… ist ein Studientext zum Didaktischen Design, in etwa analog zum Studientext Wissensmanagement und zwar für den April 2010. Seit einigen Wochen versuche ich, mir dazu immer wieder größere Zeitblöcke freizuschaufeln, denn solche längeren Texte verfasst man ja nicht mal so nebenbei (Umfang: ca. 150 Seiten). Aus diesem Grund wird im Moment mein Blog auch nicht ganz so umfangreich bestückt – ab und zu muss man halt Prioritäten setzen. Anbei schon mal das Einstiegskapitel mit Inhaltsübersicht. Wie den Studientext Wissensmanagement werde ich auch den zum Didaktischen Design öffentlich zugänglich machen.
Wo viel Rauch ist, wird wohl auch viel Feuer sein
Vor ca. drei Monaten hat Werner Sesink im Rahmen der Vortragsreihe des Forums offene Wissenschaft an der Universität Bielefeld einen Vortrag gehalten mit dem Titel „Wissenschaft für die Gesellschaft? Exzellenzinitiativen, Elitehochschulen, Rankings: Wie verändern sie den Wissenschaftsbetrieb?“ Ich habe die Schriftfassung bekommen und auf meine Bitte hin hat Werner Sesink nun hier den Text online zugänglich gemacht (inklusive Präsentation, nämlich hier). In seinem Vortrag greift er die Rhetorik des Leistungssports auf, mit der man die Hochschulen nun schon seit längerem heimsucht (schneller, höher, weiter), und versucht nachzuweisen, dass es sich dabei keineswegs nur mehr um Metaphorik, sondern um die Schaffung einer neuen Wirklichkeit handelt, die mit dem ökonomischen Konkurrenzprinzip unserer Gesellschaft konform geht. Zudem setzt er sich mit der Frage der gesellschaftlichen Legitimation von Wissenschaft auseinander und zieht doch in Zweifel, ob das an vielen Orten zu beobachtende Marketing-Gehabe (auch hier könnte man meinen, dass Fanclubs diverser Fußballvereine Pate gestanden haben) hierzu ein universitätsangemessener Weg ist. Gesellschaftliche Legitimation und Verantwortung sehen für Werner Sesink anders aus und laufen in hohem Maße über die Lehre – die man nun allerdings ebenfalls nur via Wettbewerbe ankurbeln will (in der Annahme, dass auch hier Rankings einen öffentlichkeitswirksamen Legitimationseffekt erzielen) .
Jedem, der sich (gewollt oder ungewollt) mit der Ökonomisierung unserer Hochschul- bzw. Bildungslandschaft auseinandersetzt, kann ich den Text nur empfehlen. Anschaulich stellt er die Schwierigkeit der Quantifizierung wissenschaftlicher Leistungen dar, die nun einmal in ihrer Komplexität nicht so leicht zu erfassen sind, wie die „Güte“ eines Schnellaufs, die sich per definitionem eben an der Geschwindigkeit tatsächlich messen lässt. (Die Verselbständigung der Messmetapher – das nur als Nebenbemerkung – ist allerdings auch innerhalb des Wissenschafts- bzw. Forschungsbetriebs in unseren Fächern eines der Hauptprobleme .) Die Analogie zum Sport lässt sich noch ausbauen, wenn man das Doping dazu nimmt – wofür Sesink ein weitere Bild bringt, das zum Abschluss nochmal das Leseinteresse anstoßen soll. Das Bild bezieht sich auf die mitunter absurde Situation, die eintritt, wenn sich eine Universität, eine Fakultät oder ein Studiengang um einen „Bundesliga-Platz“ bemüht:
„Wo Rauch ist, so heißt es, muss auch Feuer sein! Und wo viel Rauch ist, wird wohl auch viel Feuer sein. Aber der Indikator ist nur solange als Spur von etwas zu lesen, als er nicht absichtlich erzeugt wird; denn dann zeugt er nur noch von der Absicht, eine Spur zu legen. Wenn ich weiß, dass da hinter den Bergen irgendwo die Ranking-Spezialisten Ausschau halten nach den Rauchzeichen, die ihnen anzeigen, dass das für sie unsichtbare Feuer der Forschung brennt, und wenn ich weiß, dass es für die Rauchzeichen Geld oder Stellen oder sonstwas gibt, das angeblich das Feuer der Forschung weiter schüren soll, dann werde ich – in Entbehrung des Feuers – schon meine Mittel und Wege finden, um ordentlich Rauchzeichen zu erzeugen und die Mittel in meine Rauchzeichen- Erzeugungseinrichtung zu lenken – um so weiterhin den Ranking-Spezialisten zu bestätigen, dass die Mittel an die richtige Adresse gelangt sind. Feuer wurde zwar keins entfacht; aber eine Inflation an Rauchzeichen.“
Freiheitsbeschneidend und zeitmangelgesteuert
„Vor jeder Hochschulreform und damit vor jeder Studienreform liegt ein reformbedürftiges wissenschaftliches Selbstverständnis, das den Keim zu den Fehlern bereits enthielt und enthält, welche die heutigen Studierenden und der heutige akademische Nachwuchs ausbaden müssen. Und über sie letztlich die gesamte Gesellschaft, wir alle.“ – so schreibt Peter Finke, ehemals Professor für Wissenschaftstheorie an der Universität Bielefeld (und 2006 aus Protest gegen die unzumutbaren Folgen der Bologna-Reform freiwillig vor der Pensionsgrenze aus dem regulären Dienst ausgeschieden), in der Zeitschrift Forschung und Lehre. Der Artikel ist auch online (nämlich hier) zu lesen und ich finde das lohnt sich!
Ausgangspunkt von Finkes Argumentation ist die Beobachtung, dass Wissenschaftler vorzugsweise in Eintracht mit jeweils vorherrschenden Paradigmen denken und handeln und damit politischen Prozessen implizit das Wort reden. Paradigmen werden, so Finke, zu einer Art Glaubensgemeinschaft; er schreibt: „Wissenssoziologische Untersuchungen zeigen, dass sehr viele, vielleicht die meisten Wissenschaftler der Überzeugung sind, dass Wissenschaft nur so funktionieren kann: als Glaubensgemeinschaft auf Zeit. … Die Tatsache, dass eine beständige Suche nach der Wahrheit zwar anstrengend, aber durchaus möglich und jener Glaube nur ein Glaube an Hypothesenzusammenhänge ist und keineswegs ein hinreichendes Wahrheitsindiz, wird durch die beruhigende Geborgenheit in der Gemeinde, die Überzeugung, wahrscheinlich der richtigen Glaubensgemeinschaft anzugehören und deren Schüler fördern zu dürfen, ersetzt, übertönt, fast unmerklich relativiert.“ Die Belohnungen würden ja auch reichlich sein: einflussreiche Lehrstühle, hohe Mitarbeiterzahlen, häufiges Zitiertwerden und anderen Insignien der paradigmatischen Macht. Und genau dies habe nichts mit der eigentlichen Idee von Wissenschaft nichts zu tun, sei aber Ausdruck ihrer heutigen Organisationsform und passe letztlich in die „freiheitsbeschneidenden und zeitmangelgesteuerten Universitäten des Bologna-Typs, die Wirtschafts- und Arbeitsmarktnähe suchen müssen“.
Ich kann Finkes Verdacht, dass die Bologna-Reform in ihrer aktuellen Umsetzung nicht nur bildungsfeindlich ist, sondern es sein soll, gut nachvollziehen. Neben einem Überblick über ein Fach und deren Erkenntnisse auch Kritikfähigkeit, Zusammenhangswissen und methodisches Können zum eigenen wissenschaftlichen Denken und Handeln zu entwickeln, ist ökonomisch gesehen (wenn es um Bildungsangebote für viele geht) nicht nur ineffizient, sondern oft gefährlich, denn – so Finke, „es erzeugt die Wissbegier nach dem Blick hinter die Kulissen“. Wenn man es als Lehrender doch versucht, dann wirkt es wie ein Fremdkörper, dann irritiert das die Studierenden, die schon darauf konditioniert sind, das zu wollen, was bildungspolitisch und arbeitsmarktpolitisch vorgebetet wird … dann verlangen die Studierenden die Rückkehr zur Vorgabe prüfungs- und vor allem auch praxisrelevanter Inhalte in leicht erlernbarer Form (eine Art „Convenience objects“) – dazu aber ein demnächst mehr.
Immerhin klingt der letzte Abschnitt von Finkes Beitrag zumindest ein wenig tröstlich: „Das Wissenschaftsproblem vertieft und erschwert eine gute Lösung des Studienproblems, aber es macht sie nicht unmöglich. Im Gegenteil: Wenn wir uns der Tatsache bewusst werden, dass es zuvörderst gilt, unser verkorkstes Wissenschaftsverständnis wieder aus dem Machtraum in den Wahrheitsraum zu stellen, alles daran zu setzen, die Wissenschaft wieder aus der ´Machenschaft´ (Hans-Peter Dürr) herauszupräparieren, die wir aus ihr gemacht haben, dann bereiten wir eine tragfähigere Basis für die darauf fußende Bildung und Ausbildung vor.“ Also, ich finde, da hat er wirklich Recht!
Blogger und die Liebe zur Autonomie
Blogs sind etwas für Menschen, die die Autonomie lieben – so meine These und meine ganz persönliche Erfahrung. Wenn das stimmen sollte (und für mich stimmt es), folgt daraus, dass kollektivistische Formen des Arbeitens und Lernens eher ans andere Ende der Präferenzskala rutschen – so auch eine kollektive Rezension. Die kann, so meine ich, allenfalls als eine Art Brainstorming fungieren und in dieser Funktion höchst hilfreich sein. Zu einer kohärenten Argumentation führt das sicher nicht. Warum ich das schreibe? Weil ich mir gerade Gedanken zu Rolf Schulmeisters „Replik“ auf den Web-Wirbel um seinen Aufsatz zur Kommentarkultur in Blogs geschrieben und ganz ohne Blog online zugänglich gemacht hat, nämlich hier. In diesem Replik stellt Rolf vier Fragen:
Frage 1: Hat das Rezensentenkollektiv genauer gelesen als der Einzelne?
Meine Antwort: Genauer nicht, aber jeder anders und das ergibt eine neue Form der „Genauigkeit“. Anders gelesen hat jeder in Abhängigkeit von seiner emotionalen Befindlichkeit (stolz, beleidigt, verletzt, gleichgültig etc.), seiner Erfahrung und seinem Vorwissen (neuer Blogger, alter Hase im Bloggen, Experte für Blog-Literatur etc.).
Frage 2: Demonstriert das Rezensentenkollektiv eine rationale Textkritik?
Meine Antwort: Sicher nicht – wieso auch? Seit wann erhöht ein Kollektiv die Rationalität? Ist es nicht eher so, dass Gruppendynamik (wie man sich auch in Kirchen oder politischen Parteien kennt) zu irrationalen Prozessen verführt? War das nicht schon immer so?
Frage 3: Führt eine kollektive Rezension zur Vermeidung von Fehlern und irrelevanten Abweichungen?
Meine Antwort: Sagen wir es mal so – es kann dazu führen, dass Fehler aufgedeckt, dass Aussagen relativiert und Abweichungen „eingefangen“ werden. Im Ergebnis aber werden eher einzelne Ansichten nebeneinander gereiht als zu einem neuen Ganzen verschmolzen, weil letzteres aufgrund gegenteiliger Einschätzungen gar nicht geht: Wenn einer sagt, man hätte einen Blogger fragen müsse, ob man ihn analysieren darf, und ich entgegne, dass das der Logik eines öffentlichen Blogs widerspricht, dann kann man das nur nebeneinander stehen lassen – also zwei Meinungen.
Frage 4: Führt die kollektive Überarbeitung zu einer stringenten und fokussierten Argumentation?
Meine Antwort und beginnt mit einer Frage: Ist die kollektive Überarbeitung der kollektiven Rezension gemeint? Wenn ja, dann ist das eher keine „Überarbeitung“, sondern eine Fortsetzung. Eine Überarbeitung wäre es für mich, wenn sich eine Einzelperson oder eine kleine überschaubare Gruppe die Mühe machen würde, die Brainstorming-Ergebnisse zu einem Ganzen zusammenführen. Das Resultat würde dann aber garantiert nicht mehr jedem am Brainstorming-Beteiligten gerecht werden und/oder in den Kram passen.
Hat man als Blogger Lust auf eine kollektive Rezension? Also ich eher nicht: Ich bin neugierig auf die Meinung der anderen, finde darin neue Gedanken, die mir eher nicht durch den Kopf gingen und mir etwas Neues aufzeigen, treffe auf Meinungen, die ich nicht nachvollziehen kann, die mir aber helfen, den eigenen Standpunkt zu schärfen etc. Es ist also eher ein kollektives lautes Denken, keine kollektive Argumentation – letzteres habe ich ehrlich gesagt noch nicht erlebt. Denken will ich selber, aber die Ergebnisse teile ich gerne mit anderen.
Das Salz in der Suppe
Als ich die Festschrift für Stefan Aufenanger in der Hand hielt (Info hier), war der Text, von dem ich schon ahnte, dass er eine kontroverse Diskussion auslösen wird, noch nicht online. Es geht um Rolf Schulmeisters Artikel „Ansichten zur Kommentarkultur in Weblogs“ (Preprint hier). Jetzt, da nun das Preprint online ist (und es hat sich dank Twitter – auch auch ohne – wie ein Lauffeuer verbreitet), ist die Kommentarkultur in vollem Gange: Michael Kerres, Joachim Wedekind und Jochen Robes haben rasch reagiert; Sandra war noch schneller und hat ein etherpad-Dokument aufgesetzt (hier), das von vielen „beforschte Bloggern“ bereitwillig zur Kommentierung der mangelnden Kommentarkultur in Weblogs aufgegriffen wurde. Ich kommentiere jetzt die Kommentare zur Kommentarkultur nicht, empfehle einfach nur die Lektüre des Textes und der Kommentare. Als Autor jedenfalls kann man sich nur freuen, wenn das Geschrieben solche Aufmerksamkeit auf sich zieht – ist das doch bei wissenschaftlichen Beiträgen durchaus nicht an der Tagesordnung! Und kontroverse Thesen sind doch einfach das Salz in der Suppe – auch im Wissenschaftsbetrieb!
Nachtrag: Auch Christian Spannagel hat nun speziell die ihn betreffenden Passagen im Text zur Kommentarkultur ausführlicher kommentiert (hier). Nachtrag 2: Und jetzt noch Frank (hier).
Ein Fest der Schriften
2010 – ein Jahr der Festschriften, könnte man fast schon sagen. Anlässlich des 65. Geburstages von Renate Schulz-Zander hat Birgit Eickelmann einen Band mit dem Titel „Bildung und Schule auf dem Weg in die Wissensgesellschaft“ beim Waxmann Verlag herausgegeben. Auch hier war es daher nicht möglich, den Beitrag von Sandra Hofhues und mir als Preprint vorher (und man sieht am Datum, dass das schon etwas läger her ist) zugänglich zu machen. Daher also auch das wieder „nachträglich“.
Beitrag_Festschrift_Schulz_Zander_26_04_09
Die Autoren kommen aus verschiedenen Disziplinen und stellen sich der Aufgabe (so der Klappentext), die Veränderungen der Bildung auf dem Weg in die Wissensgesellschaft zu reflektieren. Diese Mischung macht den Band auch interessant. Es finden sich darin sowohl theoretisch als auch empirisch ausgerichtete Artikel.
Für uns war die Mitarbeit eine gute Gelgenheit, endlich auch einmal einige unserer Ergebnisse und Erfahrungen aus dem Projekt business@school über den Abschlussbericht hinaus zu dokumentieren (ich habe hier mal kurz und eher nebenbei darüber berichtet).
Ein guter Tag für exzellente Standorte
Es bleibt wohl erst mal dabei: Empirische Bildungsforschung, das ist vor allem PISA – und deswegen gibt es jetzt auch einen „PISA-Verbund“ zwischen der Technischen Universität München (TUM), dem Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt am Main und dem Institut für Pädagogik der Naturwissenschaften (IPN) in Kiel. Drei „exzellente Standorte“, wie unter Ministern betont wird, mit denen man die „Exzellenz der deutschen Bildungsforschung“ weiter ausbauen will – so der Wortlaut der dazugehörigen Pressemeldung (hier). Large Scale Assessments und Studien zum Erreichen nationaler Bildungsstandards stehen dabei klar im Vordergrund. In der Öffentlichkeit und wohl auch in vielen Bereichen der wissenschaftlichen Community ist damit längst entschieden, was empirische Bildungsforschung heißt und was nicht: Es heißt „große Studien“, es heißt „Vergleich“, es heißt Kompetenzmessung bezogen auf Ziele, die als Standards politisch relevant sind. Da mögen Diskussionen über die empirische Bildungsforschung in kleinen Workshops, Forschungswerkstätten und in EduCamps (siehe z.B. hier) von hoher Qualität sein, sie mögen methodische und erkenntnistheoretische Argumente zusammentragen, sie mögen den wissenschaftlichen Nachwuchs zum Nachdenken anregen etc.; außerhalb derer, die sich dafür interessieren, wird das aber wohl kaum wahrgenommen oder irgendwie handlungswirksam werden.
„Heute ist ein guter Tag für die Bildungsforschung“, so die Bildungsministerin anlässlich der neuen Allianz und des neuen Geldsegens. Und natürlich ist es gut, wenn zusätzliche Mittel in die Bildungsforschung fließen und Vergleichsstudien sind ohne Zweifele EINE wichtige Säule in der Forschungslandschaft. Warum aber macht man nicht viel deutlicher, wozu diese Forschung taugt und wozu nicht? Was sie leisten kann und was sie außen vor lassen muss? Warum die Exzellenz-Rhetorik für eine Forschungsrichtung, die ohnehin die Vormachtstellung längst erlangt hat? Nun, vielleicht sollte man sich angesichts der Milliarden für andere Projekte wegen 2,6 Millionen, die zusätzlich in den „PISA-Verbund“ fließen, nicht groß aufregen …
Heiligenbilder mit Argumenten verwechseln
Joachim Wedekind hat in seinem Blog (hier) auf ein interessantes Buch zum Einfluss von PowerPoint auf unsere Denk- und Sprechgewohnheiten aufmerksam gemacht, das ich mir gleich mal bestellt habe. Das Thema ist nicht neu, aber das zugrundeliegende Problem nach wie vor ungelöst: Wie nutzt man eine Software-Anwendung wie PowerPoint so, dass es dem, was man sage will, dient und nicht umgekehrt? Ein guter Tipp ist hier auch der Link zu einem SZ-Artikel in einem Kommentar zum Blog-Post (hier). Dem Autor des Beitrags, Thomas Steinfeld, ist vor allem der Unterschied zwischen einem Vortrag und einer Präsentation wichtig: „Es ist offenbar selbstverständlich geworden, der Rede nicht zu vertrauen, so sehr, dass deren Eigenarten gar nicht mehr bedacht werden, unter der Voraussetzung, auch sie sei eine ´Präsentation´. Wenn nämlich beides – der allein in Worten gestaltete und der von Bildern und Schrift ´unterstützte´ Vortrag – als ´Präsentation´ betrachtet wird, gewinnt das Zeigen und Werben, das Anpreisen durch ´Visualisierung´, einen entscheidenden Vorrang gegenüber dem Wort, das dann nur als Mittel behandelt wird. Oder anders gesagt: Wer eine Rede für eine Präsentation hält, stiehlt sich aus der Gegenwart seines Vortrags davon, indem dieser nur auf etwas außerhalb Befindliches verweist. Er wäre auch fähig, Verkehrsschilder, Piktogramme oder Heiligenbilder (denn um mehr geht es ja, streng genommen, bei Powerpoint-Präsentation nicht) mit Argumenten zu verwechseln.“
Nun, es gibt sicher eine ganze Reihe von Ausnahmen, bei denen ein gut gemachtes Bild, vor allem auch eine (logische) Grafik, das Mitdenken beim Zuhören unterstützt. Gute Erfahrungen habe ich auch damit, wenn man komplexe Zusammenhänge visualisiert und genau dies schrittweise aufbaut, was aber eine ganz genaue Abstimmung zwischen Wort und Bildaufbau verlangt. Öfter aber trifft man auch an Universitäten (nicht nur in Unternehmen) auf das Phänomen des „Folien-Besprechens“ – und hierzu halte ich Steinfelds Diagnose für sehr gelungen.
Das blinde Vertrauen auf die Folie gar als Lektüre-Grundlage für Studierende war einer meiner Gründe für den Versuch einer Art „Podcast-Text-Wiki-Tutorium“-Vorlesung ;-), über die ich hier schon mehrfach berichtet habe (z.B. hier). Am 10. März werde ich auf dem „2. Symposium E-Learning an Hochschulen. Sind die Lehrjahre vorbei?“ an der TU Dresden (hier das Programm) unsere Evaluationsergebnisse und dann natürlich auch eine Zusammenfassung hier online verfügbar machen. Eines meiner Ziele war es, Studierende dazu zu motivieren, sich mit einer deswegen auch stark reduzierten TEXTauswahl zu beschäftigen, sie darin durch Podcasts zu unterstützen und mit einem Wiki zu aktivieren – anstatt Folien zu „lesen“ und auswendig zu lernen. Ob und wie es gelungen ist, einen Sieg über die PowerPont-Kultur davonzutragen, verrate ich im März.
Reich beschenkt …
wurde Stefan Aufenanger zu seinem 60. Geburtstag – nämlich mit einer Vielzahl von Texten (die er jetzt alle lesen muss?) in einem ihm gewidmeten Buch mit dem Titel „Fokus Medienpädagogik. Aktuelle Forschungs- und Handlungsfelder“, herausgegeben von P. Bauer, H. Hoffmann & K. Mayrberger im kopaed Verlag. Zusammen mit zwei Co-Autoren habe ich mich auch an diesem Band mit einem Bericht über unser Projekt Tech Pi und Mali Bu beteiligt (hier ein Überblick über den Inhalt). Das Preprint hatte ich noch versteckt gehalten – man kann ja kein Geburtstagsgeschenk ausplaudern. Von daher kommt es halt jetzt nachträglich.
Preprint_Festschrift_Aufenanger_August_09
Die Blogger unter den Lesern wird vor allem der Beitrag von Rolf Schulmeister (unter Beteiligung von Roland Leikauf und Mathias Bliemeister) interessieren, der die Ergebnisse einer Dokumentenanalyse ausgewählter Blogs mit ziemlich weitreichenden Interpretationen bietet („Ansichten zur Kommentarkultur in Weblogs“) . Hoffen wir, dass man den Beitrag vielleicht bald auch online zu lesen bekommt.
Begrenzter Überraschungswert
Jeder, der sich mit der Gestaltung von Lernumgebungen beschäftigt, trifft unweigerlich auf die von Terhart bereits 2002 als „fremde Schwestern“ bezeichnete Allgemeine Didaktik und Lehr-Lernforschung und ihre schwierige Beziehung (nachzulesen in der Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 16, 77-86). Nun widmet sich diesem Beziehungsdrama zwischen zwei bildungswissenschaftlichen Disziplinen ein ganzes Buch mit dem Titel „Allgemeine Didaktik und Lehr-Lernforschung. Kontroversen und Entwicklungsperspektiven einer Wissenschaft vom Unterricht“, herausgegeben von K.-H-. Arnold, S. Blömeke, R. Messner und J. Schlömerkemper (Jahr: 2009; Verlag: Klinkhardt). Bereits ein Jahr vorher (2008) hat die Zeitschrift für Erziehungswissenschaft ein Sonderheft (mit der Nr. 9) zu dem Thema herausgebracht (siehe hier). Während dort tendenziell mehr Pädagogische Psychologen zu Wort kommen, vereint das genannte Buch eher pädagogische Stimmen.
Für jemanden, der sich von der Wissenschaft nicht nur die Beschreibung und Erklärung von Lehr-Lern- und Bildungsphänomenen, sondern auch einen direkten oder zumindest indirekten Einfluss der theoretischen und empirischen Erkenntnisse auf die Praxis erhofft, ist diese Unfähigkeit zur Kooperation unbegreiflich. Wer tiefer geht und sich wissenschafts- und erkenntnistheoretische Voraussetzungen der beiden „Lager“ betrachtet, kann freilich die Probleme nachvollziehen, aber die Frage bleibt: Warum werden diese nicht gelöst? Aus welchem Grund setzen sich einzelne Lösungsideen (z.B. Vorschläge von Aebli) nicht oder kaum durch? Wie kann es sein, dass sich stattdessen Gräben vertiefen oder allenfalls mit dem Material des gerade Stärkeren provisorisch zugeschüttet werden?
Hängen geblieben bin ich während der Lektüre des neuen Bandes von Arnold et al. (2009) beim Beitrag von Jörg Schlömerkemper, den es (was für ein Glück!) auch online gibt (hier): Unter dem Titel „Das Allgemeine in der Empirie und das Empirische im Allgemeinen“ formuliert er einen aus meiner Sicht aussichtsreichen Versuch, zumindest einige der Hindernisse zu überwinden, welche die beiden Lager trennen. Eine wichtige Rolle spielt bei ihm der Begriff des Oszillierens. Schlömerkemper postuliert, die philosophisch orientierte Reflexion über die Ziele von Bildung und ihre anthropologischen Bedingungen einerseits und die empirisch orientierte Analyse tatsächlich anzutreffender Prozesse in der Bildung andererseits als Endpunkte eines Spektrums zu sehen, zwischen denen die Wissenschaft oszillieren müsse. Mit anderen Worten: Die allgemeine Reflexion muss sich der empirischen Überprüfung stellen und empirische Befunde müssen bezogen auf Normen/Sollwerte reflektiert werden (Seite 163). Das ist mehr als gegenseitiger Respekt oder Duldung zwischen den „fremden Schwestern“, so der Autor. Das ist eine qualitative Optimierung bildungswissenschaftlicher Forschung – und das sehe ich auch so. Exemplarisch am Verhältnis von Bildung und Kompetenz (zwei Begriffe, die in den letzten Jahren ja häufig ins Feld geführt werden) verdeutlicht er seine Idee einer „hermeneutisch-empirischen Schnittstelle“. Ich finde das ausgesprochen interessant und werde versuchen, das noch besser zu verstehen und mit meinen Überlegungen zu diesem Thema zu verbinden.
Aktuell aber sind wir von solchen Integrationsglücksfällen wohl noch weit entfernt, wenn man das Gros der Allgemeinen Didaktik und Lehr-Lernforschung vor Augen hat. Die gegenseitige Unverständnis bringt Andreas Gruschka im Band von Arnold et al. (2009) aus meiner Sicht gut auf den Punkt, wenn er sagt: „Wenn die Unterrichtsforschung erklärt, dass die Wahrscheinlichkeit erfolgreichen Lernens steigt unter der Voraussetzung, dass der Lehrer fachkompetent und den Schülern zugewandt ist, er klare Aufgaben stellt und die Schüler mit dem Stoff aktiviert umgehen lässt, so kann man es den Didaktikern nicht verdenken, dass sich ihre Überraschung darüber in Grenzen hält“ (S. 98 f.).