Wir haben dieses Jahr eine kurze Evaluation in StudIP in allen unserer Veranstaltungen gemacht (siehe Weblog-Eintrag). Nun haben wir die Ergebnisse. Vorweg: Die Beteiligung war mäßig, in manchen Veranstaltungen aber durchaus okay. Auch die Ergebnisse waren aus meiner Sicht völlig in Ordnung angesichts der Tatsache, dass es wohl eine Illusion ist, dass man Veranstaltungen machen kann, die allen Studierenden mit ihren unterschiedlichen Interessen, Vorlieben und Erfahrungen gerecht werden können. Also: Was jetzt kommt, ist in gewissem Sinne „Kritik auf hohem Niveau“. Aber wenn man das mal alles außen vor lässt, dann haben mich einige Ergebnisse doch nachdenklich gemacht (auch wenn es nur Tendenzen sind, denn wir haben keine ordentliche statistische Auswertung gemacht, sondern nur mal die Häufigkeitsverteilungen angeschaut).
Also: Interessant ist, dass die Veranstaltungen, in denen besonders viele Studierende sagen, sie waren insgesamt sehr zufrieden und würden Dozent und Veranstaltung weiterempfehlen, nicht diejenigen sind, bei denen auch der persönliche Lernerfolg am höchsten eingeschätzt wird. Das heißt: Es gibt Veranstaltungen, da meinen die Studierenden zwar, sie hätten viel gelernt, trotzdem äußern sie sich unzufriedener als mit Veranstaltungen, in denen sie ihren Lernerfolg als nicht sonderlich hoch einschätzen. Ich denke, das wäre ein Fall für die explorative Datenanalyse; werde unserem Experten in Sachen explorativer Datenanalyse – Ulrich Fahrner – den Datensatz mal geben.
Aber gehen wir jetzt einfach mal davon aus, dass es so ist, wie ich es beschrieben habe. Dann stellt sich natürlich die Frage: Woran liegt das? Da habe ich natürlich ein paar Annahmen:
- Also einmal gibt es sicher Studierende, die es schlichtweg nervt, wenn viel oder auch nur Ungewohntes verlangt wird. Und wenn man verärgert ist, äußert man sich logischerweise unzufrieden. Bei offiziellen Lehrevaluationen ist das natürlich eine nicht unerhebliche Gefahr: Dozenten, die sich bemühen und einen hohen Standard setzen wollen, oder auch Dozenten, die Neues ausprobieren und sich dabei in der Regel mehr engagieren als solche, die jedes Jahr dasselbe Programm abspulen, können regelrecht „angestraft“ werden. Wenn wir – wann wohl? – mal Zustände haben, dass der Studierende nur noch als zahlender Kunde betrachtet wird, kann es durchaus zu solchen Szenarien (der Dozent verlangt zu viel und macht nicht, was ich mir vorstelle, also erteile ich ihm schlechte Noten) kommen – meine ich. Und das hört sich für mich eher gruselig an.
- Aber unterstellen wir das mal nicht. Dann gibt es einen weiteren möglichen Grund, warum erlebter Lernerfolg und das Gefühl der Zufriedenheit nicht oder weniger zusammenhängen als erwartet: Ich meine ja, dass negative Gefühle nicht zwangsläufig schlecht für das Lernen sein müssen (siehe Arbeitsbericht 1). Ärger, Anspannung, vielleicht auch mal Wut u. ä. sind für das Lernen möglicherweise besser als Gleichgültigkeit oder das Gefühl der Langeweile (wobei Angst und Misstrauen sicher nicht zu dieser Form von „Eu-Stress“ zählen). Das Problem dabei: Man müsste als Lernender mit solchen, vielleicht nützlichen, negativen Emotionen umgehen können, man müsste sie „richtig“ attribuieren etc. Vielleicht hilft es ja schon, wenn man eine Evaluation nicht unmittelbar am Semesterende, sondern erst zu Beginn des nächsten Semesters durchführt. Im Bereich des E-Learning experimentieren wir in diesem Zusammenhang mit einem Online-Barometer. Dazu aber an anderer Stelle später mal mehr. Jedenfalls:Wenn das zu den Problemen gehört, dann weiß ich im Moment auch noch keine sinnvolle Lösung.
Ja, und was mir sonst noch durch den Kopf geht, wenn ich mir unsere Ergebnisse ansehe: Interesse – und da gibt es ja genug Studien und Literatur dazu – ist halt ein wesentlicher Faktor für erfolgreiche Lernergebnisse und wohl auch Lernerlebnisse. Didaktische Maßnahmen können sehr wohl einige Interessensdefizite kompensieren – immerhin sind unsere Studierenden dafür, dass sie sich zu einem sehr großen Teil leider überhaupt nicht für pädagogische Fragen interessieren – recht zufrieden mit unseren Veranstaltungen. Aber das hat freilich seine Grenzen: Ich fürchte, als Lehrende verschleißt man sich, wenn man ständig für das Interesse (der anderen) am eigenen Fach kämpfen, wenn man regelrecht Marketing betreiben oder sich beständig verbiegen muss. Vielleicht ist das einer der Hauptgründe für das Burnout bei Lehrern an der Schule: Diese haben ja ständig genau das Problem, denn Kinder und Jugendliche interessieren sich nun mal eher selten für das, was im Lehrplan steht. An der Hochschule – sollte man meinen – müsste das anders sein. Ich freue ich auf Zeiten, in denen es anders wird!