Neun Monate Lehre

Nächste Woche beginnt bei uns an der UniBwM das neue Studienjahr. Ein Studienjahr – das bedeutet für uns Lehrende: neun Monate fast durchgängig Lehre, nämlich in Form von drei Trimestern, die weitgehend nahtlos aneinander anschließen. Ich kann nun auf zwei Studienjahre (und das erstes Trimester im Frühjahr 2010) zurückblicken und aktuell festhalten: Alle Bachelor- und Master-Module bzw. -Veranstaltungen sollten inzwischen (mit Ausnahme eines Masterseminars, das ich jetzt im Herbst zum ersten Mal anbiete) weitgehend „sattelfest“ sein, das heißt: Erste Anpassungsschwierigkeiten der mir vertrauten Lehrkonzepte auf die Anforderungen an die bildungswissenschaftlichen Studienprogramme (also BA und MA) an der UniBw sind aus meiner Sicht zumindest in einer ersten Runde überstanden. Ich habe zu diesem Thema (Lehre an der UniBw) ja des Öfteren was gebloggt. Ich stelle mal ein paar Links zusammen – beginnend mit den ersten Erfahrungen im Frühjahr/Sommer 2010 bis zum letzten Blog-Post zu diesem Thema im Juni 2012:

  • Die ersten Erfahrungen: hier
  • Anmerkungen zum Feedback: hier
  • Evaluationsseminar: hier
  • Lehrerfahrungen generell (Vortrag): hier
  • Vorlesungen: hier
  • Unterstützung der Bachelorarbeitsphase: hier

Dass Lehrentwicklungen und -anpassungen erforderlich waren, finde ich nicht schlimm. Meine Mitarbeiter, vor allem Silvia, haben mir dabei immer tatkräftig geholfen. Schade fand ich eher, dass sich viele der Studierenden, die quasi die „Pionierphase“ mitgemacht haben, benachteiligt fühlten. Diese Einstellung kannte ich aus unserem MuK-Studiengang in Augsburg nicht. Da war meine Erfahrung, dass Studierende es honoriert haben, wenn man was Neues ausprobiert hat. Wenn etwas nicht so gut lief, aber Engagement und Interesse an den Leistungen der Studierenden da war, wurde das eigentlich immer nicht nur toleriert, sondern auch als Impuls für eigene Aktivität gesehen. Das ist ganz offensichtlich eine Frage die Kultur und die entwickelt sich nun mal nur sehr langsam.

 

Man liest sogar

In Kürze wird der Wissenschaftsrat auf einer Veranstaltung (hier das Programm) über die Ergebnisse einer Initiative berichten, die bereits 2004 beschlossen wurde. Im Hochschulmagazin duz kann man hier nachlesen, dass es dabei um ein neues Forschungsrating geht – entstanden aus der Unzufriedenheit mit bekannten nationalen und internationalen Verfahren. Diese dienen dazu, Ranglisten zu erstellen, an denen Wissenschaftler wie auch Studierende (und Förderinstitutionen) ablesen können sollen, wie gut eine Universität ist.

Das neue Verfahren des Wissenschaftsrats arbeitet vor allem mit Peer Reviews und kombiniert quantitative mit qualitativen Daten. „Statt nur die Zahl von veröffentlichten Aufsätzen in Fachzeitschriften zu zählen, werden ausgewählte Publikationen von den Gutachtern auch gelesen und bewertet“, so heißt es im besagten duz-Artikel.

Im Pilotverfahren wurden vier Fächer untersucht. Ziel war es unter anderem, die Spezifika der Fächer für ein Rating besser herauszuarbeiten. Der Ranking-Kritiker Richard Münch (Uni Bamberg) war einer der Gutachter in der Pilotstudie, und beschreibt im Artikel den Aufwand als sehr hoch: „Jedes einzelne der 16 Mitglieder der Gutachtergruppe hat im Zeitraum von zwei Jahren etwa drei Monate seiner Arbeitszeit in das Begutachtungsverfahren gesteckt“, so wird er zitiert.

16 mal drei Monaten innerhalb von zwei Jahren für einen Pilotbetrieb mit vier Fächern, das macht zusammen genau vier Jahre Arbeitszeit eines Wissenschaftlers oder eben ein Jahr Arbeitszeit von vier Wissenschaftlern für einen Bruchteil dessen, was an sich Gegenstand eines solchen Ratings wäre. Immerhin kommen dann die so beschäftigten Wissenschaftler nicht zum Forschen, sodass vielleicht der Evaluationsgegenstand ein bisschen kleiner wird. Wenn es das ist, was angestrebt wird (nämlich weniger Forschungsoutput, weil dieser vielleicht eh zu redundant, zu wenig neu o. ä. ist), dann hätte ich da noch ein paar andere Ideen, wie man das erreichen kann: z.B. mehr Zeitinvestition in die Lehre, mehr Personal für Betreuungsleistungen etc.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich finde es gut, dass man die bisherigen Ranking-Verfahren kritisch hinterfragt. Es ist auch völlig legitim, nach Alternativen zu suchen. Positiv ist, dass man erkannt hat, wie wichtig die Beachtung verschiedener Fächerkulturen ist. Und ich schließe mich auch gerne der Ansicht an, dass die Fachöffentlichkeit und alle interessierten Bürger ein Recht darauf haben, zu erfahren, was an Hochschulen so passiert – also auch in der Forschung. Aber ginge das nicht auch anders? Mit mehr Transparenz, die jeder Wissenschaftler und jede Universität jenseits der bloßen Marketing-Maßnahmen herstellt? Mit mehr echter gegenseitiger und vor allem kooperativ (versus auf Selektion) angelegter Kritik, die der Sache dient?

Außerdem: Glaubt denn jemand ernsthaft, dass Peer Review-Verfahren weniger anfällig für Fehleinschätzungen sind als manipulierbare Zählmethoden? Und was ist mit dem Aufwand? Wie lässt sich das rechtfertigen? Werden, wie der Artikel in der duz an einer Stelle suggeriert, tatsächlich Bund oder Länder die Ergebnisse heranziehen, um schwächeren Hochschulen unter die Arme zu greifen? Kann ich mir nicht vorstellen!

Übrigens: In einem Workshop der GMW 2012 zum Thema E-Science (Programm) habe ich mit Thomas Köhler und Klaus Wannemacher kurz diskutiert, welche Vorteile es hätte, wenn sich Wissenschaftler zu einer Publikationsbegrenzung verpflichten würden – also z.B. nur zwei Artikel im Jahre zu schreiben. Wir sind unter anderem zu dem Schluss gekommen, dass das eine Maßnahme zur Qualitätssteigerung sein und insbesondere den Diskurs über Publikationsinhalte erhöhen könnte. Und genau diesen Diskurs könnte man sicher mindestens parallel zu Reviews mit Selektionscharakter nutzen, um sich Einsicht in die Qualität von Forschung zu verschaffen.

Wieder da – und gleich in Richtung GMW

So – Blog-Pause beendet. Da die GMW in Wien naherückt, werden die ersten Blog-Posts nach der Pause ganz der Vorarbeit auf die GMW gewidmet sein.

In meinem Beitrag für die Jahrestagung 2012 in Wien mit dem Titel „Was wäre, wenn es keine Prüfungen mit Rechtsfolgen mehr gäbe? Ein Gedankenexperiment“ habe ich relativ viele Informationen und Argumente „hineingestopft“ – was man an sich nicht tun sollte, mir aber wie so oft auch bei diesem Beitrag dann halt doch wieder passiert ist. Jedenfalls dürfte es unmöglich sein, innerhalb von 30 Minuten sowohl die Grundidee oder besser: die verschiedenen Ideen, zu vermitteln und dann auch noch mit interessierten Zuhörern zu diskutieren. Dazu kommt, dass man alles nachlesen kann – mit Ausgabe des GMW-Bands an die Teilnehmer vor Tagungsbeginn theoretisch schon vor dem Vortrag.

Vor diesem Hintergrund scheidet bei diesem Thema unter den gegeben Umständen für mich ein klassischer Vortrag an sich aus! Was ist die Alternative?

Nun, wozu haben wir das Netz? Eine erste Alternativ-Strategie, die ich einschlagen werde, besteht darin, dass ich ab 01.09.2012 hier in diesem Blog an drei aufeinanderfolgenden Terminen vor der GMW-Tagung Inhalte und Argumente, die für das Gedankenexperimente relevant sind, bereits kommunizieren werde. Dabei hege ich die Hoffnung, dass mich twitternde, bloggende und mit Facebook verbundene (Nachwuchs-)Wissenschaftler dabei unterstützen, diese – eher kurzen Infos – zu streuen. Über dieses Vorgehen sollten dann alle Zuhörer gut auf das eigentliche Gedankenexperiment vorbereitet sein, mit dem ich entsprechend ohne Umwege in der Präsenzsituation beginnen kann.

Und wozu gibt es in der Wissenschaft Mitstreiter? Die zweite Alternativ-Strategie, die ich zusätzlich heranziehen werde, ist, dass ich zwei Wissenschaftler bitten werde, sich aktiv am Gedankenexperiment in der Präsenz-Situation zu beteiligen. Das werde ich natürlich vorab organisieren (hab ich schon), denn man muss da schon ein wenig überlegen, um sich in einem solchen Experiment mit den eigenen Gedanken einzuklinken. Der Mehrwert für die Zuhörer jedenfalls ist, dass sie nicht nur meine Version des Experiments hören (bzw. im schriftlichen Beitrag selbst lesen) können, sondern auch zwei andere, jeweils unabhängig voneinander erstellte.

Womöglich wird die Zeit in der Präsenzsituation trotzdem knapp – aber auch da kann ich dann nur sagen (bzw. rhetorisch fragen): Wozu haben wir das Netz? Dort ließe sich dann bei Bedarf lange weiter diskutieren. Alles in allem kann man festhalten bzw. möchte ich hiermit ankündigen, dass der „Vortrag“ als Blended-Talk in sieben Akten erfolgen wird. Wer sich vorab schon mal kundig machen will, was überhaupt ein Gedankenexperiment ist, kann in das folgende Interview (hier) reinhören.

Zur Übersicht bis zum 11.09.2012: Uebersicht

Große Pause

Einmal im Jahr muss ich mich mal ausklinken, und das dann konsequent. Mit anderen Worten: Im August ist Ruhe – auch auf diesem Blog, auch in der Mail-Box etc. Vor der „großen Pause“ haben wir unter anderem noch auf der Web-Seite unserer Professur die Seiten zur Promotion (vor allem hier) und zur Forschung (nämlich die Schwerpunkte und aktuelle Projekte) überarbeitet. Das war aufgrund einiger neuer Projekte dringend nötig. Im Juli hat mich außerdem mein „Vermittlungsaufsatz“ bei der Zeitschrift EWE beschäftigt (siehe hier): Die Erfahrung, 21 Rückmeldungen inhaltlicher Art (auf 52 Seiten!) auf einen längeren Text zu erhalten, war wirklich etwas ganz Besonderes. Dazu aber mehr, wenn der Prozess komplett abgeschlossen ist. Im September melde ich mich dann wieder – und zwar gleich als Einstieg mit einer „Vorarbeit“ auf einen meiner Beiträge auf der diesjährigen GMW in Wien, worauf ich mich nach einem Jahr GMW-Pause sehr freue. Bis dann also und allen Lesern einen schönen August!

Tokens für das Selbststudium

Früher war das Selbststudium etwas, was einem schlicht selbst überlassen war – darum heißt es ja wohl auch SELBTstudium: Ob und wie intensiv ein Studierender Veranstaltungen vor- und nachbereitet hat, ob und wie er sich Wissen und Können angeeignet hat, das plötzlich vorausgesetzt war, ohne dass es man es offiziell vermittelt bekommen hat, ob und wie er sich Bücher beschafft, diese gelesen, etwas daraus exzerpiert und sich auch für Inhalte interessiert hat, die nicht genau so auch in Prüfungen verlangt sind etc. – na ja, das war halt einem selbst überlassen. Und ist es das jetzt nicht mehr? Irgendwie schon und dann doch wieder nicht:

Es gibt für das Selbststudium nun mal Credit Points, also man bescheinigt Studierenden ganz konkret eine Leistung, ohne dabei gewesen zu sein, und macht das an den vermuteten oder erhofften investierten Stunden fest. Dass das hinten und vorne nicht stimmt, haben wohl alle schon lange geahnt und ist jetzt unter anderem mit der von Rolf Schulmeister initiierten Zeitlast-Studie sozusagen evidenz-basiert. Ob das früher anders war: Ich weiß es nicht. Die Zeitlast-Studie hat auch große individuelle Unterschiede entdeckt – ich nehme mal an, genau so war das früher auch. Jetzt aber gibt es dafür Punkte und ich muss in diesem Zusammenhang immer wieder an sogenannte Token-Systeme denken, die ich aus dem Psychologie-Studium kenne (ich meine da ging es vor allem um Untersuchungen mit Affen!) In Wikipedia heißt es: „Ziel eines Token-Systems ist der Aufbau erwünschten Verhaltens durch Verwendung systematischer Anreize. … Ein Token ist … einem echten Tauschmittel zur Erlangung des primären Verstärkers vergleichbar, funktioniert allerdings nur in seinem System …. Als Tokens eingesetzt werden können z.B. Chips, Punkte, Smilies, Murmeln, Kredit in einem Kreditkartensystem, Scheckheftsystem etc.“ – na also, passt doch!

Aber dieses System will nicht so recht funktionieren: Weil niemand das Selbststudium kontrolliert, man also seine Tokens unkontrolliert bekommt, wird auch kein oder nur wenig Selbststudium praktiziert, z.B. weil (angeblich) keine Zeit dazu ist, weil es andere (wichtigere, schönere) Dinge gibt, weil man gar nicht weiß, wie man das anstellen soll, weil einem niemanden dabei hilft, weil ….

Nun gibt es Fächer, bei denen das nicht sofort auffällt. In Fächern wie Mathematik aber bekommt man die Quittung für fehlendes Wissen und Können – das vielleicht fehlt, weil man eben das großzügig bemessene Selbststudium nicht adäquat nutzt – sofort. Entsprechend hoch sind die Abbrecherquoten nicht nur in Mathematik, sondern überall da, wo Mathematik zu den Voraussetzungen gehört. Das Projekt OPTES nimmt sich diesem Problem nun an. Wir dürfen dieses Projekt wissenschaftliches begleiten – das heißt: Wir entwickeln selbst keine Konzepte für das Problem und erproben auch nichts, sondern wir beraten didaktisch, begleiten im Prozess und evaluieren Ergebnisse der Teilprojekte von vier Partnern in einem BMBF-Verbundprojekt, die das Selbststudium „optimieren“ wollen (hier die Projektskizze auf unserer Web-Seite).

Ich bin sehr gespannt, wie gut wir diese Rolle ausfüllen können werden. Interessant werden auch die angestrebten Ergebnisse zur Verbesserung des Selbststudiums sein – einem Thema, dem man aus meiner Sicht bisher zu wenig hochschuldidaktische Aufmerksamkeit geschenkt hat.

Hoffen kann man ja

Hauptbeschäftigung der letzten Tage war für mich mal wieder die Prüfungskorrektur bzw. genauer: die Korrektur von Fallbearbeitungen von über 80 Studierenden (in Zweierteams). Bereits an der Universität Augsburg hatte ich mit dieser Assessment-Form gearbeitet und damit gute Erfahrungen gemacht. Die Studierenden erhalten einen kurzen Fall (wobei mehrere Fälle konstruiert werden, damit immer nur eine bestimmte Anzahl von Zweierteams den gleichen Fall erhält) und dazugehörige Teilaufgaben, die fallbezogen mit einer eher eng begrenzten Textmenge zu bearbeiten sind. Zur Bearbeitung sollen die Inhalte zweier vorausgegangener Veranstaltungen und die dort verwendeten Ressourcen (vor allem der Studientext Didaktisches Design) verwendet werden. Die Studierenden erhalten morgens die Angabe und müssen die Lösung 24 Stunden später eingereicht haben. Es gibt hier natürlich keine eindeutigen Lösungen. Zwar habe ich selbst Elemente denkbarer Musterlösungen erstellt, die mir bei der Korrektur helfen, aber je nach Argumentationsfähigkeit und Einfallsreichtum sind bei einigen der Teilaufgaben auch Ausführungen möglich, an die ich vorab nicht gedacht habe. Die Korrekturen sind daher schon ein bisschen aufwändig. Inzwischen aber brauche ich nur ca. 15 Minuten für sehr gute Arbeiten und bis zu 25 Minuten für sehr schlechte (das zur Orientierung, falls jemand das auch mal ausprobieren möchte).

Dass gegenseitig abgeschrieben wird, habe ich noch nie erlebt – es würde auch wenig sinnvoll sein. Dass dabei nur sehr gute Ergebnisse resultieren, habe ich leider auch noch nicht erlebt. Vielmehr sind die Ergebnisse in ihrer Qualität höchst (!) unterschiedlich und reichen von sehr guten Lösungen bis zu solchen, die man nicht annehmen kann.

Man sieht an den Lösungen gut, wer Fachbegriffe und Konzepte verstanden hat und diese argumentativ anwenden kann. Man erkennt auch sofort diejenigen Studierenden, die enorme sprachliche Probleme haben oder Sprache bereits kompetent als Denk- und Darstellungswerkzeug nutzen. Das kommentiere ich dann immer ausführlich mit Hinweisen, was die Studierenden versuchen sollten zu verbessern, denn: Wenn diese Dinge im ersten Studienjahr deutlich werden, hat man immerhin noch Zeit, daran zu arbeiten. Von allen schriftlichen Formen der Prüfung jenseits der Hausarbeit liefern mir diese Arbeiten meiner Einschätzung nach stets ein sehr gutes Bild über die Potenziale, aber auch über die Motivation der Studierenden. Was mich immer wieder verwundert ist, dass es auch Studierende gibt, die solche Prüfungsleistungen offenbar abgeben, ohne diese korrekturgelesen zu haben. Da schließe ich dann schon auch auf fehlende Motivation.

Da ich nächstes Jahr andere Fälle konstruieren werde (ich arbeite maximal zweimal hintereinander mit denselben oder ähnlichen), möchte ich diese hier online zur Anschauung zur Verfügung stellen. Wie ich die Lösungen korrigiere, kann ebenfalls im zweiten Dokument nachgelesen werden. Dabei bin ich übrigens dazu übergegangen, die Fehler direkt im Dokument zu kommentieren. Ob die Studierenden das auch lesen und versuchen, daraus zu lernen, weiß ich nicht. Ich hoffe halt einfach immer, dass ein paar dabei sind, die das tun, dabei erkennen, wo ihre Schwächen sind und dies zum Anlass nehmen, dagegen etwas zu unternehmen. Hoffen kann man ja …

Beispiel_Fallaufgaben_Sommer2012

Fallaufgabe_Korrekturhinweise

Soll er doch zu Facebook gehen

Seit der letzten „Bahnhofsgeschichte“ sind jetzt mehrere Jahre vergangen (siehe hier und hier). Es ist nicht so, dass sich in Zügen und auf Bahnhöfen für mich so lange nichts ereignet hätte, aber offenbar hat es für einen Blogbeitrag doch nicht recht gereicht. Heute aber möchte ich von einer ganz kleinen, aber doch sehr bezeichnenden Episode vor einer Zugfahrt nach Karlsruhe berichten.

Es ist 6.30 Uhr und die Menschenschar am Hauptbahnhof in München ist noch einigermaßen überschaubar. Ich stehe an einem der vielen „Backwaren-Verkaufsinselns“ und bestelle einen Latte Macchiato. Während ich auf meinen Pappbecher warte und mir wie immer denke, wie schön doch jetzt eine Porzellantasse wäre, höre ich unweigerlich zu, wie sich die beiden jungen Verkäuferinnen im Innern ihrer Insel in aller Kürze austauschen. „Da war gerade wieder dieser Typ.“ – „Schon wieder?“ – „Der fragt immer, wie es uns geht.“ – „Hm.“ – „Du, ich glaub, der will mit uns reden, so wie der immer fragt.“ – „Dann soll er doch zu Facebook gehen!“ …. „Bitteschön, Ihr Latte.“

Nicht optimal, aber unter den gegebenen Umständen sinnvoll?

In Augsburg hatten wir zur Betreuung bzw. Begleitung der Studierenden beim Verfassen ihrer Bachelorarbeiten eine eigene Veranstaltung im Curriculum vorgesehen. In München ist das bei unserem bildungswissenschaftlichen Studiengang leider nicht der Fall. Aus meiner Sicht ist das ein Fehler, da die meisten Studierenden Unterstützung bei dieser Arbeit brauchen und die individuelle Betreuung ohne Veranstaltung schnell sehr zeitintensiv wird und nicht mehr zu leisten ist. Da ich ohnehin schon mehr Lehre mache als ich machen müsste, habe ich mir nun überlegt, wie man die Studierenden möglichst gezielt und damit für beide Seiten effizient betreuen kann. Ich halte das nicht für die optimale Lösung, aber für eine, die mir unter den gegebenen Umständen zumindest sinnvoll erscheint. Da ich davon ausgehe, dass wir nicht die einzigen mit diesem Problem sind, habe ich die für die Online-Betreuung zusammengestellten Unterlagen frei zugänglich gemacht:

Link direkt zu den Unterlagen der Online-Betreuung

Von außen nicht zugänglich sind natürlich die Gruppen, in denen die Studierenden eines Jahrgangs, die bei uns ihre Bachelorarbeiten schreiben, austauschen können. Ebenfalls auf diese Studierenden beschränkt sind automatische Erinnerungen an spezielle Unterlagen zu bestimmten Zeitpunkten: Die Studierenden sollen nicht nur EINMAL alle Unterlagen ansehen (und wieder vergessen, bis sie relevant werden), sondern gezielt an „neuralgischen“ Stellen der Bachelorarbeitsphase noch einmal darauf zurückgreifen.

Wenn jemand die Unterlagen nutzt (oder auch anpasst) und damit Erfahrungen macht, freue ich mich natürlich über Rückmeldungen!

Neuer Studientext zum Didaktischen Design

Seit mehreren Jahren mache ich einen Studientext zum Didaktischen Design öffentlich zugänglich, den ich nun (nach einer eher kleineren Aktualisierung im letzten Jahr) komplett überarbeitet habe. Ich setze den Studientext in einer Einführungsvorlesung ein, in welcher ich dann vor allem Beispiele bringe und versuche, mit den Studierenden auch ins Gespräch zu kommen.

Der neue Studientext (2012) ist über unsere Web-Seite (unter: Offene Bildungsressourcen) hier verfügbar. Ich freue mich natürlich auch über Kommentare, falls jemand mit dem Text arbeitet und eigene Erfahrungen damit sammelt.

 

Sprachliche Fehlleistungen als Kavaliersdelikt

Es liegen mal wieder mehrere Tage hinter mir, an denen ich einen Stapel Hausarbeiten gelesen, kommentiert und bewertet habe. Ich gebe es zu: Diese Tätigkeit frustriert mich. Sie frustriert mich, weil keinesfalls alle, aber viel zu viele dieser Arbeiten auch im zweiten Studienjahr nicht den Standards entsprechen, die man erwarten würde oder – noch schlimmer – auf die man meint, durchaus hingearbeitet zu haben. Was mir dabei besonders auffällt und was ich an dieser Stelle mal thematisieren möchte, ist die grundlegende Sprachkompetenz. Damit meine ich die Kompetenz, erstens einen Gedanken mittels Sprache so zu formulieren, dass der Gedanke auch tatsächlich wiedergegeben wird, dass der so formulierte Gedanke zweitens für einen Leser nachvollziehbar bzw. verständlich ist, dass die gewählte Formulierung drittens grammatikalisch korrekt und viertens ohne Komma- und Rechtschreibfehler ist. Fangen wir von hinten an: Rechtschreibfehler sind dank Rechtschreibhilfen in allen gängigen Textverarbeitungsprogrammen an sich gar nicht so das Problem – mit Ausnahme vielleicht der Klein- und Großschreibung. Kommafehler sind der reine Wahnsinn. Es geht hier nicht um die Feinheiten – wirklich nicht. Vielmehr werden Kommata nahezu flächendeckend derart wahllos gesetzt, dass daraus bereits Verständnisprobleme resultieren und man sich fast wünschen würde, die Autoren würden Kommata besser gleich ganz weglassen. Grammatikfehler sind ebenfalls häufig: Ganz oben rangieren unvollständige Haupt- wie auch Nebensätze. Nicht im eigentlichen Sinne fehlerhaft, aber extrem hinderlich für das Verstehen sind Passivkonstruktionen, Nominalisierungen und verschachtelte Sätze. Aber all das ist gar nicht das Schlimmste. Für mein Sprachempfinden viel schlimmer ist es, wenn die Sätze semantisch mitunter gar keinen Sinn ergeben, wenn ich sie gar nicht verstehe, sondern nur ahne, was sie aussagen sollen. Wie das zustande kommt? Meine These ist, dass folgende Faktoren eine zentrale Rolle spielen: oberflächliches Lesen wissenschaftlicher Literatur; nur ungefähres Verstehen dessen, was man gelesen hat; der fest verwurzelte Glaube, dass einfache und klare Sätze unwissenschaftlich sind, gepaart mit der Überzeugung, dass die oben genannten grammatikalischen Fehlleistungen (Passivkonstruktionen, Nominalisierungen, verschachtelte Sätze, unnötige Fremdwörter) zum guten wissenschaftlichen Ton gehören. Es ist naheliegend, dass Defizite auf der Sprachebene auf der nächst höheren Ebene etwa der Argumentation eine Fortsetzung finden: Es ist kaum möglich, eine konsistente Argumentation aufzubauen, wenn man schon Probleme hat, einen Gedanken in einen klaren Satz zu packen.

Ich weiß, das klingt jetzt vielleicht etwas überheblich. Ich gestehe auch, dass bei so mancher Lektüre der Zorn in mir aufsteigt und irgendein Ventil her muss, wenn ich einen ganzen Tag oder mehrere Tage damit verbracht habe, Rechtschreib- und Kommafehler, Grammatikfehler und unverständliche Sätze, Absätze und ganze Abschnitte zu markieren und zu erläutern – mit dem Wissen, dass nur wenige diese Hinweise, die mich viele, viele Stunden kosten, auch nutzen werden (aber einige halt schon, weswegen ich es immer wieder tue). Aber mal jenseits der Überheblichkeit und des Zorns: Das ist doch wirklich ein Problem, oder? Was mir hier unter anderem fehlt, ist das Problembewusstsein. Bisweilen habe ich den Eindruck, sprachliche Defizite gelten als eine Art Kavaliersdelikt – also als legitimer Regelverstoß, der nicht nur akzeptiert, sondern in gewisser Weise sogar befürwortet wird: Besser man nutzt die Zeit für was Wichtigeres! Was kann man tun? Schreibwerkstätten einrichten? Viele Maßnahmen zum „wissenschaftlichen Schreiben“ beschäftigen sich eher mit der Zitierweise, mit dem Aufbau von Texten, auch mit emotionalen Problemen wie Schreibblockaden etc. Das ist alles wichtig und richtig so. Aber wenn es ein noch viel grundsätzlicheres Problem gibt – nämlich das, welches ich hier versuche, kurz zu beschreiben? Wie kann man das beheben? Wie kann man überhaupt erst mal das Bewusstsein dafür schaffen und zu einer Haltung gelangen, dass es NICHT egal oder sekundär ist, wenn man sprachliche Defizite hat? Ich würde ja gerne helfen, aber wie in anderen Kontexten auch, bedarf es dazu erst einmal der Einsicht, dass es sich hier um ein relevantes Problem handelt!