Ernüchterndes Ergebnis

Joachim Wedekind beklagt in seinem Blog (hier), dass es mit der Nachhaltigkeit von E-Learning-Förderungen im Hochschulbereich nicht weit her ist: Zu viele Anforderungen seien wie Hürden auf der Laufbahn im Stadion aufgestellt, sodass unklar bleibt, wie viel Energie noch da ist, wenn man die ersten drei oder vier Hürden (wie z.B. Bologna und Exzellenzinitiativen) genommen hat. Nun, man könnte natürlich einfach eine Hürde auslassen und daran vorbeilaufen oder man kann sie alle umrennen (womit man sich dann aber disqualifiziert hätte) oder – na ja – ein bisschen Doping vielleicht? Aber im Ernst: Joachims Hinweise sind wichtig und erinnern mich an einen eigenen Beitrag, den ich anlässlich eines doch eher mickrigen E-Learning-Artikels in der Zeitschrift Forschung & Lehre vor einiger Zeit (hier) gepostet hatte.

Schon öfter habe ich mir gedacht, dass wir an dem Phänomen, mit unseren „Lernen mit Medien“-Themen auf der Agenda immer wieder auf die hinteren Plätze rutschen, nicht ganz unschuldig sind. Wir sprechen von den digitalen Technologien, haben aber – natürlich! – die Schul-, Hochschul- oder Weiterbildung im Blick – je nachdem, in welchem Kontext wir uns befinden. Unsere Zuhörerschaft aber hört „Technologie“, nicht Bildung, und schon sind wir wieder im Erklärungsnotstand. Wir sehen digitale Technologie sowohl als Werkzeug als auch als Impulsgeber und „Ermöglicher“ pädagogisch-didaktisch alter wie neuer Ideen. Aber das zu erklären, ist nicht immer so einfach. Je mehr digitale Technologien selbstverständlicher Bestandteil des Informations- und Kommunikationsverhaltens eines Großteils der Bevölkerung werden, umso überflüssiger dürfte es werden, das Lernen und Lehren mit digitalen Medien zu vertreten, weil auch das „normal“ ist, denn Lernen ohne Information und Kommunikation funktioniert nicht. Da sind wir aber noch nicht. Vielmehr stehen sich hier diejenigen gegenüber, für das bereits so ist, und diejenigen, die bei denen genau das nicht der Fall ist. Damit sind Missverständnisse und gegenseitige Verständnislosigkeit zwischen diesen beiden Gruppen vorprogrammiert. Vielleicht ist das das eigentliche Problem für die nach wie vor geringe Breite und Nachhaltigkeit verschiedener E-Learning-Initiativen?

Übrigens: In den Kommentaren von Joachims Beitrag finden sich ein paar interessante Links, wie man z.B. an der Kaplan University versucht, mit kleinen (Marketing-)Filmen (hier und hier) die durch digitale Medien angestoßene „neue“ Lehr-Lernkultur zu verdeutlichen. Das ist ganz nett anzusehen – allerdings bleibt es natürlich an der Oberfläche, denn jeder der ernsthaft Lehre macht – mit Medien verschiedenster Art – weiß, dass der Teufel im Detail steckt.

Mitmach-Akkreditierung

Es ist nicht das erste Mal, dass ich darüber nachdenke, aber wenn – wie aktuell – mal wieder eine Anfrage kommt, sich an der Arbeit von Akkreditierungsagenturen etwa als Gutachter zu beteiligen, dann kreisen meine Gedanken erneut um das Thema. Ich finde es jedenfalls unglaublich, was man da für ein „Monster“ geschaffen hat. Man muss sich das mal vorstellen: Die Akkreditierung von Studiengängen kostet eine große Summe Geld, das die Universitäten aufbringen müssen. Gleichzeitig funktionieren die Akkreditierungsagenturen nur, indem Hochschullehrer sich als Gutachter und Mitarbeitende beteiligen. Dafür bekommen sie ein wenig Geld, ja, aber allem voran investieren sie Zeit, die ihnen an der eigenen Hochschule wieder fehlt. Der Staat zahlt also doppelt: für die Akkreditierung und dafür, dass Hochschullehrer daran mitarbeiten (mit der Folge, dass die entstandenen Bürokratisierung in der Hochschule nochmal kostet). Wie kann man sich das eigentlich erklären? Was sind die „Treiber“ dieser Situation?

Nun, ich habe das Gefühl, dass es da vor allem drei Treiber gibt: Da ist erstens eine Art „Logik des Misstrauens“: Seitens der Politik hat man beobachtet, dass Hochschulen Kolosse sind, dass in vielen Bereichen tatsächlich jahrzehntelang keine Reformen und Änderungen auf den Weg gebracht wurden. Das schmälert das Vertrauen in die Änderungsfähigkeit und -bereitschaft. Also beauftragt man externe Stellen und Personen (ähnlich wie in Hochschulräten), den Wissenschaftlern auf die Finger zu schauen – und zwar gleich mal ganz grundsätzlich – ähnlich einem Mehdornschen Kollektiv-Verdacht. Zweitens scheint es eine Art „Logik des Gütesiegels“ zu geben: Hier spielen sicher internationale Vorbilder eine Rolle – es klingt irgendwie gut und beruhigend „akkreditiert zu sein“. Man denkt vielleicht an den TÜV und an die Stiftung Warentest und wiegt sich dann in der Gewissheit, dass es jetzt „richtig“ ist. Und drittens handelt es sich wohl um eine ganz klare „Logik der Steuerung“: Hochschulen sollen autonom sein, also funktioniert ein direkter Zugriff des Staates auf die Lehre eher nicht besonders gut, obschon es der direkteste Weg wäre. Ein indirekter Weg würde eigentlich unmittelbar über den nationalen Akkreditierungsrat laufen – aber auch das vermeidet man und schaltet lieber Akkreditierungsagenturen dazwischen, die ausführen, was man politisch beschließt: Der längste Weg wird letztlich zum effektivsten Zugriff.

Interessant an der Sache ist, dass man sich „gegen staatlichen Zugriff“ gerne und schnell auch unter den Professoren wehrt. Wenn aber doch so viele Kollegen inzwischen an der Arbeit der Akkreditierungsagenturen so fleißigen mitwirken, dann funktioniert dieses „Ingroup-Outgroup“-Denken nicht mehr. Ja, es ist ja fast wie beim Web 2.0 (dem Mitmach-Web): Wir stehen vor einer „Mitmach-Akkreditierung“, nur dass die Folgen ganz andere sind.

Nun häufen sich ja inzwischen die Klagen von Professoren über Professoren, dass man dem Bologna-Prozess so widerstandslos gefolgt ist, sich nicht gewehrt hat etc. Und nun sei es zu spät. Aber halt: Ist das nicht eine Ausrede? Denn wenn man sich mal überlegt, dass das ganze Akkreditierungssystem nur funktioniert, weil sich Professoren daran als Gutachter u.ä. beteiligen und mitmachen, dann liegt ja eigentlich auf der Hand, dass NICHTS mehr funktionieren würde, wenn sie das NICHT mehr täten. Man würde sich also gar nicht weigern (müssen), den Akkreditierungswahnsinn über sich ergehen zu lassen, sondern nur eben NICHT mitmachen, wenn es darum geht, sich beim Akkreditieren der jeweils anderen zu beteiligen. Also nur mal so als Gedankenspiel …

Wichtig: Ich bin NICHT gegen Bologna in dem Sinne, dass man mit Blick auf Europa schaut, wie man Übergänge und Mobilität verbessern kann. Auch inhaltlich sinnvolle Modularisierungen und ECTS sind an sich NICHT das Problem. Auch gut ist, dass dank Bologna das Thema Lehre überhaupt wieder mehr auf den Tisch kommt. Zudem ist es völlig richtig, dass man sich überlegt, wie man Qualität sicherstellt und entwickelt. Aber mir konnte noch niemand überzeugend erklären, was dieses Akkreditierungssystem sachlich bringen soll! Also bleibe ich erst mal bei meinen Vermutungen, dass Misstrauen, ein fester Glaube an Gütesiegel – und seien sie noch so konstruiert – sowie letztlich Steuerungsmacht die eigentlichen Treiber dahinter sind.

Vom Pre-Print zum Already-Read

Ja, so kann es manchmal gehen: Ein vorschnell ins Netz gestellter als Preprint bezeichneter Artikel kommt erst gar nicht in den offiziellen Druck – wie bei meinem Beitrag „Selbstorganisation auf dem Prüfstand: Das Web 2.0 und seine Grenzen(losigkeit)“. Der Grund: Der Artikel ist zu lang für den Herausgeberband von Ben Bachmair. Ich müsste ihn um ein Drittel kürzen. Wie das gekommen ist? Nun, in den Autoreninformationen war zunächst die Rede von 5000 Wörtern (und da befinde ich mich zumindest in etwa). Dass in einer zweiten Info dann plötzlich Zeichenangaben standen, die wesentlich niedriger ausfielen, ist mir durch die Lappen gegangen. Und nun fehlt mir zum einen die Zeit für eine solche gravierende Kürzung (ich müsste die gesamte Argumentationsstruktur ändern, denn man kann ja nicht einfach einen Teil quasi „abschneiden“).  Zum anderen ist der Text bereits ziemlich verdichtet und (im Vergleich zum Vortrag im Juni 08 in Salzburg) auch erweitert. Mit anderen Worten: Ich will den Beitrag auch nicht kürzen, weshalb ich ihn zurückgezogen habe.

Na ja, vielleicht wird er ja trotzdem gelesen, denn erfahrunsgemäß sind die online verfügbaren Artikel in der offiziellen Bewertung eines Wissenschaftlers zwar quasi wertlos (allein die Bezeichnung „graue Literatur“ sagt ja schon alles ;-)), werden aber viel gelesen. Nun ist der Beitrag also kein „pre-print“ mehr (ich habe das Dokument bereits umbenannt – hier), aber vielleicht schon ein „alreday-read“. Auch gut …

Unsichere Elite

Die prekäre Lage von Nachwuchswissenschaftlern wird immer wieder mal beklagt – leider ohne, dass sich deswegen bisher etwas geändert hätte. Trotzdem sind Meldungen wie diese über die unerträgliche Unsicherheit, die den wissenschaftlichen Nachwuchs begleitet, wichtig, aber eben nicht genug. Ist das Phänomen neu? Na ja, so neu eher nicht, würde ich sagen: Nach meinem Diplom in Psychologie (1990) war ich stets nur auf halben Stellen beschäftigt – mitunter hatte ich Halb-Jahres-Verträge, zwischendurch mal ein Stipendium, dann kam mein Sohn auf die Welt und das Sicht-Entlanhangeln auf unsicheren Posten ging weiter (bis ich 34, also Gott sei Dank noch nicht 40  war). Mir war damals schon bewusst, dass dies nicht ein schlechtes Management meines Vorgesetzten, damals Prof. Mandl, war, sondern eine Folge der Tatsache, dass sich Universitäten immer mehr über letztlich unsichere Drittmittel finanzieren müssen. Heute kann ich noch mehr nachfühlen, dass es auch für Herrn Mandl sicher nicht leicht war, einigen seiner Mitarbeiter/innen diese Unsicherheit zuzumuten: Denn es ist weniger das Streben nach Reputation, das einen auf die Jadg nach Drittmitteln schickt, sondern eher das Bemühen, fähige Leute zu fördern – Beeren sammeln für den Nachwuchs sozusagen. Das Schlimme ist, dass man dabei manchmal Wege geht, die man eigentlich nie gehen wollte, also sich mit Themen beschäftigt, die man nicht so sonderlich wichtig findet, sie aber nicht ignorieren kann, wenn man Drittmittel braucht – nämlich für den wissenschaftlichen Nachwuchs.

Dass man den wissenschaftlichen Nachwuchs dabei ausnutzt – das ist eine Feststellung in der oben genannten Meldung, die man so pauschal sicher nicht machen kann. Das dürfte wohl doch stark von den jeweiligen Professoren abhängig sein. Sicher wird es einige geben, die z.B. den erhöhten Druck infolge von Bologna direkt an den wissenschaftlichen Mittelbau weiterleiten, aber diesem Reflex verfallen sicher nicht alle (ich hoffe, ich nicht).

Danke an Nina, die mich auf die Pressmitteilung aufmerksam gemacht hat. Alex hat das gleich ergänzt durch ein paar Links zu früheren Blog-Einträgen (nämlich hier, hier und hier), in denen das Thema bei uns bereits diskutiert wurde.

Zweifel an Begriffen und der Versuch, einen Haufen Fragen zu beantworten

Ich bin in Zürich: Eingeladen hat mich Heinz Moser, der an der Pädagogischen Hochschule den Fachbereich „Unterrichtsprozesse und Medienpädagogik leitet“. Heute Abend habe ich einen Vortrag mal wieder zum Persönlichen Wissensmanagement gehalten. Das war explizit so gewünscht und folglich habe ich eine Art „Remix“ aus zwei verschiedenen Vorträgen erstellt (aus Vorträgen, die ich im April 2008 an der Auto-Uni in Ingolstadt und im Oktober 2008 beim Wissensmanagement-Kreis in Karlsruhe gehalten habe). Wer die beiden Vorträge kennt, wird sich vielleicht ein bisschen langweilen; eventuell sind dann nur Anfang und Ende interessant, denn da thematisiere ich mein inzwischen wachsendes Unbehagen mit dem Begriff des persönlichen Wissensmanagements ein wenig. Hier das Vortragsmanuskript: vortrag_zuerich_februar09

Morgen geht es dann weiter. Ich bin gebeten worden, auf einem Workshop der Mitarbeiter der Abteilung „Input“ zum problemorientierten Lernen zu liefern. Oh je, noch ein Vortrag? Nein wollte ich eher nicht. Daher habe ich mich mit Herrn Moser auf sieben Fragen geeinigt, die ich heute erst einmal an die Workshop-Teilnehmer stelle, um deren Vorwissen und Meinungen zumindest kurz zu erfahren, um dann meine Antworten zu bringen, wie ich sie vorbereitet habe. Es handelt sich um folgende Fragen:

  1. In welchem Verhältnis stehen Wissen und Erfahrung beim Lernen?
  2. Welche Gewichtung kommt der Kognition, der Motivation und Emotion sowie der sozialen Interaktion beim Lernen zu?
  3. Was bedeutet das für die Gestaltung problemorientierter Lernumgebungen?
  4. Welchen Stellenwert hat in problemorientierten Lernumgebungen eine „Wissensbasis“?
  5. Wie kann man diese Wissensbasis gestalten?
  6. Welche Bedeutung hat bei all dem das mediengestützte Lernen?
  7. Welche Balancen muss man bei der Gestaltung problemorientierter Lernumgebungen erreichen?

Ja, das war gar nicht so leicht, darauf Antworten zu geben. Ich habe mein bestes versucht, man kann es hier nachlesen: fragen_zuerich_feb09

Hast du gewonnen?

„Hast du gewonnen?“, fragte mich mein damals sieben Jahre alter Sohn als ich 2001 von meinem Bewerbungsvortrag an der Universität Augsburg nach Hause kam. „Keine Ahnung …“ – wie ein Sieger habe ich mich jedenfalls nicht gefühlt – wer tut das schon nach diesem Prozedere? Und lange bleibt man dann im Ungewissen, wer auf dem Treppchen steht. Das lief auf der diesjährigen Learntec denn doch eindeutiger ab: Da haben wir tatsächlich was gewonnen, nämlich den Deutschen E-Learning-Innovations- und Nachwuchs-Award (D-ELINA) 2009. Den Preis gab es für unser „Begleitstudium Problemlösekompetenz„. Die Auszeichnung wird vom Deutschen Netzwerk für E-Learning-Akteure (D-ELAN) vergeben. Es werden – wie es heißt – erfolgreiche und innovative Projekte, die digitale Medien und neue Technologien nutzen, ausgezeichnet. Die Jury des Wettbewerbs begründet die Auszeichnung des Projekts mit der Nutzung der „vielfältigen Möglichkeiten digitaler Medien für kreative Lernszenarien.“

Na, das ist doch was: Vor allem kann man jetzt auch mal zeigen, dass es sich lohnt, über längere Zeit an einer Sache zu bleiben. 2004 war die Situation in unserem Studiengang so, dass wir immer weniger Freiwillige für Projekte gefunden haben, die nicht zwingend in die Lehre eingebunden waren. Es entstand die auch jetzt noch gültige Kernidee des Begleitstudiums mit dem Fokus auf Problemlösen (in Form von drei Bausteine: praktisches, soziales und wissenschaftliches Problemlösen) sowie der Gedanke, einen Teil des geleisteten Engagements als „Workload“ im Fachstudium anzuerkennen. Es war dann ab 2007 eine extrem große Hilfe, dass wir über DFG-Gelder im Rahmen eines größeren Projekts der Universität Augsburg (ITS) eine halbe Stelle mit der Weiterentwicklung betrauen konnten. Und auf dieser Stelle hat Tom Sporer zusammen mit einer ganzen Reihe studentischer Mitarbeiter sehr gute Arbeit geleistet: Insbesondere haben wir Erfahrungen aus Knowledgebay mit unseren Begleitstudiumerfahrungen quasi zusammengelegt, den Portfolio-Gedanken ausgebaut und die explizite Förderung von Praxisgemeinschaften vorangetrieben.

Inzwischen haben wir eine gute Dokumentation des Begleitstudiums: das kann sich also jeder selbst anschauen (hier auch der Hinweis auf bereits vorhandene Publikationen). Ja – gut Ding will eben Weile haben … auch in einer schnelllebigen Zeit wie der unsrigen ;-).

Nachtrag: Noch ein Linktipp (hier) – vergessen – Danke für den Hinweis, Tom 😉

Wann kommt die Aufklärung 2.0?

Wird das Web 2.0 „entmündigte“ Mitarbeiter zu kreativen Intrapreneuren und den gelangweilten Schüler zum selbständigen Denker machen? Wenn es nach den Beiträgen zum Thema Web 2.0 in der taz seit Anfang des Jahres geht, dann ist das so. In loser Folge beleuchtet das Blatt das „Lernen 2.0 … mit Reportagen aus Laptop-Klassen, Porträts vom Lernen mit Blogs und Wikis, Interviews mit Vordenkern des neuen Lernens“. Das ist erst einmal gut und die bisherigen Artikel mit den Titeln „Die Entmündigten lernen, kreativ zu sein„, „Blogs – die Zukunft des Lernens“ und „Blogs geben Lernen wieder Sinn“ sind denn auch dazu geeignet, der vielleicht noch nicht in allen Punkten so Web 2.0-affinen Öffentlichkeit interessante Infos, Erfolgsbeispiele (die ja auch tatsächlich existieren) und spannende Visionen zu liefern. So weit so gut. Aber Leute! Wie kommt es, dass man alle Namen kennt? Natürlich sind da Thomas Rau, Lisa Rosa, René Scheppler und Martin Riemer – wer würde diese Namen nicht kennen, wenn er/sie sich für ein wie auch immer geartetes „Lernen 2.0″ interessiert. Was hat das zu bedeuten? Dass wir nur zu zehnt sind? Oder vielleicht zu 30? Und selbst wenn wir 100 oder sogar 300 sind – wie weit sind wir dann noch vom kreativen Intrapreneur im Unternehmen und vom selbständigen Denker in der Schule entfernt? Vielleicht kommt das von den Blogs: Da wir uns da vernetzen und uns – von kleineren Differenzen einmal abgesehen – so gut verstehen, bauen wir uns womöglich eine eigene Wirklichkeit und nehmen „die anderen“  gar nicht mehr richtig war? Ob unser holländischen Wohnzimmer gar Einwegscheiben haben? Gut, ich übertreibe jetzt ein bisschen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir so langsam mehr werden müssten, wenn die Hoffnung aufgehen soll, dass digitale Re- und Evolutionen so etwas wie Ermöglicher für ein sinnvolleres und aktiveres Lernen in Richtung von mehr Selbständigkeit, Partizipation und kritischem Denken gehen soll. Wann kommt die „Aufklärung 2.0″?

In der Wüste feiert man sich am besten selbst

Ausgeprägter kann ein Gegensatz wohl kaum mehr sein:

In einer aktuellen Pressemeldung des bmbf kann man Folgendes lesen: „Zehn Jahre nach seinem Beginn hat der Bologna-Prozess zu einer erfolgreichen Modernisierung der deutschen Hochschulen beigetragen. Die Umstellung bietet die Chance, die Qualität von Studienangeboten zu verbessern, mehr Beschäftigungsfähigkeit zu vermitteln und die Zahl der Studienabbrüche zu senken. Diesen Innovationsschub wollen wir weiter erfolgreich nutzen.“ Mit diesen Worten eröffnete der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Andreas Storm (MdB), am Freitag ein vom BMBF und der Kulturministerkonferenz (KMK) in Berlin veranstaltetes Symposium.

Vor genau einem Jahr kam Professor Brenner von der Universität zu Köln in einem Vortrag mit dem Titel „Die Wüste wächst“ zu einer komplett gegenteiligen Diagnose, was die Erfolge des Bologna-Prozesses betrifft: Er beobachtet eine „Selbstzerstörung der deutschen Universität“ und geht mit Hochschulrektoren, Professoren und Studierenden gleichermaßen ins Gericht, weil sie sich alle unfähig und unwillig gezeigt hätten, dem teuren Bürokratisierungsprozess im Zuge von Bologna die Stirn zu bieten – noch dazu, weil damit die schon Jahrzehnte vorher bestandene „Überfüllungskrise“ noch dramatischer geworden sei.

Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen: Dass ich meine Arbeit nur noch mit einer 7-Tage-Woche schaffe, spricht eher für zweit genannte Diagnose. Dass ich zusammen mit ein paar Leidensgenossen/innen aktuell vor der schizophrenen Aufgabe stehe, erfolgreiche und sinnvolle Konzepte für die Lehre zurückzufahren, weil uns neue Stellen einen überdimensionalen Zuwachs an neuen Studierenden verschaffen, geht auch eher in Richtung von Diagnose 2. Dass wir eine geringe Abbrecherquote in unserem Studiengang haben, dass wir eine ganze Menge sehr guter Absolventen entlassen und die auch noch eine beachtliche Auslands- und Praktikumstätigkeit an den Tag legen, scheint dagegen – in unserem Fall – für Diagnose 1 zu sprechen. Aber für welchen Preis? Ist das wirklich ein Verdienst von Bologna? Oder doch „nur“ das Engagement Einzelner, die immer wieder (wie ich) ein bisschen naiv darauf hoffen, dass das mal belohnt wird? Einen Teil des Lohns habe ich schon kassiert: Die Zeit für Forschung (und Nachdenken!) schrumpft. Es mag ja viele Gründe haben, warum wir z.B. in Bezug auf Fördergelder für das Jahr 2009 weitgehend leer ausgegangen sind. Aber natürlich hat es AUCH damit zu tun, dass mein Zeitbudget für Anträge rapide geschrumpft ist.

Aber es gäbe da natürlich noch eine Einsparmöglichkeit: Ich schließe mein Blog – das würde mir sicher zwei Stunden pro Woche Zeit sparen – das wäre 1 SWS mehr für die Lehre oder eine halbe Seite Forschungsantrag … so ungefähr vielleicht.

Holländische Wohnzimmer

Gestern hatten wir Jan Schmidt (mit dt) bei uns in Augsburg zu Gast:  Vor unseren wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeitern am Institut, Doktoranden und auch einer ganzen Reihe von Studierenden hat er einen Vortrag zum Thema „Persönliche Öffentlichkeiten im Web 2.0“ gehalten und dabei – so der Untertitel des Vortrags – „Merkmale und Konsequenzen des onlinegestützten Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagements“ erläutert.  Der Begriff der „persönlichen Öffentlichkeit“ wurde allem voran über die Merkmale und Prozesse bei der Nutzung von Social Networks verdeutlicht, wobei ein interessanter Hinweis darin bestand, dass man – wie im „echten Leben“ – in verschiedenen virtuellen Netzwerken natürlich auch verschiedene Rolle (Identitäten?) haben kann. Blogs, so eine der Botschaften, scheinen ihre Multifunktionalitäten langsam zu verlieren: die Netzwerkbildung verschiebt sich auf Xing, StudiVZ oder Lokalisten; das Micro-Blogging findet auf Twitter statt – es bleibt der längere, reflektierte Beitrag auf dem Blog? Das sind natürlich nur Thesen, aber mir leuchten diese durchaus ein.

Am Ende seine Vortrags brachte Jan Schmidt eine interessante Analogie – nämlich die von holländische Wohnzimmern, deren Fenster traditionell keine Vorhänge haben: Ein Foto zeigte nun ein Haus, das kompletten Einblick in die Wohnzimmer ließ – nicht nur über ein kleines Fenster (ohne Vorhänge), sondern über eine große Glasfront. Der Holländer – so Jan Schmidt – bliebe nun aber auf der Straße nicht stehen und schaue den anderen unverhohlen ins private Zimmer, denn das mache man einfach nicht. Was damit schön deutlich wird: Es gehören immer zwei zum viel diskutierten „Entblößungsproblem“: der, der zeigt, und der, der sucht und schaut. Wir haben, weil es ein schöner Einstieg in die Diskussion war, natürlich erst einmal durchaus kontrovers diskutiert, inwiefern dieser Vergleich passend, aber eben auch schief ist (was ja das Geniale an einer guten Analogie ist, dass man mit ihr arbeitet und eben Parallelen UND Unterschiede sucht). Beispiel: Spricht es gegen den Bewerber, wenn er neben einem sachlichen Profil in Xing auch in StudiVZ ein Profil mit vielleicht nicht immer ganz glücklichen Schnappschüssen für sein informelles Netzwerk hat, oder spricht es eher gegen den Personaler, der in Communities, die nicht für ihn bestimmt sind, nach zusätzlichen Informationen sucht?

Ich sage danke an Jan Schmidt und die interessierten Zuhörer und Diskutanten für den anregenden Nachmittag (PS: Wir haben zuhause auch keine Vorhänge).

Standards für die Bildung: Geht das?

Stolze 577 Seiten umfasst die Expertise von Jürgen Oelkers und Kurt Reusser zum Thema Bildungsstandards, die bereits vor genau einem Jahr, nämlich im Januar 2008, vorgelegt wurde. In Auftrag gegeben hat die Expertise das bmbf. Ich bin darauf gestoßen, weil ich an sich etwas über Standards, Kompetenzen und Assessment zur Hochschule gesucht habe, und dann bin dann da hängen geblieben.  Ich habe NICHT alles gelesen, sondern nur einzelne Kapitel, die mich gerade interessierten und habe mir dabei so meine Gedanken gemact, was davon auch für die Hochschule von Interesse ist.  Ich denke aber, die Quelle sollte man sich merken, denn da wurde sehr gründlich recherchiert. Falls es jemanden interssiert, stelle ich mal mein Mini-Exzerpt zur Verfügung (bildungsstandards_2008), wobei ich beim nächsten Lesen mit anderen Fragen sicher andere Dinge notieren werde. Es gibt übrigens auch eine Kurfassung (hier).

Die Autoren sprechen sich alles in allem für Standards in der Bildung aus, und ich finde, sie begründen das auch sehr gut (leider aber so lang, dass es nicht viele lesen werden). Allerdings machen Sie auch klar, dass es keinen einfachen Weg gibt, Standards konsensfähig zu formulieren und sie dann auch erfolgreich zu implementieren. Ich war beruhigt zu lesen, dass eine stupide Testkultur nicht das ist, was die Autoren empfehlen, auch wenn sie die übliche Kritik an Bildungsstandards an manchen Stellen ziemlich heftig angreifen (und diese dabei aus meiner Sicht zu rasch in einen Topf werfen).