Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Topfschlagen in der Forschung

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„Bitte stellen Sie den Ablauf der drei geplanten Workshops mit den Partnern dar“ – so lautete kürzlich eine von mehreren Rückfragen an uns im Rahmen eines Beantragungs- und Begutachtungsprozesses bei einem der großen staatlichen Forschungsförderer. Die Workshops, die im Falle der Bewilligung des Projekts nach einem halben Jahr, nach einem Jahr und nach eineinhalb Jahren stattfinden würden, sollten wir also jetzt mit Agenda und Zeitplan versehen. Ich war versucht, auch die Getränke mit aufzulisten. Während man sich über derlei Nachfragen zumindest noch amüsieren kann, rauft man sich die Haare bei anderen Rückfragen oder auch Ablehnungsgründen, die z.B. in die Richtung gehen, dass die Methoden bzw. konkreten Instrumente für eine Erhebung nicht deutlich geworden seien, man ergo davon ausgehen müsse, dass man noch nicht genug Vorarbeit geleistet oder aber nicht kompetent genug sei, ein Forschungsprojekt präzise zu planen. In einem aktuellen Artikel hat nun der Erziehungswissenschaftler Klaus Zierer, aufbauend auf einer soziologischen Studie von Cristina Besio (über Funktionen und Folgen des Projekts als Organisationsform in Universitäten und Forschungsinstituten) die Möglichkeiten, vor allem aber die Grenzen der Forschung in „Projektform“ in einem Artikel in der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft reflektiert. Eine Kurzfassung des Beitrags findet sich hier online in der Zeitschrift „Forschung und Lehre“.

Ich stimme nicht allen Punkten dieses Beitrags zu. Vor allem teile ich nicht die Einschätzung, es würden heute vorzugsweise anwendungsorientierte Vorhaben gefördert (das kommt wohl sehr auf die Disziplin und die Art der Forschungsförderung an). Große Zustimmung aber kann ich dem Beitrag in Bezug auf die Feststellung geben, dass die momentan geförderte Form der Forschung, nämlich organisiert als in der Regel maximal zweijährige (vielleicht auch mal dreijährige) Projekte, ganz massiv die Wege und damit auch Ergebnisse wissenschaftlicher Erkenntnisprozesse beeinflusst. Sehr treffend macht Zierer das Paradoxon der projektorganisierten Forschung mit folgendem Satz deutlich: „Forschungsprojekte geben vor, etwas nicht zu wissen, um gleichzeitig aber auch zu belegen, dass der Weg zu diesem Wissen planbar, also bereits bekannt ist“ – das beginnt bei der Ausgestaltung eines Erhebungsinstruments und endet inzwischen offenbar bereits beim genauen Ablauf eines Workshops. Zwar bin ich mir nicht sicher, ob es wirklich die Projektform an sich ist, die das Problem darstellt, sondern eher die Art, wie man in Begutachtungsprozessen die Qualität eines Projektplans bewertet. Allerdings sind die expliziten Vorgaben (und impliziten Botschaften), wie man einen Projektantrag auszuarbeiten hat, inzwischen dergestalt, dass es kaum Freiraum für themenangepasste Formen der Planung und Begründung gibt. Insbesondere Projektanträge, die sich auf Ausschreibungen beziehen, haben im Entstehungsprozess mitunter etwas von Topfschlagen beim Kindergeburtstag – ohne freie Sicht auf die Intentionen derjenigen, die eine Ausschreibung verfasst haben, versucht man die Richtung zu erahnen, tastet sich langsam heran, freut sich über Hinweise, ob und wann es „wärmer“ wird und lässt sich auf diese Weise in genau die Richtung locken, in die man gefälligst gehen soll. Zierer formuliert das so: „Hält man sich … vor Augen, dass die Finanzierung des Projektes auf dem Spiel steht, dann liegt auf der Hand, dass bei der Wahl der Theorie und auch der Methode auf jene Theorien und Methoden zurückgegriffen wird, die verbreitet und unumstritten sind“. Etwas polemischer bringt Klaus Leggewie (in: „Die akademische Hintertreppe“) die bisweilen absurde Situation der Beantragung von Drittmittelprojekten auf den Punkt: „Die Hürden türmen sich am Eingang, was dazu führt, dass der Antrag bereits den wesentlichen Teil des in Aussicht gestellten Ertrags der Forschung enthält und die Projektleiter zwecks Versorgung neuer Mitarbeiterinnen und Doktoranden umgehend den nächsten Antrag angehen. … Konformismus ist eine Folge, Zynismus die andere“ (S. 75). Ich spüre inzwischen einen Hang zu letzterem.

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