Hochschulbildung anpreisen. Geschickt verpackt mit dem Ruf nach Kompetenzorientierung und im Einklang mit dem Prinzip des Constructive Alignment haben uns die Learning Outcomes, und mit ihnen die auf neu getrimmten alten Lehrzieltaxonomien, an den Universitäten fest im Griff. Das ist nicht unwidersprochen geblieben:
Kritik und Unbehagen wurden und werden mit guten Argumenten immer wieder geäußert – bewirkt hat es bisher wenig. Jetzt aber ist es empirisch erwiesen: Mari Murtonen, Hans Gruber und Erno Lethinen weisen einen unkritischen Umgang mit dem Konzept der Learning Outcomes nach. In ihrem Text mit dem Titel „The return of behaviourist epistemology: A review of learning outcome studies“ zeigen die Autoren anhand der Analyse von 90 wissenschaftlichen Artikeln, dass in der gegenwärtigen wissenschaftlichen Literatur nach wie vor eine behavioristische Tradition vorhanden ist – direkt oder indirekt; und nur ein kleiner Prozentsatz der analysierten Artikel lässt hier eine kritische Distanz erkennen.
Nun, diesen Verdacht dürften wohl einige schon länger haben – vermutlich parallel zur wachsenden Verbreitung der Learning Outcomes als vermeintlicher Garant für eine Kompetenzorientierung im Studium, die sich nach außen modern gibt, nach innen aber nicht selten das Gegenteil bewirkt. Mir fällt da unter anderem der „Qualifikationsrahmen für Deutsche Hochschulabschlüsse“ ein, über den ich mich vor etlichen Jahren hier schon mal kritisch geäußert habe. Leider haben Murtonen, Gruber und Lethinen nur wissenschaftliche Artikel analysiert und keine hochschulpolitischen Programmschriften und Handreichungen. Schade, sie hätten ihr Freude daran gehabt. Zumindest wäre der Prozentsatz unkritisch übernommener Ziele und Einstellungen aus dem Reich des Behaviorismus wohl noch deutlich höher ausgefallen. Jedenfalls bin ich den Autoren wirklich dankbar (ganz besonders Hans Gruber, dessen Arbeiten ich verfolge, seit sich unsere Wege nach einer kurzen gemeinsamen Zeit an der LMU München getrennt haben), denn: Solche empirischen Nachweise sind wichtig – noch dazu veröffentlicht in renommierten Zeitschriften mit Peer Review und Impact Factor. Sie ins Feld führen zu können, wenn man den Segen der Learning Outcomes doch mal wieder in Frage stellen will, könnte helfen in Zeiten, in denen die empirische Evidenz dem guten Argument meist haushoch überlegen ist – hier lässt es sich zumindest wunderbar verbinden.
Danke für den Tipp – super!
Sandra
Hier ein kleiner Hinweis zur behavioristischen Grundierung der ach! so modernen LearningApps:
https://axelkrommer.com/2013/09/17/von-skinners-teaching-machines-1954-zu-den-learning-apps/