Vermisster Diskurs

Vor einiger Zeit habe ich eine Forschungsnotiz zum Thema „Vermittlungswissenschaft“ online gestellt (siehe Blogbeitrag dazu hier). Erfreulicherweise habe ich die Chance bekommen, das Thema über eine „Forschungskooperation via Zeitschrift“ in gewisser Weise zusammen mit anderen weiter zu verfolgen. Möglich macht das die interdisziplinäre Zeitschrift „Erwägen – Wissen – Ethik“ (kurz EWE), herausgegeben von Frank Benseler, Bettina Blanck, Reinhard Keil und Werner Loh. Die Zeitschrift will den „erwägenden Umgang mit Vielfalt“ in den Wissenschaft fördern (vgl. das Programm) und setzt daher auf eine dialogorientierte Form der Auseinandersetzung mit interdisziplinären Themen. Vorrangig werden sogenannte „Diskussionseinheiten“ publiziert, die aus Hauptartikeln, Kritiken (von unterschiedlichsten Positionen aus) sowie Repliken bestehen. Daneben gibt es „Erwägungssynopsen“, welche die Auseinandersetzungsformen in den Diskussionseinheiten reflektieren und die resultierende Vielfalt zu ordnen versuchen. Veröffentlicht werden auch Seminarberichte und Beiträge als Briefe. Mit dem Thema „interdisziplinäre Vermittlungswissenschaft“ wird ein der Diskussionseinheit verwandtes, aber leicht abgewandeltes Verfahren erprobt, das die Herausgeber „Forschungskooperation“ nennen. Diese soll in folgenden Phasen ablaufen, wobei die Bezeichnungen zunächst Arbeitsbegriffe sind:

  • Forschungsprozess I: „Auftakt“. Dabei handelt es sich um den Ausgangsartikel, der deutlich länger ist als der übliche Zeitschriftenartikel und bis zu 90.000 Zeichen umfassen kann.
  • Forschungsprozess II: „Weiterführung“. Dies sind im weitesten Sinne Kritiken, die allerdings vor allem diskursiv gestaltet, also darauf ausgelegt sind, den im Hauptartikel begonnen Prozess fortzuführen.
  • Forschungsprozess III: „Zwischenfazit“. Das Zwischenfazit übernimmt wieder der Autor des Hauptartikels (also eine Art Replik) und stellt folglich eine weitere Station im Forschungsprozess dar.
  • Forschungsprozess IV: „Synopse“. Gemeint ist damit eine Art Wissenschaftsmediation des bisherigen Diskurses seitens der Herausgeber (bzw. einzelner Personen aus dem Herausgeberteam), in dem vergleichende Betrachtungen, Systematisierungsvorschläge und offene Fragen zusammengestellt werden.
  • Forschungsprozess V: „Bilanz“. In dieser Phase haben alle am Forschungsprozess Beteiligten die Möglichkeit, auf der Basis aller fertig gestellten Beiträge aus den Forschungsprozessen I bis IV noch einmal Stellung zum gesamten Prozess zu nehmen und eine Bilanz zu ziehen.

Ich versuche, meinen Hauptartikel relativ bald fertigzustellen, und bin sehr gespannt auf diese Forschungskooperation. Ich erhoffe mir davon Erkenntnisse und Erfahrungen, die ich speziell bei Tagungen, vor allem aber bei Peer Reviews im Forschungs- und Publikationsalltag in hohem Maße vermisse!

Keine Wissenschaft

Was ist eine wissenschaftliche Publikation wert? Welchen Stellenwert dürfen darin die Praxis und praktische Versuche sowie die Erfahrung von Wissenschaftlern haben? Fragen dieser Art sind nicht neu. Ganz konkret werden sich all diejenigen diese Frage allerdings häufiger stellen, die versuchen, mit ihrer Wissenschaft auch einen Beitrag zur Veränderung der Bildungspraxis (falls man sich zu den Bildungswissenschaftlern zählt) zu leisten. Dabei spielen speziell die Rückmeldungen der Peers eine gewichtige Rolle, wenn es darum geht, sich nicht nur eine eigene Position zu erarbeiten, sondern auch diverse Selektionsprozesse zu bestehen. Die Erfahrungen, die man dabei machen kann, sind vielfältig. Ich kann dazu drei aktuelle Beispiele liefern.

Beispiel 1: ein Text zum Thema „Writer´s Workshops in der Doktorandenausbildung“, der sowohl die Konzeption als auch die mittels einer Evaluation erhobenen Erfahrungen der Beteiligten dokumentiert. Ich stelle diesen Text hier online zur Verfügung:

Artikel_Writers_Workshops_final

Wir reichen den Text bei einer Zeitschrift ein, dessen Profilbeschreibung aus unserer Sicht an sich thematisch passen müsste. Wir kommen allerdings nicht einmal ins Review-Verfahren – und zwar mit folgender Begründung:

„Grund für die Desk Rejection ist, dass das Manuskript von seiner Ausrichtung und empirischen Substanz nicht in die (Name der Zeitschrift) passt und im Reviewverfahren aller Voraussicht nach kaum Chancen hat. Die durchgeführte Fallstudie ist keine Forschungsarbeit im engeren Sinne, sondern stellt eine Begleitung einer Realisierung des Konzepts dar, dessen Ergebnisse keinen weiterführenden Erkenntnisgewinn liefern. Ich begrüße es, wenn Universitäten sich bemühen, die Doktorandenausbildung mit Workshops zu verbessern. Aber diese didaktischen Bemühungen an sich sind noch keine wissenschaftliche Publikation wert.“

Ich halte fest: Fallstudien sind keine Forschung. Die im Text beschriebenen Ergebnisse liefern keinen Erkenntnisgewinn. Didaktische Versuche sind es nicht wert, publiziert zu werden.

Beispiel 2: ein Text zum Thema Studierendenorientierung, in dem die verschiedenen Facetten des Begriffs kritisch daraufhin analysiert werden, inwiefern sie in der Praxis als solche wahrgenommen werden und welche Folgen sie im Falle defizitärer Wahrnehmung haben können. Wir erhalten ein sehr positives Gutachten (Annahme ohne Änderung) und ein klar negatives Gutachten (Ablehnung). Die Herausgeber entscheiden sich dennoch für eine Veröffentlichung, auf die ich hiermit verweise (siehe hier).

Die Gründe für die Ablehnung sind allerdings sehr interessant und lauten wie folgt (die bloß inhaltlich referierenden Anteile sowie Wiederholungen von Kritikpunkten lasse ich heraus).

„… Der Beitrag changiert zwischen persönlicher Erfahrung aus Studierendenperspektive … und dem Versuch, die einzelnen Zugänge wissenschaftlich (mit einer Reihe von bibliographischen Hinweisen) zu belegen, wobei dies mitunter einen sehr willkürlichen Eindruck erweckt und in der Argumentation zwar sehr bemüht, aber nicht immer kohärent und nachvollziehbar ist. So sind die einzelnen Zugänge (z.B. „Studierende als Kunden“) kurz angerissen und umschrieben, aus meiner Sicht nicht umfassend erörtert. Dies betrifft die folgenden Kategorien in gleichem Maße. Die Schlussfolgerungen aus der versuchten Kategorisierung … sind sehr daran ausgerichtet, Widersprüche zu argumentieren, die meines Erachtens, real so nicht existieren, zumal eine Bedeutungsvielfalt je nach Perspektive und Kontext durchaus legitim ist. … Der vorgeschlagene Ausweg, den Begriff `Studierendenorientierung´ mit ´Bildungsorientierung´ zu substituieren bringt meines Erachtens keine Klarheit in die Debatte. Wie oben bereits erwähnt basiert der Beitrag auf persönlicher Erfahrung, die in einem wissenschaftlichen Kontext reflektiert wurde. … Die Ansätze sind legitim und auch interessant, die Ausführungen fallen oft zu knapp oder einseitig aus. In dem Fall wäre es vielleicht besser gewesen, es bei einem persönlich gehaltenen Erfahrungsbericht zu belassen und nicht den Versuch einer wissenschaftlichen Abhandlung zu unternehmen.“

Ich halte fest: Persönliche Erfahrungen haben in wissenschaftlichen Texten nichts zu suchen. Begriffe zu reflektieren und mit praktischen Phänomenen in Verbindung zu setzen, sind allenfalls Erfahrungsberichte. Daraus wissenschaftliche Texte zu machen, sollte man unterlassen.

Beispiel 3: Die Einreichung eines Symposiums zu einem Kongress mit einem Motto, das exakt zu unserem Thema zu passen scheint. Unser Beitrag greift das Teilthema Bildungsforschung auf und möchte eine interdisziplinäre Diskussion zu einer entwicklungsorientierten Bildungsforschung leisten, die bislang kaum zur Kenntnis genommen wird, obschon es sowohl Vorläufer als auch aktuelle Vertreter in verschiedenen Disziplinen gibt. Hier der Abstract:

Abstract_Entwicklungsforschung_2011

Die Einreichung wird abgelehnt. Leider erhalten wir keine explizite Begründung für die Ablehnung, sodass meine vorläufigen Folgerungen rein spekulativer Natur sind (es können also völlig andere Gründe ausschlaggebend gewesen sein). Wir bekommen nur einen Hinweis auf die angelegten Kriterien, was dann wohl bedeutet (bzw. bedeuten könnte), dass diese nicht erfüllt waren. So heißt es:

„Für die Auswahlentscheidungen des Programmkomitees waren insbesondere folgende Aspekte ausschlaggebend: 1. das Ausmaß an inhaltlicher Konsistenz, 2. die Erkennbarkeit eines Theorie-, Forschungs- oder Methodenbezugs, 3. die Verknüpfung des Themas mit dem wissenschaftlichen Diskurs und die personelle beziehungsweise institutionelle Vernetzung, 4. die Struktur des Angebots, Erkennbarkeit und Umsetzbarkeit von Ablauf/Organisation des Angebotes, 5. bei den Symposien zudem der deutliche Bezug zum Rahmenthema des Kongresses.“

Ich halte fest: Da das Rahmenthema auf jeden Fall berücksichtigt wurde und das Vorhaben jedenfalls nicht unrealistisch ist, muss entweder unser Vorschlag einer entwicklungsorientierten Bildungsforschung inkonsistent sein oder es wird auch hier unterstellt, dass es sich dabei nicht um Forschung handelt, was dann zugleich bedeuten könnte, dass dieser weit entfernt vom wissenschaftlichen Diskurs ist.

Was schließe ich daraus? Ich könnte jetzt das Fazit ziehen, dass ich mich mit dem, was ich tue, vergleichsweise häufig im außerwissenschaftlichen Raum bewege (dazu passen auch diverse andere Gutachten; siehe z.B. hier). Möglich wäre aber auch, dass es vielfältige Bestrebungen gibt, eine wissenschaftliche Monokultur zu verteidigen oder herzustellen (das kommt jetzt darauf an, von welcher Warte aus man das betrachtet). Vielleicht ist es aber auch nur Zufall gewesen, dass diese drei Ablehnungen innerhalb von drei Wochen hereinflatterten … Um nicht falsch verstanden zu werden: Ablehnungen gehören im Wissenschaftsbetrieb zum Alltag. Sind die Gründe gut expliziert, kann man häufig daraus lernen – es kann der SACHE dienlich sein. Es kann allerdings nicht schaden, sich genau anzuschauen, WAS abgelehnt wird und mit welchen Begründungen.

Enthaltsamkeit

Gleich drei Tagungen sind in Dresden ab heute bis zum 8. September unter einem Dach vereint: Die GMW-Jahrestagung, die DeLFI und eine Tagung der „Gemeinschaft in Neuen Medien“, die mir bisher nicht bekannt war. Außerdem feiert die GMW Geburtstag, die Web-Seite ist neu gestaltet … Respekt!! Leider kann ich genau dieses Jahr nicht mit dabei sein – aber meine Mitarbeiter/innen werden hoffentlich viele Eindrücke einfangen, mir berichten und unsere Arbeit sicher gut vertreten. Irgendwie habe ich ja den Eindruck, ich wäre gerade eben erst in Zürich gewesen, und ich habe zudem das Gefühl, dass ich immer weniger Zeit haben, wirklich Neues zu produzieren(aber möglicherweise ist daran ja vor allem das Studiendekanat an der UniBwM schuld, das ich vor knapp einem Jahr übernommen habe). So gesehen hat meine diesjährige „Enthaltsamkeit“ vielleicht auch was Sinnvolles an sich – denn ich könnte gar nicht viel Neues berichten. Nächstes Jahr ist das dann vielleicht schon wieder anders. Jedenfalls wünsche ich den Organisatoren und Teilnehmer/innen viel Erfolg, interessante Kontakte und hoffentlich zukunftsweisende Gespräche in Dresden! Ach ja – und alles Gute zum Geburtstag, wünsche ich der GMW natürlich auch.

15 Kilo Wissen

Nun wird es aber Zeit, dass ich endlich auch mal ein paar Worte über das Ende und den Neuanfang unserer Arbeit im Kontext „digitale Medien in der Fahrlehreraus- und -weiterbildung“ verliere. Im Mai haben wir das EU-Projekt „Driver Instructor Education 2.0“ abgeschlossen. Sowohl Tamara (hier) als auch Frank (hier) haben darüber bereits ausführlich berichtet (zum Projektüberblick mit weiterführenden Links siehe hier). Auch im digitalen Zeitalter gilt es nach wie vor, die Ergebnisse zu materialisieren. Herausgekommen sind „15 Kilo Wissen“ (in Form zweier Pakete mit dicken Aktenordnern an die EU): Was für eine schöne Möglichkeit der Quantifizierung von Forschungsoutput … mich wundert es, dass man das noch nicht als reguläres Maß eingeführt hat. Fast nahtlos können wir nun ab Juni im Rahmen eines bmbf-Projektes die kommenden eineinhalb Jahre auf diesem Gebiet weitermachen. Unter dem Titel „Partizipative Qualitätsentwicklung in Fahrlehrerausbildungsstätten zur videobasierten Förderung von Lehrkompetenz“ soll das Erfahrungswissen von Ausbildern zum Einsatz von Video in der Fahrlehrerausbildung in einer virtuellen Community gesammelt, zum gegenseitigen Nutzen ausgetauscht und dabei auch neue Vorgehensweisen entwickelt werden.

Mich persönlich interessieren Kontexte wie die Fahrlehrerausbildung vor allem vor dem Hintergrund, wie sie sich z.B. von akademischen Kontexten unterscheiden, welche besonderen Herausforderungen sie stellen und was man daraus generell für das Lehren und Lernen lernen kann. Für Tamara freue ich mich, dass sie nun ihre in den letzten eineinhalb Jahren aufgebauten Kenntnisse und Fähigkeiten auf diesem Feld ausbauen und bald als unsere „Fahrlehrer-Expertin“ fungieren kann :-). Den Sog, solche Anschlussprojekte nicht nur ausschließlich aus inhaltlichen Gründen, sondern AUCH deswegen zu akquirieren, dass man den wissenschaftlichen Nachwuchs weiter fördern kann, spüre ich seit einigen Jahren in hohem Maße. Während das einerseits durchaus motivierend sein kann und man dabei eben auch neue Dinge lernt, die dazu gehören, wenn man Führungsaufgaben in kleineren oder größeren Teams übernimmt, erhöht es andererseits zumindest langfristig die Gefahr sich zu verzetteln. Ganz schnell kann es dann zudem passieren, dass man – bildlich gesprochen – das „Gewicht“ des eigenen Outputs in den Vordergrund rückt – als könne man wissenschaftliche Erkenntnis tatsächlich abmessen wie Industrieprodukte.

Didaktik als überflüssiger Ballast?

Immer wieder stelle ich bzw. stellen wir (also auch meine Mitarbeiter und Doktoranden) fest, dass es große Abneigungen gegenüber „didaktischen Maßnahmen“ gibt. Das beginnt schon an der Hochschule, an der man immerhin meinen könnte, dass die dort verankerte Lehre offen für einen didaktischen Blick ist. Dass man didaktische Erkenntnisse sehr gut auch außerhalb klassischer Bildungsinstitutionen nutzen kann – nämlich in all den vielfältigen Situationen, in denen Menschen einander etwas beibringen, zeigen, weitergeben etc. wollen –, ist noch einmal schwerer zur „vermitteln“. Umgekehrt schaut man gerne auf andere Disziplinen wie z.B. Informations-, Medien- und Kommunikationswissenschaft, von denen man offenbar leichter Rat in Sachen „Wie kann ich das erklären oder zugänglich machen?“ annehmen kann und will. Jedenfalls muss ich darüber sehr oft nachdenken – logischerweise immer dann, wenn wieder mal so eine Erfahrung im Raum steht, bei der Didaktik als ziemlich überflüssig empfunden wird (übrigens auch bei vielen Erziehungswissenschaftlern). Herausgekommen ist jetzt endlich mal als „Auftakt“ eine Forschungsnotiz – wobei die fast schon ein bisschen zu lang geraten ist, um noch als „Notiz“ durchgehen zu können. In dieser gehe ich der Frage nach, ob der Begriff „Vermittlungswissenschaft“ nicht ein fruchtbarer Anker wäre, um (unter anderem) didaktische Erkenntnisse zum einen „attraktiver“ zu machen und zum anderen für die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen zu öffnen, die sich auch mit Vermittlungsfragen im weitesten Sinne beschäftigen.

forschungsnotiz_2011_09

Ich hoffe jetzt, dass für interessierte Leser die Forschungsnotiz noch kompakt genug ist, um sie zu lesen. Jedenfalls würde mich über Rückmeldungen freuen.

Promotion mit 40 plus?

Seit April 2011 läuft wieder unser Doktoranden-Frühjahrszyklus (hier versuche ich einigermaßen regelmäßig darüber zu berichten). Gesten hatten wir einen Workshop zu Online-Communities mit zwei interessanten Gästen: Swapna Kumar und Markus Marquard. An mehreren Stellen in der Diskussion sind wir auf die Frage des Alters in Bezug zu Lernen, Erfahrungsaustausch, aber auch Studium gekommen: Lernen Menschen jenseits des jungen Erwachsenenalters (wo man das festmacht, ist jetzt schwierig) anders? Interessierter? Mit mehr Erfahrung im Hintergrund? Wie ist das, wenn man jenseits der 40 promoviert? Lernt man anderes, weil man z.B. andere Fragen stellt? Und wie ist das, wenn man jenseits der 60 erstmals Wikipedia-Artikel schreibt? Das Thema stand gestern nicht im Zentrum , es schein nur ab und zu durch – vor allem deswegen, weil uns Markus Marquard einen Vortrag über das Projekt „Third Age Online“ gehalten hat, und da geht es um Online-Communities für ältere Menschen. Immer wieder aber kamen wir auf das Thema Alter zurück, und ich halte es für ein sehr wichtiges Thema, das uns schon in früheren Arbeiten zum Wissensmanagement immer wieder einmal beschäftigt hat: Insbesondere der Erfahrungsreichtum, der mit den Jahren steigt, ist ein Punkt, der in unserer Gesellschaft nach wie vor zu wenig gesehen und genutzt wird. Stattdessen neigen wir dazu, in nahezu allen Bildungsinstitutionen mit homogenen Gruppen zu lernen (in Graduiertenkollegs gilt das auch für Doktoranden, wo sich wahrscheinlich selten jemand mit 40 plus verirrt). Besonders ausgeprägt ist das auch an der UniBw München: Hier sitzt immer EIN Jahrgang in den Veranstaltungen und man hat kaum Möglichkeiten, die Jahrgänge zu mischen. Ich muss mir mal Gedanken machen, wie man das dennoch durchbrechen kann: Wir lernen definitiv zu wenig voneinander. Und wenn man mal die Gelegenheit dazu hat, merkt man, wie unerfahren wir damit sind, denn: Ich glaube nicht, dass allein das Zusammenbringen von Menschen aus verschiedenen Generationen ausreichend ist, um fruchtbare Austausch- und Lernprozesse in Gang zu setzen. Vielmehr denke ich, dass man das geschickt initiieren, begleiten und nachbereiten muss.

Rettungsanker zur Evaluation

Eher spontan aus einem praktischen Anlass heraus ist ein neuer (allerdings relativ kurzer) Studientext zum Thema Evaluation entstanden. Im Herbst 2010 hatte ich ein Evaluationsseminar (für Studierende im zweiten Studienjahr) angeboten, das mit drei „Input-Sitzungen“ (und einem Lektüre-Reader im Hintergrund) begann, bevor die Studierenden selbst ein eigenes (kleines) Evaluationsprojekt durchführen sollten. Mein Eindruck (der sich dann in der Seminarevaluation bestätigt hat) war, dass meine mündlichen Ausführungen inklusive Folien (und Reader) nicht zu dem gewünschten mentalen „Grundgerüst“ geführt hatten, das mir aber für die eigenen Evaluationsversuche der Studierenden notwendig erschien. Zur gleichen Zeit saß ich für ein Projekt an der Sichtung aktueller Evaluationsliteratur, sodass ich beides gut zu einem eigenem Text verbinden konnte (eine Vorversion haben die Studierenden dann VOR Ihren Projekten erhalten). Den nun in einer offiziellen Version fertigen Studientext stelle ich – wie die Studientexte zum Wissensmanagement und zum Didaktischen Design – wieder online und damit zur Nutzung in der Lehre gerne zur Verfügung: nämlich hier.

Der Studientext zur Evaluation erwies sich im Rahmen des genannten Seminars als hilfreich. Die Kürze mag auf der einen Seite etwas gefährlich sein (viele Dinge werden logischerweise nur angerissen und/oder nicht in der Differenziertheit dargelegt, in der man sie in der wissenschaftlichen Literatur findet). Auf der anderen Seite zeigte der Text seine Stärke als „Rettungsanker“ im besagten Seminar, sodass ich hoffe, dass er anderen auch noch dienlich sein kann.

Es gibt auch schönere Dinge als Plagiate

Nein, Schluss jetzt mit Plagiaten (auch wenn jetzt – ein bisschen sehr spät – erst diejenigen reagieren, die mit drinstecken). Es gibt auch schönere Dinge, von denen man berichten kann. So ist z.B. eine neue Geschichte von Tech Pi und Mali Bu fertig – unsere beiden Protagonisten im Rahmen einer narrativen Form der Wissensvermittlung für Kinder im Grundschulalter. Einzelheiten dazu finden sich auf Franks Blog (hier). Diesmal geht es um den Lech bzw. um das Dilemma mit Wasserkraftwerken. Das kann man sich hier anschauen.

Das Tolle an diesem „Dauerprojekt“ ist, dass da die Ideen am Ende materialisiert in Form einer fertigen Geschichte vor einem stehen – eine Materialisierung, die nur durch sehr gut koordinierte Arbeit eines ganzen Teams mit verschiedensten Kompetenzen möglich ist. Das weniger Erfreuliche an diesem Projekt ist die schwierige Finanzierung, sodass immer nur in relativ großen Abständen (vielleicht) eine neue Episode möglich wird.

Nicht so oft so viel zu sagen

2011 habe ich mir eine gewisse Tagungsabstinenz verschrieben – und so war ich z.B. schon mal NICHT auf der Learntec, über die vor allem (mal wieder) Jochen Robes (hier) relativ ausführlich berichtet. Ich gehöre zwar ohnehin nicht zu denjenigen, die den Kalender sehr voll mit Tagungsterminen haben, aber bereits die, die da in der Regel drinstehen, bereiten mir zunehmend Kopfzerbrechen, weil ich das Gefühl habe, dass die Kommunikations- und Präsentationszeiten zahlreicher sind als die Denk-, Lese- und Produktionszeiten. Es ist ganz einfach: Ich hab gar nicht so oft so viel zu sagen – und schon gar nicht so oft was Neues.

Aber ich habe ein wenig verfolgt, was auf der Learntec so los war und bei mindestens zwei Ereignissen hatte ich auch ein persönliches Interesse:

Da ist zum einen das LT3-Lehrbuchprojekt von Martin Ebner und Sandra Schön, zu dem ich neben zahlreichen anderen Autoren auch einen Artikel beigesteuert habe. Nun ist es ja online, das Werk, und es ist schon mal (rein optisch) schön anzuschauen. Ob es auch schön zum Lesen ist, werde ich bei dieser Menge erst nach und nach feststellen können. Auf jeden Fall freue ich mich über so viele zahlreiche neue Online-Ressourcen für die Lehre, die ich mit Sicherheit gezielt nutzen werde. Dass Martin und Sandra dieses Projekt in diesem Tempo stemmen, hatte ich nicht recht glauben wollen, und bin eines Besseren belehrt worden. Herzlichen Glückwunsch dazu! Ein erster Blick in die Gesamtstruktur allerdings zerstreut meine Zweifel nicht, dass Bücher dieser Art für Novizen, die an der „Gesamtaufgabe Didaktik“ (versus nur ein spezieller Bereich) interessiert sind, schwer zu verarbeiten sind, weil eine Art Navigator fehlt, der einen durch die vielen Fragmente führt. Daher würde ich das Buch auch eher als Handbuch bezeichnen – trotz des Bemühens, einzelne Artikel mit Fragen und anderen Versuchen, das Selbstlernen zu erleichtern, anzureichern.

Zum anderen sind da auf der Learntec diverse Preisverleihungen gewesen wie z.B. der eureleA-Preis: Hier hat Frank und sein Team (und damit auch ein bisschen wir von der Uni, weil wir das Projekt wissenschaftlich begleiten) mit dem Projekt „edubreak-SportCampus: Web 2.0 gestütztes Lehr-Lernportal für die Traineraus- und Weiterbildung im organisierten Sport“ in der Kategorie „Beste Projektwirkung“ gewonnen (Franks Bericht dazu hier). Darüber habe ich mich sehr gefreut, weil ich eben weiß, wie viel Know-how und Engagement seit Jahren in dieses und verwandte Projekte zum Einsatz interaktiver Videotechnologien speziell für die Förderung von Lehrkompetenz hinein investiert wird. Jochen Robes weist in seinem Blogbeitrag zur Learntec darauf hin, dass vor allem eines nach wie vor ganz schlecht in die Köpfe reingeht: Lern- und Bildungserfolg lässt sich nicht messen wie die Verkaufszahlen von Smartphones. Was sich nicht messen lässt, gilt schon mal von vornherein in unserer Gesellschaft als minderwertig (weshalb man ja mit Gewalt auch in Schulen und Hochschulen alles möglichst betriebswirtschaftlich erfassen will). Genau das ist denn auch die große Schwierigkeit von engagierten Projekten, die den individuellen Bildungserfolg und nicht Abruf- oder sonstige Zahlen im Blick haben. Umso wichtiger sind solche Anerkennungen über Preise – auch für den edubreak-SportCampus!