Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Ludwik Fleck – Genauso wie die Kunst

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„Wissenschaftstheoretische Probleme“, so lautet der Titel des fünften Aufsatzes von Ludwik Fleck in dem Bändchen „Erfahrung und Tatsache“; er stammt aus dem Jahre 1946 – der erste Text (aus dem Band) also, den Fleck nach dem Zweiten Weltkrieg verfasst hat. Hier verarbeitet Fleck offenbar – übrigens in Dialogform – auch Erlebnisse aus dem Krieg (und deutet sie vor dem Hintergrund seiner Theorie von den Denkkollektiven), worauf die Herausgeber und Übersetzer in der Einleitung (dazu hier) näher eingehen. Ich werde diese Kommentierung knapper gestalten als sonst: Ohne die Erläuterung der Herausgeber sind diese Darstellungen schwierig einzuordnen. In Kürze folgen dann noch die Kommentare zu den letzten beiden Texten – rechtzeitig bis zu unserem Kolloquium (siehe dazu hier). Wer nochmal nachlesen will, welche Passagen mir in den Texten davor besonders aufgefallen sind, kann dies an folgenden Stellen tun: hier, hier, hier und hier.

Neben der schon genannten, in Dialogform umgesetzten, Analyse eigener Erlebnisse im Krieg, anhand derer Fleck offenbar einige frühere Annahmen zum Entstehen von Denkkollektiven bestätigt sah, enthält der Aufsatz ein paar Überlegungen dazu, was Wissenschaften generell auszeichnet – ein Thema, das einen in der Hochschuldidaktik mindestens bei der Frage beschäftigt, wie man Lehren forschungsorientiert gestaltet. Aus Flecks bisherigen Texten geht gewissermaßen der folgende Satz gut nachvollziehbar hervor: „Die Wissenschaften wachsen nicht wie Kristalle durch Apposition, sondern wie lebende Organismen …“ (S. 129).

Im folgenden Satz allerdings bringt er noch einmal einen anderen Aspekt ein: „Über die Wissenschaft kann man nur so sprechen wie wir das Wort ´die Kunst´ verwenden, um das Gemeinsame in den Bestrebungen von Musik, Malerei und Dichtung usw. zu belegen. […] Aber genauso wie die Kunst keine Summe von Musik, Malerei, Poesie usw. ist, genauso setzen sich auch die Wissenschaften nicht zu einer gleichförmigen, einheitlichen Ganzheit zusammen“ (S. 128). Offen bleibt zunächst aber, worin genau dieses Gemeinsame besteht – ein Thema, das mich auch schon öfter (eben im Zusammenhang mit forschendem Lernen) beschäftigt hat. An späterer Stelle im Text kommt Fleck indirekt noch einmal auf das Gemeinsame zurück: „Das einzige Kriterium der Wissenschaften sind die spezifischen Merkmale wissenschaftlichen Erkennens: die historische Einmaligkeit ihrer Entwicklung, die Struktur der entsprechenden Denkkollektive, die Charakteristik des wissenschaftlichen Denkstils“ (S. 145).

Deutlich markiert hatte ich mir schon beim ersten Lesen die folgende Aussage: „Manchmal möchte man nach einer gewissen Zeit seinen früher veröffentlichten Gedanken als unrichtig und nicht lebensfähig zurücknehmen – und man stellt mit Erstaunen fest, daß gerade er sich entwickelt hat und in der wissenschaftlichen Gemeinschaft stark gewachsen ist“ (S. 129). Markiert hatte ich mir das aus ganz persönlichen Gründen – genau das habe ich nämlich auch schon ein paar Mal erlebt. Am stärksten trifft es bei der unsäglichen Gegenüberstellung von „Instruktion“ und „Konstruktion“ beim Lehren und Lernen zu – mehr dazu hier.

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