Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Anti-MOOC als neuer pädagogischer Common Sense?

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Welche Wellen – Euphorie und Untergangsstimmung im raschen Wechsel: Die Rede ist mal wieder von MOOCs, was leider inzwischen bei vielen reflexartig eine Gleichsetzung mit allen Formen des Einsatzes digitaler Medien in der Lehre auslöst. Und letzteres ist WIRKLICH ein Problem!

Inzwischen steht die Welle auf Kritik – Anti-MOOC statt MOOC: Dazu gibt es Lesenswertes, z.B. das von Rolf Schulmeister herausgegebene Buch „MOOCs: Offene Bildung oder Geschäftsmodell“, das erfreulicherweise hier offen (!) zugänglich ist. Ich habe erst den Einführungsbeitrag gelesen, aber den kann ich schon mal empfehlen. Und dann gibt es FAZ-Artikel wie diesen (hier), der ebenfalls durchaus berechtigte Kritik äußert, das aber zum einen – wie oben angedeutet – ziemlich undifferenziert mit allen anderen Formen mediengestützter Lehre vermengt und zum anderen auch in den größeren Kontext der Bürokratisierung einordnet:

Verwiesen wird da auf „verwaltungsintensive Großinitiativen, die pädagogischen Common Sense in marktgängige Innovationskonzepte wie ´flipped classroom´ und ´blended learning´ ummünzen“. Die dickste Sau aber, die demnächst durchs Dorf gejagt werde, höre auf den Namen MOOCs.

Dass man nach fast 20 Jahren „Blended Learning“ noch als marktgängiges Innovationskonzept bezeichnet, ist ja geradezu nachhaltig – seltsam, aber was solls. Dass man davon ausgeht, es sei pädagogischer Common Sense, Lehre aktivierend und so zu gestalten, dass „Bildung durch Wissenschaft“ resultiert, möchte ich allerdings doch bezweifeln. Bemühungen um eine ständige Weiterentwicklung in der Lehre sollten in der Tat eine Selbstverständlichkeit sein. Sie aber in den Rahmen eines überflüssigen verwaltungstechnischen und auf Rankings ausgerichteten Aktionismus einzubetten, finde ich bedauerlich. Auch hier teile ich zwar die Kritik des Autors an unnötiger Formalisierung an unseren Hochschulen mit Lähmungserscheinungen an den Stellen, wo man eigentlich mehr statt weniger Energie bräuchte, aber was genau hat denn das jetzt mit Bemühungen um bessere Lehre zu tun?

Richtig ist aus meiner Sicht, kritisch zu hinterfragen, warum alles, was aus den USA kommt, automatisch als nachzueifernder Standard gilt (weshalb ich auch viele unbeantwortete Fragen beim deutschen MOOC-Wettbewerb in diesem Sommer – siehe hier – hatte). Woher kommt das? Aber wenn man das jetzt ausweitet und dazu verwendet, sich gegen mehr Kreativität und Experimentierfreudigkeit in der Lehre zu immunisieren, dann geht das auch an der Idee von Universität vorbei, welche die eigene Lehre (so wie die Forschung) immer wieder hinterfragen und mit gesellschaftlichen Anforderungen abgleichen muss.

PS: Der nächste Pendelblick erfolgt erst Ende nächster Woche.

 

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